1874/75, 1884/85 und (nach dem Etat) 1894/95. Die zweite giebt dasselbe für de» wärtt. Etat. Die fortdauernden Ausgabe» des Reichs waren, in Millionen
im Ganzen ....
1874
344
1885
556
1895
1080
Retchsheer
271
339
480
Marine ....
16
32
50
Reichsschuld .
—
16
72
Ueberweisuugeu a. d. Bundesstaaten —
105
355
Einmalige Ausgaben .
21
14
76
Außerordentlicher Etat
54
43
130
Einnahmen im Ganzen .
675
593
1285
Ordentliche Einnahmen
370
546
1155
Zölle ....
104
208
350
Zucker ....
50
32
75
Branntwein
37
39
119
Reichsstempel .
6
21
34
Stempelabgabe für Wertpapiere —
13
24
Matrikularbeiträge
67
84
397
Außerordentliche Deckungsmittel
305
47
130
Wurtt.Etat. Ausgaben:
Ausgaben im Ganzen .
40,s
52.«
71,s
Staatsschuld
14
19,7
20.8
Justiz ....
3,2
3,7
4,2
Inneres ....
4,4
5.4
7.7
Kultus ....
7,2
8
10.8
Finanzen
2
2 g
3.5
Matrikularbeiträge
5,7
6.8
18,2
Einnahmen:
Ertrag des Kammerguts
22,8
22,z
25,1
Forsten ....
8.-
5,2
7,i
Eisenbahnen
11.8
13.8
14,2
Landessteuern
20,8
26,7
30,8
Grund, Gebäude, Gewerbe
6,7
8.»
9.5
Kapital- u. Dtensteinkommen
3„
4.8
6,z
Accise ....
1,9
1'4
1-s
Wirtschastsabgabe» .
7,4
9,1
9,8
Sporteln....
1.1
1,9
2.2
Erbschaftssteuer
0.4
1
Ueberweisungen vom Reich .
—
4,8
15«
lieber obige Anträge »nd über die vorgelegten Entwürfe wird der Landtag wohl zunächst eine Gene-
raldiskasston vornehmen, und wenn dann ein Eingehen auf die Einzelberatung beschlossen sein wird, die Steuerkommisston mit Abfassung der Einzslberichte beauftragen. (St.-Anz.)
* Hall, 17. Nov. Einen die Veteranen des Feldzugs 1870—71 ehrenden Beschluß hat der hiesige Gemeinderat gefaßt, indem er statt des in diesem Sommer verwilligten Ehrensoldes die Kombattanten zu einem Festmahl einladet, das am 24. ds. abends im Gasthos zur Eisenbahn dahier stattfinde» soll. Die Zahl der Teilnehmer wird sich annähernd auf 80 belaufen.
* Weinsberg, 16. Nov. Bei der Oberamts- sparkafse hier wurde gestern ein falscher 50-Markschein einbezahlt. Derselbe wurde sofort als solcher erkannt «nd angehalten. Die Anwendung äußerster Vorsicht bei Annahme von Papiergeld ist dringend geboten.
* Ulm, 18. Nov. Allgemeiner Teilnahme begegnet in hiesiger Stadt das heute gänzlich unerwartet erfolgte Ableben des Regieruagsrats Flaxland. Ein unscheinbares Geschwür au der Sohle des rechten
Fußes ließ der Verewigte kürzlich vom Arzte öffnen und hoffte binnen kurzer Frist wieder auSgehen zu können. Da trat unverhofft Brand ein »nd nötigte vor zwei Tagen zur Amputation des Fußes. Leider vermochte diese Operation den Tod des Patienten nicht abzuwenden. Regierungsrat Flaxland war früher Oberamtmaun in Calw «nd Göppingen und wurde im Frühjahr 1893 als Rat an die hiesige Kreis- regterung berufen.
