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Dienstag, 18. Januar

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

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Einrück- ungkpreiS t. Altensteig und nahe Umgebung bei einm. Einrückung 8 bei mehrmal. j- «1^ ruswärtS je 8 ^ die Ispalt.Zeii.

1898.

Uebertragen wurde die Schul stelle in Effringen, Bez. Nagold, dem Unterlehrer Adolf Hanselmann in Kemnath, Bez. Plieningen.

Dsr ruffische Roon.

Das Reich des Zaren ist heute noch von so starren Formen eingeengt, daß es nicht so, wie in anderen Staaten, möglich ist, einen tieferen Einblick in seine Verwaltung zu thun. Demgemäß bleibt auch die Thätigkeit wirklich hervorragender Männer selbst in Rußland weiteren Kreisen unbekannt, und im Auslande erst erkennt man an dem Geschaffenen, welcher Geist dem Schöpfer innewohnte. Eine nähere Vertrautheit besteht außerhalb der russischen Grenzen höchstens mit den Personen des russischen Kriegsministers und seines Kollegen vom Finanzministerium, und gerade auf diesen wichtigen Posten haben die letzten Zaren Männer ge­bracht, denen Rußland Außerordentliches verdankt. Zum ersten Male wird jetzt die russische Regierung eine Anleihe aufnehmen, ohne irgend einem Finanz­manne Spesen zu zahlen, eine Thatsache, die heute wenig erheblich erscheint, über deren Ankündigung aber noch vor zehn Jahren ein wahres Hobngeläckter er­schollen wäre, zum ersten Male kann der Zar sicb auch rühmen, eine Armeeorganisation zu besitzen, welche jede Scklagfertigkeit garantiert, die bei dem ungeheuren Umfang des russischen Reiches nur möglich ist. Die Finanzreformatoren Rußlands waren die Finanzminister Wyschnegradski und Witte, der Armee-Organisator war der soeben wegen seines Alters aus dem Amte ge­schiedene Kriegsminister von Wannowski, der mit Recht den Namen eines russischen Roon verdient.

Als Zar Alexander II. den Krieg gegen den Sultan Abdul Aziz beschlossen hatte, sah man in Ruß­land den Feldzug für eine Bagatelle an, und die beiden Höchstkommandierenden, Großfürst Nikolaus an der Donau, Großfürst Michael in Kleinasien (beide Brüder des Kaisers) hielten den Krieg für die Sache einiger Wochen. Es wurde nur ein Teil der russischen Armee mobil gemacht, die Garde blieb selbstverständlich in Petersburg, sie war zu gut für den Muselmann, Proviant- und Transport-Angelegenheiten, Ausrüstung und Equipierung wurden so obenhin geregelt. Daher konnte es denn geschehen, daß Jnfanteriestiefeln mit Pappsohlen auf den Kriegsschauplatz kamen, Fourage- Magozine gerade in dem Moment abbrannten, wo man ihren angeblichen Inhalt nötig hatte, und was dergleichen mehr war. Auf eine Unterstützung durch rumänische Truppen gab man gar nichts, und der Reitergeneral Skobolew gedachte mit einigen Regi­mentern frischweg über den Schipkapaß nach Stambul zu reiten.

Dann kamen die Katastrophen, bei Plewna und in Klein-Asien waren die Türken siegreich, der damalige Thronfolger, spätere Kaiser Alexander lll. wurde mit einer Armeeabteilung am Lom auf das Haupt ge­schlagen, die gesamten russischen Kriegs Operationen kamen für Monate ins Stocken. Man mußte nicht nur mit dem Könige Karl von Rumänien wegen Zuzugs seiner Armee verhandeln, man mußte in Rußland nochmals mobilisieren, und dann erst, unter erneuten erbitterten Kämpfen gelang die Bezwingung von Plewna durch Hunger und die Zerstreuung der nunmehr an Zahl weit schwächeren Türken.

Das ist für die Zukunft ausgeschlossen, die von dem russischen Roon geschaffene Organisation macht eine solche Art von Kriegsführung und Mobilisierung unmöglich. Unserem deutschen Generalstabe ist die aus­gezeichnete Vervollkommnung des Mobilisierungsplanes des Nachbarreiches auch keineswegs entgangen, es ist auch in weiteren Kreisen bekannt, wie umsichtig die Garnisonierung der russischen Truppen nach Osten hin bewirkt ist. Deutschland hätte, wenn die Stimmung in Petersburg eine feindseligere wäre, als sie es tat­sächlich ist, sich Rußland gegenüber weit mehr vorzu­sehen, als Frankreich, denn selbst wenn man von i vornherein den allergünstigsten Fall annehmen wollte, j nämlich den, daß die russischen Einbruchsscharen nicht weit in Deutschland hineinkommen würden, ist es doch überhaupt nicht angenehm, die Feinde im Lande zu haben. Und so kurz und so fidel, wie 1870 in Saar­brücken geht es nicht immer ab.

