in Begleitung zweier Frauenzimmer mit einem Wagen j in rasendem Tempo durch Enzweihingen, OA. Vaihingen. Das Fuhrwerk fiel um und einige Bürger von Enzweihingen waren behilflich den Wagen wieder aufzurichten, sie bemerkten aber, daß Lehmann wegen Tierquälerei bestraft gehöre. Darauf bedrohte derselbe die Bauern mit einem Prügel und als sich diese zur Wehre rüsteten, holte er aus seinem Wagen eine Doppelpistole und schoß den Bauern Auweder in die Brust, so daß dieser heute noch leidend ist. Auch auf einen zweiten Bauern gab er einen Schuß ab, dann fuhr die Bande im Galopp davon. Auf der Straße zwischen Tübingen und Derendingen begegnete Lehmann dem Geschirrhändler Lerner, mit dessen Frau er herumzog. Sogleich griff er nach einem scharf geladenen Gewehr und gab auf Lerner drei Schüsse ab, die jedoch nicht trafen. Der gemeingefährliche Geselle wurde zu 4 Jahren 10 Monaten Zuchthaus und 5jähr. Ehrenverlust verurteilt. — In Stuttgart fiel ein Metzgergehilfe im Schlachthaus in einen Zuber, der mit siedendem Wasser gefüllt war, wobei er sich so schwere Brandwunden zugezogen hat, daß er in bewußtlosem Zustand ins Katharinenhospital verbracht werden mußte. — Der junge Mensch, der vor einigen Wochen in Neckarsulm und in Dahenfeld Betrügereien verübte, ist nunmehr in Kassel verhaftet worden. Er ist der Sohn eines Offiziers aus Graz, der seit 2 Monaten aus dem Elternhause entwichen ist.
- Ueber starke Gewitterregen, teilweise wolkenbruchartig, mit mehr oder minderem Schaden an Feldern und Wiesen, liegen Berichte vor aus Ludwigsburg, mehreren Orten des u nt e r en En z th a ls, Backnang und Murrhardt. Auf Murrhardter Markung wurde viel schöner Heuertrag von der Murr weggeschwemmt, ebenso in der Crailsheim er Gegend von der Jagst. In Knittlingen gab es ein ziemlich starkes Hochwasser, das an den prächtig stehenden Fruchtfeldern, an Wiesen, Tabak- und Rantschen- äckern und Gärten nicht unbedeutenden Schaden anrichtete. In niedergelegenen Häusern mußten Menschen und Tiere ausquartiert werden und auch in manchen Kellern, wo die Fässer umherschwammen, entstand durch Auslaufen derselben ein Schaden.
* Konstanz, 24. Juni. Ein Unglücksfall, der die Fuhrleute zur Vorsicht mahnt, ereignete sich heute mittag in Espasingen. Herr Adlerwirt I. führte mit seinen zwei Pferden Sand zu einem Scheuernbarn in seinem Garten. In der Nähe des Bienenstandes hielt der Wagen. Ein Pferd wurde von einer Biene gestochen und schlug an - den Bienenstand. Darauf machte sich das ganze Bienenvolk über die Pferde her, sie erhielten Stich an Stich und waren ganz mit Bienen bedeckt. Das eine Pferd konnte nur mit aller Mühe in den Stall gebracht werden. Es wird kaum davonkommen; das andere ist bereits verendet. Herr I. selbst und sein Knecht wurden von dem Bienenschwarm ganz erheblich gestochen.
* Am 23. d. M. erhängte sich in Nü r n b e r g der Kaufmann Lehner. Derselbe war Kassier des Kreditvereins, sowie Kassier des Vereins für die Entschädigung der Geschworenen. Wie sich herausgestellt hat, hat sich der Verstorbene sehr großer Unterschlagungen schuldig gemacht, welche sich zusammen auf über
100,000 Mk. belaufen sollen. Bei der Kreditvereinskaffe ist ein Fehlbetrag von 38,000 Mk., bei dem Geschworenenverein ein solcher von 12,000 Mk. ermittelt. Ferner sind zahlreiche kleine Leute, welche Lehner vertrauensvoll ihre Ersparnisse anvertraut haben, ohne einen Schuldschein zu erhalten, geschädigt.
