den nächsten Landtagssttzungen platzgreifen, gleich der im Reichsrate von den Deutschen eingenommenen Haltung.

* Wien, 12. Jan. Wie verlautet, hat die Er­richtung eines deutschen Konsulates in Prag mit den dortigen Vorgängen nichts gemein; es wird aus rein wirtschaftlichen Rücksichten errichtet.

* Wien, 13. Jan. Seitens kompetenter Persönlich­keiten wird die Nachricht, König Alexander von Serbien sei schwachsinnig geworden, welche letzter Tage stark verbreitet war, als vollkommen grundlos erklärt und hinzugefügt, daß alle Agitationen, welche jetzt in der europäischen Presse gegen Serbien geführt werden, von der Königin Natalie ausgehen, der durch die Ernennung Milans zum Oberkommandanten die Rückkehr nach Serbien abgeschnitten sei. Die Lage des Landes wird als sehr prekär bezeichnet, zumal jetzt zwischen Milan und Natalie ein gewaltiges Ringen um den Einfluß stattfindet.

* Budapest, 12. Jan. Hier herrscht infolge von Enthüllungen des Sanitätsrates, daß infolge infizierten Wassers die Typhuserkrankungen mit tödlichem Aus­gang erschreckend zunehmen, große Bestürzung. Man erwartet außerordentliche Verfügungen. Das Publikum trinkt ausschließlich nur gekochtes Wasser.

* Prag, 11. Jan. In der Stefansgasse wurde ein Couleurstudent namens Schuh, der eine farbige Kappe trug, um 2 Uhr nachmittags von 8 bis 12 Männern verhöhnt. Die mittlerweile bis zu 60 Köpfen angewachsene Menge verfolgte den Studenten. Einer schlug ihm die Kappe herunter und, als er sie wieder aufgesetzt hatte, riß sie ein anderer Bursche vom Kopfe und schwenkte sie in die Luft. Schuh erreichte nur mühsam seine Wohnung. Der Polizei ist Anzeige erstattet.

* Zeugmszwang wird gegen den Druckerlehrling einer polnischen Zeitung inGraudenz geführt. Er sollte den Namen des Verfassers eines Artikels nennen und lehnte das ab,weil er kein Lump sein wolle?' Zunächst ist der Knabe mit 30 Mark Geldstrafe be­legt worden.

D Rom, 12. Jan. Die offiziöse .Opinione' be­merkt zu der ostasiatischen Frage:Es ist nicht not­wendig, daß auch Italien Schiffe und Leute nach China schickt. China braucht nicht unsere Landesprodukte, und unsere Industrien können dort nicht mit den riesigen Industrien Deutschlands und Englands wett­eifern. Es ist besser, daß wir Fremde nach Italien zu locken suchen, damit sie unser mildes Klima, unsere Kunstschätze, unsere große Vergangenheit genießen. Mit dem Gelde, das sie uns bringen, könnten wir unsere Schulden im Auslande bezahlen."

* Paris, 10. Jan. In Havre sind 5000 Kgr. Sagemehl beschlagnahmt worden, die an einen gewissen Fessart adressiert waren, der sie selbst in Empfang nehmen sollte. Diese Beschlagnahmung ist infolge zahlreicher Klagen erfolgt, die an die Gerichtshöfe mehrerer Städte der Departements Calvados, Eure und Seine-Jnferieure wegen der schlechten Beschaffenheit des zum Verkauf gestellten Brodes gerichtet worden waren. Man behauptete, daß das Brod nicht nur aus Weizen-, sondern auch aus Sägemehl zusammen­gesetzt war, welch letzteres überaus fein zerrieben auf den Anblick hin nicht herauserkannt werden konnte.

Diese Thatsache ist nun als richtig erkannt und fest­gestellt worden, daß dieser schändliche Betrug, in kolossalem Maßstabe betrieben wurde. Man versichert, daß in das Departement Eure allein 500 Wäggons dieses Holzmehles und in die anderen mehr als 5000 verschickt worden sind. Das aus diesem Stoffe her­gestellte Brod ist an seinem Geruch erkenntlich und natürlich schwer verdaulich. Eine eingehende Unter­suchung ist eingeleitet, um die Spießgesellen Fessart's und seine Abnehmer festzustellen; diese letzteren werden natürlich gleichfalls von den Gerichten verfolgt werden.

