E* Stuttgart, 3. Jan. Da hier ein Raummangel für Schuttablagerungsstätten herrscht, sollen demnächst durch einen Hamburger Ingenieur Versuche gemacht werden, den Schutt zu verbrennen. Die Sache wird hier etwas teuer kommen, da auch der Dohlenschlamm mitverbrannt werden muß.
* (Verschiedenes.) In Sulz wurde in der Neujahrsnacht dem Joses Stehle von Binsdorf, aus Unvorsichtigkeit in denHals geschossen. Ein in der Paradieswirtschaft neben ihm sitzender Bursche manipulierte mit einem scharfgeladenen Revolver, worauf dieser losging. Stehle, dem die Kugel nicht entfernt werden konnte, starb nach 12 Stunden. - In Tuttlingen fand die Polzei in einer der letzten Nächte einen jungen Burschen aus der Straße, der beinahe erfroren war. Derselbe war vorher in einer Gastwirtschaft, sah im Heimgehen die Straße für sein Zimmer an und entkleidete sich, um ins Bett zu liegen. Der Bursche war beim Anffinden bereits ganz starr. — In Nufringen, O.A. Herrenberg, hat sich der Sohn des Schreiners S. aus Furcht vor Strafe erschossen. — In Heilbronn ereigneten sich am 2. Januar zwei Selbstmorde. Ein im Untersuchungsgefängnis des K. Landgerichts befindlicher Gefangener, sowie ein Bahnwärter haben sich erhängt. — In Marbach sprang ein 17jähriger Mann bei der Pleidelsheimer Muhle in den Neckar und wurde nachher als Leiche geländet. — Am Freitag ist ein Fuhrmann zwischen Heslach und Kaltenthal verunglückt. Derselbe ist mit einem einspännigen, mit Stroh beladenen Wagen unter dem Eisenbahnviadukt zwischen Kaltenthal und Vaihingen gefahren, während ein Eisenbähn- zng über die Brücke fuhr, wodurch das Pferd des Fuhrmanns scheute und mit dem schwer beladenen Wagen davonrannte. Der Fuhrmann hielt sein Pferd am Zügel und versuchte dasselbe zum Stehen zu bringen, was ihm aber nicht gelang. Derselbe wurde vom Pferde eine kurze Strecke geschleift, wobei er unter seinen Wagen kam und überfahren wurde. Andern Tags starb der Verunglückte. — Ein Akt großer Rohheit hat sich in der Neujahrsnacht in Pinache zugetragen. Auf dem ziemlich entsernt ge legenen Kirchhofe wurden sämtliche Grabsteine umge- worfen und die Grabkreuze, mit Ausnahme von dreien, herausgerissen und ans dem Felde zerstreut, — In Ulm ffrhr der Fischer Kopp von Wiblingen mit seinem Sohn auf einer beladenen Sandzille die hochgehende Donau herunter. Die Zille kippte um und es fanden die Insassen ihren Tod in den Wellen. — In Ravensburg scheuten die Pferde eines Gefährts, dasselbe wurde umgeworfen und die Insassen, zwei Offiziere und ein Bedienter herausgeschleudert. Ein Offizier wurde schwer verletzt, die zwei andern kamen mit dem Schrecken davon.
* Der Sparkassenrechner Franz Bauer in Offenburg hat Unterschlagungen eingestanden. Dieselben datieren 15 Jahre zurück und betragen 400 000 Mk. Das veruntreute Geld benützte Bauer zum Betrieb einer Cognacfabrik; einen kleinen Teil verspielte er an der Börse.