* (Wirkung eines Blitzes.) Bei einem Gewitter, welches letzter Tage in Pasing (Bayern) niederging, hat ein Blitzstrahl ganz eigenartig gewirtschaftet. Zuerst fuhr er in den Glockenzug einer Gartenthüre an der Peppingerstraße, lief die Drahtleitung entlang, wobei der Draht schmolz, schlug durch das Fensterkreuz ins Wohnzimmer, riß den Verputz von der Mauer, sprang ins Schlafzimmer über, schmolz ein Loch in einen Glassturz, schlängelte sich um einen vergoldeten Bilderrahmen und verstreute die Vergoldung in kleinen Fünfen auf den Fußteppich. Dann stattete er dem dritten Zimmer einen Besuch ab, machte sich im Zitherkasten zu schaffen, schmolz einige Saiten, sengte andere an, riß die Wandvertäfelung auf und fuhr durch denIHaus- gang zum Brunnen, wo er unter Zurücklassung einiger Erdlöcher verschwand. Im Hausgange befand sich der Mieter der betreffenden Wohnung mit Familie. Sämtliche wurden betäubt, erholten sich aber bald wieder.
* Der einzige aus dem Untergang des Drummond Castle gerettete Passagier, Herr Karl Marquardt, hat seiner in Mainz wohnenden Mutter geschrieben, daß er sich verhältnismäßig wohl befinde und sie in Bälde wiederzusehen hoffe.
* Berlin, 26. Juni. Handelsminister Frhr. v. Berlepsch hat nach der „National-Ztg." seine Entlassung eingereicht. Dieselbe wurde angenommen.
* Das Gesetz gegen den unlanteren Wettbewerb macht sich bereits bemerkbar. Der Elberfelder Detail- listen-Verein der Textil- und verwandten Branchen hat, wie der „Konfektionär" mitteilt, beschlossen, vom 1. Juli ab eine Kommission von zehn Mitgliedern zur Ueberwachung des unlauteren Wettbewerbs einzusetzen. Sie soll in Verbindung mit einem Elberfelder Rechtsanwalt in erster Linie den in Geschäftsreklamen u. f. w. sich irgendwie kundgebenden un-
Wettbewerb unterdrücken. Wahrscheinlich anderen Städten in ähnlicher Weise vorwerden.
Uebereinstimmung mit Wiener Meldungen läßt sich der Londoner „Standard" aus Berlin bestätigen, es sei jetzt feststehend, daß Zar Nikolaus Ende August Berlin und Wien besuchen wird.
* Friedrichsruh, 25. Juni. (Li-Hung-Tschang bei Bismarck.) Mit dem Ertrazuge traf kurz vor 1 Uhr Vizekönig Li-Hung-Tschang in Friedrichsrub ein. Der Zug hielt am Schloßportal. Der Vizekönig wurde von dem Grafen Herbert Bismarck und Rantzau empfangen und in's Schloß geleitet. Sein Gefolge bestand halb ans Chinesen, halb aus Hamburgern. 14 Personen nahmen am Frühstück Teil. Fürst Bismarck empfing Li-Hung-Tschang im Famiüensalon und wechselte mit ihm vor Eintritt in den Saal freundliche Worte, indem er sagte, er fühle sich hochgeehrt, den berühmtesten Staatsmann Chinas bei sich zu sehen. Li-Hung- Tschang erwiderte, leider wären seine Erfolge in China nicht so groß, wie die Thaten Bismarck's in Deutschland. Fürst Bismarck entgegnete, sie hätten beide ihrem
lauteren wird in gegangen
war ein großer Fehler, der sobald als irgend möglich wieder gut gemacht werden muß.
* Im Jagdbezirk Loßburg hatte dieser Tage ein
Nimrod ein merkwürdiges Erlebnis, das, wenn es schon wie Jägerlatein anmutet, nach glaubwürdigem Munde vor vielen andern Jagdgeschichten den Vorzug der Wahrheit hat. Der betreffende Weidmann hatte einen Rehbock angeschossen und denselben in dem nahen Bächlein, dem das Wild zugeeilt war, tot (?) aufgefunden. Mit der angenehmen Beute beladen, steigt der glückliche Schütze den Berg hinan und legt sich, Bock und Flinte ins Gras werfend, zur süßen Rast nieder. Ein Plauderstündchen mit einem des Weges kommenden Manne kürzte die Zeit. Indessen war der scheinbar tote Bock wieder zum Leben gekommen. Mit raschen Sprüngen eilt derselbe zum Entsetzen des Jägers dem nahen Walde zu und erreicht denselben auch glücklich, ehe der Jäger wieder zu Schuß kommen kann. — Wer den Schaden hat, darf natürlich auch in diesem Fall für den Spott nicht sorgen. (Schw. B.)
