* Stuttgart, 15. Jan. In den Monaten September, Oktober und November 1897 sind auf den württ. Eisenbahnstationen von fremden Bahnen 9271 Wagenladungen Obst zu 10 000 Kilogramm angekommen (1896 : 3112, 1895: 7120) und zwar aus den Niederlanden 2183, Belgien 1248, Oesterreich- Ungarn 696, Italien 483, Hessen und Nassau 381, West- und Mitteldeutschland 3l7, der Pfalz 274, der Rheinprovinz 187, Spanien 142, Elsaß-Lothringen 121, Frankreich 115. Bayern 51, der Schweiz 31, Baden 25, Serbien 14, Amerika 2, Sachsen 1 Wagen. Ein Versand von inländischem Obst in Wagenladungen fand wie in den Vorjahren nicht statt. Außerdem wurden im Laufe des Jahrs 1897 von zur Mostbereitung dienenden getrockneten Weinbeeren (Rosinen, Korinthen, Zibeben) 10932 580 ÜA(— 1093 Wagenladungen, 1896: 818 Wagenladungen ü 10000 von Mannheim und Triest aus auf württ. Stationen eingeführt. Annähernd die Hälfte dieses Empfangs fällt auf die Stationen Stuttgart und Ulm.
* Mchnsingen, 14. Jan. In den nächsten Wochen wird hier mit dem Bau eines großen Cement- werkes begonnen, hinter dem ein Konsortium mit einem Anlagekapital von 1 Million Mark steht. Es ist dies für die Entwickelung unserer Stadt, deren Verkehr sich seit Erbauung der Eisenbahn und seit der Anlage des Barackenlagers wesentlich gehoben hat, von großer Bedeutung. — Als weiterer Fortschritt für unsere Stadt ist der Bau eines städtischen Schlachthauses zu verzeichnen, wozu die Arbeiten schon in Akkord gegeben sind.
* Ellwangeu , 14. Jan. Der im hiesigen Landgerichtsgefängnis in Untersuchungshaft befindliche Stadtschultheiß Heckmann von Neresheim hat dieser Tage seine sämtlichen öffentlichen Neuster nieöergelegt, unter Verzichtleistung auf Titel. Gehalt und Pensionsanspruch. Von seinem flüchtigen Bruder, dem Schultheißen von Ohmenheim, hat man noch keine Spur.
* Karlsruhe, 15. Jan. In der heutigen Kammersitzung erklärte Finanzmimster v. Bu Heuberger anläßlich der Beratung des Budgets des Staatsministeriums, die badische Regierung habe mit ihrer Zustimmung der Flottenvorlage nur eine selbstverständliche nationale Pflicht erfüllt. Sie werde jederzeit zur Stelle sein mit einem solchen Votum, wo es sich um eine Erhaltung und Wahrung des im Jahre 1871 mit großen nationalen Opfern geschaffenen Be- sitzes handle, zu dessen unentbehrlichem Rüstzeug auch eine Flotte gehöre, die dem von Jahr zu Jahr wachsenden Weltverkehr Deutschlands sich anpasse (lebhafter Beifall.) Wenn ein Wort wahr sei, so sei es das, daß heute, wo der ganze Erdball der Schauplatz nicht blos politischer, sondern wirtschaftlicher Kämpfe geworden ist, nur eine seetüchtige Nation das politische und damit das wirtschaftliche Ansehen bewahren könne. (Lebh. Beifall.) Der Referent der Budgetkommission, Zentrumsabg. Hug will sich die Stellungnahme noch Vorbehalten.
* Mannheim, 14. Jan. Die „Neue Bad. Landesztg." meldet: Es wird nunmehr bekannt, daß die deutsch-amerikanische P-troleumgesellschaft und die Mannhelm-Bremer Aktiengesellschaft im Verein mit der American Petrol Company das gegebene Ver
sprechen, weitere Verträge nicht abznschließen, durch Verweigerung der Transportmittel und anderer Einschränkungen umgehen. Das Bekanntwerden dieser Thatsache erregt großes Befremden und wird in den beteiligten Kreisen als eine grobe Mystifikation der öffentlichen Meinung bezeichnet.
