Gerichtsbarkeit aus Anlaß der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs. Unter eingehender Begrün­dung sprach sich der Referent dafür aus, die Funktionen des Vormundschaftsgerichts in der Hauptsache den Gemeinderäten, die Verrichtungen des Nachlaßgerichts und Grundbuchamts aber den Bezirksnotariaten zu übertragen, sofern nicht in größeren Gemeinden be­sondere Grundbuchämter errichtet werden. Die Ver­schling der in Frage kommenden Aemter durch Be­amte der Gemeinden sei zu verwerfen und zwar im Interesse der Gemeinden selbst, da sie insbesondere die Kosten der Anlegung und Fortführung der Grundbücher zu übernehmen, die Beamten zu zahlen und die Haftung für deren Versehen im Interesse des Realkredits zu tragen hätten, ohne daß diesen Auslagen entsprechende Einnahmen gegenüberständen; selbstverständlich sei es, daß die betreffenden Geschäfte nach wie vor in der Gemeinde (wenn auch nicht durch diese) besorgt werden. Die amtliche Nachlaßbehandlung sei insbesondere im Interesse unserer ländlichen Be­völkerung und der Sicherheit des Verkehrs mit Liegen­schaften aufrecht zu erhalten; eine Bevormundung der Beteiligten sei darin so wenig zu erblicken wie etwa darin, daß der Staat seine Bürger zwinge, bei jedem am Landgericht anhängig zu machenden Prozeß sich der Hilfe eines Rechtsanwalts zu bedienen, auch wenn der Prozeß noch so einfach sei. Die Anforderungen an die Vorbildung der Notariatskandidaten seien un­bedingt zu erhöhen, volle juristische Ausbildung aber nicht zu verlangen, da sie für diese speziellen Zwecke nicht nötig und nicht zweckmäßig sei. Der Württ. Notariatsstand habe seither die ihm gestellte Aufgabe zu voller Zufriedenheit der Beteiligten erfüllt und seine Leistungen in dieser Beziehung können sich sehr wohl messen mit denen in andern Ländern, wo ju­ristisch gebildete Beamte die betreffenden Geschäfte versehen. Die neuerdings vom Verein der Körper­schaftsbeamten angeregte Verschmelzung der niederen Dienstprüfungen im Departement des Innern und der Justiz sei zu verwerfen, weil sie dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung widerspreche und die erhöhten Anforderungen, welche mit Einführung des bürgerl. Gesetzbuchs an die betreffenden Funktionäre gestellt werden müssen, unterschätze. - Nach längerer Debatte nahm die Versammlung einstimmig folgende Resolution an: 1) In Württemberg ist die amtliche Nachlaßbehandlung auch in anderen als den durch das bürgerliche Gesetzbuch vorgesehenen Fällen bei­zubehalten; 2) Träger der gesamten freiwilligen Ge­richtsbarkeit ist das Notariat; in feine Hand sind insbesondere die Geschäfte des Nachlaßgerichts und des Grundbuchamts zu legen, soweit nicht für größere Gemeinden die Errichtung besonderer Grundbuchämter in Frage kommt. Das Vormundschaftswesen wäre den Gemeinden zu belassen mit Ausnahme derjenigen Funktionen, welche durch das bürgerliche Gesetzbuch dem Vormundschaftsgericht neu übertragen werden; 3) der Bezirksnotar ist nach wie vor Staatsbeamter; er bezieht für die von ihm von Amtswegen zu be­sorgenden Geschäfte einen auskömmlichen Gehalt; 4) die Vorbildung der Notariatskandidaten ist in ange­messener Weise zu erhöhen, insbesondere von ihnen der Besuch der VIII. Klasse des Gymnasiums oder des Realgymnasiums und iVejähriges Studium au

dem weiter auszugestaltenden Notariatskurs zu ver­langen. Eine Verschmelzung der Notariats- und niederen Verwaltungsdienstprüfung ist abzulehnen.

