brochener Aufregung sich befindet. Die Gesichtsfarbe ist wechselnd, besonders morgens sehr bleich, gegen Mittag aber leicht rötlich, wohl von leichtem Fieber herrührend, wie solches bei der Kranken manchmal konstatiert werden konnte. Die Gesichtszüge bei halb geschlossenen Augenlidern sind trotz großer Abmagerung nicht im mindesten entstellt, von einem Abschreckenden Aeußern ist nichts zu finden. Will man das Kind in sitzende Haltung bringen, so läßt es den Kopf willen- und widerstandslos auf die Brust herabsinken. Zu bedauern ist, daß die Eltern sich nicht entschließen konnten, ihr Kind an jenes Sanatorium abzugeben, dessen ärztlicher Leiter ihnen ein so anerkennenswert menschenfreundliches Anerbieten machte.
* (Verschiedenes.) Die allgemein bekannte Seiltänzergesellschaft Knie hatte zu ihrer Vorstellung in Zuffenhausen ihre Seile ausgespannt, welche in der Neujahrsnacht von fremder Hand durchschnitten wurden, so daß die Gesellschaft ihre angekündigte Vorstellung nicht geben konnte und hiedurch einen bedeutenden Schaden hatte. Dem Landjäger Pfeiffer in Zuffenhausen ist es gelungen, den Thäter zu ermitteln. — Kürzlich wurde der Bäcker Holpp von Bissingen wegen Verdacht des Diebstahls verhaftet. Am Samstag war nun der Untersuchungsrichter von Ulm dort und nahm eine Haussuchung vor. Unter dem Dache fand man auch die vermißten 8000 Mark. Holpp hatte sich in Stuttgart durch Ausgabe vieler Coupons verdächtig gemacht.
* „Hock das Handwerk!" möchte man ausrufen, wenn man folgende Thatfache liest: In Karlsruhe war ein Gebäude zu erstellen. Die Maurer-, Grab- und sonstige Arbeiten beliefen sich auf rund 135 000 Mk. Die Differenz zwischen den höchsten und den niedersten Angeboten beträgt 72 677 Mk. Ja, bei einer solchen Sachlage nützen die besten Gesetze für die Handwerker keinen Pfifferling!
D Mannheim. Bei einem Disput in der Küche ließ der Küchenchef des „Pfälzer Hofs", der Franzose Louis Tschirret aus Thillot, eine sinnlose Bemerkung über den Kaiser fallen. Tschirret wurde wegen Majestätsbeleidigung zu zwei Monat Gefängnis verurteilt.
* Zwei Bauern in einem Dorfe bei Nürnberg prozessierten wegen 13 Mark. So viel sollte der Schaden betragen, der durch den Wasserablauf des einen Gehöftes dem Besitztum des andern zugefügt worden sei. Der Prozeß ist nun zu Ende, und die verlierende Partei hat gegen 1000 Mark Prozeßkosten zu zahlen.
* Berlin, 12. Jan. Nach einer amtlichen Depesche aus Batavia vom 6. d. M. ist der Hauptort der Insel Amboina durch ein Erdbeben vollständig zerstört worden. 50 Personen sind dabei ums Leben gekommen. Einige 280 Personen sind verwundet.
* Ein Weinhändler in Neustadt bekam in einem Weinrestaurant Appetit nach einem Hasenbraten. Er bestellte, der Braten kam, aber alsbald wurde der biedere Weinhändler grob: „Pfui Teufel, der Hasenbraten stinkt!" Der Wirt eilte herbei. „Es bleibt dabei, der Hase stinkt!" Und nun nahm der Wirt den zweifelhaften Braten zurück. Damit wäre die Sache wohl fertig gewesen, wenn der Weinhändler die Geschichte nicht andern Leuten erzählt hätte. Das
ging dem Wirt über die Reputation und er wurde klagbar. Bor Gericht wurde ein ganzes Regiment von Küchenchefs, Köchinnen, Kellnerinnen u. s. w. aus Straßburg, Baden-Baden, Karlsruhe und Neustadt vernommen, die alle dem Restaurateur das beste Zeugnis ausstellten. Ein Franzose von Marseille erklärte vor Gericht, daß er den betreffenden Hasen- Braten versucht und sehr gut befunden -habe. In Berücksichtigung all dieser Umstände wurde der Weinhändler zu 200 Mk. Geldstrafe und Zahlung der sehr bedeutenden Kosten verurteilt. Vielleicht wäre das Urteil anders ausgefallen, wenn er das Oorpua äslskti auf den Gerichtstisch vor die Nasen der Richter hätte stellen können.
