der König statt 10, wie der Reg.-Entwurf will, 12 lebenslängliche Mitglieder ernennen kann. Der Eintritt der Vertreter der beiden Zentralstellen wird abgelehnt und die Vertreter der drei Städte Stuttgart, Ulm und Hetlbronn sollen nicht auf Präsentation der bürgerlichen Kollegien vom König berufen, sondern einfach von de» bürgerlichen Kollegien gewählt werden. Was die zweite Kammer anbelangt, so will die Kommission nach dem Reg.-Vorschlag die 13 rit- terfchaftlichen Abgeordneten auf 8, die 6 evang. Prälaten auf 4 reduzieren. Die bisherigen beiden kath. Prälaten bleiben, doch wird vorgeschlagen, daß der Dekan nicht der der Amtszeit nach älteste sein, sondern gewählt werden soll. Abgelehnt werden die von der Regierung gewünschten 6 Vertreter von Handel und Gewerbe und Landwirtschaft, ebenso der Eintritt eines Vertreters der Stuttgarter technischen Hochschule. Die 4 Abgeordnete für Stuttgart werden zugestanden und «eben den Vertretern der übrigen 6 guten Städte sollen auch Cannstatt, Eßlingen, Gmünd und Göppingen je einen Vertreter in die Kammer schicken. Das find in großen Zügen die vorgeschlagenen Abänderungen des Entwurfs; neue Interessenvertretungen werden also überall abgelehnt. Die Linke will, wie es heißt, einen Antrag auf Bildung einer reinen Volkskammer einbringen. Die Kommission schlägt außerdem vor, daß die Sitzordnung der Abgeordneten geändert und der Geschäftsordnung überlasten werden soll, d. h. die Abgeordneten sollen ihre Sitze nach Fraktionen einnehmen. Ein weiterer Antrag der Kommission befürwortet Oeffentlichkeit der Kommtsstonssttzungen.
* Ulm, 26. April. Zwei französische Raddistanzfahrer, welche gestern abend hier eintreffen sollten, sind bei Horb zurückgeblieben und gestern abend nur bis Stuttgart gelangt. Ein dritter französischer Radfahrer soll im Schwarzwald verirrt sein. Zwei mit ihnen von Paris nach Wien fahrende Oesterreicher sind abends halb 9 Uhr in bester Verfassung hier eingetroffen und noch nach Günzburg wettergesahren, von wo sie heute früh den Weg über Augsburg- München nach Wien fortsetzen. Sie glauben, die Strecke Paris—Wien in 5 und ein halb Tagen zu bewältigen.
* (Verschiedenes.) In Stuttgart hat ein Dienstmädchen in der Augustenkraße vor einigen Tagen einem „armen Reisenden" statt vermeintlich 2 Pfg. ein Zehnmarkstück auf Nimmerwiedersehen verabfolgt. — In Saulgau hat sich am Donnerstag der traurige Fall ereignet, daß nach der Trauung des Lehrers Fleischer aus Stuttgart mit Frl. Martini, als die Hochzeitsgesellschaft sich zum Festmahl begeben hatte, die Mutter der Braut von Unwohlsein befallen, sich nach Hause begab, wo sie an einem Schlaganfalle plötzlich verschied. Der Schrecken und die Bestürzung des jungen Paares und der Gäste, nachdem sich alles, auch die Mutter, vorher in heiterster Stimmung befand, war unbeschreiblich. — Der Verlauf der unter den Mannschaften der Garnison Gmünd plötzlich aufgetretenen Grippe-Epidemie ist ein sehr günstiger. Neue Erkrankungen sind seic mehreren Tagen nicht mehr vorgekommen; von den 60 Kranken ist über die Hälfte bereits genesen, die übrigen befinden sich alle auf dem Wege der Besserung.
das Gesicht energisch in zwei Hälften teilte; er war ebenso wie das ursprünglich dunkle Haupthaar bereits von einem weißlichen Schimmer bedeckt. Der ganze Mann erschien als die Verkörperung von stolzem Pflichtbewußtsein, aber auch von unbeugsamer Härte; und es ließ sich schwer unterschieden, wie viel von diesen Eigenschaften ihm ursprünglich eigen war und wie viel ihm erst durch seinen Beruf vermittelt, worden.
Die Kinder grüßten ihn gleichfalls freundlich, doch mehr mit Respekt als mit herzlicher Zuneigung. Während er beide küßte, schien sich sein Blick aufzuhellen und es war darin etwas wie Stolz und Freude zu erkennen. Doch trübte sich derselbe sogleich wieder, als er im Zimmer umhersah und bemerkte, daß der fünfte Platz leer sei.
„Wo ist Wilhelms" fragte er ruhig, aber in einem Tone, durch den es wie Aerger klang.
„Er ist noch nicht aufgestanden," sagte Frau Nettberg ängstlich, indem sie den Kaffee einschenkte und möglichst ihr Gesicht vor ihrem Manne zu verbergen suchte. Denn er sollte darin nicht lesen, was sie wußte. Doch zitterte ihre Hand, indem sie die Tassen füllte.
