in den Armen seiner herbeigeeilten Frau. Das Gericht begab sich heute früh an Ort und Stelle.
* Stuttgart, 29. Aug. Gestern abend hat sich die Frau eines hiesigen Rechtsanwalts gemeinsam mit einem Kaufmann von hier in der Wohnung des letzteren vergiftet. Die beiden Lebensmüden standen ehedem zueinander in intimem Verhältnis. Die Frau war erst seit etwa 6 Wochen verehelicht.
* Ellwangen, 27. August. (Schluß des Berichts übr den Verbandstaz der württemb. Gewerbevereine.) Den zweiten Vortrag hieltHandelsschuldirektor Spöhrer-Calw über „Die Umgestaltung des Konkurswesens". Im allgemeinen erklärte sich der Referent mit den von der Regierung gemachten Vorschlägen einverstanden. — Prof. Dr. Huber schreibt die Zunahme der leichtfertigen Bankerotte, welche die Umgestaltung des Konkursverfahrens erheischen, namentlich der Leichtfertigkeit auf Seiten der kreditierenden Lieferanten zu, wogegen Spöhrer Calw bemerkt: Wenn man so denke, dann müsse man als einzig möglichen Schutz gegen Verluste die Barzahlung einführen und das sei im Geschäftsleben ein Ding der Unmöglich keit. — Prof. Dr. Huber hielt dann einen Vortrag über „die Unfallversicherung mit Rücksicht auf die Ausdehnung des Verstcherungszwanges auf die Handwerker nach dem Ende 1894 veröffentlichten Reichs- gesetzentwurf" und führte folgendes aus: Um die Ungleichmäßigkeiten der nach unseren Arbeiterversicherungsgesetzen bestehenden Verficherungspflicht etwas auszugleichen, soll der am 21. Juni d. I. veröffentlichte Gesetzentwurf betr. die Erweiterung der Unfallversicherung dienen. Nach ihm ist die Ueberwetsung auch des Handelsgewerbes und des gesamten Kleingewerbes bezw. aller darin beschäftigten Arbeiter und Gehilfen bis zu 2000 Mk. Jahresverdienst unter den Versicherungszwang geplant. Selbst der Hausier- und Apothekenbetrieb wird als verstcherungsbedürftig erklärt. Nach den Motiven soll der Entwurf der Schlußstein des großen sozialen Werkes, die Vollendung einer noch nicht vollständig gelösten Aufgabe bilden. Von dem Redner wurden nun diese Motive mehrfach scharf kritisiert. Er betont besonders, daß in dem Entwurf die 13wöchige Krankenunterstützung, die beim Handels gewerbe eine ausreichende Hilfe darbiete, ganz übersehen sei. Die Motive wollen nur die Schneiderei und Schusterei als ungefährlich gelten lassen; aber man schaue nur in die kleinge- werblichcn Werkstätten hinein und man werde finden, daß die gefährliche Zubereitung der Rohstoffe rc. von der Fabrik übernommen werden und dem Handwerk nur die ungefährliche Zubereitung für den Markt, sowie der Detailverkauf übrig geblieben ist. Ganz die gleichen Verhältnisse beständen heute aber auch bei den meisten andern Kleingewerben, die fast alle eine sitzende Lebensweise führen, wollte man von ihnen neben dem Beitrag zur Krankenverstcherng auch noch einen solchen für die Unfallversicherung zwangsweise beitreiben. Gegen die Einbeziehung der kleinen Betriebe liegen aber noch besondere verwaltungs- technische Bedenken vor. Schon die Handlungsgeschäfte empfinden die mit dem Verstcherungszwang verbundenen Belästigungen als zu schwer. Für die doch weniger rechnungsgeübten Handwerker werde diese Belästigung noch lästiger. Es sei doch ein
„Sie hat schlimme Nachrichten erhalten. Herr Dela- mare ist tot."
Mathilde brach in einen Strom von Klagen aus, heftig schluchzend und weinend, während Jda ruhig und teilnahmlos in ihrem Sessel saß.