* Berlin, 12. Jan. Die Budgetkommission des Reichstags genehmigte mit allen gegen sechs Stimmen die Erhöhung des Gehalts des Reichskanzlers von 51,000 Mk. auf 100.000 Mk.
* Berlin, 12. Januar. Der Kaiser sprach dem kommandierenden Admiral v. Knorr mittels Kabinettsordre seine vollste Zufriedenheit über die Ausführung der Besitzergreifung von Kiaotschau durch dasKommando der Mannschaften des Kreuzergeschwaders aus.
* Berlin, 13. Jan. Wie aus Petersburg dem Kleinen Journal berichtet wird, wurde im Finanzministerium eine gewaltige Defraudation entdeckt. Zehn Beamte sind kompromittiert. Die Untersuchung wird, geheim geführt.
* Auf die von der „Allgem. Ztg." veranstaltete Umfrage bezüglich der Ausgestaltung der deutschen Flotte antwortet der Heidelberger Historiker Prof. Dr. Dietrich Schäfer (früher in Tübingen): „Ein für Deutschland unglücklicher, das will sagen mit einer wirklichen Niederlage endender Krieg ist nach menschlichem Ermessen nur denkbar in der Form eines mit Frankreich und Rußland zugleich zu bestehenden Kampfes. Es ist im höchsten Grade unwahrscheinlich, daß Frankreich allein Deutschland angreift, weil es das mit irgendwelcher Aussicht auf einen namhaften Erfolg nicht zu thun vermag. Deutschland wird sicherlich auch nicht Angreifer sein. Geriete dagegen Deutschland in einen kriegerischen Konflikt mit Rußland, so können wir sicher sein, daß sofort auch Frankreich als unser Gegner auf dem Plan ist. Endet aber ein derartiger Krieg unglücklich, so ist Deutschland menschlichem Ermessen nach überhaupt verloren; das politische wie wirtschaftliche Elend, das über Deutschland Hereinbrechen würde, ist schlechterdings nicht abzusehen. Es ist müßig, nachzugrübeln, was für eine Rolle Deutschland dann etwa noch zur See spielen würde; schon ein Blick in die Jahre 1648 bis 1848 gäbe eine Antwort darauf. Emen unglücklichen Ausgang eines derartigen Krieges aber zu verhüten, dazu kann eine leistungsfähige Flotte viel, sehr viel beitragen, ja ohne eine solche ist ein siegreicher Ausgang kaum denkbar. Sie allein wäre im Stande, Landungen im Rücken unserer kämpfenden Heere zu verhindern, die bei der numerischen Ueberlegenheit der vereinten Gegner im höchsten Grade gefährlich, ja für den Ausgang entscheidend werde» könnten. Allein eine starke Flotte kann uns auch in einem solchen Kriege unsere Zu- und Abfuhrwege offen halten und so verhindern, daß wir während des Kampfes wirtschaftlich verbluten und unser Heer nicht mehr zu erhalten im
Stande sind. Sollen wir in einem längeren Kriege gleichzeitig nach Ost wie nach West unsere Grenze verteidigen können, so brauchen wir unbedingt eine offene See.
