worden. Im Interesse der Sparer wurde aber von der Versammlung vorerst von einer solchen Umgang genommen, dagegen beschlossen, daß die Einleger die 2000 bis 2500 Mk. übersteigenden Beträge binnen einer bestimmten Frist zumckznnehmen haben. Der Kassier und die seitherigen Mitglieder des Verwaltungs- Ausschusses wurden durch Zuruf wiedergewählt, der Verwaltungsansschnß durch 2 weitere Mitglieder ver­stärkt und es traten durch geheime Wahl neu in den Ausschuß die Herren Verwaltungs-Aktuar Maier und Stadtwundarzt Vogel. Beide Herren nahmen die Wahl dankend an.

* Enzthal, 00. Dez. (Im Tode vereint.) Heute wurden Johann Friedrich Roller, Maurer und seine Ehefrau zu gleicher Zeit iu den kühlen Schoß der Erde gebettet, nachdem sie wenige Stunden nacheinander die irdische Laufbahn nach kurzer Krank- keit beschlossen hatten. Das Ehepaar, das in den 60er Jahren stand und also lange Jahre hindurch des Lebens Ernst und Freuden zusammen durchkostet hat durfte nun auch vereint den Gang ins Jenseits an- treten. Es macht ein solcher Lebensabschluß eines Ehepaares gewiß einen ergreifenden Eindruck.

* Ravensburg, 28. Dez. Eine unheimliche Gratisfahrt machten die Passagiere des am letzten Mittwoch mittag von Friedrichshafen nach Ulm ab­gelassenen Schnellzuges. Derselbe brannte wegen Plötzlichen Versagens der Luftbremse im Bahnhof von Ravensburg durch und raste mit voller Schnelligkeit an der Stadt vorüber, bis es gelang, ihn bei der zweiten Uebergangsstelle an der Straße nach Ettis- hofen zum Stehen zu bringen. Von dort wurde der Ausreißer nach dem Bahnhof von Ravensburg zurück­geführt. Da iu letzter Zeit ähnliche Fälle auch auf anderen Bahnen vorkamen, scheint es immerhin gewagt, auf die Luftbremsen ein unbedingtes Vertrauen zu fetzen, und sollte man drohenden Unfällen in dieser Beziehung bei Zeiten Vorbeugen.

^(Verschiedenes.) In Bietigheim machte sich der 10 Jahre alte Sohn des Wagners Knoll ans Langeweile an der Fntterschneidmaschine eines Nach­bars zu schaffen, wobei er den Messern zu nahe kam und ihm der rechte Unterfuß vollständig abgeschnitten wurde. In Ravensburg hat sich der erst 21jührige Kürschnergeselle Simon F., bei Wolfegg zu Hause, mit einem Revolver erschossen.

* Freiherr v. Zoller, der Lehnsherr von Fuchs­mühl ist, wie dieAugsb. Postztg." mitteilt, zum Landgerichtsdirektor von Regensburg befördert worden. Frhr. v. Zoller war feit Monaten an der Reihe, be­fördert Zu werden und nur mit Rücksicht auf die parlamentarischen Erörterungen war die Beförderung bisher unterblieben. Aus demselben Grunde hat sich auch die Beförderung anderer richterlicher Beamten verzögert. Darin aber, daß er nach der Oberpfalz versetzt worden ist, zu der Fuchsmühl gehört, will man eine Art Genugthuung erblicken, die dem Frei­herrn v. Zoller erwiesen werden sollte. Letzteres ver­riete allerdings eine merkwürdige Auffassung von der Fuchsmühler Angelegenheit.

* Berlin, 00. Dez. Zur Verhaftung des Frhrn. v. Hammerstein wird dem Kleinen Journal aus Athen berichtet: Frhr. v. Hammerstein wohnte in einem

W _Lesefrucht. M

* Die Alten ehre stets; du bleibst nicht ewig Kind. Sie wa­ren wie du bist, und du wirst was sie sind.

Ueter Kotz' WerrnächLnis.

Roman von R. Litten.

(Fortsetzung.)

Aber Mama," begütigte die junge Frau,lasse sie doch gewähren und Onkel Bolz nach Herzenslust betrauern." Sie lachte.Sie thut es dann zugleich für uns alle, hoffe ich."