* München, 11. Jan. Bayern hat sich an den Verpflegungsgeldern, die Frankreich 1870 71 zu zahlen hatte, 613,000 Mk. erspart. Mit den angefallenen Zinsen ist diese Summe jetzt auf 1,386,000 Mk. angewachsen. Das Kriegsministerium wollte das Geld als Stammkapital einem zu gründenden Unterstützungsverein für die Hinterbliebenen bayerischer Offiziere. Sanitätsoffiziere und oberer Beamten der Militärverwaltung zuweisen. Der Finanzausschuß hat jedoch beschlossen, dem Unterstützungsverein sollen jährlich die Zinsen aus 300000 Mk. zugewendet und aus den Zinsen des Restes bedürftige Veteranen aus den Jahren 1866 und 1870/71 unterstützt werden.
* Eschenlohe (b. Parthenkirchen), 15. Jan. Seit gestern abend wütet in dem benachbarten Hirschwalde ein Brand. Bis jetzt sollen 200 Tagwerk verloren sein. Von den benachbarten Orten sind das Forstpersonal, die Feuerwehren und Hilfsmannschaften an der Brandstelle eingetroffen. Etwa 500 Personen arbeiten an der Bewältigung des Feuers. Dank den getroffenen Maßnahmen dürfte eine weitere Ausbreitung des Brandes ausgeschlossen sein. Ueber die Entstehungsursache ist bis jetzt noch nichts bekannt.
* In Mainz goß ein Junge einem anderen Jungen Vitriol in den Kaffee; der Junge trank davon und zog sich furchtbare innere Verletzungen zu.
* Berlin, 14. Jan. Die dem Oberkommando der Marine anläßlich der Besetzung der Kiaotschaubucht zugegangene Allerhöchste Kabinetsordre hat folgenden Wortlaut: „Ich habe mit Befriedigung durch die Meldung des kommandierenden Admirals vernommen, in welch umsichtiger und energischer Weise die Besetzung der Kiaotschaubucht und die Unternehmung gegen Haiti im Sinne der erteilten Instruktion durchgeführt worden ist. Ich nehme hieraus gerne Veranlassung, den Kommandanten und Besatzungen Meiner dabei beteiligten Schiffe Meine Anerkennung auszusprechen. Wilhelm, 1. U."
* Berlin, 15. Jan. Ueber die Entwickelung von Südwestafrika hielt der Kommandeur der kaiserlichen Schutztruppe, Major Leuiwem, gestern abend einen stark besuchten Vortrag. Major Leutwein führte aus, unzweifelhaft werde Deutschland von feinen Kolonien Nutzen erlangen, sobald man letztere auf eigene Füße stelle. Um aber die Kolonien nutzbar zu machen, bedürfe es namentlich iür Südwestafrika der Besiedelung.
* Berlin, 15. Jan. Mehrere Blätter melden aus Weimar, Fürst Bismarck telegraphierte an den Großherzog, er halte die diplomatische Aktion Deutschlands gegenüber China für „trefflich eingeleitet und durchgeführt."