Wir Deutsche können ja stolz sein auf unsere Armee, aber wir haben auch nicht zu vergessen, daß es anderswo bedeutende Männer geben kann, die mit einem Ruck völlig neue Zustände schaffen. Und der Reorganisator der russischen Armee hat Großes ge­schaffen, wie er selbst ein bedeutender Mann ist.

Deutscher Reichstag.

* Berlin, 14. Jan. Der Reichstag hat heute die Novelle zur Zivilprozeßordnung rc. nach einer zustimmenden Rede des Abg. Beckh (frs. Vp.) an dieselbe Kommission verwiesen, welche die bereits früher in dieser Session eingebrachteu Justizvorlagen bearbeitet. An dieselbe Kommission ging auch der Antrag v. Sa lisch betr. Einführung des Nachcides. Der Antragsteller verwies auf die Zunahme der Meineide. Die Zahl der Eide müsse nach Möglichkeit vermindert werden, namentlich sollten Aussagen über unerhebliche That- sachen der Beeidigung nicht bedürfen. Die Abgg. aller Parteien erklärten ihre Zustimmmung zu dem

Anträge. Es folgte die Beratung des Antrages Rintelen(Ztr.) und Lenzmann (fr.Vp.) betr. Abänderung der Strafprozeßordnung (Wiedereinführung der Be­rufung in Strafsachen.) Nachdem die Antragsteller ihren Antrag begründet, befürworteten die Abgg. v. Buchka (kons.) und Pieschel (natlib.) Vertagung der Sache und eine spätere gründliche Revision der ganzen Strasprozcßordnung. Es sprachen noch die Abgg. v. Strombeck, Stadthagen und Beckh. Ein Antrag des Abg. Gröber (Ztr.) auf Ueberwesiung des Antrages an eine Kommission wurde abgelehnt, worauf sich das Haus bis Montag vertagte.

Landesnachrichten.

* Alten steig, 17. Jan. Der homöopatische Verein hielt gestern nachmittag im Löwen eine Haupt­versammlung ab, wobei der Rechenschaftsbericht vor- getragen, die Belohnung des Vereinsdieners festgesetzt und die Neuwahl des Vorstands und Ausschusses vor­genommen wurde. Gewählt wurde Hr. Kupferschmied Frey zum Vorstand, Hr. Schullehrer Brendle zum Schriftführer, und Hr. Bäcker Hartmann senr. zum Kassier. In den Ausschuß wurden gewählt die Herren: Bäcker Saalmüller, Zimmermann Wochele, Friseur Ackermann und Schreiner Rasp. Der Verein zählt gegenwärtig 58 Mitglieder. Der monatliche Beitrag eines Mitglieds beträgt 20 Pfg., wofür jedem Mit­glied die Leipziger homöopatische Monatszeitschrift nnentgeldlich zugestellt wird. Durch Anschaffung von homöopat. Büchern will der Verein den Mitgliedern weitere Gelegenheit zur Belehrung geben.

Bericht über die Versammlung des Fischerei- Vereins folgt in nächster Nr.

* Vo n de r ob eren Nag old, 16. Jan. Da in einigen Monaten die landwirtschaftlichen Geschäfte wieder beginnen, sei hiemit auf die Bestimmung im Unfallgesetz aufmerksam gemacht, nach welcher der Arbeiter, wenn ihm ein Unfall auf dem Weg zur Arbeit oder auf dem Heimweg zustößt, keine Entschä­digung enthält. Dieser Fall ist in einem benachbarten Oberawt im Laufe des letzten Jahres zweimal zur Anwendung gebracht worden, obwohl die Beschädigten begreiflicherweise von der Richtigkeit dieser Bestimmung nicht überzeugt sind.

* Stuttgart, 15. Januar. Heute vormittag llsi /2 Uhr wurde die hiesige Berufsfeuerwache Mar­iniert, das Garnisonslazaret stand in Hellen Flammen. Die Berufsfeuerwacbe konnte erst um 12 Uhr in Aktivität treten, nachdem der Dachstock bereits ab­gebrannt war. Der Brand ist in der Lazaretapotheke vermutlich infolge Unvorsichtigkeit entstanden.