O nein, da irrst du! Auch Marga wird sen­timental, wenn sie von ihm spricht. Es ist geradezu lächerlich, wie die beiden den Toten zum stillen Dul­der, zum Märtyrer, zum edlen Menschenfreunde und was weiß ich, ausputzen." Frau Hermines Mund­winkel verzogen sich zu einem spöttischen Lächeln. Doch du hast recht, gönnen wir ihnen das! Sie das treue Seingedeuken und Lucy das klingende Gold ! Marga hätte es ja überdies nichts genützt. Denke dir, diese Schrulle von dem Reichert, er hat jetzt nochmals, wo die Hochzeit vor der Thür ist, ent­schieden erklärt, auf jede Mitgift verzichten zu wollen; er heirate nicht um Geld. Eigentümlicher Stolz von einem Menschen aus solcher Sphäre, nicht wahr?"

Der aber Gretcheu die beste Bürgschaft für seine Liebe ist," sagte die junge Frau ungewöhnlich ernst. Auch dem Papa wird dieser Stolz nicht unwillkommen sein; du meintest doch, daß die Geschäftsstille noch immer nicht gehoben ist und Verluste mit sich bringt.

obskuren Hotel, speiste täglich im Deutschen Klub und besuchte die von den Deutschen frequentierten Lokale. Sogar in der Familie des deutschen Konsulatssekretärs hatte er Zutritt und wohnte dort noch am Abend vor seiner Verhaftung einer Festlichkeit bei; ebenso besuchte er zuweilen das Haus des deutschen Hofpredigers. Er gab sich für einen Zeitungskorrespondenten und Nationalökonomen aus. Das Gesicht ließ er glatt rasieren, so daß ihn, obgleich durch den Steckbrief seine Photographie auch in Athen bekannt war, nie­mand erkannte. Da er dem Klubwirt seine Uhrkette verkaufte, scheint er sich zuletzt in großer Geldnot be­funden zu haben. Schon seit einiger Zeit weilten deutsche Geheimpolizisten resultatlos hier. Erst am Weihnachtsabend fiel der angebliche Herbart in der deutschen Kapelle durch lautes Schluchzen auf. Als er am nächsten Morgen wieder beim Gottesdienste erschien, nahm ein Geheimpolizist neben ihm Platz und folgte ihm dann ins Hotel, wo er Erkundigungen ein­zog und hierauf dem deutschen Gesandten Bericht ab­stattete. Der Gesandte that sofort die nötigen Schritte, und es wurde, da kein Auslieferungsvertrag besteht, der Ausweg gefunden, Herbart für einen Anarchisten zu erklären. Nunmehr verfügte die Regierung sofort die Ausweisung. Einzelne Blätter erklären das Ver­fahren der Regierung für ungesetzlich. Hammerstein landete heute in Triest.

* Berlin, 27. Dezbr. Gegen den flüchtigen Rechtsanwalt Dr. Friedmann schweben nach den Blättern vier strafrechtliche Untersuchungen, von denen die eine wegen widerrechtlicher Aneignung von Akten­stücken eingeleitet ist. Die Begleiterin Friedmanns auf seiner Reise ist eine 17jährige Sängerin Anna Mertens, die neben verschiedenen anderen Namen sich zuletzt Nelly v. Wildensels nannte, die Tochter eines Arbeiters Mertens, den Friedmann in einem Ehebruchprozeß mit Erfolg verteidigt hat. Die sich häufenden Geldverlegenheiten Friedmanns werden neben sonstigen Spielverlusten auf große Verluste an der Börse zurückgeführt, die in diesem Sommer 400000 M. betragen haben sollen.

* Zur Ausdehnung der Unfallversicherung auf das gesamte Handwerk hat der Zentralausschutz der vereinigten Jnnungsverbände eine Eingabe an das Reichsamt des Innern gerichtet. In der Eingabe wird gebeten, das Reichsamt des Innern möge sich dahin anssprechen, daß von einer Ansdehnung dieser Versicherung auf das Kleingewerbe diejenigen Bernfs- zweige ausgenommen werden, in denen nur eine ge­ringe Unfallgefahr als vorhanden festgestellt werden kann, daß der Gedanke der Zwangserweiterung ans das gesamte Handwerk fallen gelassenund diese nur in den Handwerkszweigen vorgenommcn werde, aus denen Anträge auf Zulassung von fachlichenUnfallversicherungs- Berufsgenossenschaften Vorkommen.

