Petition komme nicht zur Verhandlung; ob das Reversaliengesetz, sei fraglich.
* Kayh, 25. Febr. Der hiesige Kriegerverein begab sich heute vormittags 10 Uhr zur Feier des Geburtsfestes S. M. des Königs in schöner Ordnung zur Kirche. Der Gottesdienst begann mit Gesang, der Geistliche betritt die Kanzel und sieht — die Fahne. Der Gesang geht zu Ende und nun verlangte der Geistliche die Entfernung der Fahne auf Grund eines Beschlusses des Psarrgemeinderats. Allgemeine Stille! Der Geistliche befiehlt das Absingen eines weiteren Verses bis zur Entfernung der Fahne. Die Orgel ertönt — niemand singt. Der Geistliche fordert nochmals die Entfernung der Fahne. Da entfernt sich der ganze Verein still mit seiner Fahne, und der Gottesdienst nimmt seinen regelmäßigen Verlauf.
(Tüb. Ehr.)
* Ulm, 25. Febr. Vor etwa 5 Wochen ertranken, wie wir s. Z. mitteilten, in der hochgehenden Iller zwei Männer aus Wiblingen namens Kopp, Vater und Sohn. Die Ehefrau des ertrunkenen Kopp, die auf dem Totenbette liegt, erklärte nun laut „Beob." vor einigen Tagen, ihr Mann habe vor etwa 12 Jahren einen Äord begangen. Damals ertrank nämlich ein Bürger aus Weinstetten, und man wußte nicht, lag Selbstmord vor oder Unfall. Nun ist das Rätsel gelöst. Die Ehefrau erklärte, ihr Mann habe diesen Bürger (der in etwas angeheitertem Zustand gewesen sein soll) sehlgeführt, ihn seines Geldes beraubt und dann an einer Stelle ins Wasser geworfen, wo er nicht mehr herauskommen konnte. Nun hat der Mör der selbst den Tod in den Wellen gefunden.
* (Verschiedenes). In Heilbronn stürzten die zwei Söhne des Zuckerfabrikdirektors Cloß, 14 und 15 Jahre alt, bei einem Spaziergang im Wald in einem verlassenen Steinbruch ab. Der eine brach einen Fuß, der andere beide Füße, auch trugen sie innere Verletzungen davon. Sie mußten längere Zeit warten, bis man ihre Hilferufe hörte und sie aus ihrer schrecklichen Lage befreien konnte. — Der Lokomotivheizer Pfost wollte in einem Eisenwarengeschäft in Ulm eine Saftpresse kaufen und begab sich mit dem Lehrling in das Magazin im 5. Stockwerk. Zur Rückkehr benützten sie einen nur für die Waren bestimmten Aufzug, sie verstanden nicht zu bremsen, und so fuhr der Aufzugskasten mit rasender Geschwindigkeit bis in den Keller hinab, wo er aufschlug. Durch die Erschütterung wurde das fast 3 Zentner schwere Gegengewicht oben ausgelöst, stürzte 5 Stock hoch herab und zerschmetterte dem Pfost den Schädel. Der Lehrling kam mit dem Schrecken davon. — Bei Cannstatt wurde ein Liebespaar tot aus dem Neckar gezogen, welches seit letzten Samstag vermißt wurde; beide hatten sich zusammengebunden und nach hinter- lassenen Briefen gemeinsam den Tod gesucht. Das Mädchen hatte eine Schußwunde im Kopf. Der junge Mann hatte sich einen Revolver an die Hand gebunden, aus welchem zwei Schüsse abgefeuert waren. — Wegen gemeinschaftlich verübter Unterschlagung größerer Geldbeträge wurden am Samstag 3 Kaufmannslehrlinge eines Heilbronner Geschäfts festgenommen. Bis jetzt sind schon über 400 Mk. herausgerechnet, die die Jungen zum Nachteil ihres Prinzipals unterschlagen und verjubelt haben.
* Mannheim. Aus der Fahrt von Mannheim nach Heidelberg erschoß sich Julius Wolfs von der Getreidekommissionsfirma Stern u. Wolfs im Eisen - bahnkoupee.
