die 3 Mk. per "Posteinzahlung ein. Was erhielt sie? — Einen Roman, dessen Titel „Ein seidenes Kleid* war. Derartige Annoncen sollten vom Publikum immer mit der nötigen Vorficht ausgenommen werden; das geringste Nachdenken ergiebt ja, daß denselben eine Schwindelei zu Grunde liegen muß.
"Hetlbronn, 9. August. Der Gemeinderat beschloß in seiner heutigen Sitzung die Wiedererrichtung des Kirchbronnens, das Wahrzeichen von Heilbronn, nach dem Entwurf des Oberbaurats Gnauth. Nachdem Münsterbaumeister Prof. Dr. Beyer sein Gutachten in dieser Sache abgegeben, wurde der Vorschlag desselben, den Brunnen auf dem alten Platz in der Ktrchbronnenstraße zu errichten, gutgeheißen. Die Kosten betragen ca. 22 000 Mk.
* Die diesjährige 36. Wanderversammlung der württ. Gewerbevereine wird am 26., 27. und 28. August in Ellwangen abgehalten werden. Das Programm für den Haupttag umfaßt: 1. Rechenschaftsbericht. Wahl des Vorstandes, Ausschusses und nächsten Vororts. 2. Die soziale Reform in Bezug auf Arbeitsnachweis, Referat von Herrn Dr. Huber, Sekretär der Handelskammer Stuttgart. 3. Die Umgestaltung des Konkurswesens, Referat von Herrn Handelsschuldirektor E. Spöhrer, Calw. 4. Die Unfallversicherung der Handwerker mit Rücksicht auf die Ausdehnung des Unfallverstcherungszwanges auf die Handwerker nach dem Ende Juni 1894 veröffent lichten Reichs gesetzentwurf. Diskussion, eingeleitet von Herrn Dr. Huber. 5. Inwieweit kann die Schule den Interessen des Gewerbestandes Vorarbeiten? Referat vom Vorsitzenden. 6. Entgegennahme von Anträgen und Wünschen in Bezug auf gewerbliche Verhältnisse. Nach dem gemeinsamen Mittagessen (im Saal des Gasthofs zum Lamm) Spaziergang auf das Schloß und Konzert auf dem Schloßhof. Bet ungünstiger Witterung Konzert in der Turnhalle. Dienstag den 28. August Besichtigung der Stadt und ihrer gewerblichen Einrichtungen.
* Vom Lande. Fast überall findet man unter den Imkern die Ansicht verbreitet, daß der Bienenstich nicht lebensgefährlich sei und häufig werden deshalb die nötigen Vorsichtsmaßregeln in der Nähe des Bienenhauses außer acht gelassen. Ein Geistlicher im badischen Schwarzwald mußte diese Unvorsichtigkeit kürzlich mit dem Tode büßen. Er hatte die gewöhnliche Vorsicht, Korb unb Schutzhandschuhe anzulegen, unbeachtet gelassen, eine Biene stach ihn derart in eine Halsader, daß der sehr kräftige Mann eine Stunde später in seinem Gartenhäuschen als Leiche aufaefunden wurde.
* (Verschiedenes.) In Heilbronn hat ein 57 Jahre alter, in letzter Zeit dem Schnapstrunk ergeben gewesener Schneider, vermutlich in einem Anfall von geistiger Störung, Salmiakgeist getrunken und ist infolge Vergiftung gestorben. — In Unterreich e n b a ch wurden in der Nacht vom 8. auf 9. Aug. 3 steche Einbruchdiedstähle verübt, ohne daß es bis jetzt gelang, die Thäter zu ermitteln. — In Friedrichsthal fiel das 2jährige Söhnchen des Seusenschmied Weber in einem unbewachten Augenblick in einen Wässerungsgraben und konnte nur noch als Leiche herausgezogen werden. — In Cannstatt hat sich ein junger Kaufmann von Schwenningen aus
KerzenswandLungen.
Roman von I. v. Böttcher.
(Fortsetzung.)
14.
Dir Gräfin Avioli saß heim Frühstück, als ihr eine Karte übergeben wurde.
