Es folgte die erste Beratung deS von den Sozial­demokraten (Auer und Gen.) eingebrachten Gesetz­entwurfes zur Sicherung des Bersammlungs-, Ber- einigungs- und Koalitionsrechts. Abg. Geyer (soz.) begründete den Antrag mit dem Hinweis auf die vielen Beeinträchtigungen gerade der Arbeiter- Organisationen durch die Polizei und verwies auf die Zustände im Königreich Sachsen als nicht nachahmens­wertes Vorbild, was den sächsischen Bevollmächtigten Fischer zu einer Abweisung veranlaßte. Nach scharfen Auseinandersetzungen zwischen den Abgg. v. Stumm (freikons.) und Lenzmann (fr. Vp.) wurde ein Vertagungsantrag angenommen. Nächste Sitzung Freitag.

Lsrrvesnachrichten.

* Calw, 28. Jan. Während in früheren Jahren von einer größeren Bauthätigkeit hier keine Rede war, da abgesehen von einigen Gebäuden fast nichts von Neubauten vorkam, ist hierin ein erfreulicher Um- und Aufschwung zu bemerken. Seit Hr. Werkmeister Krauß im Teuchelweg ein neues Villenviertel erstehen ließ, hat sich auch bei andern die Lust zum Bauen gezeigt. In diesem Jahr werden 5 bis 6 neue Häuser erstehen und sind die Bauarbeiten teilweise schon in Angriff genommen.

* Stuttgart, 27. Januar. Laut Stuttgarter Beobachter" sind bereits 26 volksparteiliche Protest­versammlungen gegen die Lebenslänglichkeit der Orts­vorsteher für nächsten Sonntag angekündigt.

* Nach einer Bekanntmachung des K. Kriegs­ministeriums beträgt die Vergütung für Naturalver­pflegung der Truppen für das Jahr 1898 für jeden Mann: a) für die volle Tageskost mit Brot 80 Pfg., ohne Brot 65 Pfg., b) für die Mittagskost 40 bezw. 35 Pfg., o) für die Abendkost 25 bezw. 20 Pfg., ä) für die Morgenkost 15 bezw. 10 Pfg.

* Ulm, 28. Januar. Daß die Entfestigung Ulms in nicht zu ferner Zeit in Aussicht steht, mag daraus hervorgehen, daß die Eisenbahnverwaltung an Güter­besitzer im Blauthale, Söflingen zu, schon gegen 150000 Mk. für Grnnderwerbungen ausbezahlt hat. Der Ulmer Rangierbahnhof wird sich dem vorliegenden Plane nach künftig in der Hauptsache gegen Söflingen erstrecken.

* Dewangen. Seit dem l.'ds. Mts. ist hier eine Eierverkaufsgenosienschaft in Thätigkeit getreten. Sie verkauft die Eier, nicht wie seither üblich, nach der Stückzahl sondern nach dem Gewicht. Der Haupt­zweck der Genossenschaft ist die Verbreitung der Nutzgeflügelzucht.

* (Verschiedenes.) In Kuppingen, OA. Herrenberg, ist in der Nacht vom 21 . auf 22 . d. M. morgens zwischen 1 und 2 Uhr ein Brand in dem Wohnhause des Johs. Weik ausgebrochen, der, vom Nachtwächter rechtzeitig entdeckt, von den Einwohnern noch vor Entstehung größeren Schadens gelöscht wer­den konnte. An böswilliger Brandstiftung ist nach den an der Brandstelle Vorgefundenen Spuren kein Zweifel. Zwei der That verdächtige Einwohner sind verhaftet. In Schönaich wurde der 71jährige Gottl. Nonnenmacher im Steinenbronner Wald erhängt auf­gefunden. Eine 73jährige Frau in Linse n h o fe n kam in ihrer Küche dem auf dem Herde lodernden

Aber der Befähigungsnachweis läßt sich in einer Masse von Fällen überhaupt praktisch nicht durchführen, nämlich in allen den Geschäften, wo der Handwerker sich nicht streng auf ein einziges Handwerk beschränkt. Wie zahlreich sind die Fälle, wo einer ein anderes Gewerbe betreibt, als das ursprünglich gelernte. Es ent­stünde also eine lästige Einengung des Gewerbetreibenden.