* (Auch ein Beruf.) Seit geraumer Zeit erscheint beim Schöffengericht in Augsburg fast all' ander Tage ein ehemaliger Hausbesitzer als Zeuge. Am Richtertisch heißt der Mann der „Gewohnheitszeuge." Tagsüber durchstreift der Wackere die Stadt, scharf nach strafbaren Handlungen oder Injurien ausspähend. Passiert dann etwas, so taucht unser Mann Plötzlich auf und ist niemals entrüstet, wenn man seiner als Zeuge bedarf. Korrekt deponiert er dem Gericht seine Wahrnehmungen, um hernach mit verbindlichem Lächeln die Zeugengebühren einzustreichen. Letztere spielen bei dem Manne zweifellos die wichtigste Rolle.
* Wegen Uebertretung des elterlichen Züchtigungsrechts verurteilte das Schöffengericht den Monteur Stöhr in Nürnberg zu 6 Wochen Gefängnis. Er hatte sein 6jähriges Söhnchen, nachdem er es an einen Stuhl gefesselt und ihm den Mund verstopft batte, mit einem drahtdurchslochtenen Strick in rohester Weise gepeitscht. Der Staatsanwalt hatte 3 Monate beantragt.
* Wie die „Donauzeitung" mitteilt, ist in einem Dorfe in Niederbayern eine 83jährige Person gestorben, die von Jugend auf als Frauensperson galt, als solche gekleidet war und diente, nach dem Tode aber sich als Mann entpuppte.
* Vom Oberrhein, 25. Febr. Die Arbeiten am Rheinkanal bei Rheinfclden schreiten bei dem niederen Wasserstand des Rheins rasch voran. Der Kanal hat eine Länge von 1 Kilometer, ein Gefälle von nahezu 5 Meter; 19 Turbinen von je 840 Pferdekräften erzeugen zusammen über 15 000 Pferdekräfte. Das Turbinengebäude erhält eine Länge von 150 Meter. Die Elektrizität wird für Kraftzwecke bis auf eine Entfernung von 3 Kilometer zum gleichen Preise abgegeben, wie in nächster Nähe der Zentralstelle.
* Kirchheimbolanden, 23. Febr. („Es zogen drei Burschen wohl über den Rhein.") Anläßlich des Brandes des Völkelschen Gasthauses „Zur Traube" wurden folgende interessante Erinnerungen an die Vergangenheit dieses historischen Gebäudes wachgerufen. Dieser Gasthof war einst für den Verkehr von Bedeutung, zur Zeit als es noch keine Eisenbahnen gab; er liegt an der sogenannten Kaiserstraße von Metz nach Mainz; diese Straße wurde vor dem denkwürdigen Zuge Napoleons 1. nach Rußland ausgebaut und auf ihr bewegten sich jene endlosen Heereszüge, die aus dem Innern Frankreichs kamen, um wenige Monate später einem furchtbaren Schicksale anheimzufallen. Aber auch die Poesie hatte den alten, jetzt in Schutt und Trümmern liegenden Gasthof umsponnen. Hier fand Ludwig Uhland, der schwäbische Dichter, in der Familie Miesel, den Inhabern des Gasthofes, seine Braut. Der Dichter studierte damals in Heidelberg und kam jedes Jahr in den Ferien über den Rhein, gewöhnlich mit mehreren Freunden, um die Familie Miesel zu besuchen. Als er zum letztenmale in freudiger Hoffnung kam, da fand er seine Braut — auf der Totenbahre. So entstand das Volkslied: „Es zogen drei Burschen
wohl über den Rhein," das nicht allein in Schwaben und in ganz Süddeutschland, sondern überall, wo deutsche Zungen singen, bekannt ist. Uhläüd gedachte seiner so früh Heimgegangenen Braut bis ins hohe Alter stets in stiller Wehmut und als ihm die Cann- statter anläßlich seines Jubiläums unter den Sangesvorträgen auch dieses Volkslied weihen wollten, bat er inständig, man möge von diesem Bortrage abstehen, da der Inhalt des Liedes tief einschneidend mit seinem Jugendleben verbunden sei.
* Berlin, 26. Febr. Wie das „Kl. Journal" aus Wien meldet, ist der Uebertritt des Fürsten Ferdinand zum orthodoxen Glauben beschlossene Sache.