L)* Ein Vorfall in der Sylvesternacht in der Pschorr- brauerei in München wurde von einzelnen Blättern recht haarsträubend dargestellt. Der wachhabende
Offizier teilte den N. N. Eingehendes über den Vorfall mit, woraus zu entnehmen ist, daß der Sergeant Zech von der Trainabteilung im Pschorrbränhans von einem Soldaten die Ehrenbezeugung anfangs gar nicht, später in spöttischer Weise erhalten habe, wozu das Publikum dem Soldaten Beifall klatschte. Hierauf sei das Licht ausgelöscht worden und Zech mit seinem Kameraden habe die Wirtschaft verlassen und sei zur Wache gegangen. Zur Verhaftung des renitenten Soldaten gab der wachhabende Offizier dem Zech eine Patrouille von 1 Unteroffizier und 2 Gemeinen, die scharfe Patronen mitbekamen, falls der Verhaftung Widerstand geleistet würde. Nach 20 Minuten kehrte die Patrouille zurück mit 3 verhafteten Zivilisten. Zech berichtete: Als die Patrouille das Gastzimmer betrat, stand das Publikum auf und rief: Hinaus, hinaus! Nun kommandierte Zech: Chargieren, Gewehr in Ruh, Gewehr ab! Nun trat ein Veterane vor und beschwichtigte die Menge, worauf die Patrouille mit den Verhafteten abzog.
* Berlin, 6. Jan. (Der Kaiser und sein Schwager). Hiesige Blätter berichten: Nach dem Unfall der Prinzessin Leopold, welche auf dem Eise eingebrochen war, habe die Kaiserin ihren Besuch in Glienicke augemeldet. Die Prinzessin jedoch, die das Bett aufgesucht hatte, habe es abgelehut, sie zu empfangen. Die Kaiserin beschwerte sich darauf bei ihrem Gemahl, der den Prinzen am vorletzten Sonntag dienstlich nach dem neuen Palais beorderte. Hierbei sei es zu einer heftigen Auseinandersetzung gekommen, da der Prinz die Ansicht vertrat, eine häusliche Angelegenheit sei keine militärische Disziplinarsache. Weitere Einzelheiten entziehen sich der Oeffentlichkeit. Nachdem Prinz Leopold nach Glienicke zurückgekehrt war, schickte der Kaiser den Potsdamer Stadtkommandanten Generalmajor von Bülow zu ihm, um dem Prinzen den Degen abzufordern und ihm auzukündigeu, er habe fünf Tage Festungsarrest, dann Stubenarrest. Die sechs Mann starke Schloßwache wurde durch 1 Lieutenant und 16 Mann verstärkt, die mit geladenem Gewehr die Schloßausgäuge fünf Tage lang besetzt hielten. Major von Lanken mußte beim Prinzen Wohnung nehmen, auch die Prinzessin durfte fünf Tage lang das Schloß nicht verlassen. Abends um 8 Uhr mußten sämtliche Lichter gelöscht werden. Seit Donnerstag ist die Wache zurückgezogen, der Prinz hat nur noch Stubenarrest.
* Berlin, 6. Jan. Der Kaiser richtete an den Präsidenten Krüger in Transvaal folgendes Telegramm : „Ich spreche meinen aufrichtigsten Glückwunsch aus, daß es Ihnen, ohne an die Hilfe befreundeter Mächte zu appellieren, mit ihrem Volke gelungen ist, in eigener Thatkraft gegenüber den bewaffneten Scharen, die als Friedensstörer in ihr Land eingebrochen sind, den Frieden wiederherzustellen und die Unabhängigkeit des Landes gegen Angriffe von außen zu wahren. Wilhelm."
X D as G lückw u u s ch te l e g r am m unseres Kaisers an den Präsidenten Krüger aus Anlaß des Sieges der Buren über die engl. Freibeuter, steht zur Zeit im Vordergründe des europäischen Interesses. Aller Orten freut mau sich der festen selbstbewußten Handlungsweise des Monarchen, nur in England macht man natürlich lange Gesichter, daß
M_Lefefru ch 1.M
* Eines andern Pein empfinden, heißt noch nicht barmherzig sein; recht barmherzig sein, will heißen: wenden eines andern Pein.
'Meter Motz' WerrnäcHLnis.
Roman von N. Litten.
(Fortsetzung.)
4.
Ungefähr zwei Wochen später stand Hermann Reichert an seinem gewohnten Platz im Kontor in eifriger Arbeit. Seine Hand flog eilig über das Papier, doch seine Gedanken waren bei seinem Liebchen, das er binnen wenigen Tagen als seine Frau heimzuführen gedachte.
