könne man hier keine allgemeinen Vorschriften erlassen. Man müsse in jedem einzelnen Falle Maßregeln treffen. Graf zu Inn- undKnyphausen (kons. Hosp.) empfiehlt eine Verstärkung der Grenz­sperre. Die ganze Landwirtschaft stehe hinter diesem Verlangen. Einzelne Wünsche gewisser Jnteressenten- gruppen, so auch Zulassung der Kälbereinfuhr aus Holland kämen dem gegenüber nicht in Betracht. Staatssekretär v. Posadowsky betritt den Saal und erklärt, die Regierung thue alles zur Ver­hütung der Seuchen. Der Regierung liege die Durch­führung der Grenzsperre sehr am Herzen. Sofort beim Auftreten einer Seuche im Auslande würden Maßregeln getroffen. Auch der Verkehr im Inlands werde überwacht. Abg. Dr. Langerhans (freis. Volksp.) bemerkt, die Sperren nützen nichts gegen die Maul- und Klauenseuche. Vernünftig sei die Ge­währung von weiteren Mitteln zur Fortsetzung wissen­schaftlicher Untersuchungen. Die Uebertragung der Seuchen geschieht nicht nur durch die Tiere, sondern vielfach durch Viehtreiber, Schlächter u. a. Abg. Hitze hält eine Absperrung der einzelnen Stallungen für zu beschwerlich. Die Abg. Grafen Arnim und Stolberg treten für eine Verschärfung der Absperrung ein. Direktor Dr. Köhler stellt fest, daß England seuchenfrei sei, weil dort jedes erkrankte Tier sofort getötet, der Besitzer aber entschädigt werde, was sich bei uns nicht durchführen lasse. Graf Posadowsky bemerkt auf eine Anregung des Abg. Preiß (Elsäßer), die Schwierigkeit, gegen Wein­fälschungen vorzugehen, liege in der Mangelhaftigkeit der Technik. Vielfach sind die Winzer die ärgsten Panischer. Gegenüber dem Abg. Reiß Haus (Soz.) bemerkt Graf Posadowsky, die Regierung beabsichtige nicht, das bestehende Jmpfgesetz in Frage zu stellen, dagegen nach den entsprechenden Fortschritten der Wissenschaft die Ausführungsbestimmungen abzu­ändern. lieber den Erfolg der Impfung bei der Armee bestehe kein Zweifel. Auf eine Bemerkung des Abg. Oeitel erwidert Graf Posadowsky, der Frage der Milzbrandgefahr in den Bürstcn- fabriken wende die Regierung ihre besondere Aufmerk- keit zu. Das Kapitel Reichsgesundheitsamt wird darauf bewilligt und der Antrag Müller auf die Errichtung einer biologischen Versuchsanstalt angenommen. Nächste Sitzung morgen 1 Uhr.

8snd«snachrichterr.

* Alten steig, 31. Jan. Der Kriegerverein hielt gestern imEngel" seine jährliche General­versammlung. Hiebei trug Hr. Kassier Armbruster den Rechenschaftsbericht, Hr. Schriftführer Stokinger den umfangreichen Geschäftsbericht vor. Aus letzterem war ersichtlich, daß der Verein die Veranstaltung öffentlicher patriotischer Feierlichkeiten mehrfach in die Hand nahm; dann feierte er sein 25jähriges Stiftungs­fest in bekannt gelungener Weise und beteiligte sich erstmals an einem Wohlthätigkeitskonzert, dessen reicher Ertrag den Hagelbeschädigten zugewiesen wurde. Den 2. Punkt der Tagesordnung bildeten die Wahl des Vorstands und Schriftführers und die Ergänzung des Ausschusses. Der seitherige Vorstand, Herr Schreiner Großmann hat am 1. Jan. die Stelle niedergelegt und war somit eine andere Wahl zu treffen. In

Kans Sachs.

Von Dr. Rudolph Genöe.

