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delt sich um eine Höhenfahrt, die in 1200 Meter Höhe acht Stunden dauern soll.

Berlin 26. Okt. Der große Mili­tärluftkreuzerLI IV" wird nicht an den demnächst in Köln stattfindenden Luft­schiffmanövern teilnehmen. Er wird heute noch entleert und vollständig demontiert, um später als kleineres Luftschiff vom Typ des LI III" wieder zu erstehen.

Berlin 26. Okt. lieber die in der Presse vielfach erörterte Aktion der inter­nationalen Truppen in Hankau ist ein aus­führlicher Bericht des Chefs des Kreuzer­geschwaders eingetroffen, der nähere Auf­klärung gibt. In der Nacht vom 12. zum 13. Oktober war ein Feuer in der Nähe der deutschen und der englischen Niederlassungen ausgebrochen und der chinesische Pöbel be­nutzte diese Gelegenheit, um in die Nieder­lassungen einzudringen, in der Absicht, eine Plünderung zu versuchen. Der Einfall wurde zunächst durch das den Polizeidienst versehende deutsche und englische Freiwil­ligenkorps aufgehalten, zu dessen Unter­stützung dann noch die Landungsabteilungen des KanonenbootsVaterland" und des englischen KanonenbootsThistle" und eine Patrouille des amerikanischen Kreuzers Helena" herbeieilten. Dem schnellen und tatkräftigen Einschreiten der internationalen Truppen gelang es, wie bereits gemeldet, weitere Exzesse des aufgeregten Pöbels zu verhindern und dadurch die Niederlassungen von weiteren Vorfällen freizuhalten.

Berlin 26. Okt. (Reichstag.) Am B undesratstisch die Staatssekretäre Wermuth und Frhr. v. Schor- lemer. Der Präsident eröffnet die Sitzung um 12.15 Uhr. Die Besprechung der Teuerungs - Interpellationen wird fortgesetzt. Graf Mielzynski (Pole) führt die Teuerung zum großen Teil auf die ungesunde Spekulation zurück, wünscht zeitweilige Aufhebung der Einfuhr­scheine auf Petroleum und Kaffee und ver­urteilt die Tätigkeit der Ansiedlungskom­mission als einen schweren Fehler unserer inneren Politik. Wachhorst deWente (nl.): Von Fleischnot und Fleischteuerung kann nicht gesprochen werden. Die Preise für Fleisch und Gemüse sind nicht so hoch, daß sie die arbeitende Bevölkerung nicht zahlen könnte. Einen Abbau der Schutzzölle kann ich nicht empfehlen, auch die Einfüh­rung des argentinischen Gefrierfleisches ver­mag ich nicht zu befürworten. Die Einfüh­

rung dieses Fleisches und die Oeffnung der Grenzen würden beim kleinen Landwirt einen Sturm der Entrüstung Hervorrufen. Ich muß es bedauern, daß die für unsere innere Kolonisation notwendige Ostmar­kenpolitik nicht mehr in derselben Weise ge­führt werden soll wie bisher. Wenn der Landwirtschaftsminister in der Ostmarken­politik nicht einen neuen Kurs aufnehmen und nichts mehr für die innere Kolonisa­tion tun will, dann wird er nicht nur bei meiner Partei, sondern auch beim deutschen Bauernbund den energischsten Widerstand finden. Wir sind stets für nationale Wirt­schaftspolitik eingetreten, wir wollen aber keine Politik, die nur den Interessen der Großgrundbesitzer zugute kommt, sondern wir wollen auch für den deutschen Bauern- und Vürgerstand sorgen. Pachnicke (Fortschr. Vp.): Wir wollen nicht den Schutz­zoll beseitigen, wir wollen vielmehr die Schutzzölle so aufgestellt wissen, daß vorteil­hafte Handelsverträge erzielt werden. Die jetzt zu beobachtende Preissteigerung im Großgrundbesitz bringt den Verkäufern Hun­derttausende, und der Nachfolger kommt nicht auf seine Rechnung. Das ist der An­fang einer neuen Agrarkrisis. Wenn die innere Kolonisation vernünftig gehandhabt würde, dann könnten unsere Bauern auch die letzten paar Prozente der Fleischversorgung des Volkes produzieren. Dagegen ist die Zahl der Fideikommisse ständig im Steigen. Das Vorgehen des Landwirtschaftsministers gegen die Schlächtermeister steht wenig im Einklang mit der sonstigen Mittelstands­freundlichkeit der Regierung. Was die Re­gierung zur Beseitigung und Milderung der Folgen der Dürre getan hat, erkennen wir an, doch sind die Gründe gegen die Einfuhr argentinischen Fleisches und eine zeitweilige Aufhebung der Futtermittelzölle nicht stich­haltig. Den mittleren und kleineren Land­wirten muß man durch Beseitigung der Fut­termittelzölle helfen. In den Landwirt­schaftskammern werden die kleineren Land­wirte fast grundsätzlich ausgeschlossen. (Lebh. Widerspruch rechts.) Zwischen dem Groß­grundbesitz und den kleinen Landwirten be­steht ein dauernder Interessengegensatz. (Widerspruch rechts, große Unruhe.) Wir haben eine Mehrheit im Reichstag für die Suspension der Futtermittelzölle und diese sollte von der Regierung eine Milderung der Not verlangen, aber der Reichskanzler will solche Mittel nicht versuchen. Unsere Wirtschaftspolitik in Zukunft wird abhän- gen von der Zusammensetzung des nächsten