* Berlin, 28. Dezember. Die Summe, welche die Berufsgenossenschaften 1894 an Entschädigungen zahlten, beläuft sich auf 44 Millionen Mark gegen 38 Millionen im Vorjahr.

Ausländisches.

* Paris, 00. Dezember. Gegen die an der Ver­öffentlichung der Liste der 104 beteiligten Redakteure der ZeitungLa France", sowie gegen den Urheber

die auf Papa tief verstimmend wirken. Der arme Papa, er sieht auch recht leidend aus; er strengt sich gewiß zu sehr an und dann das abscheuliche Kopf­weh. Wie ist es denn jetzt damit?"

Etwas besser, Kind, nach dem letzten Mittel, das Doktor Lorenz verschrieb; aber verstimmt ist Papa jetzt immer, und das muß auch Kurt nun fühlen." Sie fuhr wieder mit dem Batisttuche über die Augen. Wenn ich ihm doch nur helfen könnte, dem armen Schelm! Er hat mir versprochen, wenn er noch dieses Mal aus der Klemme gerissen wird, keine Karte mehr anzurühren, sich sogar in eine andere Garnison versetzen zu lassen, um dem schlechten Bei­spiel seiner Kameraden aus dem Wege zu gehen. Er ist eben zu gutmütig und darum der Verführung leicht zugänglich. Ich will das alles noch heute abend dem Papa vorstellen, man kann doch den einzigen Sohn nicht gleich zum äußersten treiben."

Die Kommerzienrätin seufzte tief auf.Ja, wenn ich das Geld des alten Bolz schon hätte, so sind mir die Hände gebunden. Wie ich dieses Mal meinen Geburtstag oder richtiger mein Geburtstags­geschenk herbeisehne, kann ich dir nicht beschreiben. Und das ist nur natürlich und gerechtfertigt! Papa wird da hilft kein Beschönigen kleinlich, furcht­bar kleinlich; ich gestehe dir, es kostet selbst mir Ueberwindung, Geld von ihm zu verlangen. Und ge­rade jetzt brauche ich viel. Ich muß in nicht zu j ferner Zeit unsre erste große Abendgesellschaft geben, ! und Lucy schreibt mir, daß ihr Einladungen zu Bäl- ' len und anderen Festen bevorstehen, zu welchen sie

dieser Liste, den früheren Detektiv Desrociers, ist die gerichtliche Untersuchung wegen Fälschung bezw. Be­nützung gefälschter Schriftstücke eingeleitet.

* Die reichlichen Geldmittel, die dem Großherzog- tnm Luxemb u r g aus der Zollvereinskasse zusließen, versetzten das Ländchen in die angenehme Lage, seine direkten Steuern herabzusetzen, während sie fast überall anders die Neigung haben, in die Höhe zu gehen. So hat die Kammer die Kopfsteuer für das Jahr außer Hebung gesetzt, und die vollständige Abschaffung wird nicht lange auf sich warten lassen. Diese Steuer ist übrigens so ungerecht wie möglich, da sie Arme wie Reiche mit dem gleichen Satze von Franken trifft.

* Petersburg. Die Influenza tritt jetzt in Rußland mit unerhörter Heftigkeit auf. Bei den von ihr Befallenen machen sich zunächst alle Symptome einer starken Lungenentzündung bemerkbar, der ganze Oberkörper brennt, auf dem Rücken und- der Brust zeichnen sich große rote Flecken ab, das ganze Nerven­system tritt in einen Zustand völliger Erschlaffung, so daß junge kräftige Männer vorübergehend geradezu zu Greisen werden. Schnnpfenerscheinungen fehlen bei dieser' Form der Influenza vollständig. Die Aerzte, die anfänglich dieser neuen Form der Krank­heit ziemlich^ ratlos gegenüber standen, suchen jetzt, da gewöhnlich nur eine Lunge angegriffen scheint, durch Einreibungen mit Jod, Veratrin rc. die Entzündung auf die andere Lunge zu verteilen, um möglichst jede Störung von der Herzthätigkeit abzulenken. Viele Fälle, in denen es nicht gelang, das Herz intakt zu halten, haben tödlich geendigt.

