252. Amts- ynd Attmgeblatt fiir den Meramtsbyirk Calw« 86. Jahrgang.
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Erscheinungstage: Montag, Dienstag, Mittwoch. Donnersrag. Freitag und Samstag. Jnsertionsvreis 10 Pig. pro Zeile für Stadt u. Bezirksorre; außer Bezirk 12 Big.
Brritag, den 27. Oktober 1911.
Bezugspr. i. d. Stadt ^jährl. m. Trägerl. Mk. 1.25. Postbezugspr. f.d.Orts-u.Nachbarortsverk. ^ ^jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr Mk. 1.30. BesteÜg. in Württ. 30Pfg., in Bayern u. Reich 42Pfg.
Tagesnenigkeiten.
Tübingen 26. Okt. Der älteste Sohn des Herzogs Alb recht, Herzog Philipp Alb recht, ist heute zur Aufnahme seiner Studien hier eingetroffen. Er wird Vorlesungen über Rechts- und Staatswissenschaften hören.
Stuttgart 26. Okt. (Kartoffelversorgung.) Bei der Stadtverwaltung sind so zahlreiche Bestellungen auf Kartoffeln eingelaufen, daß sie sich genötigt sah, statt der ursprünglich in Aussicht genommenen 10 volle 48 Eisenbahnwagen kommen zu lassen. Die Bestellungen belaufen sich auf rund 9500 Zentner. Der Preis beträgt 3.50—3.70 -K. Gestern wurde hier 4.50 bis 6.00 «K für den Zentner auf dem Kartoffelgroßmarkt bezahlt.
Stuttgart 26. Okt. Dem heutigen Kartoffelgrotzmarkt waren 300 Zentner zugeführt. Preis 4.40 bis 6 -R per Zentner. -
Korb (OA. Waiblingen) 26. Oktober. (Auto-Verbindung.) Die bürgerlichen Kollegien haben beschlossen, vorerst probeweise vom Sonntag, 29. d. M. an einen geschlossenen Auto-Omnibus mit 20 Sitzplätzen zwischen Korb und Waiblingen, täglich 6mal hin und 6mal zurück, laufen zu lassen. Die Fahrpreise sind sehr billig.
Ludwigsburg 26. Okt. (Zwangsenteignung.) Ueber die zur Erweiterung des Bahnhofs Asperg erforderlichen Grundstücke konnte mit einer Reihe von Eigentümern eine Einigung betreffs des Kaufpreises nicht erzielt werden. Es han
delt sich um nicht weniger als 48 Grundstücke, zumeist Aecker und Vaumgärten, aber auch ein Fabrikgebäude, wegen deren nun von der Generaldirektion das Zwangsenteignungsverfahren eingeleitet worden ist. Auch die Etadtgemeinde ist mit drei Grundstücken beteiligt.
Göppingen 26. Okt. (Aus dem >10. Reichstagswahlkreis.) Die verschiedenen Vlättermeldungen, daß die Kandidatur des sozialdemokratischen Abgeordneten Dr. Lindemann im 10. Reichstagswahlkreis durch eine neue ersetzt werden soll, werden von der sozialdemokratischen Presse als unrichtig erklärt. Die Tatsache, daß Dr. Lindemann gegenwärtig im 10. Wahlkreis nicht agitatorisch tätig sein kann, habe ihren Grund darin, daß er seit längerer Zeit krank sei und außerhalb Württembergs weile.
Wannweil (OA. Reutlingen) 26. Okt. Dieser Tage erhielten mehrere hiesige Bürger ein bestelltes Quantum Spanierwein samt den Trauben zum Mostbereiten. Sie verteilten Saft und Trauben abends, sahen aber andern Tags mit Schrecken, daß Tausende von sog. Ohrwürmern in den Daugen waren. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen.
Ulm 26. Okt. (Ein Unmensch.) Vor dem Schwurgericht hatte sich gestern der 37 Jahre alte Kellner Eugen Hermann aus Laupheim wegen Totschlagsversuchs zu verantworten. Der Beschuldigte kam mit 15 Jahren nach Italien, wo er Kellnerlehrling wurde. Mit 17 Jahren er
schoß er in Genua die Tochter seines Dienstherrn aus Eifersucht und mutzte dafür 20 Jahre hinter Eefängnismauern zubringen. Im vergangenen Sommer wurde er aus Italien abgeschoben und kam nach Laupheim. Die 20jährige Haft hat ihn so mitgenommen, daß er geistig und körperlich in nicht normalem Zustande war. Er hielt es deswegen nicht lange bei seinem Bruder in Laupheim aus, der ihn ausgenommen hatte, sondern ging nach einem Streit nach Ulm. Hier konnte er nirgends ein Unterkommen finden, was ihn so bedrückte, daß er beschloß, um ins Gefängnis zu kommen, eine strafbare Handlung zu begehen. Er brachte dann dem Bahnschaffner Jen- ninger, der des Weges kam, ohne jede Bemerkung einen Stich in die linke Brustseite bei. Jenninger ist jetzt wiederhergestellt. Hermann wurde wegen Totschlagsversuchs unter Verweigerung mildernder Umstände zu 5 Jahren Zuchthaus verurteilt.