„Reginald Delaware,* las sie verwundert. „Bitten Sie ihn einzutreten.*
.SSie sah betroffen in Reginalds bleiches, abge- panntes Gesicht, als er sie begrüßte.
Z „Was verschafft mir das Vergnügen dieses Bruches, Herr Delaware?" fragte sie scherzend, als sie hm einen Stuhl anbot. Aber der Ernst wich nicht aus seinen Zügen.
„Sie werden mich entschuldigen, Frau Gräfin, ollte ich Ihnen unhöflich und übereilt erscheinen,* agte er, „wenn Sie die Ursache meines Besuches er- ahren. Ich komme Jdas wegen.* r-r „Jdas wegen? Sie ist doch hoffentlich nicht l krank?"
.2 „Sie befindet sich wohl, aber sie ist unglücklich, und ich bin es auch."
„Ich habe schon längst bemerkt, daß zwischen . Ihnen beiden nicht alles ist, wie es sein sollte,* sagte sie mit aufrichtiger Teilnahme, „aber ich habe nicht gewagt, einen so zarten Punkt gegen Jda zu berühren. . Wenn Sie indessen offen gegen mich sein wollen und - mein Rat Ihnen nützen kann, so brauche ich Sie meiner Teilnahme nicht erst zu versichern."
„Ich will offen sein, Frau Gräfin," sagte Regi-
Schwermut im Neckar ertränkt. — In der Nie d- mühle unweit Jsny geriet ein 2jähriges Kind in der Sägmühle unglücklich zwischen den Sägwagen und die Wand, so daß ihm beide Füßchen abgedrückt und der Körper eingeklemmt wurde. Bis Hilfe herbeikam, war das Kind bereits tot.
* Pforzheim, 10. Aug. Die ca. 20 Jahre alte Tochter einer hiesigen angesehenen Fabrikanten- Familie hat sich gestern auf dem Speicher des elterlichen Hauses erhängt. Was die Unglückselige zu der That bewogen hat, ist noch unbekannt.
* Epptngen, 6. Aug. Eine Blutvergiftung hat sich ein lOjähriger Knabe, der Sohn eines Beamten aus Rixdorf, durch die üble Gewohnheit des Ab- leckens der Feder zugezogen. Die Tinte ist in eine wunde Stelle der Unterlippe eingedrungen. Der Knabe ist am Mittwoch gestorben.
* Rotten Münster, 8. Aug. Gestern in später Abendstunde ereignete sich die seltene Erscheinung, daß ein Flug Störche, etwa 20 an der Zahl, den Büh- linger Gemeindewald Stallberg umschwärmte und sich dort endlich zur Nachtruhe niederließ. Eine so baldige Wanderung dieses Vogels ist seit 30 Jahren hier nicht beobachtet worden.
* (Schneidende Ironie.) In dem neuesten Handelskammerberichte der Handelskammer Arnsberg Meschede-Brilon befindet sich folgender beachtenswerte Passus unter „Allgemeines*. Es wird im Eingänge über die schlechte Lage von Industrie und Handel geklagt, dies im einzelnen ausgeführt und konstatiert, daß der Wohlstand des gewerblichen Mittelstandes in beständigem Rückgänge begriffen sei. „Wer allerdings nur nach dem äußeren Schein zu urteilen gewöhnt ist," heißt es dann, „wird geneigt sein, diese Behauptung zu bestreiten. Die zunehmende Putz- und Vergnügunssucht, das Ueberhandnehmen von Vereinen aller Art mit ihren Festen, lassen eher vermuten, daß unser Land sich in einer Periode blühenden Wohlstandes befinde; sie sind es aber gerade, die es unserem sonst so braven Volke schwer machen, sich durch die schlechten Zeiten durchzudämpfen, indem sie seinen von den Vätern ererbten Sparsamkeitstrieb zerstören, seine Arbeitskraft und Arbeitslust lähmen. So sehr wir sonst des steten Eingreifens der Gesetzgebung und der Polizei in alle möglichen Verhältnisse müde sind, so würden wir doch gesetzliche Maßregeln gegen diese Pest berechtigt finden, wenn sie vorerst auch nur in schwerer Besteuerung der Lustbarkeiten und Vergnügungen aller Volksschichten beständen."
