scheine als Beweis dafür, daß die Reform der Militärstrafprozeßordnung fortschreite. — Kriegsminister: Er habe seinen früheren Erklärnngen über die Mili tärstrasprozeßordnung weder etwas hinzufügen, noch etwas davon sortznnehmen. Der Minister polemisiert energisch gegen Haußmanns Angriffe auf die Wahrhaftigkeit militärischer Berichte an Vorgesetzte. Wenn Haußmann die Leistungen der Militärärzte in Zweifel stelle, so sage er: Unsere Militärärzte haben durch Tüchtigkeit und Wissenschaftlichkeit sich die höchste Anerkennung erworben. — Abg. Spahn (Ztr.) erklärt, der Abg. Lieber habe im ersten Teil seiner Rede die Verhältnisse noch viel zu wohlwollend behandelt. (Hört! hört! links.) Abg. Schönlank (Soz.) will über den Verein christlicher junger Männer sprechen, wird aber vom Präsidenten unterbrochen. — Abg. Bennigsen (nat.-lib.) spricht die Hoffnung aus, daß die Reform des Militärstrafprozesses, die hoffentlich bald zustande komme, die Soldatenmißhandlungen selten machen werde. Redner spricht sich gegen das Duell aus und weist gegenüber Bebel auf die allgemeine Anerkennung hin, die der in unserem Heere herrschende Geist bei andern Völkern findet. Durch Bebel lassen wir uns die Freude und Lust am Heer nicht nehmen. (Lebhafter Beifall.) An der weiteren Debatte beteiligen sich noch Graf Bernsdorff (Reichsp.), Werner (Antisemit), Haußmann, (südd. Volksp.), der Kriegsminister Schall (kons.), Schulze (Soz.) und Bebel. — Bebel hält in längerer erregter Ausführung sämtliche Behauptungen aufrecht, gesteht aber zu, daß unser Heer höher dasteht, als das anderer Länder. Damit schließt die Diskussion, und es wird nach einer Reihe persönlicher Bemerkungen der Titel „Ministergehalt" gegen die Stimmen der Sozialdemokraten bewilligt.
* Berlin, 17. Febr. Präsident Frhr. v. Buol ruft den sozialdemokratischen Abgeordneten Stadthagen nachträglich zur Ordnung wegen Beleidigung des Kriegsministers in der Samstagssitzung. (Beifall.) Bei der fortgesetzten Beratung des Militäretats versichert gegenüber Lingens (Zentr.) Generallieutenant v. Spitz, der Militärverwaltung liege die Sorge für die religiösen Bedürfnisse der Soldaten sehr am Herzen. Evangelische Offiziere, die sich katholisch trauen oder katholisch taufen lassen, haben m keiner Weise Nachteile in ihrer Beförderung zu befürchten. — Auf eine Anfrage Speisers (Volksp.) bemerkt Generalmajor W atter, daß der Direktor eines württ. Militärgefängnisses, der Briefe eines Militärgefangenen vernichtete, dafür rektifiziert worden sei, da dieses Vorgehen unberechtigt war. — Auf eine Beschwerde Czarlinskis über eine Beschimpfung polnischer Soldaten in Bromberg sagt der Kriegsminister genaue Untersuchung zu. — Richter konstatiert, daß trotz der Einführung der 2jährigen Dienstzeit jetzt weniger Vakanzen im Ünterofsizierskorps entstehen als früher. — Graf Roon hebt die Notwendigkeit der Neuregelung der Pensionsverhältnisse der Militärmusiker hervor. — Auf eine Anfrage Galle rs rechtfertigt Major Wachs die Etatsau- fätze für die Unteroffizier-Dienstprämien. — Frhr. v. Gültlingen beantragt, die nötigen Mittel in den Etat einzustellen zur Beschaffung von warmem Abendbrot für die Mannschaften. Die Mittel könnten