„Hat sie keine Freundin, zu der man schicken könnte?" fragte Leary. „Sie darf nicht allein bleiben."
„Da ist Madame d'Ancour," flüsterte Mathilde, „und Lady Helene Dalton und —"
„Geben Sie mir die Adressen, ich will sogleich hingehen," sagte Leary.
Aber Jda hielt ihn zurück.
„Nein" sagte sie matt, „rufen Sie niemand. Ich möchte weit, weit lieber allein sein, bis der erste Schmerz vorüber ist. Mathflde wird für alles sorgen."
Leary schrieb seine Adresse auf ein Stück Papier und reichte es Mathilden.
„Im Notfälle," flüsterte er der bestürzten Französin zu.
Als der junge Mann gegangen war, schien Jda freier aufzuatmen.
„Entkleiden Sie mich, Mathilde, sagte sie leise, „ich will mich niederlegen/
21 .
Die ersten Wochen nach Jdas Verlust gingen vorüber. Tag für Tag nahm sie sich vor, an Herrn Gresham zu schreiben; aber ein Tag nach dem andern verging, ohne daß sie ihren Vorsatz ausführte. Ein Trost für sie war es, daß sie die Ursache der Trennung von ihrem Gatten jetzt nicht zu erzählen brauchte. Der Tod hatte das Geheimnis ihres Zer-
Widerspruch, wenn man in dem einen Reichsgesetz anerkennt, daß sich das Handwerk in einer sehr gedrückten Lage befindet und dann im gleichen Atem es für stark genug hält, noch weitere Lasten auf sich zu nehmen. Wenn einmal alle Gesellen und Handlungsgehilfen dem Unfallversicherung-zwang unterworfen werden sollen, so ist nicht einzusehen, warum nicht deren Meister auch Nachfolgen sollen. Folgerichtig müßte man schließlich die gesamte arbeitende Menschheit dem Verstcherungszwang unterwerfen, bis das deutsche Reich zu einer allgemeinen Rentenanstalt für alle Reichsangehörigen gemacht würde. Aber dann fragte sich doch, ob die übertriebene Vorsorge gegen Möglichkeiten nicht den augenblicklichen Existenzkampf verschärft und die Schwingen der Erwerbskraft lahm legt. — Die Ansichten Hubers werden von Regterungs- direkter Schicker und Sachs-Crailsheim bestritten, während Angst-Gerabronn sich gegen eine Ausdehnung des Verstcherungszwanges aussprach. Eine von Dr. Huber eingebrachte Resolution kam der vorgeschrittenen Zeit wegen nicht mehr zur Abstimmung. Ein Ge- werbeveretnsmttglied aus Jsny brachte sodann Klagen über den Hausierhandel, die Wanderlager und das Detailreisen zum Ausdruck, worauf die Versammlung nicht weiter reagierte. Als Vorort für die nächst' jährige Versammlung wurde Jsny gewählt. Der seitherige Ausschuß wurde wiedergewählt.
* (Verschiedenes.) Als eine Seltenheit darf es bezeichnet werden, daß in Bol heim sich ein Schäfer befindet, der im Alter von 88 Jahren noch ohne Brille den feinsten Druck lesen kann. Auch ist derselbe noch im Besitz seiner sämtlichen Zähne. — In Neuktrch ist die von allen Seiten freistehende Pfarrscheuer durch Feuer, welches durch die ausgespeicherten Garben reichliche Nahrung fand, zerstört worden. Die Eigentümer sollen zum Teil gar nicht versichert sein. Brandstiftung wird vermute:. — In Winterstetten stürzte ein 23jähriger Flaschnergeselle von einem Dache herunter, wobei er so schwere Verletzungen erhielt, daß er, kaum in das Leutkircher Spital verbracht, starb. — In Großbottwar wurde ein erst 14 Jahre alter Dienstknecht, der schon im Laufe dieses Frühjahrs seinem Dienstherrn 10 Mk. entwendete und neuerdings abermals 20 Mk. gestohlen hat, festgenommen und nach Marbach eingeliefert.