* Paris, 11. Jan. (Prozeß Esterhazy.) Abends Uhr hatte der Gerichtshof seine Beratungen be­endigt. Der Präsident, General Luxor, hatte dem Gerichtshof folgende Frage gestellt: Ist Esterhazy schuldig, mit einer Macht oder deren Agenten Machen­schaften unternommen oder im Einvernehmen mit derselben unterhandelt zu haben, um dieselbe zu veranlassen, gegen Frankreich Feindseligkeiten zu be­gehen oder einen Krieg zu unternehmen, bezw. ihr die Mittel zu verschaffen? Gemäß § 131 des Militär- Str.-G.-B. wurden die Stimmen derart abgegeben, daß die niedersten Grade zuerst abstimmten, der Präsident zuletzt. Einstimmig gab der Gerichtshof auf vorstehende Frage das Urteil, der Angeklagte sei unschuldig. Dieses Urteil wurde nebst Begründung vom Präsidenten in öffentlicher Sitzung verlesen. Der Gerichtshof ordnete hieraus an, daß der Angeklagte in Freiheit gesetzt werde und ihm das Urteil von einem Regierungs- Kommissar vor einer unter Waffen stehenden Wache bekannt gegeben werde. Ein Teil des Publikums äußerte bei der Urteilsverkündigung Beifall.

* Paris, 11. Jan. Die Beratung des Kriegs­gerichts dauerte nur 10 Minuten. Die Verkündigung des Urteils wurde vom Publikum mit Beifall begrüßt und den Rufen: Es lebe das Vaterland, es lebe die Armee, es lebe der Major Esterhazy! Nach der Verkündigung des Urteils traten sämtliche Mitglieder des Kriegsgerichts an Esterhazy heran und schüttelten ihm die Hand. Esterhazy, von Sympathiekundgebungen begleitet, stieg in den Hof hinab, wo mehrere Offiziere warteten, die ihm gleichfalls glückwünschend die Hand schüttelten. Als Esterhazy auf der Straße erschien, brach die dort angesammelte Menge in die Rufe aus: Es lebe Esterhazy, es lebe die Armee! Esterhazy grüßte militärisch und durchschritt die zum Gefängnis führende Straße. Im Gefängnis wurde sofort die Haftentlassung vorgenommen.

* Paris, 11. Jan. Esterhazy verließ in Civil- kleidung gegen neun Uhr das Gefängnis. Die Straße war mit Menschen gefüllt. Als Esterhazy erschien, wurde er von allen Seiten umdrängt und Hunderte griffen nach seiner Hand. Dabei wurden die Rufe ausgestoßen: Respekt vor dem Märtyrer! Hut ab! Hoch die Armee! Nieder mit den Juden ! Tod den Juden! Esterhazy zog durch die Straßen, von einer lärmenden Volksmenge gefolgt, die fortwährend Droh­rufe gegen die Juden ausstieß. Schließlich kam die Polizei, sperrte die Straße ab, veranlaßte Esterbazy, einen Wagen zu besteigen und verhinderte die Volks­menge. ihm nachzulaufen.

* Paris. 12. Jan. Es verlautet, Esterhazy werde gegen Mathieu Dreyfus die Verläumdungsklage an­strengen und den Obersten Picquart zum Duell fordern.

* ParßS, 12, Zan. Das französische SchiffSt. Pierrais" hat bei Neufundland Schiffbruch erlitten. Die gastze Mannschaft, 17 Mann, ist ums Leben gekommen.

* Paris, 12. Jan. Trarieux kündigt an, daß er im Senat folgende Interpellation an den Kriegsminister einbringen werde:Hat das Kriegsgericht, das Dreyfus gerichtet, Kenntnis von den Akten und Dokumenten gehabt, die dem Angeklagten nicht mitgeteilt wurden, und könnte nicht der Kriegsminister ein Mitglied dieses Kriegsgerichts ermächtigen, unter Eid auszusagen, daß das Kriegsgericht keine Mitteilung erhalten habe, die nicht auch dem Angeklagten und seinem Verteidiger gemacht wurde?"