durch eine progressive Wehrsteuer aufgebracht werden. — Generalmajor Frhr. v. Gemmingen bezeichnet die jetzige Verpflegung der Mannschaften als ausreichend, die Militärverwaltung würde aber eine Bereitstellung der gedachten Mittel dankbar begrüßen. — Richter meint, wenn man sich bei den Marineforderungen einschränken könnte, könnten die Mittel für warme Abendkost leicht beschaffen werden. Eine Wehrsteuer sei aber höchst unpopulär. — Gröber (ZentrO beantragt eine Modifikation des Antrags Gültlingen, danach sollen in den nächsten Etat die Mittel zu einem Versuche eingestellt werden. Redner spricht sich gegen eine Wehrsteuer aus. — Dr. v. Frege schlägt zur Beschaffung der Mittel eine Jnnggesellen- steuer vor. — Frhr. v. Gültlingen zieht hierauf seinen Antrag zurück. — Hammacher (nat.-lib.) wünscht, daß die Versuche nur bei einzelnen Truppenteilen stattfiuden sollen. Redner stimmt dem Antrag Gröber zu und schlügt die Besteuerung der Titelsund Adelsverleihungen vor. — Bebel (Soz.) hebt die Notwendigkeit hervor, zu prüfen, woher die Mittel für die warme Kost zu nehmen seien. Die Abstimmung über den Antrag Gröber erfolgt in der dritten Lesung des Militäretats. Auf Antrag Bebels legt Generalmajor Frhr. v. Gemmingen das Verhältnis der Militärverwaltung zu den Gerbervereinigungen bezügl. der Lederlieserung dar. Die weitere Debatte berührt die- Frage der Wohnungen der verheirateten Unteroffiziere, die Erhöhung der Gehälter der Militärärzte, sowie die Reisekosten und Fahrgelder. Schließlich wird die von der Budgetkommiffion beantragte Resolution betr. die Bemessung der Vorspannvergütung debattelos angenommen.
Landesnachrichten.
* Altensteig, 19. Febr. Am Sonntag abend 10' .,> Uhr wurde auf der Anhöhe bei Hochdorf der Niedergang eines Meteors beobachtet. Dasselbe hatte die Form einer weißlich leuchtenden Kugel. Das Meteor nahm die Richtung von Norden nach Westen und die Funken, die von ihm sprühten bildeten einen Schweis, wie bei einer abgeschosseuen Rakete. Dabei war die Nacht plötzlich erleuchtet wie durch einen Blitzstrahl. Die Erscheinung dauerte nur wenige Augenblicke. — Neuerdings treten auf dem Schwarzwald wieder Hausierer auf, welche angeben, zu Schleuderpreisen verkaufen zu müssen, da es einer im Konkonrse befindlichen Firma daran gelegen sei, Baar- mittel zu bekommen. Sie fordern für ein Bündel angeblich tadelloser Anzüge 40 bis 50 Mk., erfolgt ein Angebot, so schlagen sie es zum halben Preise los und trotzdem findet der Schneider, daß der Käufer sehr betrogen ist. Wir raten deshalb zur Vorsicht!
* Neuenbürg, 17. Febr. Heute Nacht ist inSalmbach ein Brand ausgebrochen, der 3 Wohnhäuser und 3 dazu gehörende Scheunen in Asche legte. Das Feuer war etwa um halb 3 Uhr entstanden. Es herrschte Wassermangel. Die abgebrannten Häuser gehörten : das eine dem Goldarbeiter Friedr. Knsterer, das andere dem Michael Bub und das- dritte den Gebr. Schroth. Die Feuerwehren von Grunbach und Engelsbrand waren zu Hilfe geeilt.
* Balingen, 16. Febr. Vor dem hiesigen Schöffengericht fand dieser Tage die Verhandlung
W Lesefrucht. M
' Ohne Streben ift's kein Leben, nur wer kämpft kann Sieger werden. Und ein Leben ohne Streben gleicht dem loten Stein auf Erden.
'Meter Wotz' Werrnächtnis.
Roman von R. Litten.
(Fortsetzung.)
Oder sollte er der verlassenen Geliebten wirklich gleichgültig geworden sein? Walroden warf bei diesem Gedanken, der ihn jetzt häufig verfolgte, gewöhnlich einen Blick in den Spiegel und lächelte. „Ich werde doch ein Mädchenherz kennen!" Doch Woche um Woche verging, und wiewohl sich in, dem jetzt regen Gesellschaftsleben oft Gelegenheit für ihn bot, mit Eva wieder zusammen zu treffen, kam er doch keinen Schritt weiter. Bei aller Aufmerksamkeit konnte er keine Veränderung ihres Benehmens ihm gegenüber entdecken, sie blieb wie sie gewesen - „kühl bis ans Herz hinan."
