seitens der Diplomaten gesagt worden, daß neue Vorbereitungen getroffen werden müßten. Es kam die ^:isis des Jahres 1890, wo alles von 8 Tagen zu 8 Tagen in der Schwebe war. Ein Vorwurf der Planlosigkeit konnte also bis dahin nicht gemacht werden. Die große Versäumnis trat im April 1890 ein, wo das Wichtigste sofort hätte vorgenommen werden müssen: Die Ausarbeitung eines Doppeltarife^ eines Maximal- und Minimaltarifes. Dann hätten wir 1891 ganz anders vorbereitet an die Arbeit gehen können. Damals wurde nicht wie jetzt zu unserer Genugthuung zu einer Politik der Sammlung gerufen, sondern der Apfel der Zwietracht vom Regierungstische aus unter die Jnteressentengruppen geworfen. Wir sind ebenso wie der Abg. Richter Vertreter der Allgemeinheit und sind für die Handelsverträge zu haben, welche die Interessen der Allgemeinheit berücksichtigen. (Beifallrechts.) — Abg. Richter (freis. Volksp.): Fürst Bismarck habe das Verdienst, im Jahre 1862 durch den deutsch-fränzösischen Handelsvertrag das System der internationalen Verkehrserleichterungen im Großen angebahnt zu haben. Zuletzt sei er davon abgekommen. Der Beschluß des Landesökonomiekollegiums bezüglich der Kanäle entspreche doch wohl nicht der wahren Meinung der Majorität unserer deutschen Landwirte. — Abg. Kardorff (Reichsp.): Fürst Bismarck habe selbst gesagt, daß er bis zum Jahre 1876 die Wirtschaftspolitik dem Minister Delbrück überlassen habe und erst nachdem er gesehen, daß dieser dem deutschen Handel verhängnisvoll zu werden drohte, habe er selber sich damit befaßt und fei allerdings zu anderen Ansichten gekommen. Die Ansicht Richters gehöre nach Schöppenstädt und Schilda. (Heiterkeit und Unruhe.) — Abg. Richter (freis. Volksp.): Die Chinesen würden sich allmählich ihre Zöpfe abschneiden ; Kardorff aber und seine politischen Freunde werden sich mit ihren bimetallistischen Zöpfen begraben lassen. (Heikerkeit.)—Abg.Dr. Barth (freis. Ver.): Die Ausdrucksweise des Grafen Bismarck ließe beinahe vermuten, daß er meint, die Caprivi'sche Politik habe absichtlich den Jnteressenkampf geführt. Der letztere sei gerade durch die Bismarck'sche Politik entstanden. Redner fragt schließlich an, wie der Stand der Verhandlungen mit England bezüglich eines Vertrages sei. — Staatssekretär v. Bülow antwortet: Auf die Anfrage des Abg. Dr. Barth kann ich nach Lage der Verhältnisse erwidern, daß die Grundzüge der von uns an England zu richtenden Vorschläge in den beteiligten Ressorts festgelegt worden sind und daß wir diese unsere Vorschläge nach London mitgeteilt haben und jetzt Englands Antwort abwarten, mehr glaube ich mit Rücksicht auf den schwebenden Stand der Verhandlungen nicht sagen zu können. — Es folgen weitere Bemerkungen der Abgg. Schönlank, Rösicke, Frhr. v. Heil, Richter, Graf Kanitz, Stumm, sowie persönliche Bemerkungen Kardorffs, Dr. Hasse, Frhr. v. Heil, Richter, Kardorff, Frhr. v. Heil. Hierauf wird Titel 1 „Staatssekretär" angenommen, ebenso die weiteren Artikel bis Artikel 11. Darauf vertagt sich das Haus.