Hans Sachs hat während der langen Zeit seines Lebens und Dichtens kaum einen merklichen Wechsel in seinen Erfolgen und in der Anerkennung bei seiner Mitwelt erfahren. Gleich bei seinem ersten öffentlichen Auftreten als Dichter von den Wogen der Reformation getragen, hatte er durch seinen Fleiß und durch seine erstaunlich leichte Hand zum Schaffen ganz abge­sehen von seiner dichterischen Begabung überhaupt in den weitesten Kreisen des Volkes eine große Ver­breitung und Popularität erlangt, während er in den höheren, litterarisch gebildeten und Gelehrten-Kreisen wenig beachtet wurde, ganz vereinzelte Stimmeu aus­genommen. Bis ins erste Viertel des 17. Jahrhunderts ward er dann in Süd- und auch in Norddeutschland noch viel genannt, seine Schwankgedichte und Fast­nachtspiele, ja auch seine größeren Schauspiele, die schwächste Seite seiner gesamten Dichtung, wurden noch vielfach nachgebildet und benutzt.

Allmählich hörte auch das auf. Der dreißigjährige Krieg hotte wie so Vieles auch die geistige Hinter­lassenschaft dieses kerngesunden Dichters verdunkelt und in Vergessenheit gebracht. Die gelehrten Dichter- schulcn, die dann aus den rauchenden Trümmern der deutschen Lande sich erhoben, um in der Dichtung wieder einen Sammelpunkt für die Ideale des Lebens zu schaffen, hatten den naturwüchsigen Volksdichter mcht würdigen können, der damals schon als eine antiquiert eErscheinung galt. Ein ganzes Jahrhundert

Vorschlag kam Herr Oberförster Wcith, auf welchen in geheimer Wahl von 60 abgegebenen Stimmen deren 57 fielen. Herr Weith erklärte es als seine Pflicht die Wahl anzunehmen und bat die Kameraden ihn in seiner Funktion zu unterstützen. Der Schriftführer, Hr. Stokinger, wurde durch Zuruf wiedergewählt und in den Ausschuß wurden gewählt die Herren: Kameral- amtsdiener Meeh und Schuhmacher Zoller. Be­schlossen wurde, das Geburtsfest Sr. Majestät unseres Königs in herkömmlicher Weise (verbunden mit Fest­essen im Lokal) zu feiern. Von der Frhrl. v. Gült- lingen'schen Familie traf ein Dankschreiben für die Beteiligung des Vereins an der Beerdigung des Frhrn. W. v. Gültlmgen ein. Hr. Oberförster brachte das Schreiben zur Verlesung, gedachte des Verstorbenen in anerkennenden Worten und forderte zum Zeichen des ehrenden Gedenkens zur Erhebung von den Sitzen auf. welcher Aufforderung sofort entsprochen wurde. Der Abwicklung der Tagesordnung schloß sich noch ein gemütliches Beisammensein an, welches der Kriegcrgesangverein durch den Gesang mehrerer Lieder verschönte. Der Kriegerverein zählt gegenwärtig 96 aktive und 20 passive Mitglieder.

* Nagold, 30. Jan. Heute mittag verschied hier der frühere langjährige Redakteur des Gesellschafters, Hr. Steinwandel.

2. Pfalzgrafenweilcr, 29. Jan. Der Ge­burtstag unseres Kaisers wurde auch hier gefeiert. Eine stattliche Anzahl Herren und Damen versammelte sich am Abend des 27. Januar im Schwanen auf Anregung des Herrn Oberförsters Nördlinger, der in bekannt gewandter Rede den Kaiser feierte und ein Hoch auf denselben ausbrachte. Verschönt wurde der Abend durch weitere, zum Teil humorvolle Reden und besonders durch die musikalischen Genüsse, welche durch Herrn und Frau Oberförster mit Herrn Vikar Merz auf Klavier, Cello und Violine den Anwesenden ge­boten wurden. Herr Apotheker Roos aus Herrenberg, der schon hie und da bei Gelegenheit seine poetische Ader fließen ließ, hatte seine Gedanken auf diesen Tag in Reime gefaßt, die wir hier folgen lassen möchten:

Wohl in allen deutschen Gau'n Sammeln Männer sich und Frau'n Daß man sich geme nsam freut,

Denn es ist Gebur stag heut!

Kaiser W lhelm. Er, der zweite,

(Gott erhall uns ihn zur Freude)

Hat zum Kriege Kraft und Mut

Dies erhält des Friedens Gut.