Die Uhr schlug sieben. Die mit Hermann im Zimmer anwesenden jungen Leute klappten ihre Bücher zu und griffen nach Hut und Ueberzieher. Bevor sie gingen, trat einer nach dem andern an sein Pult, um Abschied von ihm zu nehmen und ihm Glück zu wünschen. War doch der letzte Tag gekommen, den der junge Mann unter ihnen verweilte. Hermann reichte allen freundlich die Hand und dankte ihnen. Als sie gegangen, griff er wieder zur Feder. Doch nach kurzer Zeit wurde er unterbrochen, der alte Kontordiener kam mit den Briefen von der Post und mit ihm der Lehrling eines Bankgeschäftes mit einem Schreiben an den Kommerzienrat.
Als die beiden sich entfernt hatten, nahm Her
mann die eben empfangenen Briefe, um sie dem Chef, den er nebenan in dessen Privatkontor wußte, zu überbringen. Sein Blick überflog dabei die Adressen und blieb auf einer derselben haften. Sie trug Kurts Handschrift und den Poststempel Hamburg.
„Aus Hamburg," murmelte er vor sich hin, „um Himmels willen, was thut er dort?" Eine unbestimmte Furcht wollte sich in sein Herz schleichen, als er über die Schwelle trat.
Der Kommerzienrat sah freundlich auf, als er den jungen Mann erblickte. „Sie bringen die Post, lieber Reichert, schön, legen Sie sie nur auf das Pult und setzen Sie sich ein Weilchen her zu mir. Mir ist heute so wohl wie lange nicht, ich bin so recht zum Plaudern aufgelegt; Sie selbst werden freilich wenig Lust haben, mit mir altem Mann zu schwatzen," meinte er lächelnd, als Hermann ihm gegenüber Platz genommen hatte. „Es zieht Sie gewiß zum Bräut- chen, gestehen Sie es nur!"
„Das kann ich heute nur halb zugeben, Herr Kommerzienrat. Gleichen weiß, daß sie mich heute nicht so früh erwarten kann. Ich habe ihr gesagt, daß ich am letzten Tage meines Wirkens in diesem Hause fleißig arbeiten muß, um das alte Sprichwort: „Ende gut, alles gut" wahr zu machen.
„Bis zum letzten Augenblick pflichtgetreu und gewissenhaft," sagte der Kommerzienrat und reichte dem jungen Manne die Hand. „Ich werde Sie sehr vermissen, lieber Reichert, und doch sehe ich Sie gern scheiden. Sie gehen ja aus Liebe zu meinem Kinde, um vereint mit ihm Ihr Glück zu bauen."
man so schmählich entlarvt wurde. Nirgends vec hehlt man sich mehr, daß England der eigentliche Urheber des widerrechtlichen Friedensbruchs in Transvaal gewesen und in den von ihm erhofften Wirren im Trüben zu fischen glaubte. Die ganze Verwerflichkeit der englischen Krämerpolitik ist jedenfalls wieder einmal deutlich zu Tage getreten, und es geschieht dem Kabinett von St. James nur Recht, wenn ihm von allen Seiten mit erhöhtem Mißtrauen begegnet wird. Die Räuberbande der Chartered-Compagnie, ihr sauberer Führer Jameson an der Spitze, sehen jedenfalls einer exemplarischen Bestrafung entgegen. Die Transvaalfrage ist aber auch das einzige Moment, was gegenwärtig die Gemüter in Bewegung hält; abgesehen davon ist es still im Julande, wie im Auslande.
* Berlin, 6. Jan. Der Kaiser empfängt heute im neuen Palais den Staatssekretär der Südafrikanischen Republik Leyds. — Der Präsident der Transvaalrepublik Krüger richtete an den Kaiser folgendes Telegramm: „Ich bezeuge Ew. Majestät meinen sehr innigen, tiefgefühlten Dank wegen Ew. Majestät aufrichtigen Glückwünsche. Mit Gottes Hilfe hoffen wir auch weiter alles Mögliche zu thun für die Handhabung der teuer bezahlten Unabhängigkeit und Beständigkeit unserer geliebten Republik." —Der Kaiser fuhr heute Nachmittag beim Reichskanzler vor und verweilte bei demselben über eine halbe Stunde.