* Drei Milliarden Mark hat der Betrag der Gesamtausprägungen an Reichsgoldmünzen — abzüglich der wieder eingezogenen Stücke — am Schluffe des Monats Januar d. I. überschritten. In diesem Monat sind 16,5 Millionen Mark in Doppelkronen geprägt worden, wodurch sich der Gesamtbetrag von 2998,4 Millionen auf 3014,9 Millionen Mark erhöht hat. Vor nahezu 9 Jahren, im März 1887, hatten die Gesamtausprägungen an Reichsgoldmünzen den Betrag von 2 Milliarden Mark erreicht. Veranschlagt man die Beträge an Reichsgoldmünzen, welche seit Beginn der Ausprägungen in das Ausland abgeflossen, eingeschmolzen u. s. w. sein können, hoch auf 400 bis 500 Millionen Mark, so verfügt ,das Deutsche Reich heute noch über einen Bestand an Reichsgoldmünzen von 25 00—2600 Millionen Mark, wobei die Vorräte der Reichsbank und der Reichskriegsschatz in Spandau selbstverständlich eingerechnet sind.
* (Verlorene Lohngelder.) Welch gewaltige Summen während der Zeit des Ausstandes der Konfektionsarbeiter in Berlin verloren gegangen sind, zeigt eine aus Fachkreisen stammende Statistik. Danach haben in der ersten Woche gestreikt 15 000 Personen, und zwar vorwiegend bessere Arbeiterinnen, welche wöchentlich 10 bis 12 Mk. verdienten. Bis Schluß der ersten Woche waren 160000 Mk. Lohn- au^sall zu verzeichnen. In der zweiten Woche betrug die Zahl der Streikenden 25 000 Personen, unter denen sich auch 1500 Bügler befanden. Der nicht ausgezahlte Lohnbetrag bezifferte sich auf 240 000 Mk. und hierzu kommt noch der nicht mehr erzielte Verdienst der Zwischenmeister mit etwa 80000 Mk. — Zu diesen 480 000 Mk. Lohnausfall tritt auch noch der den Konfektionären entgangene Verdienst, welcher mindestens 200 000 Mk. betragen dürfte, so daß also der pekuniäre Gesamtausfall des Streiks etwa 700 000 Mark beträgt. — Au Streikende sind aus der Streikkasse etwa 25 000 Mk. gezahlt worden.
* Aachen, 25. Febr. Anläßlich der Herstellung der zweiten Million Tonnen Thomasstahl erhöhte der Hüttenaktienverein „Rothe Erde" den Unterstützungsfonds für Beamte, Arbeiterinvaliden und deren Angehörigen auf 1 Million Mark.
* Colmar, 24. Febr. Daß sich jemand verurteilen läßt, um aus der Untersuchungshaft herauszukommen, dürfte, wie ein hiesiger Korrespondent der „Metzer Ztg." schreibt, doch nicht jeden Tag passieren. In der Fabrik von Martin Astruc in Bühl waren Treibriemen im Werte von 150 Mark gestohlen
Mj Lss-frucht. M
* Unbefangenheit, Geradheit, Bescheidenheit sind auch drei göttliche Tugenden.
Auf Hlmwegen.
Original-Roman von Alice v. Hahn.
(Nachdruck verboten.)
Kulmhagen liegt an der Zollstraße und vermittelt den Handelsverkehr zwischen Rußland und Deutschland. Täglich und fast ohne Unterbrechung kann man auf der Zollabfertigungsstation das Bild eines reichbelebten Marktes sehen.