Auf dem Land, wo für jeden einzelnen Hand­werkszweig überhaupt keine geprüften Personen vor­handen sein können, wäre die Durchführung des Be­fähigungsnachweises geradezu unmöglich. Wir sehen, der Befähigungsnachweis bringt Schwierigkeiten über Schwierigkeiten. Das Handwerk würde sich hiedurch selbst in seiner Bewegung hindern, und das alles zu einer Zeit, wo sein Hauptkonkurrent, die Großindustrie, seine Kräfte frei entfalten kann.

Ja. meine Herren, die Großindustrie! Hier liegt die echte Ursackefür die vielfache Bedrängnis des Handwerks, nicht in der Gewerbefreiheit. Wer gegen die Gewerbe­freiheit kämpft, schlägt gegen den falschen Gegner; die Zurückdrängung des Handwerks hat eme viel mächtigere Ursache, nemlich die moderne Entwicklung des Maschinen­wesens und die dadurch hervorgerufene Veränderung der Herstellungsweise aller Waren und den Weltver­kehr. Der Großbetrieb und das Großkapital tragen in der Hauptsache die Schuld am Rückgang des Hand- Werks, und nicht die Gewerbefreiheit, das Fehlen der Zünfte und des Befähigungsnachweises. Darüber ist ein Zweifel heutzutage gar nicht mehr möglich. Aller­dings sind nicht alle Betriebe gleichmäßig von dieser neuen Entwicklung der Dinge betroffen.

Feuer zu nahe, so daß ihre Kleider in Brand gerieten. Auf die Hilferufe der Unglücklichen kamen sofort Nach­barn herbei; allein sie fanden die alte Frau schon völlig verkohlt und tot am Booen liegend. Der Reutlinger Liederkranz beabsichtigt dis Errichtung einer großen Liederhalle und hat zu diesem Zweck: be­reits einen geeigneten Bauplatz für 42 000 Mk. käuf­lich erworben. In Sontheim wurde der 13jähr. Sohn eines Bauern beim Abschirren der Pferde von einem derselben so unglücklich auf den Kopf getroffen, daß die Hirnschale so schwer verletzt wurde, daß an seinem Aufkommen gezwsifelt wird. - Im Spital zu Ulm wurde ein Kranker unter dem Nimen Bäcker Geiger ausgenommen und einige Zeit lang verpflegt. Nach seiner Entlassung stellte sich heraus, daß der­selbe mit dem aus dem hiesigen Kciminalgefängnis entsprungenen Zuchthäusler Fischer identisch war.

* Der Brauer Pschorr in München hat der Stadt zu verstehen gegeben, daß es ihm auf ein Millionen­geschenk nicht ankomme, wenn die Büste seines Groß­vaters in der RuhmeshalleWallhalla" ausgestellt werde. Dieser Großvater sei der Gründer des Münchener Braugewerbes.

* In Hof in Bayern machte sich ein junger Mann durch Ausgabe größerer Summen, durch Freihalten eines größeren Kreises von Leuten mit Champagner. Aufwerfen einer Hand voll Goldstücke auf den Tisch, Geben überreicher Trinkgelder und dergl. auffällig, so daß er später von der Schutzmannschaft ungehalten wurde. Der Polizei gegenüber gab er sich für einen Portepeefähnrich Freiherrn von Reitzenstein, den Sohn eines Majors von Reitzenstein in Augsburg, aus. Die Schutzmannschaft nahm ihm vorsichtigerweise sofort das Geld, das er bei sich führte, 6900 Mk., ab und er­kundigte sich telegraphisch in Augsburg nach der Rich­tigkeit der Angaben des jungen Herrn, der bei seinem ersten Auftreten gar für einen Prinzen gehalten wurde. Ihn sofort zu verhaften, nahm man Abstand bei der Bestimmtheit seiner Angaben und weil sich ein Herr für den Herrn Baronverbürgte." Am Mittwoch vormittag kam Aufklärung, daß die Angaben des jungen Herrn eitel Wind und daß man es mit einem Post­aspiranten Josef Rüffel von München zu thun habe, der seit 1 . Januar nach Oberkotzau versetzt ist. Rüffel hatte inzwischen das Weite gesucht, der Telegraph spielte aber mit Erfolg und der Flüchtling wurde schon in Münchberg im Bahnhofwartesaal 2. Klasse verhaftet. Er hatte einen von einem Viehhändler aufge­gebenen Geldbrief mit 7000 Mk. Inhalt an sich genommen und verschiedene Postanweisungen unterschlagen.