* Paris, 13. Jan. Der offene Brief Zolas an den Präsidenten lautet folgendermaßen: Ich klage den Oberst Du Paty de Clam an, der diabolische Urheber des Justizirrtums gewesen zu sein, ich klage den General Mercier der Mitschuld hierbei an, ich klage den General Billot an, die Beweise für die Unschuld des Dreyfus unterdrückt zu haben und die Generale de Boisdeffre und Gonse, hiebei mitgewirkt zu haben. Ich klage den General Pellieux und Major Ravary der verbrecheri­schen Untersuchung an, ich klage das zweite Kriegs­gericht an, wissentlich einen Schuldigen freigesprochen zu haben und ich klage das erste Kriegsgericht an, Dreyfus auf ein geheim gehaltenes Dokument verur­teilt zu hab«l. Man möge mich vor die Geschworenen stellen und eine öffentliche Untersuchung einleiten.

Handel und Berkehr.

* Calw, 12. Jan. Auf dem heutigen Viehmarkt wurde sämtliches Fettvieh zu guten Preisen aufgekauft. Der Handel in den übrigen Vieharten war flau. Zu­fuhr 246 Stück. Auf dem Schweinemarkt machte sich geringe Kauflust bemerklich. Milchschweine lösten 1528 Mk. das Paar. Zugebracht waren 25 Körbe Milchschweine und 121 Stück Läufer. C. W.

* Eßlingen, 12. Jan. (Schwememarkt.) Zu­geführt waren im ganzen 8 Körbe Milchschweine und kosteten per Paar 2530 Mk., und 30 Paar Läufer- schweiue, Preis pro Paar 5080 Mk. Der Verkauf war ein sehr lebhafter.

Steueste Nachrichten.

* Paris, 13. Jan. Die Monarchisten Beauregard und Pontbriand kündigen an, daß sie in der Kammer Zwischenfälle Hervorrufen werden. Beauregard will die Aufmerksamkeit des Kriegsministers auf die stets wachsende Zahl der israelitischen Offiziere lenken; er will ferner die Resultate der persönlichen Untersuchung bekanntgeben, die er in Belfort über das Schloß an­gestellt, das Mathias Dreyfus in der Nähe der dortigen Festungswerke erbaut hat. Endlich will er den Antrag einbringen, den Juden zu verbieten, sich in der Nähe der Grenzen aufzuhalten. Pontbriand will über das Eindringen der Juden in die Armee und in die öffentlichen Aemter interpellieren.

* Petersburg, 13. Jan. Der Kaiser hat die von dem Kriegsminister v. Wannowski wegen zerrütteter Gesundheit nachgesuchte Entlassung genehmigt.

* Paris, 13. Jan. Der heutige Ministerrat be­riet über den Brief Zola's; er wird die Beratung am Samstag fortsetzen, wo der Ministerrat unter dem Vorsitz des Präsidenten Faure tagen wird.

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.

geendet, sagte sie kalt:Ich habe mit der Vergangen­heit gebrochen und bitte Sie, ein Gleiches zu thun; ich habe eine Bitte an Sie, welche oamit zusammen­hängt ich hoffe, Sie werden noch so viel Rück­sicht für mich haben, um mir deren Gewährung nicht zu versagen."

Ich brenne vor Begierde, Ihnen dienlich sein zu können."

Melitta preßte beide Hände auf ihr wild schlagen­des Herz.

Wird es ihr gelingen, wird sie die rechten Worte finden ?

Haben Sie sich nickt selbst gesagt, wie peinlich es mir sein muß, Ihnen hier zu begegnen? Die Baronin verfolgt mich mit ihren spöttischen Blicken - Sle haben es ja selbst gehört, wie anzüglich sie gestern zu mir gesprochen ich kann das nicht er­tragen ; aus Gnade entfernen Sie sich von hier, lassen Sie mich Sie hier nicht wieder finden!"

