urzer Zeit nach einander. Leute im schönsten Alter wurden von der Krankheit befallen, und in wenigen Wochen waren in unserem kleinen Orte zehn Beerdigungen erwachsener Personen, die alle dieser gefährlichen Krankheit znm Opfer gefallen waren. Die Zahl der Kranken ist immer noch eine größere, doch scheint jetzt gottlob die Seuche im Abnehmen zu sein.
* (Vorgänge vor 25 Jahren infolge des Krieges 1370/71). Am Neujahrs age des Jahres 1871 waren w'hl aller Blicke nach dem Westen gewandt, nach Frankreichs Fluren, auf denen die Söhne deutscher Mutterliebe kämpften und bluteten. Aber man sah am 1. Januar 1871 ohne Bangen in die Zukunst. Waren doch schm so viele der Siege erfochten und war doch der Feind schon so gründlich niedergeworfen, daß nichts m hr zu befürchten und der Frieden in naher Aussicht stand; und war doch auch das Einigungswerk des neuen deutschen Reiches seiner Verwirklichung nahe gerückt. An jenem 1. Januar 1871 las man in deutschen Landen staunend die Zusammenfassung der Erfolge, die der pr-ußische Staatsanzeiger veröffentlichte; staunend, weil kaum jemand die Größe dieser Erfolge sich bislang klar gemacht hatte. Die Zahl der bis 27. November gefangenen unverwundeten Franzosen belief sich aut 10 067 Offiziere und 303 842 Mann, die der erbeuteten Geschütze auf 4130, darunter 170 Mitrailleusen, die der Adler auf 112. — Am selben Tags kapitulierte die seit dem 19. Dezember eingeschlossme Festung Meziäcs, Als am 31. Dezember morgens die Beschießung mit 98 Geschützen eröffnst wurde, schwiegen g^r bald die Geschütze der Festung. Ein Ausfall war mit Leichtigkeit zurückgeschlvgen und am 1. Januar um 11 Uhr zeigte sich die weiße Fahne. 93 Offiziere und 2000 Mann gerieten in Gefangenschaft, 106 Geschütze wurden erbeutet. — 3. Januar 1871. Was die Loire- Armee von Süden her versucht hatte, das versuchte eine Nordarmee und General Faidherbe, der fähigste aller französischen Generale, ebenfalls, — nämlich die Entsetzung von Paris. Am 3. Jinuar 1871 war es General von Goeben, der bei Vapaume dem dreimal stärkeren Feind S Stunden lang Stand gehalten hatte. Das gelang in so glänzender Weise, daß General Faidherbe noch in der Nacht den Rückzug antrat, von Kavallerie verfolgt; allerdings suchte auch dieser General den Tag als einen erfochtenen Sieg hinzuste len und den Rückzug nur als ein Mittel, die Armee kriegstüchtiger zu machen. In Wirklichkeit hatten die frischen Truppen Faidherbes die Probe schlecht bestanden und das wußte der französische General sehr gut zu beurteilen. Die Sachlage war eben für die Franzosen etwas verändert, aber gleich ungünstig; vorher hatten sie tüchtige Truppen und schwache Führer, jetzt tüchtige Führer und schwache Truppen.
* (Holz-Er löse.) Bei dem am 30. Dezember in der Stadtgemeinde Fri dingen abgehaltenen Langholz Verkauf auf dem Stock, welches in verschiedenen Distrikten der Gemeinde zum Hiebe gelangt, wurde die 1.—3. Klasse um 107,31), verkauft an die Firma Rehsuß u. Co. in Höfen, währenddem die 4. und 5. Klasse der Zellstosfsabrik Waldhof in Mannheim für 110,9Vo zugeschlagen wurde. Forchene Schwellenhölzer wurden an die Firma Schenk in Baden per Festmeter zu 14 Mark verkauft.
* Stuttgart, 1 . Januar. Seine Majestät der König besuchte heute vormitag nach Entgegennahme der regelmäßigen Vorträge und Meldungen mit Ihrer Majestät der Königin und Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin Pauline den Gottesdienst in der Schloßkirche.
* Stuttgart, 30. Dez. Wie der „St.-Anz." vernimmt, ist angeordnet worden, daß zur Erinnerung an den 25. Jahrestag der Kaiserproklamation zu Versailles am 18. Januar k. I. in den sämtlichen Schulen des Landes der Unterricht auHMt und statt dessen eine Schulfeier abgehalten wird.'
