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Sonntag, 13. Jebruar
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1898.
b Rußland und England
bilden die beiden feindlichen Pole der europäischen Diplomatie in Asien. In China und Korea beginnen sich die Verhältnisse immer mehr und mehr zuzuspitzen, so daß ein geringfügiger Anlaß eine ernstliche Fehde herbeiführen kann. Seitdem jetzt die Erledigung der chinesischen Anleihe in die vorderste Reihe der Tagesordnung rückte, vergeht kaum ein Tag, an dem nicht die großen Londoner Blätter scharf und eindringlich ihre Regierung auffordern, die Interessen des Landes energisch zu wahren. Die Frage, wer die Anleihe übernehmen soll und in Verbindung damit der fernere Streitpunkt, ob der Hafen von Talienwan, an der Ostküste der Halbinsel Liaotong, dem Welthandel freigegeben wird, scheinen ernster als zuvor den Beziehungen beider Großmächte im fernen Osten eine ungewöhnliche Schärfe aufzudrückeu. Niemand entgeht es, daß beim Gegensatz der Interessen zwischen England und Rußland der elftere Staat sichtlich mehr an Boden verliert. England nahm früher im Osten Asiens die ausschlaggebende Stellung unter den Großmächten ein, heute dagegen macht es vergebliche Anstrengungen, um die früheren Errungenschaften nur einigermaßen zu halten.
Daß sich aber anderseits Rußland in Asien noch nicht stark genug fühlt, um England die Spitze zu bieten, zeigt die Meldung, daß China die Absicht, eine Anleihe aufzunehmen, gänzlich aufgegeben habe. Das ist sicher auf Andrängen Rußlands erfolgt, weil es die Summen selber nicht geben konnte und den Engländern die Vorteile nicht gönnte, welche ihnen daraus entspringen, wenn sie die für China nöligen Summen vorstrecken.
Während England in Ostasien um Erhaltung seiner führenden Stellung kämpft, währendes sich im Norden Indiens nach Möglichkeit der vordringenden Russen zu erwehren sucht, macht es seinen Nebenbuhlern nun auch im Persischen Meerbusen zu schaffen. Vor kurzem wurde gemeldet, daß englische Kriegsschiffe in den Persischen Meerbusen ausgesandt seien, um den Schutz ihrer Staatsangehörigen zu übernehmen. Diese Aktion wurde anscheinend deshalb veranlaßt, weil ein Beamter
des englischen Telegraphendienstes an der Ostküste Arabiens durch räuberische Beduinen ermordet worden war. In Wahrheit aber hat der Gewaltakt der Araber nur den Vorwand zur Ausführung eines Plaues geboten, der lange in den maßgebenden englischen Kreisen vorbereitet wurde. England strebt nach dem Besitze des Golfes von Persien und läßt keine Gelegenheit unbenutzt, um sowohl an der langgestreckten Küste Arabiens, als an den gegenüber liegenden persischen Gestaden sich festzusctzen. In Persien giebt es keine wichtige Stadt, in der nicht englische Konsulate errichtet worden wären, mit den arabischen Stämmen wurden Verbindungen angeknüpft, und die Rechte englischer Schiffahrtsgesellschaften, welche besonders die Euphrat- und Tigris-Mündung benutzen, sind längst durch bindende Verträge mit der Türkei sicher gestellt worden. Immerhin waren die bisherigen Erfolge der Engländer äußerst gering, wenn man ihre zahlreichen und großen Bemühungen in Betracht zieht.
In Konstantinopel verfolgt man mit offenem Mißtrauen das englische Vorgehen und bereits hat der Kriegsminister Riza Paswa den Befehl erteilt, die türkischen Garnisonen am Persischen Golf sofort zu verstärken; auch heißt cs. daß schon Truppen zum Persischen Golf abgegangen seien. Thatsächlich haben die Türken recht viel zu verlieren. Denn der Aufruhr in Arabien und die Gewaltthaten der Beduinen könnten leicht in den Engländern die Lust erwecken, die Hafenstädte zu besetzen und damit sich zu Herren Mesopotamiens zu machen. Wenn die Sache bisher nicht zur Ausführung kam, so hat es gewiß nicht am Willen und am Ehrgeiz der Britten gelegen.
Die Absendung der Kriegsschiffe und der Truppen der Engländer hat einstweilen in Petersburg den Plan gereift, verschiedene Gebiete, die an Persien grenzen, zu einem Generalgouvernement zusammenzuziehen und einem Statthalter mit ausgedehnter Vollmacht zu unterstellen. Das bedeutet gleichzeitig eine Truppenverstärkung an der Ostgrenze Rußlands. Man rüstet sich aber auch in Rußland immer mehr zum Entscheidungskampfe mit England.