* (Verschiedene s.) Eine seltene Hochzeitsfeier wurde dieser Tage im Gasthaus zurKrone" in Neckartenzlingen abgehalten. Standesamtliche und kirchliche Trauung waren schon längst bestimmt und die Gäste geladen; es fehlten nur noch aus der Heimat des Bräutigams die standesamtlichen Urkunden. In letzter Stunde kamen sie denn auch richtig an, jedoch mit dem schrecklichen Vermerk, daß das öffent­liche Aufgebot wegen eines kleinen Formfehlers in den Papieren der Braut nicht habe vollzogen werden kön­nen. Da war nun freilich guter Rat teuer. Schließ­lich beschloß man den praktischen, sonst zweiten Teil der Feier dem ersten amtlichen um etwa 14 Tage oder 3 Wochen vorausgehen zu lassen. Die Feier verlief alsdann in gemütlichster Weise. In Horb wurde die Buffetdame des dortigen Bahnhosrestaurateurs ver­haftet. Dieselbe hat ihrem Dienstherrn nach und nach über 100 Mk. entwendet. In Weilheim bei Balingen erhielt dieser Tage Baumwart Franz von einer Kuh 3 gesunde Kälber. Vom Schwurgericht in Ulm wurde der 21jährige Postpraktikant Michael von Ulm wegen erschwerter Unterschlagung un Amt zu 7 Monaten Gefängnis verurteilt. Es wurden ihm mildernde Umstände zugebilligt, auch wurde er von den Geschworenen der Gnade des Königs empfohlen. Der Schreiner Hiller von Trailfingen, OA. Urach, der am 5. Juni bei Gutenberg auf einer Wiese 6 Heuhäufen anzündete, erhielt vom gleichen Gericht 6 Monate Gefängnis. In Oeschelbronn, OA. Herrenberg, sind am Sonntag nachmittag 3 Gebäude abgebrannt.

Cylinderhut der Braut über den Kopf zu stülpen, wo­durch der Brand gelöscht wurde.

* Aus dem Reichslande schreibt man derK. V.-Z.": Die Lampertheimer haben gestern ihr präch- tiges neues Rathaus eingeweiht, und dabei erhielt jeder Bürger vier Mark ausbezahlt als kleine Ueberraschung, um die Festfreude zu erhöhen. Sich selber hatten die Gemeinderats-Mitglieder, wie billig, noch etwas mehr bewilligt, nämlich 8 Mk., wofür sie ein großes Fest­essen hielten, das pro Couvert so viel kostete. Lampert­heim ist eine der reichsten Gemeinden des Unter-Elsaß und kann sich derartige Vergnügungen gestatten.

* Der vielgenannte Wunderdoktor und Schafhirt Ast in Radbruch ist der Höchstbesteuerte des Kreises Minzen a. L. geworden. Sein zu zahlender Steuer­betrag ist 5700 Mk., darunter 4000 Mk. Einkommen­steuer, was einem Jahreseinkommen von 100000 Mk. entspricht!

* Görlitz, 3. Okt. Rentier Eding hat sein Ver­mögen im Betrag von 300 000 Mark dem Gustav Adolf-Verein vermacht.

* Berlin, 6. Okt. Wie dieNordd. Allgem. Ztg." hört, findet morgen in Hubertusstock ein Kronrat statt, wozu sämtliche Staatsminister geladen sind. Dem Vernehmen nach handelt es sich um die Fest­stellung der Arbeiten für die bevorstehende parlamen­tarische Session.

* Homburg a. d. H., 5. Okt. Wie dieKreis­zeitung" meldet, wird der russische Kaiser gelegentlich seines Besuches bei der Kaiserin Friedrich auf Schloß Friedrichshof nach Homburg kommen, um daselbst die Grundsteinlegung der neuen russischen Kirche in den Kuranlagen an der Kaiser Friedrich-Promenade zu vollziehen. Der feierliche Akt dürfte am 18. Oktober stattfinden.

* Eine Million Mark sollte dem Unteroffizier Har- mann vom 34. Infanterieregiment in S ch n ei d e m ühl durch Erbschaft von einem in Baltimore verstorbenen Onkel zugefallen sein. Nachdem Harmann dieser Tage erfahren hatte, daß es mit der Millionenerbschaft nichts ist, hat er sich nun erschossen.