Sie hatte unwillkürlich die Hände gefaltet und sah ihn mit flehenden Blicken an.

Ich soll ihre Gegenwart fliehen, ich, Melitta?" Sie errötete vor Unwillen bei dem zärtlichen Klang seiner Stimme.

Ich bin glücklich, in Ihrer Gegenwart sein zu können," fuhr er leidenschaftlich fortjetzt erst fühle ich es, was ich an Ihnen verloren. Wollen Sie mir den einzigen Trost rauben, der mir noch bleibt?"

Halten Sie ein, halten Sie ein!" rief sie un­gestüm,ich darf und will eine solche Sprache nicht .anhören. Cornaro, seien Sie barmherzig, seien Sie

edelmütig, gehen Sie von hier fort! Wir waren fast tägliche Gäste in diesem Hause, es würde auffallen, wollte ich jetzt plötzlich meine Besuche einstellen, aber ich würde keinen Schritt mehr hierher thun, so lange ich Sie hier weiß."

Ihr Haß ist größer als Ihre Liebe je gewesen,* versetzte Cornaro.

Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber befreien Sie mich von dieser Qual. Gehen Sie nach Königs­egg zurück.

Er sah sie nachdenkend an.

Würden Sie in der That so grausam sein. Ihre Drohung auszuführen?"

Gewiß," versetzte sie fest;geben Sie mir die Versicherung, nie mehr hierher zu kommen, und ich will Ihr Anoenken segnen in dem Maße"

Als Sie mich verachtet haben," unterbrach er sie, ironisch lächelnd.Danke bestens, es ist zwar eine schöne Sache um einen Segenswunsch von rosigen Lippen, allein ich bin kein frommer Mann und geize nicht nach dergleichen Dingen. Sie müssen ganz be­sondere Gründe haben meine Entfernung von dem Herrenhause zu wünschen. Sie sind wohl sehr intim mit Frau Ballung."

Melittas Befangenheit zeigte ihm, daß er richtig kalkulierte.

Frau Balbing betrachtet mich als bösen Geist, als den Verführer ihres Gatten; sie möchte mich gern aus dem Hause haben und wagt es doch nicht, mir direkt die Thür zu weisen, so hat sie sich die Freundin

zur Vermittlerin ausersehen und, fürwahr, sie hat keine schlechte Wahl getroffen."

Wollen Sie meine Bitte erfüllen?" drängte Melitta.

Werden Sie meine Gegenwart auch an anderen Orten vermeiden?"

Wie versteh' ich das?"

Ich bin für einige Wochen nach Königsegg zu Besuch gekommen; diese Zeit will ich ausnützen, um die Gegenwart kennen zu lernen. Jedenfalls werde ich mir auch die Freiheit nehmen, die Hüttenwerke Ihres Gatten zu besichtigen; werden Sie mich von der Schwelle ihres Hauses weisen, wenn ich komme, werden Sie mir das Glück mißgönnen, Sie für einige Stunden in Ihrer Häuslichkeit walten zu sehen? Bedenken Sie doch, daß es für Sie fast unvermeidlich ist, mich auch an anderen Orten zu sehen ; ich bin von mehreren Ihrer Gutsnachbarn eingeladen worden und ich bin gesonnen, keine dieser Einladungen zu umgehen. Wenn wir einander begegnen, wollen Sie dann noch immer gegen mich diese abstoßende Kälte zur Schau tragen, die schon die Aufmerksamkeit Ihres Gatten erregt hat ? Ich will ihren Willen thun; noch heute verlasse ich das Herrenhaus, und Frau Balbing soll mich hier nie wieder sehen. Dem armen Kranken wäre wohl meine Gegenwart eine angenehme Zerstreuung gewesen, da Ihre Freundin so sehr meinen schädlichen Einfluß fürchtet, so will ich gehenz allein nur unter der Bedingung, daß Sle mir freundlicher begegnen. Ihr verächtliches Wesen schmerzt mich mehr als Sie glauben."

(Fortsetzung folgt.)