D Berlin, 16. Jan. Diejenigen, die eine schnelle Entwicklung der Dinge m Ostasien erwarteten, werden sich getäuscht haben. Das Säbelgerassel Englands bat nicht das geringste zu bedeuten. Außerdem bat es schon aufgehört. Mit Rußland und Frankreich hat sich die Reichsregierung verständigt; mit China ist sie
sogar gut Freund und Prinz Heinrich wird mit allen fürstlichen Ehren empfangen werden. Ueber die wirtschaftliche Ausschließung Chinas und den kommerziellen und industriellen Wettbewerb Deutschlands in Ostasien wird halbamtlich in sehr bemerkenswerter Weise ausgeführt: „Deutschland hat die Absicht, das von China abgetretene Gebiet und das dahinter gelegene reiche Hinterland wirtschaftlich aufzuschließen; es rechnet dabei in erster Linie auf die Mitwirkung deutscher Kaufleute und Gewerbetreibenden, die hier ein weites Feld ertragsreicher Wirksamkeit finden werden. Aber so gut wie Deutschland nicht die Absicht hat, die deutschen Kaufleute und Gewerbetreibenden lediglich ans die Provinz Schantnng festzulegen, ebensowenig kann Deutschland daran liegen, unternehmenden ausländischen Wettbewerb von dem jetzigen deutschen Gebiete und seinem Hinterland grundsätzlich fernzuhalten. Deutschlands Industrie hat sich in einer so außergewöhnlichen Weise entwickelt, daß sie nicht bloß den Wettbewerb nahezu auf jedem industriellen Gebiete im Auslande nicht zu scheuen, sondern sogar vielfach durch günstige Preisgestaltung und bessere Lieferung siegreich zu überbieten vermag. Mit den gleichen Anschauungen steht auch Deutschland den englischen Bemühungen gegenüber, China durch die Macht einer großen Anleihe wieder mehr, als dies in den letzten Jahren war, unter englischen Einfluß zu stellen. Den Vorteil hiervon werden ^nicht nur die englischen Kaufleute, sondern nicht minder auch alle ausländischen Gewerbetreibenden haben, insbesondere auch unsere deutschen, die jetzt mehr denn je mit frischem Mut und an der Hand langjährig aufgespeicherter Beobachtungen und Wahrnehmungen versuchen werden, sich in China ein weiteres und gediegenes Absatzgebiet zu verschaffen."
D Eine Frauen-Petition ist an den deutschen Reichstag emgereicht worden, welche fordert, daß bei Revision des Gerichts-Verfassungs-Gesetzes 1) die Vormundschaftsgerichte in der Weise zu organisieren seien, daß zur Entscheidung derjenigen Streitigkeiten, die durch das Bürgerliche Gesetzbuch und sonstige Gesetze ihnen zugewiesen sind, Laien zugezogen, und daß zu diesem Luienrichteramte auch Frauen berufen werden können. 2) Zu Schöffen und Geschworenen auch Frauen, die das 30. Lebensjahr vollendet haben, berufen werden können.
* Köln, 15. Jan. Im benachbarten Kalk wurde ein Postbeamter, der viele Wertbriefe erbrochen und die einzelnen Beträge unterschlagen hat, festgenommen und hierher in das Polizeigefängnis gebracht. Fast alle dort ankommenden Soldatenbriefe wurden in der letzten Zeit von dem ungetreuen Beamten ihres Inhaltes beraubt. Bei einer Haussuchung wurden viele unterschlagenen Objekte und etwa 60 Briefe vorgefunden.
* Graudenz, 13 Jan. Gegen den Setzerlehrling, der aus Ehrenhaftigkeit den Namen des Verfassers eines inkrimmierten Zeitungs-Artikels nicht nennen wollte, hat das Gericht jetzt sogar die Zeugniszwangshaft verfügt.
Ausländisches.
* Paris, 14. Jan. Da unter den Studenten im Quartier Latin große Erregung herrscht, sind alle vom linken Seinsufer nach dem rechten führenden
Leidenschaft und Lieöe.
(Fortsetzung.)
Als die Gäste am nächsten Nachmittag kamen, wurden sie freundlich und höflich empfangen: Melitta wurde ihren Pflichten als Hausfrau vollkommen gerecht; sie wußte Cornaro Dank dafür, daß er sich so wenig mit ihr beschäftigte, aber dennoch fiel ihr eine wahre Zentnerlast vom Herzen, als sie den Wagen mit ihren Gästen davonrollen sah, sie hatte diesen Besuch sehr gefürchtet.
Die Baronin wollte in den nächsten Tagen ein Fest geben und hatte dazu ihre Einladung in so liebenswürdiger Weise gemacht, daß, ohne unhöflich zu sein, Volkmann Zusagen mußte.
Melitta rüstete sich mit schwerem Herzen zu dem Feste; es lag auf ihr wie ein Alb, wie eine bange Ahnung eines kommenden Unglücks. Die Baronin hatte alles aufgeboten, um das Fest so glänzend als möglich zu gestalten: in den hell erleuchteten Räumen bewegte sich eine stattliche Anzahl von Gästen, und der an den Tanzsaal stoßende Wintergarten boteinen geradezu feenhaften Anblick.