* Die „Kreuzzeitung" schreibt: Prinz Heinrich dürfte auch durch äußere Zeichen bekunden, daß nicht kriegerische Zwecke in erster Linie ihn an die Küsten Chinas führen, daß seine Sendung vielmehr der Erhaltung und Festigung des Friedens gilt. Es ist anzunehmen, daß Prinz Heinrich Gelegenheit findet, in Peking selbst dem Kaiser von China die Versicherung zu überbringen, daß die deutsche Regierung stets bestrebt sein wird, die Bande der Freundschaft mit China zu erhalten und zu festigen. So würde die Sendung des Prinzen neben dem notwendigen kriegerischen Gepräge vornehmlich als Mission des Friedens zu betrachten sein.
D Nach dem .Ostasiatischen Lloyd' sind neun Chinesen, die sich an der Ermordung der beiden deutschen Missionare in Tschantjatschuang beteiligten, ergriffen worden; in ihrem Besitz fand man eine Menge Eigentums der Missionare. Ein kaiserlicher Erlaß befiehlt dem inzwischen zum Vizekönig von Szetschuan ernannten Exgouverneur Lipingheng, Schantung nicht eher zu verlassen, als bis die Ermordung der beiden deutschen Missionare in Tschantjatschuang gesühnt ist.
* Seit 14 Tagen gab es auf den preußischen Eisenbahnen keine Unfälle. Dieser auffallende Umstand weicht wieder den altgewohnten Verhältnissen. In der Station Brehna fuhr am Montag abend der Berlin- Frankfurter O-Zug in einen Eilgüterzug, 10 Wagen dieses Zuges wurden zerschmettert. Die Trümmer türmten sich haushoch auf. Die Maschine des V-Zuges legte sich vollständig auf die Seite und dem folgenden Postwagen wie dem Küchenwagen wurden die Stirnwände eingedrückt. Das Personal des Güterzuges rettete sich, als es den V-Zug kommen sah und die Katastrophe für unvermeidlich hielt, durch Abspringen. Drei Reisende wurden leicht verletzt.
2 Marienwerder. Ein barbarischer Vater, der Arbeiter B. in Budzin, hat nach der ,Danz. Ztg.' seinen in erster Ehe geborenen 11jährigen Knaben fortgesetzt furchtbar gezüchtigt. Schließlich entfloh der Kleine der väterlichen Obhut und fand bei einem andern Dorfinsassen Aufnahme. Nachdem der Vater den Knaben von dort znrückgeholt hatte, begann für diesen erst recht eine Leidenszeit. Zu Hause band der Vater dem Kinde die Hände auf den Rücken und legte dasselbe an eine Kette, die an einem Balken befestigt war. In dieser Lage mußte der Kleine, der nur zur Nachtzeit von der eisernen Fessel befreit wurde, von Weihnachten bis zum Beginn der Schulzeit zubringen; der Gemeindevorsteher bewirkte die endliche Freilassung des Kindes. Die Nachbarn erzählen von den Mißhandlungen des Knaben die entsetzlichsten Dinge. So soll der böse Vater das Kind einmal mit den Beinen an die Decke gehängt und darauf mit einem Dornstrauch geschlagen haben.
Ausländisches.
* Wien, 12. Jan. Die „Ostdeutsche" Rundschau meldet, in der gemeinsamen Beratung aller deutschen Abgeordneten in Prag sei vollständige Einigkeit erzielt
> worden. Es werde eine entschiedene und scharfe Opposition gegen die Regierung und den Statthalter in
M Lefefrrrcht. M
Die Menschen freuen sich über den Aufgang und über den Untergang der Sonne und werden nicht gewahr, daß dabei auch ihr Leben dahinschwindet.
Leidenschaft und Lieöe.
(Fortsetzung.)
Gott Weißes, ich habe inniges Mitleid mit seinem Zustande, ich will als treues Weib bei ihm ausharren, ich bin nicht eine Linie weit vom Pfade meiner Pflicht gewichen, aber lieben kann ich meinen Gatten nicht, ich kann ihn nicht achten, und da, wo ich nicht achten kann, kann ich nicht lieben.
