gewährt werde. — v. Bötticher erwidert: Nachdem auch die Reichsschulkommission erklärte, daß die Bildung der Seminar-Abiturienten derjenigen der Einjährigen gleichstehe, sei in Preußen den Seminarien die Berechtigung zur Ausstellung des einjährig-freiwilligen Zeugnisses erteilt worden. Die anderen Staaten würden sich Preußen wohl anschließend — Bassermann (nat.-lib.) befürwortet den Bau einer Kaserne in Mannheim, deren Notwendigkeit auch der Kriegsminister anerkennt. — Bebel bringt verschiedene Beschwerden vor und bespricht weiter den Duellunfug, die Selbstmorde unter den Soldaten und die Soldatenmißhandlungen. — Kriegsminister Bronsart von Schellendors meint, das Repertoir der Soldatenmißhandlungen scheine beim Vorredner allmählich ausgegangen zu sein. Er könne darauf nicht eingehen, weil er über die einzelnen Fälle, nicht informiert sei; doch habe sich herausgestellt, daß'' die im vorigen Jahre vom Abg. Bebel angeführten Mißhandlungen teilweise übertrieben und teilweise objektiv entstellt gewesen seien. Der Abg. Bebel ziehe den Schluß und verallgemeinere von einem Fall, wo sich ein Offizier nicht passend benommen habe, darauf, daß alle Offiziere sich eventuell so betragen; das weise er entschieden zurück. Redner geht sodann auf die einzelnen Beschwerden Bebels ein.
Landesnachrichten.
* Alten steig, 17. Febr. Die Fastnachtszeit ist auch hier nicht ohne eine kleine Huldigung für den Prinzen Carneval vorübergegangen. Der Familien- kranz hielt nämlich am Samstag abend im Gasthaus zur „Linde" einen kostümierten Ball ab. Hiebei trieb der Frohsinn manch' humorvolle Blüte und es verlief daher der Abend in recht fideler Weise.
* Altensteig, 17. Febr. Wie der Januar, so stellt sich diesmal auch der Februar an: ein Tag um den andern wehen milde Lüfte und die an Kraft stetig zunehmenden Sonnenstrahlen verursachen, daß in der Pflanzenwelt manche Knospe zu treiben beginnt. Unser Schwarzwülder Landwirt sieht diese Witterung nicht gerne, denn er machte schon mehrfach die Wahrnehmung, daß ein allzu früher Frühling in unserer Gegend nichts taugt. Meistens stellt sich später der hinkende Bote in Gestalt einer Saststockung ein, denn ein kalter Witterungsumschlag findet ja fast immer im März, April und selbst im Mai statt und um den Obstertrag ist's dann geschehen. Der Bauer würde es sodann viel lieber sehen, wenn die Saaten durch eine Schneedecke vor dem Nachtfrost geschützt blieben, statt daß das bestellte Feld immer auf- und zugefriert und den ohnedies dünn stehenden Herbstsaaten schlimm mitspielt. Der Lustschnapper dagegen hat seine Freude daran, daß er sich schon in Gottes freier Natur ergehen kann und daß der als „Eisheld" gefürchtete Monat Februar sich gegen seine Gewohnheit als Einläuter des Frühlings entpuppt.
'(Lorgängevor 2 5 Iahren infolge desKrieges 1^8 7 0/71.) Am 16. Februar 1871 wurde die Kapitulation von Belfort unterzeichnet. In der Konvention wurde der Garnison in Anerkennung ihrer tapferen Verteidigung freier Abzug mit Waffen und Feldgeschütz unter kriegerischen Ehren und Mitnahme der Festungsarchive bewilligt. Am selben Tage wurde der Waffenstillstand bis zum 21. Febr. verlängert und zugleich auf den südöstlichen Kriegsschauplatz ausgedehnt. — Am 17. Februar wurde von der Nationalversammlung beschlossen, Hrn. Thiers,
den Friedensfreund, zum Ehef der Erecutivgewalt der französischen Republik zu ernennen. Damit bekundete endlich die Nationalversammlung, daß sie gesonnen sei, ernstlich in Friedensverhandlungen einzutreten.