Deutschs- Reichstag.
* Berlin, 9. Febr. T.-O.: Zweite Beratung des Etats des auswärtigen Amtes. Fortsetzung bei Kapitel 4 Titel 1 „Staatssekretär". — Abg. Kanitz (kons.) tadelt Bebel wegen seiner Angriffe gegen die Krone, welche allgemeine Entrüstung hervorgerufen haben. — Abg. Werner (Antis.) bespricht die Erwerbung von Kiaotschau in günstigem Sinne. Die Sozialdemokraten wüßten übrigens eigentlich die chinesischen Arbeiter mit dem Bruderkuß begrüßen. Die weitere Verlängerung des Vertrags der Spielbank mit dem Fürsten von Monaco sei ein Schandfleck für Europa, dem müsse Halt geboten werden. — Abg. Richter (freis. Volksp.): Die Beschlüsse des Landwirtschaftsrats seien monströs. Es sei der Rechten zum Verdienste zu rechnen, die landwirtschaftlichen Forderungen so offen klar gelegt und das Netz der bisherigen Phrasen endlich zerrissen zu haben. Die Frage der Handelsverträge könne nicht, mit ein paar kavaliermäßigen Redensarten abgemacht werden. Das passe für den Landwirtschaftsrat, aber für den Reichstag gehöre größere Vertiefung. Die Politik Bismarcks in den letzten Jahren habe geschwankt. Gegenüber Deutschland hätten sich damals immer höhere Zollschranken aufgetürmt. Die Handelsverträge brachten uns dem gegenüber manche Konzessionen. Redner wünscht Rückkehr zu den gesunden Prinzipien des Zollvereins. Die Chinesen ließen ihre chinesische Mauer verfallen, die Agrarier wollten heute eine solche errichten. (Heiterkeit.) — Graf Herbert Bismarck: Die Handelspolitik des Fürsten Bismarck soll planlos gewesen sein. Die Grundidee war die Herstellung und Festhaltung eines Autonom-Tarifes im Sinne des Schutzes der nationalen Arbeit. Dies galt seit 1878. Wir haben mehrere Handelsverträge gehabt, die allerdings nicht weiter reichten. 1889 haben Verhandlungen mit Oesterreich stattgefunden, aber Fürst Bismarck war für eine Herabsetzung der Getreidezölle nicht zu haben. Dies rief in Oesterreich keine Verstimmung hervor. Die Herren sahen ein, daß uns das Hemd näher war als der Rock. Es war damals
Der Prozeß Zola.
* Paris, 10. Febr. Die Aussage des Generaloberst Henry verliert sich in Einzelheiten. Henry scheint veil-gen. und seine Stimme wird immer leiser. Was die Besuche des Advokaten Leblois im Kriegsministerium anlangt, so wird festgestellt, daß es im Kriegsministerium durchaus nicht ungewöhnlich war, Advokaten zu Rate zu ziehen, z. B. bei Spionen- affairen, die oft eine juristische Seite hatten, Leblois also dem Obersten Picquart als juristischer Beirat gedient hatte. Leblois erklärt an der Barre, daß Oberst Henry selbst einmal mit ihm zwei Stunden über eine Spionage-Äffaire konferiert habe. Oberst Henry, mit Leblois konfrontiert, bestreitet diese Konferenz. Leblois hält aber seine Angaben mit aller Bestimmtheit aufrecht und sagt, daß Henry selbst vor dem Kriegsgericht diese Konferenz zugegeben habe. Henry wird immer verlegener, beharrt aber bei der Ableugnung der Konferenz. General Gonse wird nochmals über seine Briefe an Picquart befragt. Er sagt: Diese hatten einen durchaus dienstlichen Charakter und mußten entschieden geheim bleiben wie alles, was den Informationsdienst des Kriegsministeriums angehe, der vielleicht der aufreibendste und verantwortungsvollste in der ganzen Armee sei. Oberst Sandherr, Vorgänger Picquarts, sei infolge Ueberanstrengung gestorben. Die Briefe des Generals Gonse an Picquart betrafen nur die Affaire Esterhazy, die keinerlei Zusammenhang mit der Affaire Dreyfus habe. Advokat Clämenceau fragt, ob nicht im Verlauf der Untersuchung Picquarts in der Affaire Esterhazy Schriftvergleichungen angestellt worden feien. Gonse: Jawohl! Clömenceau: Was wurde verglichen? Gonse: Briefe Esterhazy's und das Bordereau. Clömrnceau: DurchdieEinbezieh- ung desBordereauS indieUntersuchung ist der Zusammenhang derAffaireEster-
