Führer der Demokraten ». A., daß der Abgeordnete schon mtt Stolz nach Hanse kommen dürfe, wenn er nnr keine neuen Stenern mitbringe, gegen welch' letztere er sich mit seinen Parteigenoffen anf's Nachdrücklichste gewehrt habe. Erfrenlicher sei das jetzige Bild im Landtag, indem die Regierung Zugeständnisse mache, wie sie es bei den früheren Abgeordneten nicht gethan habe. Dies thut sie aber nnr dann, wenn sie Respekt hat vor einer politischen Partei. Reformen sind angebahnt und werden nicht mehr lange ans fich warten lassen. Die Gegner werfen uns vor: bei den Wahlen waren die Demokraten Jener nvd Flamme, jetzt aber raufen sie nicht mehr. Das ist anch nicht mehr nötig, denn kommt uns die Regierung entgegen, und sie thut dies, so ist es nur eine Pflicht des einfachsten Anstandes, mit derselben ruhig zu verkehren. Wenn «ns Einer hilft, den Karren ans dem Sumpf z« ziehen, so werden wir diesen dafür doch nicht grob behandeln. Wir möchten erst sehe», was unsere Gegner sagen würden, wenn wir unter diesen Verhältnissen zu raufen anfingen.
* Der württemb. Landtag ist nun endgültig auf den 4. Dezember einbernfen worden.
* Bönnigheim, 21. Nov. Die bürgerlichen Kollegien haben in ihrer heutigen Sitzung unter Berücksichtigung des allgemeinen Wunsches der Bürgerschaft auf Antrag des Ortsvorstehrrs beschlossen, die Sommerseite des der Stadt gehörigen Rothenbergs, welcher seither als Schälwald benützt worden ist, ass- zustocke» und an die Bürger zu Weinbergen abzutreten. Zunächst soll ein eingehendes Gutachten eines Weinbauverständigen eingeholt und sodann das weitere eingeleitet werden. Da die Lage und der Boden vorzüglich sind, etwa wie in den gegenüberliegenden Hohenhaslacher Weinberglagen, und durch Kaufsbedingung die Anpflanzung nur guter Reösorten sicher- gestellt werden soll, so bedeutet dieses Unternehmen eine ganz bedeutende Förderung des ohnehin schon erheblichen Weinbaues der hiesigen Bevölkerung.
* (Verschiedenes.) Großes Aufsehen machte die Zahlungseinstellung des in weiten Kreisen bekannten Holzhändlers B. von Sch wein Haus e n, der in ordentlichen Vermögensverhältnissen sich za befinden schien, dieser Tage aber eigens seinen Konkurs anmeldete. Man spricht von 70 000 M. Passiva, denen nur wenig Aktiva gegenüberstehen. Seitens des Gerichts sind bereits die Termine gegeben. Bürgen und Freunde von nah und fern werden durch einge- aangene Bürgschaften und Waldverkäufe stark in Mitleidenschaft gezogen. — Zum Schultheißen von Hausen a. Z. wurde Assistent G. Mößner beim städtischen Armenamt in Stuttgart gewählt. — Selbst tot gemeldet hat sich der Küfermeister Benedikter von Neresheim. Derselbe hat nämlich einen Drahtbericht, welcher seinen Tod aus Heidenheim vermeldete, selbst abgefaßt; er wollte sehen, ob seine Frau auch wirklich zu seiner Beerdigung nach Heidenheim gehe. — Der 38jährtge verheiratete Holzmacher Köderer von Lobenhausen, Gemeinde Gaggstadt, würbe von einer fallenden Eiche getötet.