* Stuttgart, 12. Febr. (Filderbahn.) Wie der „Fild.-B." mitteilt, ist das Gesuch um Weiterbau der Filderbahn von Vaihingen—Möhringen—Echterdingen—Bernhausen—Neuhausen höheren Orts nunmehr genehmigt. Der Bau soll im Frühjahr in Angriff genommen werden.
* Die König!. Baugewerkschule in Stuttgart wird am Schlüsse dieses Wintersemesters das Jubelfest ihres fünfzigjährigen Bestehens feiern. Dasselbe wird am 15. März stattfinden. Für den Vormittag ist eine würdige Schulfeier, für den Abend ein großes Festbankett im Saal der Liederhalle geplant. Als bleibende Erinnerung an das Fest soll eine Jubiläums- Stipendienstistung für unbemittelte fleißige Schüler der Anstalt aus Beiträgen von Lehrern, ehemaligen Schülern und Gönnern der Baugewerkschnle gegründet werden. Ein würdiger Anfang dazu ist schon gemacht worden durch den württ. Baugewerke-Verein, der zu dieser Stiftung die ansehnliche Summe von 1000 Mk. gespendet hat, wobei ausdrücklich betont wurde, daß diese Gesamtgabe die Einzelbeträge nicht ersetzen solle.
* Stuttgart, 13. Februar. Der Fleischkonsum in Stuttgart hat sich auch letztes Jahr wieder gehoben. Es wurden 104 630 Tiere geschlachtet gegen 97 900 im Jahre 1894. Infolge dessen hat auch die städtische Fleischsteuer mit der Summe von 527 500 Mark die bis jetzt höchste Ziffer erreicht mit Ausnahme des anormalen Jahres 1893, wo bekanntermaßen wegen der Futternot unverhältnißmäßig viel Vieh abgeschlachtet wurde.
* In einem Hause in Roth bei Mergentheim wurde eingebrochen und Bargeld und Wertpapiere im Betrage von ca. 3000 Mk. gestohlen.
* In den letzten Tagen ist in Langenau ein Bubenstück entdeckt worden. Am Montag früh erhielt Ochsenwirt Schmid Kenntnis davon, daß das Dach seines Bierkellers am steinigen Berg, an der Straße nach Nerenstetten, an' einer Stelle offen sei und als er nachsah, fand er, daß 15 große Faß Bier leer waren. Spunden und Zapfen waren herausgeschlagen und das Bier in den Keller ausgelaufen, das dann durch das Senkloch zum größten Teil ablies. Der Schaden des Bierbrauers wird sich immerhin aus etwa 5000 Mk. beziffern, abgesehen von der Störung, die im Betrieb der Bierwirtschaft dadurch entstehen wird. Die bübische That dürfte auf einen Racheakt zurückzusühren sein und hat sich der Verdacht auch auf einen Bräuer gelenkt, der kürzlich wegen Unehr- lichkeit entlassen wurde.
* Eine heitere Szene spielte sich kürzlich in Bi der ach an einem der letzten Märkte ab. Ein Bauersmann brachte eine Partie Tauben zu Markte, die auch gleich einen Liebhaber fanden. Käufer und Verkäufer einigten sich auf 45 Pf. per Paar. Nun war aber einem der Tiere ein Auge ausgehackt. Der Käufer wollte zu dem festgesetzten Preise nicht bezahlen. Der rasch herbeigerufene Polizei-Wachtmeister gab aber wirklich einen salomonischen Urteilsspruch mit den Worten: Kann die Taube fliegen, so gehört sie dem Käufer und muß bezahlt werden;
M Lefefrucht. M
* Eitles Klagen und Wimmern wird die Not nur verschlimmern ; lege nur gleich die Hände an, dann ist das Schlimmste abgethan.
'Meter Wotz' Werrnächtnis.
Roman von R. Litten.
(Fortsetzung.)
Eine Klage, ein Aussprechen verbot sein Mannesstolz vollends. Sollte er sagen: „Sieh, Mutter, das that man deinem Sohn! Seine heilige, tiefe Liebe wurde verworfen, sein Herz verschmäht und ein Leichtfertiger, der mit Mädchenherzen spielt, ihm vorgezogen !"