hazy mit der Affaire Dreyfus klar er- wiesen. (Bewegung.) Der Präsident verbietet Offizieren die Zeugenaussage, worauf die Zeugen die Barre verlassen. Der gleiche Vorgang spielt sich beim Erscheinen Dupuys und der Mitglieder des ehemaligen Ministeriums Dupuy an der Barre ab. Diese ehemaligen Minister verlassen den Saal, ohne ein Wort gesagt zu haben. Major Ravary, der die kriegsgerichtliche Untersuchung gegen Esterhazy geführt, wird von den Verteidigern gefragt, welches das in seinem Anklagebericht erwähnte geheime Dokument sei, das man angeblich eines Tages auf dem Tisch Picquarts im Kriegsministerium gesehen hat. Ravary antwortet, daß er sich um die Natur dieses Dokuments nicht bekümmert habe. Labori konstatiert, daß also Ravary die Aussage eines Zeugen ohne jede weitere Kontrolle in seinen Bericht ausgenommen hat. Das sei bezeichnend für die Art, wie die Untersuchung geführt sei. Ravary protestiert entrüstet. Er habe die Untersuchung loyal und gewissenhaft geführt. (Beifall.) Um das Dokument habe er sich nicht gekümmert, weil dieses nichts mit der Affaire Esterhazy zu thun hatte. Clömenceau erklärt dies für unrichtig. Esterhazy habe behauptet, daß er dasselbe Dokument von einer „verschleierten Dame" erhalten habe, nachdem es aus dem Kriegs- winisterium entwendet worden sei. Esterhazy habe dieses Dokument das „befreiende Dokument" genannt. Welches sei dieses „befreiende Dokument" gewesen? Ravary sagt, er habe sich niemals darum bekümmert. Clömenceau : Diese Antwort genüge ihm, um ihn über die Art aufzuklären, wie Ravary die Untersuchung geführt habe. General Pellieux, der die Voruntersuchung gegen Esterhazy geführt hatte, erscheint in Uniform. Pellieux erklärt, der Respekt, den er vor der Justiz seines Landes habe, gebiete ihm, sich nicht hinter das Amtsgeheimnis zu verstecken. Er werde seine ganze
Untersuchung gegen Esterhazy erzählen. (Bewegung.) Pellieux erzählt, wie er Mathias Dreyfus vorgeladen habe, um die Gründe zu erfahren, die diesen zur Denunziation Esterhazy's bewogen hatten. Dreyfus brachte keinerlei Beweise, nur Behauptungen. Pellieux führt aus, oaß er für die gerichtliche Untersuchung Picquart aus Tunis kommen ließ. Picquart gründete seine Anklage gegen Esterhazy auf den Kartenbrief, der angeblich von einem ausländischen Militärattache stammte, aber Picquart konnte die Echtheit des Kartenbriefs nicht bewerfen, während hingegen andere Zeugen aussagten, Picquart habe gewisse Manöver versucht, um dem Kartenbriefe den Anschein der Echtheit zu geben. Auch fand Pellieux es als eine wahre Naivetät Picquarts, zu glauben, ein Militärattache werde an seinen Spion einen Kartenbrief senden, der von dem Dienstboten gelesen werde könne. Picquart mußte außerdem eingestehen, daß er acht Monate lang ohne jedes Mandat die Korrespondenz Esterhazys auf der Post beschlagnehmen ließ, daß er aber nichts darin gefunden hat. Picquart gestand ferner zu, daß er ohne Mandat bei Esterhazy eine Haussuchung gehalten und dessen Möbel erbrochen, wobei er gleichfalls nichts gefunden hatte. Pellieux erklärt diese Akte Picquarts für nicht näher zu bezeichnende Manöver. Darum habe ihn auch die Freisprechung Esterhazys durch das Kriegsgericht nicht in Erstaunen gesetzt. Er sei stolz, daß er dazu beigetragen und den Beweis geliefert habe, daß es unter den französischen Offizieren nur einen Verräter, nicht zwei gebe. (Beifall.) Pellieux sagt, er möchte jetzt noch von der Affaire Dreyfus sprechen. Labori bittet ihn, er solle dies nur thun. Der Präsident verbietet es. Labori: Also hier ist nichts erlaubt, als fortwährend ohne Beweise anzuklagen. (Lärm.) Clsmenceau fragt, warum Pellieux keine Haussuchung bei Esterhazy gehalten habe. Pellieux :