* Baden-Baden, 28. August. In Oos ist dieser Tage ein bedeutender Eisenbahndiebstahl vorgekommen. Einem schweizerischen Universitätsprofefsor wurde beim Aussteigen aus dem Speisewagen des Wien-Pariser Schnellzugs seine Brieftasche mit 3000 Mk. Papiergeld entwendet. Des Diebs konnte man trotz sofort angestellter eifriger Nachforschung nicht haftbar werden. Einige Tage vorher wurden beim Umsteigen einem Amerikaner 800 Mk. in Dollarnoten entwendet. In beiden Fällen trugen die Bestohlenen das Geld in der inneren Rocktasche des offenen Rockes.
"Bamberg, 29. August. Die achtzehnjährige sehr hübsche Tochter des Bürgermeisters des nahegelegenen Orts Dörflein wurde ermordet im Bruderwald aufgefunden.
* Frankfurt a. M., 29. Aug. Die Unsitte des allzu festen Schnürens, vor der so oft gewarnt
würfnisses bedeckt. Der Schlag war zuerst scharf und schmerzhaft gewesen; aber Jda fühlte sich dennoch leichter, weil sie frei und «ngefesselt war.
„Es ist seltsam," dachte sie, „so seltsam, daß ich es kaum selbst verstehe. Die meisten Mädchen meines Alters stehen erst auf der Schwelle des Lebens, das Herz noch unberührt und von den Hoffnungen für die Zukunft erfüllt, sehen sie die Welt vor sich liegen, wie das glänzende Bild einer freundlichen Landschaft. Bei mir ist es anders, ich habe mein Leben hinter mir."
Und sie zählte kaum siebzehn Jahre. Ihre Pläne für die Zukunft waren noch nicht gefaßt, und sie hatte eben wiederum beschlossen, am nächsten Tage bestimmt an ihre Freunde in Deepdale zu schreiben, als Madame d'Ancour angemeldet wurde.
„Meine Liebe," sagte die gutmütige alte Französin, „ich komme, um Ihnen einen Vorschlag zu machen. Ich würde schon früher davon gesprochen haben, aber Ihr Schmerz war noch zu neu, das Unglück zu plötzlich über Sie hereingebrochen. Haben Sie schon darüber entschieden, was Sie thun werden, oder wohin Sie gehen wollen?"
„Nein, noch nicht bestimmt!" sie hätte ebenso gut sagen können: noch ganz und gar nicht.
„Dann, meine Liebe, werden Sie vielleicht ein- willigen, mir und meinem Mann die Freude zu machen, sich uns für eine Reise anzuschließen. Ihre Gesellschaft würde uns etwas von der Jugend und Heiterkeit geben, die Gott uns versagt hat, da wir kinderlos sind. Und für Sie würde es auch gut sein,
wird, hat der „Franks. Ztg." zufolge, ein hiesiges 21 Jahre altes Mädchen mit dem Tode büßen müssen. Das Mädchen nahm fröhlich an dem Tanze beim Schützenbrunnen-Volksfest teil, wurde gegen Mitternacht von Unwohlsein befallen, mußte heimgefahren werden und war zwei Stunden später eine Leiche.
* Berlin, 29. August. Die sozialdemokratische Agitatorin Wabniz hat sich gestern nachmittag gegen 5 Uhr im Friedrichshainer Kirchhof auf den Gräbern der Märzgefallenen vergiftet. Sie wurde noch röchelnd aufgefunden. Die Flasche mit dem Giftrest lag daneben. Dem „Vorwärts" zufolge zeigte die Wabnitz ihr Vorhaben einer befreundeten Frau an, indem sie schrieb: „Ich ruhe im Friedrtchshain neben dem Krankenhaus auf dem Fceihettsacker." Der Grund zu dem Selbstmord ist die angekündigte Verhaftung behufs Absitzung einer zehnmonatlichen Gefängnisstrafe.