* Ulm, t8. Nov. (Pech!) Einem hiesigen großen Band-, Spitzen-, Seiden- und Posameatiergeschäft, das in Stuttgart eine Filiale hat, widerfuhr an einem der jüngsten schönen Nachmittage das Mißgeschick, daß die Steuerkommisston ins HauS kam, um wegen Verdacht der Steuerhinterziehung die Bücher etwa» in Augenschein zu nehmen. Urplötzlich, der Laden war voll Kunden, wurde das HauS vorn und hinten von Steuerwächtern abgesperrt, und der Firmainhaber hatte gerade noch Zeit, einem im Comptoir anwesenden Geschäftsfreund zuzuflüstern: .Teltphoniere nach Stuttgart, sie sollen sich in Acht nehmen," als auch schon der Herr Steuerkommissac sich vorstellte und den Zweck seine« Erscheinens erklärte. Der Geschäftsfreund durfte nach einigen Formalitäten mit den Kunden den Laden verlassen; er eilte spornstreichs zur nächsten Tslephonstelle, verlangte dringende Verbindung mit der Stuttgarter Band-, Spitzen-, Seiden- und Posamentier-Filiale und rief, als er Anschluß hatte, mit größtem Eifer hinein: „Achtung! Aufpassen! Ihr Schwager läßt Ihnen sagen, bei ihm sei soeben Haussuchung, Sie sollen die Sachen beseitigen!" Wie erstaunte er aber, als er von Stuttgart die Worte vernahm: „Danke schön, aber Sie kommen zu spät! Hier Steuerkommiffär G., wir halten soeben auch in der hiesigen Filiale Haussuchung!" Der Ulmer Geschäftsfreund soll ein sehr langes Gesicht gemacht haben.
* (Verschiedenes). Im Burgerwild wurde der seitlängererZeit vermißte 63 Jahre alteGabrielWeikert, Bäcker von Freudenstadt, erhängt aufgefunden. — In D urrweiler wurden von einem Mäusefänger, trotzdem für eine tote Maus nur V, Pfennig bezahlt wird, 826 Mäuse abgeliefert. Im ganzen hu der „Ortsdiener", welcher für das Begraben der abgflieserten Gefangenen per 1000 eine Mark erhält, nahezu 20000 Mäuse verlocht.
"Berlin, 15. Nov. Unter der Überschrift „Sollten wir die Dummen feind", bringt das letzte Heft der dem französischen Marineminifterium nahestehenden Wochenschrift: ,1-s, Nkrrins Pranagiss" folgende authentische Mitteilungen über die Art, in welcher dem französischen Marineattachä in Petersburg seitens amtlicher russischer Kreise begegnet werde: Sobald der Attache begonnen habe, seine Stellung ernstlich aus zunutzen, sei er überall auf das äußerste Uedelwolleu und auf eine geradezu unerklärliche Unhöflichkeit gestoßen. Man habe ihm die Besichtigung des neuen HafenS von Lteba« verweigert und ihm nicht einmal gestattet, an Bord einzelner russischer Kriegsschiffe zu gehen. „Wir haben", so rujt daS Blatt aus, Rußland das Geheimnis unseres rauchlosen Pulvers mil- geteilt, wir haben die russische Armee mit unserem neuesten Gewehr bewaffnet, wir haben dem ruff. Reich 5 Milliarden Francs geborgt, kurz wir haben alles gethan, um «ns die Unterstützung «nd die Gegendienste unseres Verbündeten zu sichern. Wenn sich diese Gegendienste aber bloß auf äußere Festlichkeiten und theatralische Veranstaltungen beschränken sollten, so müssen wir uns als getäuscht erklären. Noch hoffen wir, daß dies nicht in den Absichten des Zaren liegt und daß dieser es vielmehr als eine Ehrenpflicht betrachten wird, uns über die gröbliche Ungeschicklichkeit untergeordneter Personen freundschaftlich sein auf
richtiges Bedauern auldrückev zu lassen." — DaS Blatt scheint aber hieran selbst nicht zu glauben, denn es schließt seinen Artikel mit den fettgedruckten Worten: Wen» daS nun aber nicht geschehen sollte? d d * DaS neue Margartnegesetz — es führt den Titel: „Gesetz mtwurf, betreffend de» Verkehr mit Butter, Käse, Schmalz »ad deren Ersatzmitteln" — ist jetzt dem Bundesrate vorgelegt worden. Die wesentlichste Abänderung gegen das Gesetz vom 12. Juli 1887 besteht darin, daß auch die Herstellung und der Handel mit Margarinekäse und Kunstspeisefett in daS Gesetz etnbezogen wird.
Ausländisches.