Der Vorgesetzte der in Kulmhagen stationierten Aufseher, welch letztere speziell den Grenzaufsichtsdienst zu versehen hatten, war der Obergrenzkontrolleur Klose, ein gewissenhafter Beamter und überhaupt ein tüchtiger Mensch. Er hielt seine Untergebenen unter strengster Kontrolle, sie verehrten und fürchteten ihn zugleich. Er vermied es prinzipiell, außerdienstlich mit ihnen zu verkehren, und machte nur eine Ausnahme. Der einzige, mit dem er wohl hin und wieder ein Wort sprach, war Bossart, ein früherer Ulanenwachtmeister; er war im letzten Feldzuge verwundet worden und hatte dann den Abschied mit Pension und Zivilversorgungsschein erhalten. Diese Pension und die Zinsen eines nicht unbedeutenden Kapitals hätten ihm nun wohl ein sorgenloses Leben gestattet, doch er war ein viel zu thatkräftiger Mann, als daß er sich schon jetzt hätte zur Ruhe setzen und seine besten Mannesjahre in Unthätigkeit vergeuden mögen. So beschloß er auf den Rat seiner Vorge
setzten, die ihn stets als einen braven und mit einer für seine Stellung ungewöhnlichen Bildung ausgestatteten Mann hochgeschätzt hatten, die Steuerkarriere zu ergreifen, da ihm diese Laufbahn die meisten Chancen bot, seine Kenntnisse zu verwerten und eine gute Stellung zu erlangen.
Er war nun ein ebenso pflichtgetreuer Beamter wie er ein braver Soldat gewesen. Seine Kollegen schätzten ihn und räumten ihm gern den Vorrang ein; war er ihnen doch stets ein zuverlässiger Freund und guter Ratgeber. War eine Unregelmäßigkeit im Dienste vorgekommen und fürchteten sie strenge Ahndung von seiten des Vorgesetzten, so war es immer Bossart, der vermittelte und es auch verstand, der Sache, ohne die Wahrheit zu verletzen, ein weniger schroffes Ansehen zu geben.
Obgleich er schon die Mitte der Dreißiger überschritten hatte, war er noch unvermählt; es wäre ihm ein Leichtes gewesen, ein hübsches, junges, wohlhabendes Mädchen heimzuführen, denn auch sein Aeußeres war ansprechend. Er besaß eine stattliche Figur, an seiner strammen Haltung erkannte man sofort den Soldaten; ein großer blonder Vollbart umrahmte sein freundliches Gesicht, hellblaue aber sehr energisch blickende Augen schauten unter der breiten Stirn hervor. Da er für seine Verhältnisse außerordentlich gut situiert war, so konnte er auch ein übriges für seinen Anzug thun, immer war er äußerst sauber, man könnte sagen elegant gekleidet; dies war der einzige Luxus, den er sich gestattete, sonst lebte er sehr bescheiden.
Warum er noch ledig war, das konnten die heiratslustigen Mädchen nicht begreifen; begegneten ihm doch überall freundliche Augen und lächelnde Lippen. Aber dieses alles rührte ihn nicht, und so gab man ihn schließlich als einen Gegenstand, mit dem nichts anzufangen wäre, auf. Nur zwei dieser Schönen, die Töchter des Schulmeisters Bahlke, zwei frische, stattliche Mädchen, gaben ihn noch nicht verloren; durch alle möglichen Lockungen suchten sie ihn in ihren Netzen zu fangen, und wie erfolglos auch ihre Bemühungen waren, so machten sie, in der Hoffnung auf einen endlichen Sieg, immer wieder neue Versuche.
So standen die Sachen, als eine neue Erscheinung die Aufmerksamkeit von ihm ablenken sollte. Paul, der Sohn des Mühlen- und Gutsbesitzers Heinrich, war in sein Heimatsstädtchen zurückgekehrt. Der alte Heinrich hatte es sich zur Aufgabe gemacht, seinem Sohne eine gute Schulbildung geben zu lassen und ihn zu einem tüchtigen Landwirt und Geschäftsmann heranzubilden. Nachdem Paul nun im benachbarten Kreisstädtchen sein Einjährigen-Zeugnis erlangt und danach seine Militärdienstzeit absolviert hatte, war er einige Zeit in einem Bankhause thätig gewesen und machte dann noch einen Kursus auf einer landwirtschaftlichen Schule durch. Um seiner Erziehung den letzten Schliff zu geben, sollte er noch für einige Zeit auf Reisen gehen, da erkrankte der Vater und rief den Sohn zurück. Der Alte erholte sich zwar wieder, doch hatte er eben nur noch Zeit, dem Sohne alles zu übergeben, dann starb er.
Paul trat nun ein reiches Erbe an. Wie der