Reichstags. Das konservativ-klerikale Re­giment hat lange genug gedauert. (Lebh. Widerspruch rechts und im Zentrum.) 30 bis 40 Mandate genügen, um den schwarzblauen Block zu zertrümmern. (Lebh. Beifall links, Unruhe rechts.) Arendt (Reichsp.): Der Vorredner hat einen wirklichen Vorschlag auf Beseitigung der bestehenden Teuerung nicht gemacht. (Rufe links doch!) Er hat nur Maßnahmen zur Verbilligung des Fleisches vorgeschlagen, ohne geprüft zu haben, ob eine Teuerung überhaupt besteht. Einen so glänzenden Sieg der schutzzöll- nerischen Ideen wie bei dieser Teuerungs­debatte habe ich noch nicht erlebt. Die Na­tionalliberalen aber sollen bei den Reichs­tagswahlen mit uns Zusammengehen. Ich hoffe, daß unsere bewährte Wirtschaftspolitik durch die Wahlen ihre Bestätigung finden wird. Landwirtschaftsminister Frhr. v. Schorlemer: Ein Rückgang der Mais­einfuhr ist infolge des Zolles nicht zu ver­zeichnen. Dem Abg. Wachhorst de Wente werde ich im preußischen Abgeordnetenhause versichern, daß die preußische Oftmarkenpoli­tik nicht im Abbau begriffen ist. Die Frage der inneren Kolonisation beschäftigt das preußische Landwirtschaftsministerium sehr eingehend. Es ist dort die Frage erörtert worden, welche Domänen sich für die Ansied­lung besonders eignen und bereits sind einige Domänen der Ansiedelungsgesellschaft zur Verfügung gestellt worden. Werner (Refpt.): Die eigentlichen Vrotverteurer sind die Börsianer und der Kaffee ist mit deutschem Eelde verteuert worden. An der Schutzpolitik darf nicht gerührt werden. Abg. Lehmann-Jena (Wild): Die An­griffe auf den Bund der Landwirte sind un­gerechtfertigt, er ist auf Wahrheit und Wahrhaftigkeit aufgebaut. (Lachen links.) Hohe Lebensmittelpreise sind nicht unter allen Umständen zu bedauern, sie sind ein Zeichen des Hochstandes der Kultur. (Lärm links.) Schuld an den jetzigen Zuständen sind nicht zuletzt die Auswüchse der sozialen Gesetzgebung . Heute Landwirt sein, heißt ein Opfer für das Vaterland bringen. (Lachen links, bravo rechts.) Korfanty (Pole): Unsere Arbeiterbevölkerung in

Oberschlesien ist nicht imstande, eine loh­nende Beschäftigung zu finden. Wenn die Regierung nicht einen gerechten Ausgleich für Industrie und Bevölkerung in Ober­schlesien schaffe, so müsse die Wirtschafts­politik bekämpft werden. Herzog (w. Vgg): Vieh und Getreide stehen nicht übermäßig hoch im Preise. Eine Reform

kehrte! Eine schreckliche Ahnung befiel sie. Das war ein böses Vorzeichen, was sie heute erlebt; und sie hatte immer an Ahnungen und Träume geglaubt. Mit Mühe nur war sie zu beruhigen. Beim Abschied aber küßte sie Gleichen Brandt auf den kleinen roten Mund und sagte unter Tränen:Nun wol­len wir erst rechte Freundinnen sein."