* Die Auflösung des Wir» er Gemeinderats infolge der Wiederwahl Luegers zum Bürgermeister von Wien hat eine stürmische Sitzung im Abgeordnetenhaus zur Folge gehabt. Man meldet hierüber aus Wien vom 18. November: Die heutige Sitzung des Abgeordnetenhauses endigt« spät abends mit großen Skandalen. Lueger verwahrt sich gegen den Vorwurf der Ehrsucht; wenn er geschwiegen und andere ruhig hätte stehlen lassen wäre er wahrscheinlich schon Bürgermeister. Gras Baden! habe ihn in rohester Weise angegriffen und Glsispach sei grob gewesen, nur Ledebur Habs ihn anständig behandelt, wofür ec ihm dankt. Allgemein werde» die Worte der Allerhöchsten Willensmeinung dahin aufgefaßt: wer für Lueger ist, ist gegen de» Kaiser. DaS ist nicht richtig. Wer für Lueger ist, ist nicht gegen den Kaiser aus dem katholischen Hause Habsburg-Lothringen, sondern gegen die Herrschaft der Juden und Judaeo-Magyaren. (Stürmischer langdauernder Beifall bei den Antisemiten und auf den Gallerien). Der Präsident giebt das Glockenzeichen und will sprechen, kann sich aber in dem großen anhaltenden Lärm nicht verständlich machen, verläßt den Prästdenteiistnhl und giebt den Auftrag, die zweite Gallerie zu räumen. Auf den Gallerien werden Tücher und Hüte geschwenkt und langanhaltende stürmische Hochs auf Lueger ausgebracht. Unter riesigem Lärm und Bewegung des ganzen Hauses wird die Räumung der zweiten Gallerie vollzogen. Der Präsident nimmt dann wieder die Sitzung auf, und sagt, von allen Seiten werde ihm mitgeteilt, daß auch unglaublicher Weiie auf der ersten Gallerie ..... Die folgenden Worte des Präsidenten werden im nun entstehenden tosenden Lärm bei den Antisemiten und der ersten Gallerie nicht vernommen. Auf der ersten Gallerie werden neuerliche stürmische anhaltende Rufe laut und Hochs auf Lueger ausgebracht. In der Ministerialloge und Diplomatenloge schwenkten elegante Damen Tücher und noble Herren Hüte. Der Präsident verläßt abermals seinen Platz und läßt auch die erste Gallerie räumen. Unter stürmische» Hochrufen aus Lueger verlassen die Insassen nur langsam die Logen. Bei der Abstimmung wurde die Dringlichkeit der antisemitischen Anträge mit großer Majorität abgelehnt. Für dieselben stimmten die Antisemiten und Deutschnationalen, einige Jungrz:chen und Klerikale. Sie konnten aber eine namentliche Abstimmung nicht durchsetzen, da nicht 58 unterstützende Stimmen sich fanden.
* In Gr az sind der Konfektionär Kmslinger und außer ihm noch ca. 40 Personen verhaftet worden darunter ein bekannter Professor und ein Nervenarzt. Es handelt sich um grobe sittliche Vergehen. Mehrere Damen sind gleichfalls bloßgestellt.
* Paris, 18. Nov. In Raismes (Dep. Nord) find sechs im Bau begriffene Häuser eingestürzt. Sechs- zeha Arbeiter wurden unter den Trümmern begraben; sieben davon sind tot, neun schwer verletzt.
* Paris, 18. Nov. Der während des Panama- skandals vielbesprochene Bestechungsagenr Arton, von dem es den Auschet» hatte, als ob er mit dem Beinamen „der Unfaßbare" in die Geschichte etngehen sollte, ist am Samstag in London verhaftet worden. Es ist dies ein Ereignis, das weit über den Rahmen einer Tagesneatgkeit hinausreicht, da es vielleicht schon in der nächsten Zeit von großem Einfluß auf die innere Politik Frankreichs werden kann.
W _L-s-frucht. M
* Gieb niemand ungebeten Rat, er könnte, wenn befolgt, mißglücken, und dir legt man die Schuld der Thal, als schwere Last dann auf den Rücken.
Meter Motz' Vermächtnis.
Roman von R. Linen.
(Fortsetzung.)
Das Mädchen kam und räumte den Eßtisch ab »nd Fra« Doktor Lorenz griff wieder zum Strickzeuge. „Wie mag es denn in Waldhöh gehen. Ob daS junge Paar glücklich isi?"