* Eine Liebesgeschichte nahm in Mainz ein tragisches Ende. Ein junger Mann von 19 Jahren war in ein 16jähriges Mädchen verliebt, dessen Eltern gegen das Verhältnis waren. Das Paar beschloß deshalb, sich das Leben zu nehmen. Das Mädchen sollte in den Rhein springen, der junge Mann wollte sich erschießen. Das Mädchen sprang aber nicht ins Wasser, sondern begab sich nach Hause, während sich der junge Mann in der Wohnung seiner Eltern eine Kugel durch den Kopf jagte.
* Berlin, 10. August. Das neuerfundene, sicher wirkende Heilmittel gegen Diphtheritis ist den Höchster Farbwerken zum Verkauf fretgegeben.
* Berlin, 11. Aug. Die Buchhandlung Mitt-
nald, und er hielt Wort. Er erzählte, wie in den letzten Wochen die Entfremdung zwischen ihm und seiner Frau stets zugenommen, wie er an ihr zu zweifeln begonnen und wie schließlich ein thatsächlicheS Zerwürfnis zwischen ihnen entstanden sei.
„Ich wende mich an Sie, Frau Gräfin," schloß er, „als an Jdas Freundin um Rat für uns beide."
„Verzeihen Sie mir," erwiderte die Gräfin freundlich, wenn ich sage, daß meines Erachtens sowohl Sie wie Jda in gewissem Grade zu tadeln find. Jda ist sorglos und unbedacht gewesen. Sie haben aber ihrer Jugend und Unerfahrenheit nicht genügend Rechnung getragen. Was aber Ihre Vermutung anbetrifft, daß sie eine Neigung für Oberst St. Argyle hegt, so glaube ich, daß dieselbe ganz unbegründet ist."
„Ich wollte, ich könnte Ihnen beipflichten," sagte Reginald Sitter.
„Sie würden es, wenn Sie nicht voreingenommen wären. Sie müssen freundlich und nachsichtig gegen sie sein; bedenken Sie nur, welch' ein Kind sie noch ist."
„Ich vergesse nichts, Frau Gräfin," rief er leidenschaftlich aus, „außer der einen großen überwältigenden Befürchtung, daß ich sie zwang, ja zwang ist das rechte Wort," fuhr er in bitterem Tone fort, „jene unselige Heirat einzugehen, die ihr jetzt hassenswert erscheint. Ich liebte sie innig, und trotz allem Vorgefallenen liebe ich sie noch. Aber jeder Tag, der über meinem Haupte aufgeht, bringt mir mehr und mehr die Ueberzeuguug, daß ich ihr gleichgültig geworden bin. In der That, ich zweifle zuweilen daran, daß sie mich je geliebt hat."
ler und Sohn hier hat abermals einen anarchistischen Drohbrief erhalten, worin es heißt, das Haus werde trotz aller Vorsichtsmaßregeln dynamttiert.
* Das Präsidium des Landwirtschaftlichen Vereins für Rheinpre« ßen hat an den Minister für die Landwirtschaft eine Eingabe gerichtet, Inder es heißt: „Während in jüngster Zeit die bedrohliche Lage des größeren Grundbesitzes im Osten unseres Vaterlandes den Brennpunkt der öffentlichen Erörterung agrarischer Fragen bildete, wird nicht übersehen werden dürfen, daß auch im Westen die Rentabilität der Landwirtschaft und damit ihr Fortbetrieb in hohem Grad gefährdet ist. Etwas verdunkelt wird dieses Verhältnis dadurch, daß der nur spärlich in der Rhetnprovinz vorhandene Großgrundbesitz in immer weiterem Maß als Anlage für Ueberschüffe dient, welche in der Industrie oder dem Handel erzielt worden sind. Die jetzigen Eigentümer sind vielfach nicht gerade auf die Rentabilität ihres Grundbesitzes angewiesen und brauchen deshalb nicht so laut zu klagen, als der östliche Gutsbesitzer, welcher meistens nicht allein sonstigen Einkommens entbehrt, sondern auch noch Schuldzinsen aufzubringen hat. Vorübergehende Mtnderüberschüffe können von den wenigen Großgrundbesitzern