Minna in blendender Toilette machte mit strahlendem Lächeln die Honneurs; es war das erste Fest, das sie nach dem Tode ihres Gatten gab. Sie war in so mancher Hinsicht in ihren Hoffnungen getäuscht worden; die aristokratische Familie des Barons hatte ihr die Verwalterstochter nicht vergeben, sie sah sich vernachlässigt und wenig beachtet.
Ihre Sucht zu glänzen hatte sie in einen Zirkel
von Leuten geführt, deren Aristokratie eben so jung war, als die ihrige, geadelte Börssnparvenüs und Damen von zweifelhaften Manieren, welche sich durch ihr Geld einen herabgesetzten Kavalier als Gatten erkauft.
Ihre letzten Gäste waren von dieser Sorte gewesen, ober sie war dieses Treibens überdrüssig ge- worden; sie schickte die Lästigen auf gute Manier fort und suchte sich mit ihren Gutsnachbarn zu befreunden; zu diesem Zweck veranstaltete sie das Fest, zu welchem sie zahlreiche Einladungen ausgesendet hatte.
Konnte sie nicht in der Residenz glänzen, so wollte sie dies auf dem Lande thun, und für heute wenigstens war ihr dies vollkommen gelungen.
Alles amüsierte sich und gab sich ungeteilt dem Vergnügen des Augenblicks hin.
Meitta ah traurigen Herzens dem fröhlichen Treiben zu. Nur mit Widerstreben folgte sie den zahl- reichen Einladungen zum Tanze, und als eben die Musik einen beliebten Walzer anstimmte, suchte sie unbemerkt in den Wintergarten zu gelangen, um für einige Augenblicke die Ruhe genießen zu können.
Knapp vor dem Eingang trat ihr Cornaro in den Weg. Sie wollte an ihm vorbeieilen, allein er zog ihren Arm in den seinen, in flüsterndem Tone sagend: „Gönnen Sie mir nur wenige Minuten; ich habe so festen das Glück, Sie zu sehen."
„Herr Cornaro, diese Sprache!"
„Nicht diesen kalten Ton," bat er leidenschaftlich; „ist das der Lohn für mein redlich erfülltes Verbrechen ?"
Sie schwieg; vom Tanzsaal herüber tönten die
munteren Walzerklänge, Lachen und Plaudern, hier herrschte Ruhe und Stille.
Eine tiefe Ermüdung überkam plötzlich die junge Frau; wie schal, wie nichtig erschien ihr jede Freude. Ecmalter ließ sie sich auf eine Bank von grünem Samt nieder, welche, einen Moossitz imitierend, unter blühenoen Syringenbüschen stand.
Cornaro hatte Melittas Arm freigegeben und stand vor ihr, sie mit glühenden Blicken betrachtend. Es war in der That ein reizendes Bild, das Melitta in diesem Augenblick bot.
Aus dem lichtrosa Atlaskleide schimmerten Racken und Arms im blendender Weiße; durch die laugen Locken schlangen sich Rosengewinde; die kleine Hand spielte nachlässig mit dem Fächer, das schöne Haupt leicht zur Seite geneigt, saß sie träumend da, cs schien, als hätte sie den Künstler vergessen, der nun mit weicher Stimme begann:
„Ich habe alles gethan, was Sie wollten, ich habe Sie durch nichts an die Vergangenheit erinnert, und Sie spenden mir dafür kein freundliches Wort, keinen freundlichen Blick, und doch würden Sie mich dadurch so unendlich glücklich machen."
Wie aus einem Traume erwachend, sah sie zu ihm empor. „Ich verstehe Sie nicht," versetze sie kalt.
„Sie wollen mich nicht verstehen," entgegnete er heftig; „was verlange ich denn so Großes von Ihnen? — ein Lächeln, einen gütigen Blick; das ist eine Gunst, die Sie einem Bettler gewähren würden, die Sie thatsächlich jedem Ihrer Bekannten gewähren, nur mir nicht." (Forts, folgt.)