„Sie treibt es zu weit," sagte sich Walroden, als er von einem Balle, auf dem es ihm kaum gelungen war, mehr als die übliche begrüßende Redewendung an Eva zu richten, heimgekehrt war. „Warum sie heute nur nicht tanzte?" fuhr er in seinem Selbstgespräch fort und durchwanderte nachdenklich das Wohnzimmer seiner eleganten Junggesellen-Wohnung. „War auch das auf mich gemünzt gewesen? Will sie mir jede Gelegenheit entziehen, mich ihr zu nähern?
Sie hat Geist und Konsequenz, die schöne Eva, das muß ich ihr zugesteheu; eine bessere Taktik hätte sie gar nicht ersinnen können, um mich zu ihren Füßen zu zwingen. Ihre Rolle mag ihr aber heute recht schwer geworden sein. Sie heuchelte zwar pure Glückseligkeit, die ihr übrigens ganz reizend zu Gesichte stand, als sie während der ganzen Quadrille mit diesem steifen Doktor Lorenz und ihrer Pflegemutter plauderte. Letztere begegnet mir, ihrem einstigen Liebling, übrigens mit sehr zweifelhafter Freundlichkeit, finde ich! Ob Eva damals doch geplaudert hat? Doch was thut's? Nächstens halte ich in aller Form um die Kleine an und dann gibt es eitel Glück und Sonnenschein."
Er hielt plötzlich in seiner Wanderung inne und warf den Rest seiner Zigarre in den Kamin. „Wozu es noch hinausschieben? Einmal muß man ja doch die goldene Freiheit opfern! Und dann liebe ich das Mädchen, wie sie mich, — morgen hole ich mir ihr Jawort!"
Merkwürdigerweise waren um dieselbe Zeit auch Evas Gedanken bei dem Manne, dessen Geist sich ebenso lebhaft mit ihr beschäftigte. Das junge Mädchen saß auf einem niedrigen Tabouret zu den Füßen ihrer Pflegemutter und sprach zu derselben mit gedämpfter Stimme und glühenden Wangen. „So, Tantchen", schlosste soeben, jetzt habe ich dir gebeichtet, was zwischen mir und Walroden einst vorging und was er an mir sündigte!"
„Armes Kind," sagte die alte Dame und strich dem Mädchen zärtlich über das lichtbraune Haar. „Du hattest Schweres zu tragen, und ich sollte mich
gegen Adlerwirt Mattes von Thieringen stakt, welcher bei einem Hochzeitsfest Schwartenmagen hergab, an dem gegen 80 Personen erkrankten. Das Schöffengericht erklärte sich für unzuständig und verwies den Fall an die K. Strafkammer in Rottweil.
* (Ständisches.) Nach dem „N. Tgbl." wird der Gesetzentwurf, betr. die Gemeindesteuerceform, in 5—6 Tagen dem Präsidium des Landtags zugehen. Um alsdann die Referenten zu bestellen, tritt die Steuerkommission Ende dieses Monats zusammen. Ihr Wiederzusammentritt erfolgt dann erst nach Schluß der Frühjahrssession des Landtags, die nur eine kurze sein wird, da die Steuer- und Wasserrechtsentwürfe einer späteren Beratung im Plenum Vorbehalten bleiben.
* Im Walde bei Geißlinge n wurden letzte Woche unter Leitung des Professors Schuhmacher aus Karlsruhe drei vorrömische Leichenhügel ausgegraben. Die Asche der verbrannten Toten fand sich noch in irdenen Gefüssen vor, auch enthielten die aus der Zeit von 400 Jahren v. Ehr. Geburt herltammendeu Begräbnisstellen neben verschiedenen Waffen einige hübsche Schmucksachen aus Bronze.