D Rüdesheim. Nach amtlicher Zusammenstel­lung betrug die Weinernte im verflossenen Herbst im ganzen Rheingaukreise 35 770,50 Hektoliter; davon sind nur 531,10 Hektoliter Rotwein, der zum größten Teil in der Gemarkung Aßmannshansen wächst. Der Quantität nach bedeutet das einDrittel" bisHalb­herbst", der Güte nach war der Herbst gut und mittelgut.

* Berlin, 28. Januar. Aus Paris wird ge­meldet: Die steigende Parteinahme der russischen Presse für Zola ruft in Regierungskreisen arge Ver­legenheit hervor. Unter den Zuschriften, welche Zola erhielt, rühren über 500 von russischen Gesellschaften und Vereinen her.

Und welche Verteidigung ist gegen diesen mächtigen I Gegner möglich? Zurückschrauben kann man diese Ent- f Wicklung nicht mehr, die übrigens auch manche gute Seiten hat, das Rad der Zeit läßt sich nicht rückwärts drehen, man kann blos suchen, sich mit diesen Verhält­nissen möglichst gut abznfinden.

Und diesen Weg haben unsre Handwerker schon längst eingeschlagen. Manche beziehen die Erzeugnisse der Fabrik halbseitig oder ganzseitig und finden ihren Verdienst dabei, manche haben neben ihrem eigentlichen Geschäft einen Kleinhandel, und wieder andere suchen die Betriebsform des Großunternehmers, der Fabrik nachzuahmen, indem sie Productiv- und Verkaufs- Genossenschaften gründen, Verkaufshallen einrichten, Kreditgenossenschaften ins Leben rufen und sich über­haupt durch Zusammenschluß stärker zu machen suchen.

Und der letztere Weg ist auch wirklich zweifellos bei den Geschäften, dis die Konkurrenz des Großbetriebs besonders stark fühlen, der zweckmäßigste. Also Zu­sammenschluß, Organisation mit freier Entfaltung aller Kräfte ist die moderne große Parole für das Handwerk, und das, meine Herren, will ja eben auch unser Ge­setz. Sie sehen, es bildet die ganz logische Folge der Entwicklung unserer gewerblichen Verhältnisse.

Unser Urteil über das Gesetz muß also lauten: ein Organisationsgesetz in heutiger Zeit ist überaus zeitgemäß, die Grundlage desselben, die Gewerbefrei­heit, ist nur zweckmäßig und das Ganze ist ein sehr brauchbares Mittel zur Hebung des Handwerks.

Freilich dürfen wir von einem solchen Gesetz auch ^

* Berlin, 27. Jan. (Vom Geburtsfest des Kaisers.) Der Kaiser nahm die Glückwünsche der Familie um 8 V 4 Uhr entgegen, später diejenigen des engeren Hofes, gegen 10 Uhr die Glückwünsche der Kaiserin Friedrich und der eingetroffenen Fürstlichkeiten, des Königs von Sachsen, des Königs von Württem- b-rg und der Prinzessin Pauline, sowie der Prinzen und Prinzessinnen des königlichen Hauses. Um 1(U/r Uhr fand in der Schloßkapelle ein feierlicher Gottes­dienst statt. An den Gottesdienst schloß sich eine Cour im Weißen Saale des Schlosses an. Um 12^/4 Uhr begab sich der Kaiser zu Fuß nach dem Zeughause, vom Publikum stürmisch begrüßt, schritt die Front der Ehrenkompagnie ab und wohnte der großen Paroleaus­gabe im Lichthofs des Zeughauses bei. Dis Frühstücks­tafel im Schlosse sand im Familienkreise statt. Kaiserin Friedrich hatte Einladungen zu einer Frühstückstafel an die hier anwesenden Fürstlichkeiten erlassen. Nach­mittags fand beim Reichskanzler ein Diner zu über 80 Gedecken statt, wozu das diplomatische Corps, sowie die Vortragenden Rate im Auswärtigen Amte ge­laden' waren.