„Nein, und tausendmal nein! Nur kein Mitleid, ich ertrüge es nicht!" kam es fast laut von Werners Lippen. „Ich will Herr dieser Schwäche werden; ich will und ich werde es! Wenn nicht anders, so gehe ich fort von hier, ich finde schon einen Wirkungskreis!"
Er war wieder in die Nähe der Thür gekommen und schaute auf Eva, die noch immer seinen Blicken sichtbar, im Saale stand. Wo blieben bei ihrem Anblick die guten Vorsätze, seine Festigkeit, sein Trotz? „Wie schön sie ist, wie lieb und gut! Jeder ist ihres Lobes voll, rühmt ihre Bescheidenheit, die ihr trotz ihres Reichtums geblieben, und ihren Wohlthätigkeits- sinn. Wie ein Engel des Lichtes erscheint sie in den Hütten der Armut — wie oft segnen meine armen Kranken sie."
Eine Weiche Stimmung übermannte ihn. „Mein süßer Liebling ! Und ich sollte aufhören, dich zu lieben, sollte dich zu vergessen suchen? Und es thut mir leid, mir Schmerz bereitet zu haben! Wie demütig fast begegnet ihr Blick manchmal dem meinen, gleich als müßte sie mir Abbitte thun dafür, daß sie mir wehe that, daß sie meine Liebe nicht erwidern konnte!"
Der Blick des Arztes war bei seinem Sinnen teilnahmlos über die Menge geschweift. Plötzlich blieb er mit starrem Ausdruck an einer bestimmten Stelle haften. „Träume ich denn?" kam es nach einer Minute von seinen Lippen. „Träume ich oder narrt mich ein Gebilde meiner erregten Einbildung?"
Er strich sich mit bebender Hand über die Augen und blickte wieder auf zwei Herren, die sich der Stelle näherten, wo er sich befand. „Nein, es ist keine Täuschung! Es ist Walroden!" Er blickte aus Eva Lunau, die, völlig unbefangen, noch immer im Gespräch mit der Dame dastand. Da klang die Stimme des ihm wohlbekannten Staatsanwalts von Heldern an sein Ohr. „Verzeihung für einen Augenblick, Herr Regierungsrat! Meine Frau winkt mir; gleich bin ich wieder bei Ihnen, um Sie, wie versprochen, Fräulein Lunau vorzustellen."
Also vorstellen lassen wollte man sich. Die Vergangenheit sollte kaltblütig ignoriert, das ahnungslose Herz überrumpelt werden! Nein, das durfte nicht geschehen! Vergessen war verschmähte Liebe, verschmähtes Werben, nur eins wußte Lorenz Werner in diesem Augenblicke: an Peter Bolz' frischem Grabe hatte er Eva seine Freundschaft angetragen und sich
vermag sie das Fliegen nicht, so hat sie der Verkäufer zurückzunehmen. Beide Teile erWrten sich damit einverstanden. Alsbald wurde zur Probe geschritten und binnen weniger Sekunden saß das einäugige Täubchen auf dem Gigelturm, sich seiner Freiheit erfreuend. Ein schallendes Gelächter der umstehenden Menge bildete den Schluß der Szene.
* Vom See, 13. Febr. Bei der Villa Scholz am Horn fand ein Schisfmann vor mehreren Tagen einen großen circa 25 Pfund schweren Hecht, der den sog. Blast hatte, also auf dem Rücken lag. Der Hecht war erstickt; er hatte eine 4 Vs Pfund schwere Forelle verschluckt, deren Schwauzende noch zu seinem Maul herausschaute. Beide Fische waren laut „O. A." ganz frisch, so daß sie verwertet werden konnten. Die Forelle hatte blos einige kleinere Bisse und die Schuppen waren fast alle am Fische. Jedenfalls konnte der Hecht diese Forelle nicht mehr auswerfen und zum Verschlucken war sie ihm zn groß. Dieses Vorkommnis zeigt wieder einmal, daß der Hecht im Sec kolossal schadet; denn dieser Fischräuber verzehrt eben nicht nur die kleinen minderwertigen Weißfische im See, sondern er frißt mit Vorliebe auch die besseren Fischarten.