* (Verschiedenes.) In Ab statt spielten mehrere Kinder an einer Futterschneidmaschine, wobei das 7 Jahre alte Söbnlein eines Bauern mit der Hand unter das Messer geriet, welches ihm dieselbe dnrchschnitt. — Ein sauberes Kleeblatt ist laut Rz. letzter Tage der Gmünder Polizei in die Hände gefallen. Es sind 3 Burschen im Alter von 15 bis 16 Jahren, denen bis jetzt bereits 40 Diebstähle uach- gewiesen sind. — In Beuren O.-A. Nürtingen ist in der Nacht vom 12 d. M. das Anwesen des Webers Georg Pfänder abgebrannt. Der Eigentümer wurde als der Thal verdächtig verhaftet und gestand, fein Haus aus Haß gegen seine Ehefrau angezündet zu haben. — Zwei Frauen in Gaisingen (Tuttlingen), welche in einem Hause wohnten, gerieten in Streit, wobei die eine Frau ihrer Gegnerin mit einer Düngergabel über den Kopf schlug. Als die Getroffene auf dem Wege zum Arzt plötzlich zusammenbrach, wähnte die Thäterin die Getroffene tot, eilte fort und ertränkte sich in der Donau. — Ein seltenes Weidmannsglück hatte der gräflich Degenfeld'sche Forstwart Schädel in Düruau. Demselben gelang es nämlich, gestern nachmittag eine ganze Dachsfamilie, bestehend aus fünf Prachtexemplaren, die sich in einem Bau am Fuße des Kornbergs angesiedelt hatte, zur Strecke zu bringen.
* München, 15. Febr. Heute vormittagwöllte ein Hausdiener die in der Karlsstraße wohnende Ministerialratswitwe Karoline v. Roos aufsuchen und verständigte, als ihm nicht geöffnet wurde, die Gens- darmerie. Als man die Wohnung öffnete, wurden alle Wohnungsinsassen, nämlich Frau v. Roos, deren Tochter und die Köchin tot gefunden. Frau v. Roos und die Köchin lagen, vollständig angekleidet, übereinander im Abort, die Tochter -vollständig angeklcidet, im Bett der Mutter. Man glaubt, der Tod der drei Personen sei bereits am 14. vormittags eiugetreten, da man um diese Zeit einen Schrei und einen Fall hörte. In der Küche, wo die ganze Familie zu speisen pflegte, war das Mittagessen zum Anrichten fertig
eigentlich selbst anklagen. Doch ich kannte Walrodens wahren Charakter nicht — sonst hätte ich dich schon besser zu schützen gewußt!"
Eva nahm die Hanl) der Sprecherin, und streichelte sie zärtlich. „Mache dir keine Vorwürfe, Tantchen ! Gott schickt nicht mehr, als man ertragen kann, und dann ist ja die böse Zeit längst verschmerzt."
„Und hoffentlich entschädigt dich einst die Liebe eines besseren Mannes für alle Unbill, Kind! Ich meine sogar," die alte Dame schaute mit feinem Lächeln auf Eva, „dieser bessere Mann ist schon gefunden, Doktor Lorenz ..."
Eva sprang auf und schloß der Sprechenden mit einem Kuß den Mund. „Gnte Nacht, Tante!" flüsterte sie dann dicht an dem Ohr der alten Dame. „Schließe mich heute in dein Nachtgebet, denn morgen hörst du ? morgen soll sich mein Lebensglück entscheiden!"
Frau Neuhaus fühlte noch ein paar heiße Tropfen auf ihrem Gesicht und dann war Eva verschwunden.
In ihrem eigenen Zimmer saß das junge Mädchen noch lange ans dem kleinen Diwan, ohne an Schlaf und Ruhe zu denken. Seit langer Zeit hatte sie wieder das Glück gehabt, Werner in das Auge schauen zu dürfen und mit ihm fast wie in früherer, glücklicher Zeit zu plaudern.
Eva hatte den seltenen Gast an solchem Orte am vergangenen Abend gleich bei ihrem Eintritt in den Ballsaal bemerkt und, einem raschen Drange folgend, darum von vornherein jede Aufforderung zum Tanze abgelehnt. Vielleicht, daß er sich ihr dann näherte, sie wieder einen Strähl der Liebe in seinem