Der Staatsanwalt sah sie einen Augenblick prüfend an.
„Er weiß es doch, daß ich das nicht will," sagte er ingrimmig. „Er soll uns nicht unser Familienleben zerreißen. Aber freilich, wenn man die Nacht durchschwärmr. . . Oder," fuhr er mit strenger Frage forr, „er ist wohl noch gar nicht nach
* Amberg, 2-. April. Das Begnadigungsgesuch des vom hiesigen Schwurgerichte zum Tode verur teilten Anton Spichtinger, der seinen Vater ermordete, ist laut soebeu aus München eingetroffener Meldung verworfen worden. Bet der bevorstehenden Hinrichtung Spichtingers wird der neue Scharfrichter zun ersten Male seines Amtes walten.
" Drei Lehrlinge des Schuhmachermeisters Kühn in Sprottau, die gegen ihren strengen Lehrherrn aus Rache einen Mordanschlag verübt hatten, wobei Kühn durch Revolverschüffe schwer verletzt wurde, sind zu 12, bezw. 5 und 2 Jahren Gefängnis verurteilt worden.
* Berlin, 26. April. Es ist bisher nichts darüber bekannt geworden, welche Stellung der Reichskanzler zu dem neuen Stadium der Samoa- Frage einnehmen wird. Die Angelegenheit kann einstweilen wohl mit gelassener Ruhe betrachtet werden. Es liegt bis heute nichts als die Absicht des Kabinetts von Washington von, den Samoavertrag von 1889 zu kündigen und das britische Kolonialamt ist ebenfalls angegangen worden — von Neuseeland aus — sich mit den Vertragsmächten wegen Abänderung des Vertrags in Verbindung zu setzen. Ist auch anzunehmen, daß entsprechend vorgegangen werden wird, so können wir die weitere Entwicklung ohne Nervosität abwarten. Die Verhältnisse auf Samoa sind derartige, daß dort nichts geschehen kann, jetzt vou London aus mit geschickter Jnscenierung einer zu diesem Zweck zurecht gemachten öffentlichen Meinung die Annexion der Inselgruppe betrieben wird, so braucht das vorderhand nicht allzu schwer genommen zu werden. Die englischen Annexions- gelüste sind ebenso selbstverständlich wie die amerikanischen; nur fehlt beiden das Wichtigste, die Einwilligung Deutschlands. Wir glauben, sagen zu dürfen, daß ein in die Sache selber eingehender Gedankenaustausch über die Samoa-Frage zwischen den beteiligten Regierungen bisher nicht stattgefunden hat.
* Berlin. In der Äudgetkommission des preuß. Abgeordnetenhauses ist der Bericht des Abgeordneten Dr. Sattler über die Finanzlage des preußischen Staates beraten worden. Als Ergebnis dieser Beratungen ist besonders hervorzuheben, daß die Kommission mit großer Mehrheit im Wesentlichen auch den Thesen zugestimmt hat, welche der genannte Abgeordnete als Gesamtresultat seiner Untersuchungen aufstellte. Damit ist aus der Mitte des ersten deutschen Abgeordnetenhauses heraus eine unumwundene Zustimmung zu den Grundlagen des F.nanzreform- plans der Reichsregterung ausgesprochen. Die hierauf bezügliche Erklärung lautet: „Die dauernde Ordnung der Staatsfinanzen verlangt, daß eine feste Abgrenzung der Beiträge Preußens für die Bedürfnisse des Reiches erfolgt, und daß letzteres nicht allein für die Aufbringung der für seine Aufgaben notwendigen Mittel aus den ihm retchsverfaffungsmäßtg zustehenden Quellen, sondern auch für Ueberweisungen an die Einzelstaaten in einem die Matrikularbeiträge übersteigenden Maße Sorge trägt." In andern deutschen Abgeordnetenhäusern, schreibt hiezu die „N. L. C.", wird die Stellung zu dieser großen Zeitfrage keine andere sein. Da die Einzelstaaten mit Steuererhöhungen aufkommen müssen, wenn das Reich seine
Bedürfnisse nicht mehr vollständig aus eigenen Einnahmen bestreiten kann, so ist es auch Sache der Einzelstarten, sich jetzt zu rühren und einen Druck auf den Reichstag auszaüben. Im Reich liegen die Steuerqnellen gar nicht oder nicht hinlänglich aus- genützt tn genügender Menge offen. In den Einzelstaaten sind sie aufs äußerste erschöpft. Wo bleibt da die einfache Vernunft, wenn man in immer größerem Umfang die Lasten auf die Einzelstaateu abwälzt?