* Karlsruhe, 9. Febr. In der gestrigen Strafkammersitzung wurde der Kaufmann B. Oden- heimer wegen Vergehens gegen das Nahrungsmittel- gesetztzu 300 Mk. Geldstrafe verurteilt. Er hatte ein Gemisch von Sprit, Wasser und Kirschengeist als Schwarzwälder Kirschenwasser, den Liter 2 Mk. 50 Pf. bis 3 Mk., verkauft und ein Kompositum von Sprit, Wasser, Wein, Zucker und Farbstoff als Cognac zum Preise von 2 Mk. 50 Pf. bis 3 Mk. 50 Pf. Neben 16 Zeugen waren sechs Sachverständige angerufen worden.
* Aus ein Braunschweiger Los, welches die Witwe des früheren Bergmannes Funk von Attenhofen besitzt, fiel bei der letzten Ziehung ein Gewinn von 50000 Mark. Die glückliche Gewinneriu befindet sich auf Besuch bei ihren Kindern in Amerika.
* Die Strafkammer in Mainz verurteilte den 60jährigcn Philipp F., Kreispsandbote in Alzey wegen Unterschlagung von 407 Mk. von ihm einkassierter amtlicher Gelder zu 5 Monaten Gefängnis. Der Verurteilte hat 9 Kinder und ein jährliches Einkommen von etwa 400 Mk.
* Berlin, 15. Februar. Sämtliche dem sozialistischen Brauerverbande angehörigen Brauer des hies. Münchener Bräuhauses haben die Arbeit niedergelegt. Sie erklärten sich solidarisch mit ihren gemaßregelten. Kollegen. Einignngsversnche waren ergebnislos.
* Berlin, 14. Febr. In dem Sitzungssaal des Reichstags fand gestern abend vor den Mitgliedern des Bundesrats und des Reichstags eine Demonstration der Röntgen'schen Strahlen durch Dr. Spieß statt. Unter den zahlreichen Anwesenden befanden sich die Staatssekretäre v. Bötticher, v. Marschall und Hollmann, Minister v. Schönstedt, der Direktor der Kolonialabteilung Kaiser und der bayrische Militärbevollmächtigte Reichlin. Sämtliche Vorführungen waren bestens gelungen und wurden mit Beifall ausgenommen.
* Berlin, 15. Febr. Die Morgenblätter melden:
selbst gelobt, ihr an Stelle des alten Freundes Schutz und Hilfe zu sein. Nun aber war der Augenblick zur Erfüllung seines Gelübdes gekommen. Sie mußte vor kecker Ueberraschung geschützt werden.
Mit wenigen raschen Schritten war er neben Eva, von welcher sich soeben die alte Dame verab-, schiedet hate. „Fräulein Eva," stammelte er, „Walroden ist hier im Saale und im Begriff, sich Ihnen zu nähern."
Er stockte und sah erschreckt aus das Mädchen, dessen Gesicht totenblaß geworden war und durch dessen Körper ein Beben ging. „Verzeihen Sie, daß ich Sie erschreckte," sagte er weich. „Auch die Freude kann schädlich werden, das hätte ich bedenken sollen!"
Eva hatte sich gefaßt, und während eine rosige Glut ihr Gesicht überflutete und ihre Augen strahlten, sagte sieleise, wie träumend: „Also doch mein Freund, doch mein Freund. Nun kann noch alles, alles gut werden!"
Werner war viel zu aufgeregt, um die Worte des jungen Mädchens richtig zu deuten, zumal fast in demselben Augenblick der Staatsanwalt mit Walroden erschien, um ihn Eva in aller Form vorzustellen. Letztere verbeugte sich mit vollkommener Ruhe. Kein Zug ihres Gesichtes bebte, als sie höflich aus die artige Anrede Walrodens erwiderte, und doch wollte es dem Staatsanwalt scheinen, als wäre das Fräulein bei aller Höflichkeit recht zurückhaltend, als begegne sie dem schönen Mann kühler, als es sonst in ihrer Art lag.
Eine ähnliche Bemerkung, nur noch im ver-