* (Schnell entschlossen.) Während einer Trauung in der Kirche zu Myslowitz (Schlesien) geriet der Schleier der Braut durch unvorsichtiges Hantieren mit den Lichtern in Brand. Der Bräutigam, der dies so­fort bemerkte, besaß soviel Geistesgegenwart, seinen

Ausländisch»-.

* Prag, 3. Oktbr. (Als Spion verhaftet.) Der Karlsbader Bürgerschullehrer Hampeil unternahm vor einiger Zeit eine Ferienreise und blieb seither ver­schollen. Dieser Tage ist er zurückgekehrt und mm klärte sich sein langes Schweigen damit auf, daß er auf seiner Reise durch Frankreich aus Unkenntnis den Bannkreis der Festung Belfort überschritt, dort seit Anfang August interniert war und eine lange Reihe von Verhören zu bestehen hatte, ehe sich die französischen Militärbehörden von seiner Unschuld überzeugten und ihn wieder frei ließen.

* Paris, 3. Okt. Die Kosten für den Empfang des russischen Kaiserpaares werden heute nach einer genaueren Berechnung auf nahezu 8 Millionen veran­schlagt. Von den 5 Millionen, welche die Regierung für diesen Zweck beansprucht, entfallen etwa anderthalb Millionen auf das Kriegsministerium. Für die Revue von Chalons allein wurden 1,200,000 Frcs. eingestellt. Die Kosten der vom Präsidenten der Republik veran­stalteten Feste belaufen sich auf etwa 400,000 Frcs., dazu kommen noch die Ausgaben für den neuen Präsi­dentenzug, die dem Budget des Arbeitsministeriums einverleibt werden. Außer der Stadt Paris, die mit den durch Privat Subskriptionen aufgebrachten Summen für die Zarenfeste.an 2 Millionen ausgiebt, haben auch noch Cherbourg, Versailles und Chalons sehr bedeutende Beträge für emen würdigen Empfang des Kaisers Nikolaus bewilligt.

* (Das russische Kaiserpaar in Frank­reich.) Das russische Kaiserpaar hat den französi­schen Boden betreten. Ueber die Ankunft in Cher­bourg liegen folgende Meldungen vor: Nachdem in der Mitte des Äermelkanals das franz. Geschwader die Eskorte der russ. Kaiseryachten übernommen hatte, nahmen letztere in der Mitte der französischen Schiffe Stellung. Das franz. Geschwader löste zum Salut 101 Schüsse. Die Mannschaften erwiesen die üblichen Ehrenbezeugungen. Als derPolarstern" an den einzelnen Schiffen vorüberfuhr, spielte jedesmal die Schiffskapelle die russische Hymne und die Mann­schaften begrüßten den Kaiser mit Hurrahrufen. Der Kaiser dankte von der Kommandobrücke aus mit mili­tärischem Gruß. Die Schiffsmanöver wurden in be-

L « k - s r rr ch t.

Not ist die Wage, die des Freundes Wert erklärt, Not ist der Prüfstein auch von deinem eig'nen Wert.

Are feLtfcrme KerrcrL.

Roman nach dem Amerikanischen von August Leo.

(Fortsetzung.)

Still!" sagte er mit leiser, strenger Stimme, Du sprichst aufgeregt und thöricht, Du exaltierst Dich wegen einer sinnlosen Einbildung, die Deiner nicht würdig ist! Du verlangtest, daß ich Dir von Magnus er­zählen soll. Weißt Du, was dieses Weib im Vereine mit Duvar aus ihm gemacht hat? Sie haben eines der edelsten Geschöpfe, das Gott jemals geschaffen, in etwas so fast Teuflisches umgewandelt, wie es bei einem solchen Herzen nur möglich ist. Sein Herz ist von Bitterkeit erfüllt, fein Hirn so angestachelt und gefoltert von dem Andenken an das, was er erlitten, daß er an Nichts als an Rachepläne denkt. Er von Lady Dare bezaubert! Er sollte sich von ihren Künsten bestricken lassen und die Rache aufgeben, die sein einziger Gedanke, sein Wunsch, seine Sehnsucht und fast zur Monomanie bei ihm geworden ist! Ich preise sogar, daß, selbst wenn er wüßte, daß seine Frau und sein Kind am Leben seien, dies seine Gefühle in dieser 'Hinsicht besänftigen könnte!"