Dies ist unnötig gewesen, da es Picquart bereits acht Monate lang gethan hatte. (Beifall.) Außerdem sei ihm diese Hausjuchung eben nicht angezeigt erschienen. Clömenceau konstatiert, daß Pellieux eine Haussuchung bei dem Zeugen Picquart für nötig gebalten hat, nicht aber bei dem Angeklagten Esterhazy. Der Adjutant des Generalstabschefs Major Pauffin-Saint-Morel kommt in Artillerie-Uniform. Labori fragt, welche Mitteilungen Pauffin gemacht habe, als er Rochefort besuchte. Pauffin versichert, daß er diesen Schritt freiwillig unternommen habe, bewogen durch die Erregung, die im Generalstab über die zu Gunsten Dreyfus' begonnene Campagne herrschte. Er habe Roche- fort Worte gesagt, die Jedermann in seiner Umgebung wiederholte. Er habe Unrecht gehabt und sei deshalb bestraft worden. Er beklage sich darüber nicht. Er habe Rochefort versichert, daß der Generalstab von der Schuld Dreyfus überzeugt sei, welche Ueberzeugung auf das ergangene Urteil und sichere Thatsachen ge- gründet sei. Labori fragt, ob die Geschworenen nicht erfahren könnten, was man Rochefort mitgeteilt habe. Pauffin versichert, er habe Rochefort keinerlei Thatsachen mitgeteilt und mit ihm nur allgemein in dem erwähnten Sinne gesprochen. Hinkend tritt der ehemalige Justizminister Thevenet ein. der mit seinen Bartkoteletten und feiner behäbigen Erscheinung einem Finanzmann gleicht. Thevenet hält eine prachtvolle Rede, der die Frage über den guten Glauben Zola's zum Vorwand dient. Kraft und Würde, mit der er spricht, machen einen tiefen Eindruck. Thevenet spricht sein Erstaunen aus über die Art, wie die Untersuchung gegen Esterhazy geführt worden sei. Die Hauptanstrengung der Untersuchung hätte darauf geführt sein müssen, die „verschleierte
Aattdssttachrichten.
* Alten steig, 12. Febr. Die Zentralleitung des Wohlthätigkeitsvereins in Stuttgart erläßt folgende Bekanntmachung: In ^olge der Aufrufe zu Gunsten der bedürftigen Gewitterbeschädigten des Landes, insbesondere der Opfer der Katastrophe vom 30. Juni und 1. Juli v. I. sind aus Stadt und Land, aus dem engeren und weiteren Vaterlands, ja aus dem fernsten Auslande aus allen Kreisen der Bevölkerung an Liebesgaben in Geld und Naturalien in runder Summe 2250000 Mk. ersammelt worden. Nachdem die erste Austeilung im Betrag von ca. 1690000 Mk. nunmehr stattgefunden hat, ist es uns tiefempfundenes Bedürfnis, allen, welche zu diesem hocherfreulichen Ergebnis beigetragen haben, besonders auch denen, welche Sammelstellen zu übernehmen die Güte hatten, sowie der Presse, welche unsere Bestrebungen in uneigennütziger, wirksamer Weise gefördert hat, unfern innigsten Donk und Segenswunsch auszuspcechen. Da übrigens bei der außerordentlichen Höhe des Schadens weitere Hilfe immer noch sehr willkommen und eine zweite Austeilung für das Unterland vorgesehen ist, so möchten wir die Sammlung noch nicht für geschlossen erklären, sondern werden auch fernerhin Gaben zur Linderung der Not unter den Gswitter- beschädigten dankbar annehmen.
* Freuden stadt, 10. Febr. Aus der gestern
stattgehabten Sitzung der bürgerlichen Kollegien verdienen zwei Beschlüsse von allgemeinerem Interesse besondere Erwähnung. Den hiesigen Volksschullehrern wurde ihre Wohnungsentschädigung von 225 Mk. auf 260 Mk. erhöht. Auf eine von Seiten der Generaldirektion der Staatseisenbahneu gestellte Anfrage, ob die Stadt auch einen Beitrag zum Bau der Murgthalbahn gebe, falls die Bahn mittelst eines Tunnels unter der Stadt durchgeführt werde, wurde beschlossen, jeden Beitrag zur Verwirklichung dieses Projekts abzulehnen. Es wird demnach von den bürgerlichen Kollegien an dem früheren Beschluß festgehalten, wonach die Kosten der Grunderwerbung auf hiesiger Markung aus die Stadtkasse übernommen werden unter der Bedingung, daß die Bahn an der nordöstlichen Seite der Stadt vorbeigeführt und am Feuersee ein zweiter Bahnhof für Personen- und Güterverkehr erstellt wird. (Gr.)