* Der Bau der evangelischen Kirche inHorb geht nach dem „N. Tgbl." rasch seiner Vollendung entgegen. Die Zimmerleute wurden in den letzten Tagen mit dem Ausrichten des Turmes fertig. Gegenwärtig arbeitet man an der Aussetzung des großen eisernen Kreuzes. Hübsch und schlank steht der Turm da: er, sowie der ganze Bau der Kirche bilden eine herrliche Zierde der Stadt. Im Oktober soll das Gotteshaus fertig sein.
* Zum Stuttgarter Sängerfeste haben sich nun im ganzen 59 Bünde mit 1030 Vereinen und rund 14300 Sänger angemeldet. Für den Verkehr innerhalb des württembergischen Bahngebietes ist den Festteilnehmern, d. h. denjenigen Personen, die durch Festabzeichen oder Festkarte als Mitglieder von Sängervereinigungen sich ausweisen, eine Fahrpreisermäßigung in der Weise bewilligt, daß die nach Stuttgart in der Zeit vom 30. Juli bis 2. August zu lösenden einfachen Fahrkarten 3. Klasse innerhalb der für Rückfahrkarten bestehenden lOtäg. Gültigkeitsdauer auch zur Rückreise benützbar sind.
* Ravensburg, 25. Juni. In eine unangenehme Lage wurde die Stadt durch einen Techniker Namens Brockhaus vorsetzt, dem die Beaufsichtigung der neuen Gasleitung übertragen war. Bei einer Revision wurde festgestellt, daß die im Bau begriffene Leitung an einer ganzen Anzahl von Stellen undicht und die ganze Ausführung höchst mangelhaft gemacht ist. Brockhaus soll deshalb aus dem Dienst entlassen werden. Die Leitung wird zu einem großen Teile wieder aufgegraben und neu hergestellt werden müssen.
* (Verschiedenes.) Die vom Hagelschlag betroffene Fläche im Gerabronner Oberamt wird auf 4000 Morgen total und 2000 Morgen bis zur Hälfte verhagelt und der Schaden auf gegen 200000Mk. geschätzt. Am größten ist das Unglück in Ober- steinach, Dünsbach und Morstein. Die meist „kleinen Leute" sind trostlos; kein Brot, kein Futter, kein Stroh und dann noch viel Pachtgeld. — Am Montag stand vor dem Schwurgericht Heilbronn der als Musiker und Seiltänzer herumziehende, 26 Jahre alte, ledige Zigeuner Thomas Lehmann, auch Straßinger genannt, von Hindelwangen, had. Amts Stockach. Am 15. Februar d. I. fuhr der Beklagte
L-fefrucht.M
Wer da glaubt, er könne seine Mitmenschen entbehren, der täuscht sich sehr; aber wer da glaubt, seine Mitmenschen könnten ihn nicht entbehren, der täuscht sich noch viel schwerer.
Die seltsame Keirat.
(Fortsetzung.)
Duvar verließ seine Schwester, eilte in sein Zimmer, nahm ein Fläschchen Chloroform aus seiner Hausapotheke, die er immer mit sich führte, und steckte es in die Tasche.
Er hatte inzwischen sein Pferd vorführen lassen, und als er jetzt mit anscheinend sorgloser Miene heraustrat, fand er das Tier schon bereit. Er bestieg dasselbe und ritt eine kurze Strecke im Schritt, dann jedoch benutzte er die Sporen und flog, wie der Wind, die Straße entlang und durch die verschiedensten Kreuzwege, welche den Park durchschnitten und immer wieder zum Schlosse zurückführten.