Mit den Verlobungsbesuchen war es jetzt natürlich zu Ende. Das Brautpaar ging still nach Hause, und es war ihnen beiden, als gehörten sie jetzt erst ganz zueinander.

Am Nachmittage fuhr Claus Hansen mit dem großen Landauer vor, in dem eine ganze Familie Platz hatte. Der Alte mit dem roten, glattrasierten Gesicht voller Fal­ten und dem von vielen Regengüssen fleckig gewordenen Zylinder auf dem Kopfe, saß selbst auf dem Bock und salutierte würdevoll mit der Peitsche, wie er es als ehemaliger Herrschaftskutscher gewohnt gewesen war. Wenn ein neues Brautpaar ausfuhr, oder wenn es gar zur Trauung ging, dann ließ sich's Claus Hansen nicht nehmen, selbst zu kutschieren, obwohl er den großen Sohn hatte, der ihm die Fahrerei sonst abnahm.

Nun saßen Frau Diestel und Karoline im Fond des Wagens und Johannes ihnen gegenüber, und die Pferde zogen an. Die ganze Nachbarschaft stand an den Fenstern

hinter den Gardinen, die Kinder hatten so­gar Spalier gebildet. Wenn Claus Hansen auf dem Bocke saß, gehörte sich das so. Denn das waren Staatsfuhren, bei denen die Pferde die roten Rosetten zu beiden Seiten des Kopfes und das silberne Zaumzeug tru­gen. Als sie bei Eretchen Brandt vorbei­fuhren, nickte Karoline ihrem Verlobten zu. Die Aermste dachten sie beide. Und nun an der Jägerkaserne vorbei, am Amts­gericht und dem Gymnasium und hinaus über den steinernen Damm mit der Bade­anstalt. Die Nachmittagssonne blinkte über den hohen, waldbestandenen Ufern des Küchensees, und zur Rechten dehnte sich der große Ratzeburger See aus und gegenüber ein herbstlich buntes Gehölz, die Bäck, mit wehender Flagge auf der Maststange des Re­staurants.

Johannes hatte ssine Braut gebeten, heute Nachmittag mit ihm einen Besuch in Neuendamm zu machen. Das war ein Spa­ziergang durch den Wald und am Seeufer, den man zu Fuß in einer kleinen Stunde von Ratzeburg aus machte. Aber Frau Diestel wußte, was sich schickte. Erstens mußte sie selbst mitkommen, und zweitens würde man zur Feier des Tages im Wagen fahren, der sie dann auch des Abends abholen konnte. Karoline kam sich sehr wichtig vor bei diesem Besuche. Sie war zwar schon als

Kind in Neuendamm gewesen, aber sie hatte sich dort immer schrecklich gelangweilt, während die Erwachsenen sich unterhielten. Dieses Mal war sie nun die Hauptperson.

Vor der Tür empfing sie der alte Jessen mit Anna und half seiner Jugendliebe, die noch jetzt eine leise Verlegenheit nicht über­winden konnte, wenn sie den Vetter traf, aus dem Wagen. Anna und die junge Braut begrüßten sich mit einem Kusse. Dann sagte man Claus Hansen vorläufig Adieu und trat ins Haus.

Karoline hatte schon von weitem mit aufmerksamem Blick ihre zukünftige Heimat gemustert. Als sie am Pfarrhause vorbei­geschritten waren, hatte sie sich im stillen ge­ärgert. Wie lag das stattlich da in seiner behaglichen Wohlhabenheit. Das Schul­haus sah nüchterner aus. Aber es war doch immerhin ein ganz ansehnlicher Vau aus roten Backsteinen mit grauschwarzem Schieferdach und drei hohen Blitzableitern darauf. Leider würde man es nicht für sich allein haben. Den Hauptraum im Erd­geschoß beanspruchte doch das große Klas­senzimmer und daneben zwei kleinere Räume für Schulzwecke. Und wie dumm, daß dahinter der große Schulhof mit den Turngeräten lag. Wenn man den mit zum Garten hätte verwenden können.

(Fortsetzung folgt.)