* Dieheilige" Krönung des russischen Kaiser­paares, wie die Russen sich ausdrücken, beschäftigt jetzt in Rußland alle Welt. Als Beispiel, wie das Fest von einigen Städten gefeiert wird, sei ein Be­schluß der Duma (Stadtverordneten-Versammlung) von Wilna angeführt. Während der heiligen Krönung wird die ganze Stadt durch drei Tage des Abends illuminiert und es werden drei Militär-Musikkapellen engagiert, welche an diesen Tagen auf den Markt­plätzen spielen sollen. Zum Gedächtnisse an die heilige Krönung werden aus der Stadtkasse 1750 Rubel den Wilnaer Wohlthätigkeitsanstalten als einmalige Unter­stützung angewiesen: 600 Rubel werden zur Ausrich­tung eines Mittagsmahls für die Armen und 100 Rubel zur Aufbesserung der Arrestantenspeise in den Gefäng­nissen und anderen Haftlokalen der Stadt verwandt. Den armen Bewohnern der L-tadt werden verschiedene Steuerrückstände erlassen. Außerdem beschloß die Stadtverordneten-Versammlung 700 Rubel zur Be­schaffung einer Schüssel zu geben, auf welcher dem Kaiserpaar Salz und Brot dargebracht werden wird.

* Ieisk, 29. Dez. Etwa 800 Fischer nebst ihren mit 100 Pferden bespannten Schlitten wurden auf einer Eisscholle in das Asow'sche Meer getrieben. Von den Personen sind bereits mehr als die Hälfte gerettet. Die Rettungsarbeiten dauern noch fort.

* Odessa, 29. Dezember. Einem hiesigen Spe­ditionsgeschäfte wurden von einem gewissen Nadret- schny 84 Colli Ware übergeben, die er mit 20 000 Rubel versicherte und mit einer Nachnahme von 16 000 Rubel belegte. Da die Warensendung verdächtig erschien, wurden die Ballen geöffnet. Bei der Untersuchung fand man nur wertlose Wollabfälle und ein mit

Toiletten gebraucht, das alles kostet freilich Geld, aber wie Hinz und Kunz kann mau doch nicht leben, abgesehen davon, daß Lucy siebzehn Jahre ist und ihre Jugend genießen will. Lauge werde ich sie ja überdies nicht für mich behalten können; verschiedene Herren erkundigen sich jetzt schon lebhaft nach ihr, sogar Freiherr von Stetter neulich zu meiner größten Freude."

Auch ich kann von Heiratskandidaten berichten, Mama, wenigstens von Herren, deren plötzliches Inte­resse für Lucy sie mir als solche erscheinen läßt.Am Golde hängt, nach Golde drängt doch alles", zitierte die junge Baronin etwas spöttisch, setzte dann aber ernst hinzu: Jedenfalls aber, Mama, möchte ich dir raten, bei der Wahl für Lucy nicht zu sehr Namen und Stellung im Auge zu haben. Es sind das zwar recht schätzenswerte Dinge, aber das Lebensglück, fürchte ich, bedingen sie nicht."

Die großen blauen Augen der Kommerzienrätin hefteten sich mit dem Ausdruck des größten Staunens auf ihre Tochter.Aber Elsa, Kind, du erschreckst mich! Was ficht dich an? Sprichst du etwa aus Erfahrung, bist du nicht glücklich in deiner bevor­zugten Stellung?"

Glücklich?" Ueber Elsas Gesicht breitete sich ein tiefer Schatten.Glücklich? ich weiß es selbst nicht. Ich bin oft so müde und abgespannt von un- serm rauschenden Leben und kann mir mit wahrer Sehnsucht ein stilles bescheidenes Glück ansmalen. Max ist so viel von alten Freunden in Anspruch ge­nommen, die ganz zu vergeffen scheinen, daß er ver-