* Die Futternot im Jahre 1893 und der nachherige Ueberfluß an Futtermitteln infolge der Einkäufe, die für Herrn Oberamtmann Fils er in Heidenheim
und die Mitglieder der dortigen Genossenschaft so schwere Stunden brachten, habe» im benachbarten Baden ein Seitenkück geliefert, das für «nS von besondere« Interesse sein dürfte. Im badischen Etat für 1896/97 find 320 800 Mt. vorgesehen zur Deckung des der Staatskasse durch die Futternot im Jahre 1893 erwachsenen Aufwandes. Es erwuchs bei Einkauf und Abgabe von 966 487 Zentner Heu durch die Regierung ein Verlust von 30696 Mk.; ferner hatte der Verband der landw. Konsumvereine des Großherzogtums, der sich nach einem mit dem Ministerium des Innern getroffenen Abkommen bereit erklärt hatte, den durch die Futternot betroffenen Landwirten ohne Rücksicht auf die Zugehörigkeit zu einem Verbandsveretn Futter- und Streumittel zu liefern, durch den plötzlichen Umschlag der Verhältnisse im Spätjahr 1893 einen Einnahmeausfall von 204515 M. um dessen Uebernahme auf die Staatskasse der Verband nunmehr bittet. Er hatte im Sommer und Spätjar 1893 Lieferungsverträge über 210465 Ztr. Futtermehl und 132800 Ztr. Torfstre» abgeschlossen und konnte sich eines bedeutenden Teils dieser Mengen erst im Frühjahr 1894 entledigen, als die Preise erheblich unter die Ankaufspreise heruntergesetzt wurden. Die Großherzogliche Regierung ist, wie die „Karlsr. Zig." mitteilt, auf Grund eingehender Prüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis gekommen, daß das Verfahren des Verbands vorwurfsfrei sei.
* Pforzheim, 21. Nov. Hier stad wieder einige „Goldschnipfler" wie der Volksmnnd die Liebhaber von Goldabfällen bezeichnet, festgenommen worden. Sie sehen ihrer Verurteilung seitens der Karlsruher Strafkammer entgegen, bis auf einen, der dieser Tage im Untersuchungsarrest seinem Leben durch Erhängen ein Ende gemacht hat.
* Chemnitz. Ein bedauerlicher Vorfall ereignete sich laut „CH. Tagebl." dieser Tage auf der Theater- straße. Arbeiter vom Telegraphenamt waren auf einem Hause mtt der Befestigung von Fernsprech- drähten an dem auf diesem Hause befindlichen Ständer beschäftigt. Ein Draht fiel von oben herab und kam auf den an dieser Stelle isolierten Leitsngsdraht der Straßenbahn zu liegen, während das Ende des Telephondrahtes auf die Straße heradhing. Während dessen kam ein Fuhrmann mit einem mit 2 Pferden bespannten Geschirr auf die Stelle zugefahreu. Ein Arbeiter rief dem Kutscher auf 7 m Entfernung zu, daß er halten solle. Dennoch kamen die Pferde an den herabhängenden Draht und schleppten diesen mit sich, so daß er schließlich mit dem ungeschützten Starkstromleitungsdraht der Straßenbahn in Berührung kam und der Strom von 500 Volt beide Pferde traf. Die Pferde stürzten, von dem elektr. Schlage getroffen, sofort zu Boden und wurden nicht wieder zum Leben gebracht. Der auf der Straße stehende Arbeiter des Telegraphenamtes hatte versucht, den herabfallenden Draht hinwegzuziehen, wurde jedoch, da er nicht mit Jfolierhandschuhen ausgestattet war, edenfalls von dem vollen Strom getroffen. Es war ihm nicht eher möglich, von dem Drahte loszu- kommm, bis die Berührungsstelle durchschmolzeu war; er fiel zu Boden, stand aber dann selbst wieder auf und hat außer dem Schreck keinen Schaden davon- getragen.
W_Lefefrucht. M
* Nichts hat in der Welt Bestand: Was da kommt, muß scheiden, und so reichen sich die Hand immer Freud und Leiden.
UeLer WoLz' WerrnächLnis.
Roman von R. Litten.
(Fortsetzung.)
10 .
In dem kleinen, allerliebst ausgestatteten Gemach, das Fra« Kommerzienrätin ihr Boudoir zu nennen pflegte, saß am Morgen des nächsten Tages diese selbst und sprach mit ihrem Gatten.