Und aus Furcht, daß es chn besänftigen könnte, soll er es um so weniger erfahren," flüsterte Mrs. St. Ulm mit Härte und Bitterkeit.Wie man säet, so soll man ernten! Du hast mir den unumstößlichsten

von allen Gründen gegeben, ihn nicht wissen zu lassen, daß ich am Leben bin."

32. Kapitel.

Neue Vorschläge.

Sobald Lady Dare ihn verlassen hatte, lächelte Duvar und ließ sich ein kräftiges Mal heraufbringen. Als er dieses verzehrt hatte, machte er zum Ausgehen Toilette.

Dieser hübsche Dandy war in diesen Sachen so nett und sorgfältig wie die raffinierteste Kokette, und die Angelegenheit, die ihn jetzt beschäftigte, rechtfertigte auch, wie er meinte, das Aufbieten der größten Sorg­falt in dieser Beziehung.

Er wollte ohne irgend welchen Aufschub Mrs. St. Ulm um ihre Hand bitten.

Unter dem belebenden Einflüsse der Nahrungs­mittel und seiner geschmeichelten Eitelkeit, als er sich im Spiegel sah, hatte sich seine Laune sehr verbessert, seitdem seine Schwester ihn verlassen hatte.

Es ist Unsinn, daß sie Sever gesehen haben will, natürlich!" sagte er sich.Es hat vielleicht Jemand von der Geschichte Wind bekommen und versucht nun, sie zu erschrecken. Etwas Anderes kann es ja nicht sein, ynd wenn ich nur meine reiche, schöne Witwe zur Einwilligung bewegen kann, so ist mir alles Uebrige ganz gleichgültig."

Er verließ das Zimmer mit einem Schmunzeln befriedigter Eitelkeit; jedes Löckchen seines hübschen blonden Kopfes sah aus wie frisch vergoldet, und seine blauen Augen waren glänzend und sonnig wie die eines Kindes.

Als er heiter die breite Treppe hinabstieg, bemerkte er unbestimmt etwas Weißes in der Entfernung und holte, diesem folgend, die schöne Australierin in einem der Wintergärten ein.

Sie schien sehr erfreut, ihn zu sehen, und hätte nicht lieblicher aussehen können, wenn sie ihre Toilette direkt auf dieses Zusammentreffen vorbereitet hätte.

Eine einzige weiße Rose mit den sie umgebenden Knospen und dunkelgrünen Blättern verbarg sie in der Seidenfülle ihrer Zöpfe, und die rötlich braunen Augen erglühten in einem schmelzenden und gefährlichen Feuer.

Ich bin so froh, Sie zu sehen!" sagte sie, ihm ihre weiche, weiße Hand, welche wie die einer Prin­zessin geschmückt war, entgegenstreckend.Wollen Sie mit mir hinaus in's Freie kommen?"

Duvar würde es freilich vorgezogen haben, dem Rate seiner Schwester zu folgen und sich aus ver­schiedenen Gründen verborgen zu halten, doch er konnte den sanften Blicken und dem berauschenden Lächeln der Mrs. St. Ulm nicht widerstehen.

Mit Entzücken!" flüsterte er in süßestem Tone.

Sie waren eine kleine Strecke gegangen. Die schöne Lady war ungewöhnlich heiter und gesprächig, als sie den Wunsch aussprach, ein wenig äuszuruhen, und anmutig auf einen der Gartenstühle sank, welche an jedem passenden Orte aufgestellt wären.

Es war ein reizender Ort, eingeschlossen und überwölbt von blühendem Gesträuche, an einer Seite eine Waldlandschaft von großer Schönheit darbietend. Der Augenblick und der Ort waren günstig, deshalb beschloß Duvar, keine Zeit zu verlieren. (F. f.)