Wochenrundschau.

In Berlin wollte die Stadtvertretung den 1848er Märzgefallenen einen Denkstein setzen; man ist dann auf eine Umfriedung der Ruhestätte und ein monumentales Portal zurückgegangen; dann aber hat man sich über die Inschrift nicht einigen können. Man wollte so etwas Männerstolz vor Fürstenthronen mar­kieren, zugleich aber feine Hoffähigkeit bewahren. Die historische Wahrheit, daßJuden, Polen und Franzosen" die 48er Revolution gemacht haben, hat zwar an Kredit verloren, aber da die Sozialdemokraten Berlins so ziemlich die einzigen sind, die am 18. März zu den Gräbern jener längst Namenlosen in den Friedrichshain hinauspilgern, wollte man ihnen zeigen, daß die Toten ihnen eigentlich nicht gehören. Wie das zu machen, ohne nach obenhin anzustoßen, ist eine Frage, für deren zweckentsprechende Lösung der Berliner Magistrat wahrscheinlich einen hohen Preis aussetzen wird. In Berlin ist sowohl der Reichs- wie der preußische Landtag versammelt. Der Reichstag hatte, außer am Eröffnungstage, seine Beschlußfähigkeit noch nicht zu prüfen; das Abgeordnetenhaus aber hatte seine Mit­glieder in recht stattlicher Zahl beisammen, was wohl doch zum Teil den Diäten zu danken ist. Die Zahlung derselben beginnt erst von dem Tage ab, an welchem

sich der Abgeordnete auf dem Büreau meldet und eine seiner ersten und angenehmsten Vertreterpflichten ist, die gut bemessenen Reisegelder an der Kasse zu er­heben. Der arme Reichstagsabgeordnete hat dagegen nur freie Fahrt erster Klasse! Auf der Insel Sizilien, wo bekanntlich in den letzten drei Jahren wiederholt Hungerrevolten stattgefunden haben, hat man auch das Andenken an die vor fünfzig Jahren stattgehabte und siegreiche Revolution gegen das Bour- bonen-Regiment gefeiert. Der Prinz von Neapel mit seiner schönen herzegowinischen Gemahlin, die ihren kronprinzlichen Gatten gut um Haupteslänge überragt, verschönerte das Fest mit seiner Anwesenheit und König Humbert telegraphierte von Rom aus,wie sehr er sich freue"heldenhafte Vergangenheit" rc. rc. Na, so furchtbar aufrichtig wird diese Freude wohl nicht sein aber man kann die revolutionäre Ver­gangenheit nicht gut verleugnen. Major v. Esterhazy- Walsin ist von der Anklage des Landesverrats frei- gesprochen worden; der ihm gemachte Vorwurf, das Bordereau" gefälscht zu haben, auf Grund dessen Dreyfus verurteilt wurde, stand ja auch gar nicht zur Anklage. Dem Freigesprochenen wurden, als er das Gerichtsgebäude verließ, von einer zahlreichen Menschen­menge Sympathiekundgebungen dargebracht. Man

darf solche Kundgebungen nicht überschätzen; die schau­lustige Menge ruft heuteHosianna" und morgen Kreuzige!" Auch Herr v. Tausch ist nach seiner Freisprechung im Meineidsprozeß jubelnd empfangen worden und Herrn Ahlwardt wurde ein Lorbeerkranz überreicht, als er nach Verbüßung einer längeren Frei­heitsstrafe das Gefängnis verließ. Durch solche Vor­gänge verliert die Nachricht von begeisterten Ovationen doch bedenklich an Wert. England und Rußland sind gemeinsam in ein Wettrennen um die billigste Gewährung einer Anleihe an China eingetreten. 320 Millionen Mark beträgt die chinesische Forderung. Der Geber hat allerlei politische Vorteile zu erwarten. Rußland ist aber durch seinen Eisenbahnbau im Norden Chinas und durch die Mandschurei nach Port Arthur ohnehin schon im Vorteil. Spanien hat zwar für eine ansehnliche Geldsumme den Frieden auf den Philippinen erkauft, was aber den cubanischen Aufstand betrifft, so ist Marschall Blanco im Verhältnis zum General Weyler auch gerade kein Eiler. Wenn es die schönen Siegesdepeschen machten, so wäre der Aufstand längst beendet und wenn von einer jetzt beginnenden Ernte gesprochen wird, so haben Hunger, Krieg und Fieber schon eine so reiche Ernte gehalten, daß bald nichts mehr zu ernten sein wird.