„In der That, Ludwig, ich begreife dich nicht. Wte kann dich der Verlust, der durch das Fallissement des Dresdener Hauses entstanden ist, in diesem Maße verstimmen? Durch eine einzige glückliche Spekulation ist die Summe wieder etngebracht und hoffentlich sogar vergrößert. Dann diee andere Sache, Kurts heutiger Brief! Es ist ja wahr, Kurt gebraucht etwas viel Geld, aber das ist doch immerhin kein Grund, ihm so zu zürnen. Wer ist denn in der Jugend und noch dazu in seinem Stande, sparsam! Ich muß sogar offen bekennen, lieber Mann, daß es mir nicht recht wäre, wenn er sich von seinen Kameraden, die ihn, trotzdem dem armen Jungen leider der Adel fehlt, so gern in ihren Kreisen sehen, zurückziehen sollte. Das müßte er aber doch, wenn er ängstlich den Thaler bedenken wollte. Nein, nein, sage mir nichts dagegen, Ludwig," unterbrach ste
ihren Mann, der erregt etwas erwisern wollte, „erst gestern in Waldhöh rühmte mir Frau von Gabler Kurts elegantes Benehmen und meinte, daß ihr Sohn, der, wie du weißt, in derselben Garnison steht, ihn stets als seinen Freund bezeichne« Und daß solche Bekanntschaften von größter Wichtigkeit für seine zukünftige Karriere sind, ist doch selbstverständlich. Wenn er auch jetzt ein wenig überschäumt, was rst da Schlimmes, so Arges dabei? Jugend hat keine Tugend, und wenn erst die Hörner adgestoßen sind kommt die Vernunft von selbst."
„Wenn es dann nur nicht zu spät ist!" antwortete der Kommerzienrat und sein Gesicht sah recht sorgenvoll aus. „Ich freue mich ja, liebe Hermtne, daß du nach Frauenart all' diese Unfälle leicht nimmst, doch kann ich dir nicht verschweigen, daß ich die Dinge anders ansehe und mir leider eben nicht sorglos zu Mute ist. Elsas Mitgift hat eine bedeutende Summe aus dem Geschäft gezogen, dazu der vorhin erwähnte Bankrott mit seinen für mich höchst empfindlichen Folgen; und nun noch Kurts unmäßige Ansprüche, die sich trotz meiner letzten Warnung tmmer mehr steigern —"
„Aber, bester Mann," unterbrach ihn FrauHer- mine ungeduldig, „ich verstehe dich immer weniger! Erscheint dir denn das Glück, unser Kind als Baronin zu sehen, nicht eines kleinen Opfers wert? Und für die Zukunft vergißt du ganz das immense Vermögen in Berechnung zu ziehen, das uns nach des alten Bolz' Tode zusällt! Der Mann ist ein angehender Sechziger und nie ooa besonders kräftiger Nat-ra
* Berlin, 22. Nov. Der Justizminister wird durch königlichen Erlaß ermächtigt, bet zu Freiheitsstrafe verurteilten Personen, hinsichtlich deren bet längerer guter Führung Begnadigung in Ausficht genommen werden kann, nach seinem Ermessen eine Aussetzung der Strafvollstreckung, in geeigneten Fälle« Milderung der Strafe zu bewilligen. Bon dieser Ermächtigung soll vornehmlich zu Gunsten solcher erstmalig verurteilten Personen Gebrauch gemacht werden, welche zur Zeit der That das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet hatten und gegen welche nicht auf mehr als eine sechsmonatliche Strafe erkannt ist.
* Berlin. Eine neue Kunst hat ein findiger Bettler ersonnen. In den Laden eines hiesigen Kaufmanns trat ein Mann im schäbigen Anzug mit brennender Zigarre und sprach die bekannten Worte: „Ein armer Reisender bittet um eine Unterstützung." — „Na, hören Ste mal, so eine Frechheit ist mir noch nicht vorgekommen, mit brennender Zigarre z« betteln!" — „Entschuldigen Sie, Herr, das thue ich blos wegen dem Schutzmann; wenn er steht, daß ich rauche, dann thut er mir nichts, dann denkt er, ich habe bei ihnen was gekauft." So viel Findigkeit gefiel dem Angebettelten dermaßen, daß er den Man» mit einem Nickel belohnte. „Ich danke schön," sprach's und verschwand.