* Wildbad, 10. Februar. Gestern abend fand
ein hies. Mann drei Knaben im Alter von 11, 13 und 15 Jahren im Walde zwischen dem Enz- und Eyachthal beim Soldatenbrunnen im Schnee verirrt und nahm sie mit hierher, wo dieselben im städtischen Krankenhaus untergebracht wurden. Ihrer Aussage nach kamen sie von Karlsruhe, wo sie nach dem Tode ihrer Mutter von der Hausbesitzerin aus der Wohnung gejagt worden seien. Sie wollten nach Baden-Baden, kamen aber vom Wege ab und blieben auf der Hochebene im Schnee stecken. (N. Tgbl.
* Tübingen, 10. Februar. Der Zustand des schlafenden Mädchens zeigt noch dasselbe Krankheit«- bild. Seit zwei Tagen findet künstliche Ernährung mit Milch statt. Es scheint sich doch um einen wirklich pathologischen Fall zu handeln.
Dame" aufzusuchen, die das geheime Dokument aus dem Kriegsministerium Esterhazy übsrbracht habe. Die Aufsuchung wäre leicht gewesen. Hätte man aber gesunden, daß die „verschleierte Dame" nicht existiere, so hätte man untersuchen müssen, wer sonst Esterhazy das „geheime Dokument" aus dem Kriegsministerium übermittelt hatte. Thevenet bespricht hierauf die Frage der Mitteilung des geheimen Dokuments an das Dreysus-Kriegsgericht. Er spricht mit solchem Feuer, daß ihn der Präsident nicht zu unterbrechen wagt. Er kann es sich nicht erklären, daß alle Beteiligten, wie noch gestern General Mercier, auf diese qualvolle Frage mit Schweigen antworten. Ein einfaches Ja oder Nein würde genügen, um alle Angst zu zerstreuen! Thevenet ruft aus: Giebt es unter allen Männern, die mich hören, den Geschworenen, Advokaten und Richtern, einen einzigen, der auch nur einen Augenblick zulassen könnte, daß man einen Menschen verurteile auf Grund eines Dokuments, das er nicht gekannt? Ich protestiere dagegen im Namen der Freiheit, der Verteidigung und im Namen der Menschenwürde. Wenn man die Mitteilung des geheimen Dokuments zugestände, würde der Kassationshof den Dreyfus-Prozeß für nichtig erklären, und wenn er schuldig, würde er einfach ein zweites Mal verurteilt werden. Das Land hätte jede Lösung acceptiert und ich begreife nicht, daß man es in Angst läßt und die Frage nicht beantwortet, welche weder die nationale Verteidigung, noch die Ehre der Armee berührt. Thevenet schließt mit der Versicherung: Der gute Glaube Zola's ist ebenso eklatant wie sein Talent. Salles, ein weißbärtiger würdiger Herr, ist derjenige Freund des Verteidigers Dreyfus, Demange, der eines Tages von einem Mitgliede des Dreyfus-Kriegsgerichts erfahren
* Am Tage vor Weihnacht saß der Schutzmann Baumgärtner in Cannstatt in der dortigen Schanz'schen Wirtschaft. Baumgärtner hatte einen 6fach geladenen Revolver bei sich. Diesen wollte er den andern Gästen zeigen. Hinter dem Schenktische war die 27jährige Frau des Wirts mit dem Schmücken eines Chcistbaums beschäftigt. Ihr wurde unbehaglich, als sie den Schutzmann mit dem Revolver hantieren sah. „Thun sie das Ding weg!" rief sie wiederholt. „Es macht nix!" antwortete Baumgärtner. Da krachte ein Schuß und die Kugel tötete die Wirtin sofort. Nun stand am 8. Februar der unvorsichtige Schutzmann vor der Strafkammer in Stuttgart. Er wußte zu seiner Entschuldigung nicht viel vorzubringen. Nach Aussage des Polizeikommissärs Mayer von Cannstatt wird Baumgärtner des Dienstes entlassen, sobald er die Strafe antritt. Der Staatsanwalt beantragte wegen der außerordentlich groben Fahrlässigkeit eine 5monatliche Gefängnisstrafe. Die Strafkammer erkannte auf 6 Monate Gefängnis.