* Berlin, 29. Aug. Den „Berliner Neuesten Nachrichten" zufolge werden zur Zeit bet von auswärts nach Berlin zugezogenen Arbeitern amtlicherseits Erhebungen darüber angestellt, was dieselben veranlaßt hat, ihre Heimat zu verlassen und nach Berlin zu ziehen. Ferner soll ermittelt werden, welchen Einfluß der Zuzug ländlicher Arbeitskräfte auf die Er- werbsverhältttisse der Berliner Arbeiterschaft ausübt.
* Die auf Grund der amtlichen Berichte über die Heeres-Ergänzung im Jahre 1893 gemachte Angabe, daß in dem genannten Jahre ca. 11,000 Mann mehr eingestellt worden sind, als bei Beratung des Gesetzes, betreffend die Friedenspräsenzstärke vom 2. Aug. 1893, als Rekrutenbedarf in Aussicht genommen war, ist, wie der „Reichsanzeiger" ausführt, zutreffend.
* Berlin. 30. August. Der hiesige Lokalanzeiger meldet aus London: Als die Königin Viktoria auf der Reise von Osdorne nach Schottland Birmingham passierte, versuchte ein Mann Namens Arthur Tolliday kurz vor Einlaufen des Zuges aus den für das Publikum abgesperrten Bahnsteig vorzudringen. Von der Polizei zurückgehalten, erhob Tolliday einen geladenen Revolver, wurde jedoch überwältigt. Tolliday ist vermutlich Anarchist und plante einen Mordanschlag gegen die Königin. Bestimmtes darüber ist noch nicht ermittelt.
* Berlin, 30. Aug. Ander Absicht, die Bestimmungen über die Sonntagsruhe in Industrie und Handwerk zum 1. Januar 1895 in Kraft treten zu lassen, wird unverändert ftstgehalten.
* Berlin, 30. August. In einer Versammlung der Berliner Brauereiarbeiter, welch: auf Mittwoch vormitttag einberufen war, führte der Referent aus, daß die Mittel zur Unterstützung anstngen, knapp zu werden. Weiter erklärte er, daß die Ünterstützungs- gelder deshalb nicht mehr so zuflößen, weil im Baugewerbe und anderen Branchen Arbeitslosigkeit herrsche. Man werde die Provinz um Geld angshen. Auch machte der Vorsitzende das Zugeständnis, daß infolge der Länge der Zeit die Kampsesfreudr der Arbeiter abgenommen habe.
D Die Reform der Konkursordnung, die in Aussicht steht und allseitig als notwendig empfunden wird, beschäftigt gegenwärtig weite Kreise. Neben den Amtsgerichten, die in Konkurssachen eine
denn Sie bedürfen vor allen Dingen jetzt der Veränderung."
„Es ist sehr gütig von Ihnen, an mich zu denken," sagte Jda nachdenklich.
(Fortsetzung folgt.)
Lebensfreude.
Wer wollte sich mit Grillen plagen,
So lang' uns Lenz und Jugend blüh'n? Wer wollt' in seinen Blütcmagen Die Stirn in düstre Falten zieh'n?
Die Freude winkt auf allen Wegen,
Die durch dies Pilgerleben geh'n!
Sie bringt uns selbst den Kranz entgegen. Wenn wir am Scheidewege steh'n.
Noch rinnt und rauscht die Wiesenquelle.' 'Noch ist die Laube kühl und grün;
Noch scheint der liebe Mond so Helle,
Wie er durch Adams Bäume schien!
Noch macht der Saft der Purpurtraube Des Menschen krankes Herz gesund;
Noch schmecket in der Abenblaube Der Kuß auf einen roten Mund!
Noch tönt der Busch voll Nachtigallen Dem Jüngling süße Fühlung zu;
Noch strömt, wenn ihre Lieder schallen, Selbst in zerriss'ne Seelen Ruh'!
O wunderschön ist Gottes Erde Und wert darauf vergnügt zu sein!
Drum will ich, bis ich Asche werde,
Mich dieser schönen Erde freu'n!