Denn die Feinde ringsum sehen,

Er läßt Deutschland nichts geschehen;

Darum hüten sie sich fein,

Wollen lieber freundlich sein.

Nur ein starker Arm kann machen,

Daß in Ordnung gehn die Sachen.

Wo man Recht und Pflicht nicht kennt,

Prügelt sich das Parlament.

Drum wir wollen treulich halten,

WaS so lang ersehnt die Alten;

Nichts fleh uns auf Erden gleich Deutschem Kaiser, deutschem Reich!

*Göttelfingen, 28. Jan. Zum Verwalter der hiesigen Wernerscken Anstalt ist von der Bruder­hausverwaltung in Reutlingen Herr Schallenmüller, bisher auf der Karlshöhe bei Ludwigsburg, ernannt worden. Der neue Verwalter wird am 1. Februar sein Amt antreten.

lang gehörte dann Haus Sachs zu den Verschollenen und man mißachtete ihn schließlich, weil man ihn nicht kannte.

Der Dichter des Götz von Berlichingen, der junge Goethe war es, der in seinem 1776 geschriebenen Ge­dicht vonHans Sachsens poetischer Sendung" für ihn mit warmem Herzen eintrat. Aber Goethe war keineswegs der erste der zu seinen Gunsten sprach und seine Verächterin den Froschpfuhl" verbannte. Schon zehn Jahre früher hatte der Altenburger Pro­fessor Salomon Ramsch in seiner noch heute sehr schätzbarenhistorffch-kritischenLebensbeschreibung Hanns Sachsens" ihn wieder zu Ehren zu bringen gesucht. Aber auch schon Gottsched hatte in seinemNötigen Vorrat", dem Verzeichnis aller deutschen Schauspiele, manches anerkennende Wort für den Mann,der nicht einmal studiert hatte."

Sonderlich viel hatten aber weder die Litterar- historiker noch die Dichterworte eines Goethe aus- richten können, um Hans Sachs dem deutschen Volke wieder vertrauter machen zu können. Er blieb dem­selben in seinen dichterischen Schöpfungen noch immer entfremdet, hauptsächlich durch den im Laufe der Jahr­hunderte so gründlich veränderten Geschmack, durch das veraltete Gewand seiner gesamten Dichtung, und dann auch nicht zum wenigsten durch die ungeheure Massenhastigkeit seiner dichterischen Produktion, denn er konnte, ganz unbeschadet seines Wertes und seiner großen Verdienste, doch in gewissem Sinne auch zu denVielschreibern" gezählt werden.

In unserer neueren Litteraturgeschichte ist der alte Dichter seit Gervinus in alle ihm gebührenden Ehren

* Stuttgart, 28. Jan. Die Äommistos der zweiten Kammer für das Ortsvorstehergesetz beriet heute die Beschränkung der Amtsobliegenheiten der Ortsvor­steher. Es soll vornehmlich die polizeiliche Thätigkeit der Ortsvorsteher beschränkt werden und zwar durch Herabsetzung des ihnen zustehenden Strafmaßes und Einengung der durch sie abzuurteilenden Uebertretungen. Die Artikel 5 bis 9 des Regierungsentwurfes werden angenommen, nachdem ein Zentrumsantrag, der die Erlassung von polizeilichen Strafverfügungen und von Strafbescheiden wegen Hinterziehung örtlicher Ver­brauchsabgaben besonderen Beamten übertragen will, abgelehnt worden war. Die nächste Sitzung ist am Montag.

* Bei der württ. Sparkasse ist im letzten Jahr infolge neuer Grundbestimmnngen über den Höchst­betrag der Einlagen rc. ein Rückgang der Mehreinlagen eingetreten. Im Ganzen beliefen sich dieselben bei der württ. Sparkasse und bei den Oberamtssparkassen auf 8 897178 Mk. gegen 14064792 Mk. im Vorjahre. Von der württ. Sparkasse wurden die Einlagen mit 3,6"/o, von den Obsramtsfparkaffen mit 34"/g ver­zinst. Der Reservefond der württ. Sparkasse ist jetzt auf 6758058 Mk. angewachsen, derjenige der Oberamts­sparkassen auf 5 097 872 Mk.