«. Da bei jeder Rekruteneinstellung alljährlich eine große Zahl verheirateter, aber nicht kirchlich getrauter Mannschaften bei den Truppenteilen eintrifft, ist jetzt höheren Orts bestimmt worden, daß in diesen Fällen seitens der Vorgesetzten auf die betreffenden Mannschaften in geeigneter Weise einzuwirken ist. damit ste noch ährend ihrer Dienstzeit die kirchliche Traung nachholen und bereits vorhandene Kinder taufett lassen. Die kirchlichen Handlungen sollen kostenlos durch die Militärgeistlichen erfolgen.
* Zum Gmoffenschastsgesetz soll de« Reichstag eme Novelle unterbreitet werden. Die Vorlage hat nach der ,Voss. Ztg/ bereits die Bundesratsausschüffe passiert. Dem Vernehmen nach soll hauptsächlich beabsichtigt sein, für diejenigen Genossenschaften, die offene Ladengeschäfts haben, eine schärfere Kontrolle betreffs der Abgabe von Waren an Mitglieder, sowie einige Erleichterungen für die landwirtschaftlichen Gsnoffeuschasen betreffs des Verkaufs von Waren für den landwirtschaftlichen Betrieb einzuführen.
* Das Defizit der preuß. Finanzverwaltung soll für das laufende Jahr 22—25 Mill. betragen, und auch die Reichseinnahmen bleiben hinter den Erwartungen zurück, so daß die Ueberweisungen an die einzelnen Staaten wesentlich niedriger ausfalleu werden, als im letzten Jahr. Allem Anschein nach werden mdes dem Reichstag vorerst keine neuen Reichssteuer- Reformprojekte vorgelegt werden.
" Wien, 23. Nov. Die Politische Korrespondenz meldet aus Sofia: Der Sultan erteilte Konstarttino- peler Berichten zufolge die Erlaubnis zur Passteruug der Dardanellen für je ein Schiff jeder Großmacht als zweites Stationsschiff.
* Rom, 23. Nov. Laut der Riforma trafen im Vatikan Meldungen ein von Abdankungsabfichten deS
gewesen; in der letzten Zeit steht er recht angegriffen
aus."
„Ich wünsche seinen Tod nicht," sprach der Kommerzienrat ruhig, „ebensowenig wie ich auf eine bloße Vermutung Zukunftspläne baue."
„Bloße Vermutung?" ries seine Fra«. „Aber Mann, wie kannst du nur eine so feste, unerschütterliche Thatsache so nennen! Bolz hat längst sei« Testament gemacht, er Hai auf Gottes Welt keinen Verwandten, keinen Freund, wem sollte er den» sein Vermögen vererben, wenn nicht unserer Lucy, seinem Patenkinde? Das Kind weiß ihn überdies so klug za behandeln, daß ste den alten, verwöhnten Hagestolz vollständig für sich eingenommen hat. Und dann Lscys Aehnlichkeit mit mir! Sie ist ja mein verkörpertes Jugendbild, das mußte neulich Bolz selbst zugeben, und glaube mir, Ludwig, schon dieser glücklichen Aehnlichkeit wegen wird Lucy seine Üuiversal- erbin. Dazu macht er ste schon d-r alten Erinnerung wegen! Du weißt doch, daß er mich in seiner Jugend gelrebt hat! Ich muß noch heute lachen, wenn ich mir vorstelle, welche komische Figur Peter Bolz als Freier spielte, wie er an meinem achtzehnte« Geburtstage vor mir stand, in der einen Hand den mächtigen selbstgedsndenen Blumenstrauß, in der andern den groben Strohhui, und das Gesicht, das damals nicht viel anziehender war wie jetzt, hochgerötet vor Erregung und Verlegenheit. Was er mir eigentlich sagte, weiß ich wirklich nicht und habe es auch damals nicht recht gewußt, ich hatte genug Mühe, meine Lachlust zu bezwingen, und war herzlich froh.