hier eher ertragen werden. Zeigt sich aber, daß dauernd das jetzige Mißverhältnis zwischen dem Ertrag und den Erzeugungskosten bestehen bleibt, dann kann der gegenwärtige Wirtschaftsbetrieb nicht aufrecht erhalten werden, sondern wird dem Vorgang folgen müssen, der in England seit einer Reihe von Jahren sich vollzieht, wo in erschreckendem Maß von Jahr zu Jahr die unbebaut bleibenden Flächen sich weiter ausbreiten. Wie nahe wir dieser Gefahr bereits gekommen sind, zeigen die landwirtschaftlichen Zustände in den Teilen der Rheinprovinz, wo der Kleinbesttz vorherrscht. Auf dem Hundsrück und in der Eifel wirft schon heute, vereinzeilte Ausnahmen Vorbehalten, der eigentliche Ackerbau keine Rente mehr ab. Wenn die erforderliche Arbeit bezahlt werden muß, reicht der landwirtschaftliche Ertrag zur Deckung der Kosten nicht mehr aus. Die gröberen und mittleren Güter sind dort einfach unverkäuflich geworden. Wenn der Erwerber sie zu dem niedrigsten Preise erhielte, würden die fortwährenden Betrtebsdestzite ihn bald ruinieren. Den Ackerbau fortzuführen ist daher nur der Kleinbauer in der Lage, welchem in seiner Familie die genügende Arbeitskraft zur Verfügung steht, um ohne die Heranziehung bezahlter Arbeit auskommen zu können. Es steht aber außer jedem Zweifel, daß die Arbeit eines solchen Kleinbauern und seiner Angehörigen auch bei gänzlichem Verzicht auf jede Bodenrente sich weniger hoch bezahlt macht als die Arbeit eines gewerblichen Arbeiters. Es drückt sich dies grell in dem Umstand aus, daß die Lebenshaltung der besitzlosen Bergleute und Fabrikarbeiter eine ganz ungleich bessere ist, als diejenige der Kleinbauern. Erst wenn in einer Kleinbauernfamilie überschüssige Arbeitskraft vorhanden ist, welche gewerblichen Arbeitsverdienst findet, beginnt deren kümmerliche Lebenshaltung sich auf die Höhe des Fabrikarbeiters zu heben. Trotzdem hat bisher die Anhänglichkeit sowohl an den Besitz als an den Landbau zur Folge gehabt, daß die Bevölkerung ihren Boden weiter bestellt hat. Wie > lange aber diese mehr idealen Beweggründe sttch-
„Weshalb hatten Sie sie denn geheiratet?" fragte die Gräfin.
„Sie war noch zu jung, noch zu sehr Kind um zu begreifen, was sie that. Ich hätte ihr Zeit zur Ueberlegung lassen sollen — es war meine Schuld."
Die Gräfin antwortete nicht, sie dachte nach.
„Und was wünschen Sie, daß ich thun soll?" fragte sie nach einer Pause.
„Sie haben großen Einfluß auf Jda. Wenn Sie mit ihr reden wollten, so wie Frauen zu rede» verstehen — wenn sie auf irgend eine Weise das Geheimnis ihres veränderten Betragens gegen mich ergründen oder erfahren könnten, ob ihr Herz sich wirklich mir für immer entfremdet hat —"
„Beruhigen Sie sich, mein Freund," sagte die Gräfin, „ich werde Jda sofort besuchen, und noch bevor die Sonne niedergegangen, hoffe ich Sie zu überzeugen, wie thörtcht und grundlos alle Ihre Befürchtungen und Vermutungen find."
Reginald drückte dankend die Hand, die sie ihm reichte.
„O, wenn Sie das könnten, Fra» Gräfin!* rief er bewegt. „Und wann werden Sie kommen?"
„Ich kann die Zeit nicht bestimmen, jedenfalls im Laufe des Tages. Jda befindet sich wohl, wie Sie sagen?"
„Nein, nicht ganz. Sie war bleich wie ein Geist, als ich sie heute morgen verließ."
„Armes Kind," sagte die Gräfin innig. „Nun, ich werde nicht lange mit meinem Besuch zögern."
Als Reginald sie verlassen hatte, saß die Gräfin