* Oeh rin gen, 10. Febr. Der am 1. ds. Mts. bezw. in der Nacht vom 31. v. Mts. auf den 1. ds. Mts. aus dem hiesigen Gerichtsgefängnis entwichene Gefangene. Schmied Brehm von Neuenstein, ist am 5. ds. Mts. in Eichhof bei Neuenstein wieder ergriffen und dingfest gemacht worden. Derselbe wurde in seiner Zelle gefesselt und da er der Fesseln sich durch Zerreißen derselben zu entledigen wußte, in einen Tollmantel gesteckt, den er gleichfalls alsbald in Stücke zerriß. Nun wurde er wieder neu gefesselt und trotzdem ist er in verflossener Nacht wieder flüchtig geworden, indem er den Gefaugenenwärter bei seiner nächtlichen Visitation auf die Seite schob, und neben ihm durch die Zellenthüre ging und durch den gewöhnlichen Ausgang das Weite suchte.
* (Verschiedenes.) In der Gartenstraße in Untertürkheim wurden beim Graben eines Kellers in zwei Meter Tiefe zwei Backenzähne eines Mammuts gefunden. Jeder Zahn wiegt 5'/a Pfund und hat an der Kaufläche eine Länge von 18 om und eine Brette von 8 am; die vielzackige Wurzel ist wohlerhalten. — Ein wahres Scheusal von einem Ehemann erregte am letzten Samstag auf der Fahrt von Tübingen nach Stuttgart den allgemeinen Unwillen der Mitreisenden. Er hatte seine Frau aus einer Tübinger Klinik abgeholt, wo dieselbe eine schwere Operation durchzumachen hatte. Die Frau litt offenbar noch an großen Schmerzen, der Mann war betrunken und schalt die Frau, wenn sie stöhnte. Ein mitleidiger Mitreisender holte ihr auf dem Plochinger Bahnhof ein Gläschen Cognac, aber der Ehemann gestattete unter wüsten Schimpfreden es nicht, daß seine Frau den Cognac annahm, ebenso unflätig benahm er sich auf dem Stuttgarter Bahnhof, als andere Mitreisende eine Droschke bestellt hatten, um die arme Frau in ein dortiges Spital zu überführen. Die zum Empfang der Mutter auf den Bahnhof gekommenen Kinder weinten laut, weil der Vater es nicht dulden wollte, daß die Mutter den Wagen bestieg. Erst als das betrunkene Scheusal wahrnahm, daß die Umstehenden sich anschickten.
hatte, daß diesem ein geheimes Dokument mitgeteilt worden sei. Wie dis Blätter gemeldet, ist Salles entschloss n, dies vor dem Schwurgericht auszusagen. Salles erscheint. Labori fragt, was er von dem guten Glauben Zolas denke. Der Präsident will wissen, ob die Frage sich auf den guten Glauben Zolas in der Affaire Esterhazy beziehe? Labori: In der Affaire Zola. Der Präsident: Ich lasse nur Fragen über die Affaire Esterhazy zu. Weiß der Zeuge etwa- darüber? Salles verneint dies. Labori, in höchster Erregung: Ich fordere, daß die Frage so gestellt wird, wie ich sie gefaßt habe. Der Präsident zeigt durch seine Fragestellung, daß er die Antwort kennt, die der Zeuge machen will und daß er ihn daran verhindern will. Das sit die wahre Tendenz des Prozesses. Die Militärs dürfen hier Anklagen erheben, um die Geschworenen zu beeinflussen, und wenn wir eine Gesetz- Widrigkeit beweisen wollen, wegen deren Behauptung Zola angeklagt ist, schließt man uns den Mund. Clsmenceau: Ich erkläre den Geschworenen, daß der Zeuge von einem Mitgliede des Kriegsgerichts die Mitteilung des geheimen Dokuments erfahren hat. Wenn ich nicht die Wahrheit sage, möge der Zeuge mich dementieren. Ein Wort genügt! Salles schweigt! (Große Bewegung.) Die Verteidigung beantragt, durch Gerichtsbeschluß davon Akt zu geben, daß der Präsident die Befragung eines Zeugen über die Mitteilung des geheimen Dokuments an das Kriegsgericht verweigert, und daß der Zeuge die Behauptung Clsmenceau's von dieser Mitteilung nicht dementiert habe. Die Anträge der Verteidigung werden abgelehnt und die Sitzung wird geschlossen.