* Berlin, 28. Jan. Die Illumination in der Reichshauptstadt bot ein glänzendes Bild. Das Reichs­tagshaus, die Botschaften und die Kaufhäuser ragten im Lichtglanz hervor. Eine festlich gestimmte Menschen­menge bewegte sich aus den Straßen. Den Kaisertag feierten unter dem Vorsitz der Botschafter die deutschen Kolonien in Paris, London, Konstantrnopel, Rom, Brüssel und der Schweiz. Graf von Münster, Graf v. Hatzfeld und Freiherr v. Marschall feierten den Kaiser als Förderer des deutschen Narionalgefühls und Deutschlands Machtstellung.

* Staatssekretär des Reichspostamtes von Pod- bielski hat bekanntlich auch die Ausdehnung des Post- regals auf die Beförderung geschlossener Briefe innerhalb der Großstädte gefordert. Daß die m 14 deutschen Städten ansässigen Privatgesellschaften nicht so ohne weiteres zu einem Zugeständnis an den Staatssekretär bereit sein würden, lag auf der Hand. Sie protestierten schriftlich gegen den Angriff auf ihre Existenz. So schlimm war es aber von Podbielski gar nicht gemeint. Vielmehr ist er in Verhandlungen mit den Privatposten darüber ein­getreten, unter welchen Bedingungen diese die Be­förderung geschlossener Briefe aufgeben könnten. In der Verhandlung mit der Berliner Privatgesellschaft bezifferte diese ihren durch die Ausüehnung des Post­regals auf geschlossene Briefe erwachsenden Verlust auf etwa 1,600,000 Mk.

Dem Vernehmen nach hat sich jetzt derNord­deutsche Lloyd" (Bremen) dazu verstanden, mit der Hamburger Paketfahrtgesellschaft" ein Abkommen da­hin zu treffen, daß er ihr nach Genehmigung des neuen Vertrages durch das Reich eine Anzahl Fahrten für ihre Schiffe mit einem Teil der Reichsunterstützung abtreten will. Das Reich würde nach wie vor allein mit demNorddeutschen Lloyd" kontrahieren.

* Köln, 27. Jan. In dem Prozesse gegen den Kriminalschutzmann Kiefer wegen vorsätzlicher wider­rechtlicher Freiheitsentziehung, vorsätzlicher Körper­verletzung und öffentlicher Beleidigung, begangen durch die am 2 . Aug. 1897 vorgenommene Verhaftung eines jungen Mädchens, beantragte der Staatsanwalt Frei-

> nicht zu viel verlangen. Daß mit Einführung desselben I plötzlich alles schön und gut werde, läßt sich billig nicht erwarten. Aber es giebt eine gesunde Grund­lage zu kräftiger Entwicklung.

Znm Schluß noch einige Worte über die Auf­gaben, die für die Gewerbe-Vereine und einzelnen Handwerkern aus dem Gesetz erwachsen.

Das Gesetz bietet zunächst nur den Rahmen für den künftigen Ausbau. Es handelt sich darum, den gesetzlichen Bestimmungen Leben beizubringen, sie praktisch wertvoll zu machen Und dazu ist die Mit­wirkung aller nötig. Die Gewerbevereine namentlich müssen mit den Handwerkerkammern, zu denen sie den Unterbau bilden, in wechselseitigen anregenden Ver­kehr treten, um sich gegenseitig zu befruchten und leistungsfähig zu machen. Dann wird jeder Handwerker die Ueberzeugung gewinnen, daß seine Schmerzen eine wirksame Vertretung finden und dann wird auch das Interesse am eigenen Stand wieder mächtig gehoben werden.

Die einzelnen Handwerker aber sollen sich an diese so viele Vorteile bringenden Vereinigungen an­schließen, ohne aber darum das höchste Gebot für jeden der sich in die Höhe bringen will, zu vergessen, das Gebot der Selbsthilfe.

Meine Herren! Das Gesetz ist gegeben; es ist nun an Ihnen, zu zeigen, daß Sie die Waffe auch zu gebrauchen wissen.

* (Etwas versalzen.) Arzt:Nun, Herr

Maier, wie war es im Seebade?" Bankier:A, ' bissel zu viel gesalzen ist es gewesen, Herr Doktor."