Seine Leidenschaft zum Trünke ist ihm geblieben, obgleich der übermäßige Genuß geistiger Getränke ihm äußerst schädlich ist. Er leidet an heftigen Nerven- krämpfen, ein solcher hat ihn gestern überfallen. Sobald Gäste da sind, sucht er seiner Neigung so viel als möglich zu stöhnen, trotzdem er dann bitter dafür büßen muß, da jede Aufregung von ihm fern gehalten werden muß.
Nun ist Cornaro wieder hier und ich fürchte, daß beim Anblicke des ehemaligen Spielgenossen die alte Spielwut wieder in ihm erwacht ist; bisher war es noch gelungen, jede derartige Versuchung für ihn zu vermeiden, aber was soll ich jetzt thun ? Um seine Gesundheit zu schonen, muß ich seinem Willen nach- geben, denn sonst hätte ich Cornaro sofort unser Haus verboten; das darf ich nicht thun und doch weiß ich bestimmt, dieser M^sch bringt neues Unheil über
unser Haus. Rate mir Melitta, was soll ich thun? Soll ich mich deinem Gatten anvertrauen? Wird er mir Hilfe bringen können?"
Als Rosina von Cornaro zu sprechen begonnen, war Melitta heftig zusammengezuckt. Einen solchen Menschen hatte sie lieben können, ihm ihr ganzes Leben weihen wollen!
Sie fand keine Worte, als Rosina geendet; mit gefalteten Händen saß sie stumm und starr.
Frau Balbing wiederholte noch dringender ihre Frage. Wie aus einem schweren Traume erwachend, fuhr Melitta empor.
„Was willst du, daß mein Gatte thun soll?" fragte sie mit bebenden Lippen.
„Ich weiß es selbst nicht, kann noch immer keinen klaren Gedanken fassen," murmelte Rosina schmerzlich, o hilf, Melitta, hilf mir diesen Dämon aus unserem Hause entfernen und ich will dir zeitlebens dankbar sein."
Melitta rang mit einem Entschlüsse. Wenn sie im stände wäre, Cornaro zu bewegen, das Herrenhaus zu verlassen?
Würde er ihren Bitten Gehör schenken, würde er sich ihren Wünschen fügen?
Sie umschlang mit Heftigkeit die Freundin und barg ihr glühendes Gesicht an deren Busen.
„Ich kenne Cornaro von früher her," sagte sie mit stockender Stimme, „vielleicht es ist mir auf irgend eine Weise möglich, ihn zur Abreise zu bewegen. — Frage mich nicht, forsche nicht, Rosina, ich komme heute noch zu dir, das weitere wird sich finden."
Rosina drückte einen Kuß des Dankes auf Melittas glühende Stirn.
„Du willst mit deinem Gatten reden und ihn um Rat bitten?" fragte sie.
„Ja, nein; ich weiß es noch nicht; es ist kein Unrecht dabei, wenn ich kann, so werde ich dir helfen."
Im Nebenzimmer wurde Volksmanns Stimme hörbar, der nach seiner Gattin fragte.
Frau Balbing erhob sich.
„Ich muß heim," sagte sie, nach ihrem Hute langend, „ich erwarte dich gewiß."
„Ich komme," sagte Melitta fest.
Beruhigter verließ Rosina die Freundin.
Die sonst so klar denkende Frau grübelte nicht weiter über Melittas Worte nach. Nur em Wunsch, nur ein Gedanke beseelte sie jetzt noch — Cornaros Entfernung.
In später Nachmittagstunde kam Melitta nach dem Herrenhause; mit zitternden Knieen betrat sie den Gartensalon, eine Ahnung sägte ihr, daß sie Cornaro dort finden würde, sie hatte sich nicht getäuscht.
Der Künstler befand sich allein m dem großen, freundlichen Raume. Seine Augen leuchteten auf, als er Melitta erblickte. „Endlich, endlich!" rief er auf sie zustiirzend.
Die junge Frau trat einige Schritte zurück, sein Ungestüm erschreckte sitz.
Cornaro ließ sich nicht beirren; mit feurigen Worten drückte er sein Vergnügen aus, Melitta ohne Zeugen sprechen zu können.
Die junge Frau hörte ihn stumm an. Als