Der Doktor antwortete: „Das Ideal einer glücklichen Ehe wird da draußen wohl schwerlich zu finden sein. Von übergroßer Zärtlichkeit war zwischen den beiden nie die Rede, «nd die alte Baronin scheint mir auch nicht dazu angethan, dieselbe durch ihre Gegenwart zu erwecken. Uebrigens wird dort draußen heute wieder ein Fest gegeben, ich denke, man feiert der alten Dame Geburtstag."
„Da werden unsere jungen Damen an unserm heutigen Abend wohl gar fehlen," bemerkte die Frau Doktor bedauernd. „Das sollte mir leid thun."
„Das fürchte ich nicht, Mamachen," lächelte ihr Sohn heiter. „Fräulein Eva nimmt ja selten an derartigen Festen te;l, und für Fräulein Gleichen, das heikelste Eiemeut in unserem kleinen, musikalischen Kränzchen, mag letzteres wohl einen ganz besonderen Magneten haben.
Die alte Dame ließ die Nadeln aus den Händen gleiten »nd sah nachdenklich za ihrem Sohn hinüber.
„Wiedas nur enden wird, Werner! Die jungen Leute haben sich lieb, das sehen selbst meine allen Augen. Sie sind auch wie für einander geschaffen, aber wie wird die Kommerzienrätin darüber denken? Wird sie jemals ihre Vornehmihuerei so weit vergessen und in eine Verbindung ihrer Tochter mit Herrn Reichert willigen? Einen besseren Schwiegersohn könnte sie sich freilich kaum wünschen, als diesen liebenswürdige», prächtigen Menschen, aber ich fürchte, unser armes Gretchen geht einer schweren Zeit entgegen und wird noch manchen Kampf zu bestehen haben."
Ein Klopfen an der Thür unterbrach sie »nd Herr Bolz trat ins Zimmer.
„Guten Abend, verehrte Frau Doktor! Guten Abend, junger Freund! Nun, bin wohl wieder der erste?"
Er setzte sich zu der alte« Dame aufs Sofa und «ahm aus einer Papierhälle einen kleinen Veilchenstrauß.
„Hier, Frau Doktor, der erste Frühlingsgruß, den ich im Garten entdeckte."
Er zwinkerte lustig durch die Brillengläser dem jungen Arzt zu.
„He, wundern sich, wie galant der alte Bolz sein kann, was? Doch im Ernst, meine werte Fra» Doktor, bringe Ihnen die zarte Spende als Dank für die vielen schönen Abende, die Sie mir bet Ihne« vergönnten."
Herr Bolz schaute, während die alte Dame den kleinen Strauß in frisches Wifler setzte, zufrieden im Zimmer umher, das mit seinen Hellen Tapeten »nd schneeweißen Gardinen der ein wenig altmodischen, doch höchst behaglichen Ausstattung einen recht trau l'chen und wohnlichen Eindruck machte.
„Ja, ja." fuhr der alte Herr fort, „war aus dem besten Wege, ein menschenfeindlicher Geselle zu werde», oder richtiger: war es schon, hatte auch just nicht Ursache, die Menschen zu lieben, die mich in meiner Jugend — in der ich allerdings auch kein Adonis war, werte Freundin! — verhöhnt und getreten, «nd dis mir dann, als ich alt und reich wurde, schmeichelten »nd huldigten. Schade nur, daß mein Herz nicht «ehr jung «nd gläubig war «ad all die Liebe, ha, ha, Liede, daran abprallte!"
Es flog wie ein finsterer Schatten über sein hageres, gefurchtes Gesicht, und die alte Dame neben ihm sagte rasch: „Wem sind trübe Erfahrungen im Leben fern geblieben, bester Herr Bolz? Wohl uns Alte», die wir nun, ruh g im geschützten Hafen, lächelnd auf alle Stürme zurücköl cken können!"
Der Dokwr hatte sich während des Gespräches am Fenster zu schaffen gemacht und in die Dunkelheit hinausgesrhen. Jetzt wandte er mit Hellem Blick den Kopf, und gleich darauf hörte man aus d«r Treppe flinke Schritte und Helles Lachen. Herr Reichert hatte, wie an einem jeden solcher Abende, die Dame» ganz zuiälltg, wie er sagte, schon auf der Siraße getroffen und erschien nun mit ihnen.
Doktor Lorenz hatte sich längst mit dem jungen