* Stuttgart, 30. Dez. Die K. Zentralstelle für Landwirtschaft hat schon seit längerer Zeit die Errichtung einer staatlichen Molkereischule angestrebt und
M Lefefrirckt.
* Sei stark, dich ielbft zu zwingen! Sei schieil, um H Is' zu bringen! Sei treu im Tugendstreben! Sei mild, dem Feinds zu vergeben!
'Meter Motz' Werrnächtnis.
Roman von R. Litten.
(Fortsetzung.)
„Offen gestanden, Papa," entgegnete Max, „wird es mir schwer, davonzu sprechen. Ich binnämlich in Geldverlegenheit." Er lachte gezwungen. „Du weißt, wir Landleute müssen gewöhnlich im ersten Jahre unseres Wirkens Lehrgeld zahlen, und da wollte ich dich bitten, mir zu helfen, mir für einige Monate Vorschuß zu gewähren."
Der Angeredete erhob den gesenkten Blick, und sein Schwiegersohn sah jetzt erst, wie erschreckend bleich das Gesicht des Mannes war, wie tief die Augen in ihren Höhlen lagen.
„Es thut mir leid, dir die Bitte abschlagen zu müssen, Max, aber ich kann dir leider nicht Helsen, ich — ich bin nicht im stände dazu," sagte der Kommerzienrat zaudernd. Er fuhr mit der Hand über die Stirn und schaute düster vor sich hin. „Es ist eine schlimme Zeit für mich. Ich muß mit Aufbietung aller Kräfte, mit aller Vorsicht steuern, um mein Schiff glücklich die Klippen durchzubringen."
Der Kommerzienrat schwieg. Er bot das Bild eines abgehetzten, todmatten Menschen.
Der Baron stand unwillkürlich auf und bot ihm die Hand. „Verzeih, Papa," sagte er herzlich. „Ich
war in dieser Hinsicht schon vor einiger Zeit in Unterhandlungen mit der Molkereigenossenschaft Gerabronn getreten,' Unterhandlungen, welche schließlich zu einem endgiltigen Ergebnis führten. Die noch ausstehende höhere Genehmigung ist nun, wie verlautet, ebenfalls erfolgt, so daß Württemberg nun thatsächlich eine Molkereischule besitzt. Die Molkereigenossenschaft hat sich dem Staate gegenüber verpflichtet, alle diejenigen Einrichtungen zu treffen, welche zur vollständigen praktischen und theoretischen Ausbildung der Molkereischüler notwendig sind, sowie einen theoretisch und praktisch gebildeten tüchtigen Fachmann anzustelleu, welcher außer der Leitung der Molkereischule zugleich den württembergischen Molkereiinteressen als Instruktor zu dienen hat. Vorderhand sind 3 Unterrichtskurse in Aussicht genommen, ein sechswöchentlicher, ein vierwöchentlicher und ein zweiwöchentlicher. Die Zahl der Teilnehmer soll sich gewöhnlich auf 6 beschränken. Der Unterricht soll unentgeltlich sein: für Kost und Wohnung haben die Teilnehmer selbst zu sorgen. Damit hat die württembergische Landwirtschaft eine weitere nützliche Staatsanftalt zur Förderung ihrer Interessen erhalten.
* Die K. Kunstgewerbeschule inStuttgart zählt im laufenden Winterhalbjahr 124 Schüler, worunter 96 Württemberger nnd 28 Nichtwürttemberger.
* In Stuttgart ist der Bürgerausschuß dem Beschluß des Gemeinderats betr. Erbauung des Rathauses aus dem alten Platz nicht beigetreten und hat die Mittel zu demselben verweigert. Nach Ansicht des-Bürgerausschusses würde der Bau nach dem angenommenen Projekt zu klein ausgesührt. Der Gemeinderat wird sich nun erneut mit der Rathausfrage zu beschäftigen haben.
* Stuttgart, 1 . Jan. Eine böse Sylvesternacht haben wir hinter uns. Kurz nach Anbruch des Neuen Jahres verübten mehrere junge Leute, nachdem sie vorher in der Kconprinzenstraße arg skaudaliert hatten, in der hiesigen Bahnhofrestauration 1l. Klasse einen großartigen Skandal, wobei sie Tische, Spiegel, Flaschen, Gläser und Stühle zertrümmerten; sie mußten durch 4 Schutzleute unter Führung eines Polizeiinspektors sistiert und nach dem Polizeiamt abgeführt werden. Nach Feststellung ihrer Personalien wurden sie wieder entlassen und drangen dann abermals in die Bahnhofrestauration ein, um den Skandal zu erneuern, wurden aber diesmal durch Bahnhofbedienstete und Reisende aus dem Hauptbahnhof hinausgehauen.