* Seit mehreren Jahren schon werden an Beamte und Privatleute ohne vorhergegangene Bestellung teils als Muster ohne Wert, teils als Doppelbrief Messer, Scheeren rc. gesandt, meist aus der Gegend von Solingen stammend. Es handelt sich um in Masse hergestellte billige Ware, an der das Material sowohl von geringer Qualität ist (meist Kokosnußschalen an den Messern rc.) als auch einer angeblich dauerhaften Vergoldung, die nach ganz kurzem Gebrauch der Artikel sich abnützt, also um Artikel, die bei uns in jedem sich mit diesen Artikeln befassenden Geschäft zum gleichen Preis zu haben sind. Vielfach wird auf das Drängen der Absender hin der Betrag eingesandt, obwohl nie­mand zur Annahme und Bezahlung unbestellter Waren verpflichtet ist, auch nicht zur Aufbewahrung oder Retoursendung auf eigene Kosten. Offenbar wird an den Artikeln trotz anscheinend außerordentlich billiger Preise immer noch so viel verdient, wenn nur ein Teil der hinausgeschleudsrten Ware bezahlt wird, daß sich diese Manipulation lohnt, sonst hätte eine derartige Belästigung des Publikums aufgehört.

* Kirchheim u. T, 28. Jan. Am 20. April d. I. sind es 300 Jahre, daß der einstige Kommandant von Hohentwiel und spätere Obervogt von Kirchheim. Konrad Widerhold, geboren wurde. Einem Beschluß der bürgerlichen Kollegien von gestern entsprechend, soll dieser Tag bier festlich begangen werden. Zu der Feier wird an alle Stipendiaten der Widerboldschen Stiftung Einladung ergehen.

* Tuttlingen, 28. Jan. Der seit 2 Jahren zwischen dem Schneidermeister Waizenegger hier und der Stadtgemeinde Tuttlingen schwebende Prozeß aus Zahlung einer jährlichen Rente wegen verminderter Arbeitsfähigkeit ist dieser Tage in zweiter Instanz vor dem K. Oberlandesgericht Stuttgart durch Vergleich erledigt worden. Waizenegger erhält von der Stadt­kasse als Abfindung für olle Ansprüche 4000 Mk., die Stadt hat die ziemlich beträchtlichen Prozeßkosten beider Instanzen zu tragen. (W. fiel, beim Passieren

eingesetzt worden, besonders auch durch den trefflichen Karl Goedecke. Aber die Litteraturgeschichte vermag es nicht, Tote wieder zu erwecken, sie kann sie höchstens eiubalsamieren. Ein Prozeß der Wiederbelebung kann sich nur sehr allmählich und nur unter Mitwirkung verschiedener anderer Faktoren vollziehen. Eine merk­würdige Wandlung ist mit der Würdigung dieses liebenswerten Nürnberger BolkSdichters vorgegangen. Während früher, als er noch populär war, die Litteratur nichts von ihm wissen wollte, gehört er in neuerer Zeit fast ausschließlich gerade der Litteraturgeschichte und den Philologen an. In den größeren Kreisen, auch des litterarisch gebildeten Publikums, kannte man auch in neuerer Zeit nicht viel mehr von ihm, als ein paar seiner feinhumoristischen Schwankgedichte, die in guten Lesebüchern ihren Platz behalten haben, und ein paar vereinzelte Fastnachtspiele. Viel mehr hat man auch von seiner Persönlichkeit und von seinen Lebensverhältnissen nicht gewußt, als daß er Schuh­macher war und Meistersinger, und daß er als Volks­dichter auch einigen Anteil an der Reformation gehabt hat. Wie viel aber, die von seinerWittenbergischen Nachtigall" gehört haben, werden dies 700 Verse lange Gedicht auch gelesen haben?

Richard Wagner hat in denMeistersingern" von Hans Sachsens Persönlichkeit ein anziehendes und treffendes Bild gegeben. Er hat den Grundzug seines Wesens, Gesundheit der Anschauung aller Dinge, Wohl­wollen und Milde, sowie seinen schalkhaften und gut­mütigen Humor, so gut getroffen, daß wir den Ein­druck einer liebenswürdigen Persönlichkeit erhalten.