Friedrichshafen 26. Oktober. (Luftschiffbau.) Auf der Zeppelinwerft ist ein weiteres Passagierluftschiff im Rohbau fertig.
Friedrichshafen 26. Okt. (Vom Luftschiffbau.) Die formelle Abnahme des Luftschiffes „I. IX" ist noch nicht erfolgt. Da der Luftschiffbau auf eine bedingungslose Abnahme des Luftschiffes Wert legt und eine der Abnahmebedingungen wegen Nebels während der Zwanzigstundenfahrt nicht voll erfüllt werden konnte, findet in den nächsten Tagen noch eine Fahrt statt, an der zwei Offiziere der Abnahmekommission teilnehmen. Es han-
Am die Heimat.
17) Roman von Bruno Wagener.
(Fortsetzung.)
„So ist es nun jedesmal," sagte Karo- line, heftig die Tür hinter sich zuziehend.
„Warum haben wir denn aber diesen Besuch gemacht?" fragte Johannes verwundert. „Die Verwandtschaft ist doch nur ganz entfernt."
Da sagte Karoline stolz: „Aber bedenke doch — sie zählen doch zu den ersten Kreisen. Man will doch zu den Gesellschaften eingeladen sein, die sie geben."
Jetzt war es Zeit, zum Rektor der Schule zu gehen, an der Johannes unterrichtete, und dann zum Ratssekretär, dem Nachfolger von Karolines Vater. Inzwischen hatten sich die Straßen belebt, denn die Kirche war zu Ende. Nun erst genoß Karoline ganz den Stolz der neuen Würde. Es half kein Sträuben,' Johannes mußte sie über den Markt führen, wo sie jetzt eigentlich nichts zu suchen hatten, wo die hübsche Braut aber die Wonne auskosten konnte, auf Schritt und Tritt angehalten und beglückwünscht zu werden.
Da traf sie auch ihre Freundin Frida Küster, zu der sie auch noch gewollt hatte. Jetzt war die Freude erst auf der Hohe. Eine
- Ueberraschung war die Verlobung ja für niemanden. Aber, daß Karoline nun doch eher den goldenen Ring trug, ehe eine ihrer Freundinnen so weit war, das war ein beseligendes Gefühl. Und dann wußte sie ja ganz genau, daß Frida Küster sie um den stattlichen Bräutigam beneidete. Man sah es ihr ja an den Augen an.
Und nun ließ es Karoline keine Ruhe mehr — sie mutzte jetzt zu Eretchen Brandt. Was die Freundinnen sagten, war doch die Hauptsache. Johannes war zwar der Ansicht, daß man erst noch in der Verwandtschaft einige Besuche machen sollte. Aber Karoline setzte ihren Willen durch.
Eretchen kam ihnen in dem kleinen Zimmer neben dem Laden entgegen — der l Freundin mit herzlichem Kuß, dem jungen ! Manne, den sie ja läügft kannte, mit ehr- ^ lichem Händedruck. Aber, als Karoline glück- j strahlend sagte: „Du kannst Dir gar nicht ' denken, wie schön es ist, verlobt zu sein!", stürzten plötzlich dem Mädchen die Tränen aus den Augen, und sie schlang die Arme um den Hals der Freundin und brach in stilles Schluchzen aus.
In diesem Augenblicke öffnete sich die Tür zum kleinen Hinterzimmer, und eine alte Frau mit freundlichem Gesicht winkte Johannes.
j „Treten Sie hier herein, und lassen Sie l die beiden sich aussprechen, Herr Jessen."
Da erfuhr er denn, daß sie zu einer traurigen Stunde gekommen waren. Eretchen Brandt hatte sich vor einem Jahre ganz heimlich mit einem jungen Hilfsprediger verlobt. Am Abend, bevor er nach Slldwest- ! afrika reiste, um Missionar zu werden, hatte ! er um ihre Hand angehalten. In zwei Jah- ! ren wollte er sie nachholen. Keinem Men- ' schen hatten sie es gesagt. Still und verbor- ^ gen war ihre Liebe gewesen. Gestern aber hatte sie die Nachricht bekommen, daß er drau- ^ ßen am Fieber gestorben war — allein in ^ weiter Ferne, verlassen auf einsamer l Station.
Nebenan saßen die beiden Mädchen und , weinten, und Karoline streichelte die kalten § Wangen der Freundin. Dann fragte ne ^ ganz leise: „Hast Du ihn denn sehr lieb ge- ^ habt?" Und Eretchen konnte kaum sprechen: i sie nickte nur: „Sehr lieb." Da ging es wie ! ein Schauder über die junge Braut. Sie ! sprang auf und lies ins Nebenzimmer und ! klammerte sich an ihren Verlobten.
„Johannes, wenn mir das passierte, ich überlebte es nicht." sagte sie voll fassungslosen Entsetzens. Und dann kam ihr der Gedanke an die bevorstehende Reise ihres Bräutigams. Wenn er nun auch nicht wieder-