Der Ex-Chirurg, wie seine Schwester ihn zuweilen spottend nannte, nahm die Sache sehr ernsthaft. Seine scharfen, durchdringenden Blicke durchsuchten jeden dunklen Fleck und Allem, was zum Verbergen geeignet war, wandte er seine besondere Aufmerksamkeit zu.
Doch er verwandte darauf nicht viel Zeit.
„Ich habe gar nicht erwartet, sie hier zu finden," brummte er vor sich hin. „Dazu kenne ich sie zu gut und wußte, daß sie, einmal heraus ans dem Schlosse, laufen würde, als ob der Satan hinter ihr wäre — oder Lady Dare, was auf eins herauskommt."
-st -st
*
Regina hatte jetzt von der schwarzen Jeß Besitz ergriffen und ritt dieselbe, wann es ihr beliebte. Auck an diesem Nachmittage war sie aus und kehrte eben in ihrem gewöhnlichen, halsbrecherischen Galopp nach Hause zurück, als sie an der einen Seite des Weges einige schöne, rote Walderdbeeren gewahrte und abstieg, um dieselben zu pflücken. Als sie gerade das Pferd anbinden wollte, trat plötzlich eine seltsame Gestalt aus dem Gebüsch hervor und stellte sich ihr gegenüber.
Sie erschien so unerwartet, als wäre sie aus der Erde hervorgestiegen.
Es war eine große, schlanke, anmutige Frauengestalt, welche vom Kopfe bis zu den Füßen in einen langen, dunklen, anliegenden Mantel gekleidet war.
Ihr Gesicht trug die elfenbeinartige Wachsblässe Einer, welche lange von Licht und freier Luft abgeschlossen gewesen, ihr Haar, — soviel man davon sehen konnte, da der dicke, um den Kopf gewundene Schleier es größtenteils verdeckte — war von dem so wunderbar schönen Rotgold-Blond, und auch die Augen hatten einen glänzenden Schein, der dem des Haares entsprach. Die Züge waren von reinstem, griechischen Schnitte, und die Hände, welche sie dem Kinde bittend entgegenstreckte, waren wie aus Marmor gemeißelt.
So erschreckt auch Regina im ersten Augenblicke war, stieß sie doch keinen Schrei aus, sondern starrte nur atemlos und verwundert mit weit aufgerissenen Augen und offenem Munde regungslos die Erscheinung an.
Da die Fremde sah, daß sie sich nicht fürchtete, sprach sie mit auffallender Anstrengung, ruhig zu blei
ben, doch trotz aller Mühe zitterten sowohl ihre Hände wie ihre Stimme, und sie blickten sich jeden Augenblick furchtsam um.
„Mein Kind," sagte sie mit leiser, sanfter Stimme, die der Zuhörerin Herz sonderbar bewegte. „Sie haben ein teilnehmendes, edelmütiges Gesicht. Ich bin auf der Flucht — in Todesangst, denn es gilt mein Leben. Wollen Sie mir helfen fortzukommen?"
Das schöne, lebhafte Gesicht des Kindes rötete sich, und seine Augen blitzten durch Thränen.
„Natürlich will ich," rief sie eifrig, „wenn ich nur kann."
„Wollen Sie mir Ihr Pferd leihen? O, ich beschwöre Sie —" fügte sie hinzu, da Regina zu zögern schien — „ich werde es Ihnen gewiß zurückschicken."
„Werden Sie das auch thun?"
„Gewiß, gewiß, ich will es zurückschicken."
„Gut, so nehmen Sie es!" rief das junge Mädchen.
Die Fremde wartete nicht länger, sondern stieg mit Regina's Hilfe auf und fragte dann:
„Wohin soll ich das Pferd schicken?"
„Nach Schloß Dare; ich bin Lady Regina Dare," antwortete das Kind mit stolzer Offenheit.
Der Fremden stockte der Atem; sie heftete einen durchdringenden Blick auf das Mädchen.
„Ihr Kind!" murmelte sie, indem sich eine sonderbare Glut über ihre bleichen Wangen breitete. „Doch in diesen süßen Augen findet man nicht ihren Blick. Sie? — O nein, nein! Die Taube in des Adlers Nest? Doch hören Sie? Sagen Sie ihr Nichts, daß Sie mir behilflich waren. Leben Sie wohl, mein Kind