* (St atistif ch es.) Die Stadt Stuttgart hat nach dem neuen Adreßbuch 840 Vereine auszuweisen. Die Zahl der Wirtschaften beträgt 1044, so daß auf 151 Köpfe eine Wirtschaft kommt. Wenn mau die Frauen und nicht erwachsenen Kinder mit 70 Prozent in Abzug bringt, so entfällt aus je 45 erwachsene Männer eine Wirtschaft.
* An der K. landwirtschaftlichen Akademie Hohenheim befinden sich im laufenden Winterhalbjahr 93 Studierende, worunter 35 Württemberger un) 58 Nichtwürttemberger.
Ück. Göppingen, 2 . Januar. Am Sylvesterabend spielte sich in dem Hause zur „Stadt Warschau" in der Familie des Gießers Uxa eine schreckliche Tragödie ab. Uxa, der die Thüren seines Wohn
zimmers abgeschlossen hatte, feuerte mit einem Revolver auf seine in den zwanziger Jahren stehende Tochter, die er durch einen Schuß in die rechte Brust und in den Hals schwer verletzte. Als der Polizeisoldat Knödler 1, der von den Nachbarn herbeigerufen wurde, die Thüre gewaltsam geöffnet hatte, jagte ihm Uxa eine Kugel ins Gesicht, dieselbe konnte bis jetzt noch nicht entfernt werden. Hierauf gab der RasenOe drei Schüsse auf sich selber ab, die alle sehr gut trafen. Der Polizeisoldat scheint indessen weniger gefährlich verletzt zu sein, während die beiden anderen mit dem Tode ringend darnieder lagen. Heber das Motiv der That verlautet nichts Bestimmtes; es wird gesagt, Uxa habe nicht zugeben wollen, daß seine Tochter bei einer Christbaumfeier nicht aktiv mitwirke. Man wird übrigens nicht fehl gehen, wenn man Uxa als einen Irren betrachtet; derselbe hat nämlich schon zweimal in den letzten Jahren auf Personen geschossen, ohne zu treffen. Einmal erhängte er sich, wurde aber noch rechtzeitig abgeschnitten und ein anderes Mal riß er sich mit einem Glasscherben die Pulsader auf. Merkwürdig ist, daß der Mann trotz aller dieser Vorkommnisse, die zu gerichtlicher Untersuchung gelangt sind, noch frei herumlaufen durfte.
* (V erschiedene s.) Der Raubmörder Eisele befindet sich in Wangen in sicherem Gewahrsam. Bon einem Zuchthausgenossen in Ludwigsburg soll er verschiedene Adressen von in dortiger Gegend vereinsamt wohnenden vermöglichen Leuten erfahren haben.
— In Jsuy starb ein 4jähr. Knabe, das einzige Kind einer Sattlermeisterssamlie, welcher aus Naschhaftigkeit aus einer Flasche Salzsäure getrunken hatte.
— In Och send ach wurde nachts in die Kirche eingebrochen und die Opferbüchse mit etwa 15 Mark entwendet. — In der Raidtschen Kohlensäurefabrik in Horb ist ein Stahlzylinder geplatzt und hat einen Arbeiter in schrecklicher Weise verstümmelt. Der Unglückliche ist seinen Verletzungen erlegen.
Deutsches Reich.
* Heidelberg, 31. Dezbr. Ein tiefergreifender Vorfall trug sich am Montag im hiesigen akademischen Krankenhaus zu. In einem der Krankensäle wurde, wie im ganzen Krankenhause, für die Patienten eine Christbescherung veranstaltet. Inmitten des Saales brannte ein schöner Weihnachtsbaum, und soeben war ein bekanntes Weihnachtslied gesungen worden. Ein schwerkraukes Mädchen, das von seinem Krankenlager aus an der Feier teilnähm, bat, als das Lied gesungen war, um Wiederholung desselben. Während der Chor der Pflegeschwestern ihrem Wunsch entsprach, hauchte die Aermste iür Leben aus.