* Berlin, 7. Jan. Einer Zusammenstellung der Reisen des Kaisers im vergangenen Jahre entnehmen wir, daß der Kaiser während 159 Tagen fernab von Berlin und Potsdam weilte. Es ist interessant, über die zum Teil sehr strapaziösen Reisen zu hören, daß 52 Tage zu Jagden in den verschiedenen Revieren verwandt wurden. Folgende fürstliche Höfe wurden besucht: Oldenburg, Friedrichsruh, Weimar, Strehlen, Darmstadt und Karlsruhe; außerdem Wien, zur Beisetzung des Erzherzogs Albrecht, Stockholm und der englische Hof, 37 deutsche Städte erfreuten sich des längeren oder kürzeren Aufenthalts.
* Berlin, 4. Jan. Der Kreuzer „Condor" erhielt Befehl, sich unverzüglich nach der Delagoabai zu begeben.
* Berlin, 7. Jan. Die Schulden des geflüchteten Dr. Friedm a n n betragen nahezu eine Million. Bis Ende voriger Woche sind in der F.schen Wohnung für ca. 300 000 Mark Pfändungen vorgenommeu worden.
* Berlin, 4. Jan. Ein großer Einbruchs-Diebstahl ist in der Geschützgießerei zu Spandau verübt worden. Als heute morgen das Kassengewölbe nächgesehen wurde, stellte sich heraus, das insgesamt etwa 70 000 M. entwendet waren. Der Betrag setzt sich zusammen aus etwa 60000 M. Wertpapieren und 10 000 M. in Gold- und -silbermünzcu. Die Art der Papiere und Nummern sind öffentlich noch nicht bekannt gegeben. Die Thüre des Gewölbes zeigt keinerlei Spuren einer gewaltsamen Oeffnung, sie ist allem Anscheine nach mit einem Nachschlüssel geöffnet worden.
* In Deutschland finden Sammlungen für die verwundeten Buren statt. Hamburg sammelte bereits 100 000 M. Der gegenwärtig in Deutschland weilende, in Transvaal ansässige Deutsche Lippert steuerte allein 40 000 M. bei.
* Der Maurer Josef Duda aus Elberfeld ermordete seine 18jährige Tochter nach versuchtem
„Ja, das will ich," sagte Hermann fast feierlich, „und Gott mag mir dazu beistehen."
„Das wird er, mein Sohn, das wird er. Gott ist immer bei den Redlichen und Strebsamen, bei denen, die nicht alles von ihm verlangen, sondern selbst Hand anlegen bei dem Bauühres Glückes. Oft freilich will das nicht so scheinen, da will selbst die mühevollste Arbeit nicht gelingen, doch das ist nicht anders, und besonders der Geschäftsmann muß darauf vorbereitet und darum mehr wie jeder andere gegen Schicksalsschläge gestählt sein. Nach dem Gewitter kommt schließlich doch wieder Sonnenschein, das habe ich in letzter Zeit an mir selbst erfahren. Es sah recht dunkel und trübe um mich aus — Ihnen kann ich das wohl sagen, — doch nun kommen schon hin und wieder Sonnenblicke und ich darf hoffen, daß bald alle trüben Wolken schwinden werden und die Zukunft sich hell und klar zeigt. Auch so schlimme, schwere Zeit hat ihr Gutes. Sie öffnet uns die Augen und läßt uns Schäden entdecken, die, wenn auch noch so nahe, uns bisher unsichtbar blieben, sie rüttelt uns auf aus dem Schlendrian der Gewohnheit und zeigt uns den Weg zur Umkehr."
Der Kommerzienrat hatte zuletzt mehr zu sich selbst gesprochen, nun stand er auf und reichte Hermann die Hand. „Doch nun gehen Sie, lieber Sohn, und lassen Sie es heute genug sein mit der Arbeit. Gleichen wird warten und macht schließlich noch den Vater für Ihr Fortbleibeu verantwortlich. Und wenn wir uns das nächste Mal sprechen, Hermann, dann bitte ich mir den Vaternamen und das „du" aus.