* Berlin, 31. Dezember. In einer allerhöchsten Ordre des Kaisers an den Reichskanzler wird der Entschluß des Kaisers bekannt gegeben, zur Erinnerung an die vor 25 Jahren erfolgte Neubegründung des deutschen Reiches am 18. Januar eine Feierlichkeit im königlichen Schlosse zu veranstalten, welche vormittags 1 (? 4 Uhr im Weißen Saale mit der bei besonders feierlichen Reichstagseröffnungen üblichen Förmlichkeit, insbesondere unter Benutzung der Reichsinsignien, stattfinden soll. Der Kaiser wird bei dieser Feier eine Botschaft verlesen, und es sollen zu dieser Feierlichkeit, welcher am Abend des 18. ein Banket^
wußte nichts von deinen Sorgen, sonst hätte ich dich nicht mit meiner Angelegenheit behelligt."
Der Angeredete hielt die dargereichte Hand fest und schaute dem jungen Manne ernst in die Augen. „Ja, mein Sohn, helfen kann ich jetzt nicht, aber einen Rat, eine Warnung will ich dir geben. Deine Verhältnisse sind nicht in Ordnung, sagst du. Ich will nicht wissen, wie das jetzt schon möglich ist, keine Rechenschaft von dir verlangen, nur dir sagen: „Suche sie zu regeln um jeden Preis, selbst mit den größten Opfern, wenn es sein muß, und dann sorge, daß sie, wenn einfach, doch geordnet bleiben. Ich weiß ja, du würdest noch Mittel und Wege finden, dir aus deiner augenblicklichen Verlegenheit zu helfen; du könntest noch eine Zeit, vielleicht noch Jahre hindurch fortleben wie bisher, aber ob früher oder später — einmal würde doch der Tag kommen, wo der erborgte Flitter davonfliegt und dein scheinbares Glück zusammenbricht wie ein Kartenhaus, das eines Kindes Hand umstößt.
Die Stimme des Sprechenden klang immer erregter, sein Blick glühte, seine Hand hob sich wie beschwörend. „Darum verschließe nicht dein Ohr, wenn ich dir Halt zurufe: „Halt ein auf der abschüssigen Bahn, ehe du strauchelst, suche nicht im Schein dein Glück; du jagst einem Irrlicht nach. Das Glück und das Genügen wohnt nur in den Wänden deines Hauses. In treuer Pflichterfüllung wirst du es finden, dort suche es."
Er hielt erschöpft inne, während sein Atem flog und seine Lippen bebten. Der Baron hatte erschreckt
und ergriffen gelauscht und sagte jetzt mit feierlichem Ernst, den mau dem jungen Lebemann kaum zugetraut hätte: „Ich danke dir, Papa! Ich will an deine Worte denken und sie zur Richtschnur meines ferneren Lebens nehmen. Aber du bist so erregt - deine Hand ist eisig kalt. Du bist gewiß ernstlich leidend."
„Nein, Max, mir ist nichts, nur etwas Kopfweh," antwortete der Kommerzienrat und zwang sich, seiner Erregung Herr zu werden. „Sprachst du Kurt schon?" fragte er dann plötzlich nach einigen Minuten.
„Ja," antwortete der Baron, „und er hat mir den Zweck seines Kommens mitgeteilt. Doch wage ich jetzt nicht für ihn zu bitten."
„Es würde auch nichts nützen, selbst wenn ich über Millionen zu verfügen hätte! Wer wird auch einem Spieler Geld geben?" Er war an sein Pult getreten und stützte den Kopf in die Hand. Von seinen Lippen bebte es: „Mein Sohn ein Spieler, ein verlorener Mensch!"
Der Baron war zu ihm getreten und legte die Hand auf des Kommerzienrats Arm. „Was hast du beschlossen, Papa? Kurt ist völlig ratlos."
Der Kommerzienrat erhob den Kopf. „Ich kann ihn nicht sehen," sagte er endlich, „doch du magst ihm sagen, ich will ihm helfen, doch unter einer Bedingung. Noch heute reicht er feinen Abschied ein und geht als Eleve auf das Gut meines alten Freundes, des Oberamtmanns Schwarz, der, will's Gott, vielleicht doch noch ein brauchbares Glied der menschlichen Gesellscheft aus ihm zieht. Oder," er sann einen Augenblick nach — „wenn ihm zur Landwirtschaft die