* Berlin, 26. April. Der Dowe'sche Panzer hat am Dienstag nachmittag um 3 Uhr die eingehendste Probe von allen zu bestehen gehabt. Vor Offizieren vom Jngenteurkorps und vor der Artillerie und zwar in Gegenwart des Obersten Götze vom Patentamt mußte Dowr den Panzer anlegen. Offiziere hatten Patronen für das jetzige Infanterie» Gewehr (Modell 88) mitgebracht und luden eigenhändig das Gewehr, das Martin später auf Dome abschoß. Der Prnzer hielt diesmal ebenso Stand, wie früher, so daß nach dem Urteil der Sachverständigen die Erfindung auch für Militärzwecke nutzbar, wenn auch in der jetzigen Gestalt zur Panzerung des einzelnen Mannes nicht verwendbar, ist.
* Berlin, 28. April. In der letzten Retchs- tagssession ist mehr als ein halbes hundert Initiativanträge unerledigt geblieben. Darüber wird in einem Teile der Presse Beschwerde geführt und man hört allerlei Vorschläge, wie einem solchen Uebelstande in Zukunft vorgebeugt werden könnte. Bekanntlich hat die Geschäftsordnung des Reichstags für die Beratung derartiger Anträge einen Tag in der Woche, den sog. Schwerinstag, Vorbehalten, an welchem dieselben der Reihenfolge ihrer Einbringung nach Anspruch auf Erörterung haben. Für eine solche Fülle von Initiativanträgen aber, wie sie in der abgelaufenen Tagung vorlag, würde das Vier- und Fünffache der in einer Session zur Verfügung stehenden Schwerinstage nicht ausreichen. Hätte man die im November begonnene Session, abgesehen von der Etatsberatung, ausschließlich diesen Initiativanträgen gewidmet, so würde man heute noch bei weitem nicht am Abschluffe angelanzt sein. Da fragt sich denn doch, ob das als ein gesunder Zustand zu betrachten sei. Das Recht der gesetzgeberischen Initiative ist zweifellos ein sehr wichtiges Recht der Volksvertretung; aber seine praktische Ausübung wird in normalen Verhältnissen immer nur ausnahmsweise einteeten, wenigstens soweit es fitz um wirkliche Gesetzentwürfe handelt. Auch zu förmlichen Resolutionen wird eine Volksvertretung, die mit der Regierung über die wesentlichsten Aufgaben im Einklang: ist, nur selten Veranlassung haben. Wenn bei uns die Initiativanträge sich tn den letzten Jahren ins Ungeheuerliche vermehrt haben, so ist das zum Teil die Folge des Mangels einer festen Mehrheit. Zum andern und vielleicht größeren Teile aber erklärt sih die Erscheinung daraus, daß die Jniuatioanträge einfach zum Agitationswerkzeug geworden sind. Den meisten Urhebern derartiger Anträge ist es um eine parlamentarische Verhandlung über dieselben gar nicht zu thun, sie zkommen sogar, wie sich bei dem Antrag Kanitz gezeigt hat. in nicht geringe Verlegenheit, wenn man sie ernstlich beim Wort nimmt. Die Hauptsache ist ihnen, daß ihr r
Hause gekommen, wie?" Und er blickte dabei so zornig, daß seine Frau fast die Kanne fallen ließ.
Sie hatte es schon heute morgen gesehen. Sein Zimmer war leer, das Belt noch unberührt gewesen. Wie gern hätte sie es verheimlicht, um ihm den Aerger zu ersparen. Aber nun durfte sie nicht schweigen.
„Ja," erwiderte sie zaghaft, „ich glaube, er ist noch nicht da."
Der Staatsanwalt setzte die Taffe, die er eben zum Mund führen wollte, zornig nieder, daß sie fast zerbrach.
„Das ist zu viel," sagte er ingrimmig, „das geht nicht mehr; ein für allemal nicht! Der Bursche treibt es zu arg; und ich werde ihm das Handwerk legen."
„Aber so rege dich doch nur nicht auf, Heinrich," antwortete sie begütigend. „Du weißt ja doch, sie hatten gestern den Kneipabend; «ad wenn er doch einmal bei dem Korps ist . . ."
„Kneipabend," erwiderte er ärgerlich, „aber das darf nicht bis in den Hellen Morgen dauern. Ueber- haupt diese ewigen Kneipvereine! DerJmige ruiniert sich. Und jetzt in den Ferien mag ich erst gar nichts davon hören. Und da haben sie alle Abende was? immer Feste und Kneipvereine; und wenn er einmal zu Hause bleibt, ist er müde und träge. Das geht nicht mehr und von jetzt ab hört das auf."
Seine Frau wagte nichts zu erwidern und auch die beiden Kleinen waren mäuschenstill. Es war gefährlich, in solchen Augenblicken den Vater zu- reizen.
Der Staatsanwalt saß voll Ingrimm da und ver» zehrte sich an seinem Aerger.
„Wilhelm geht übrigens nicht wieder nach Berlin," sagte er dann mit Festigkeit, er tritt aus dem Korps aus! Ich will nicht, daß er verbummelt. Und ich fürchte, er ist ans dem besten Wege dazu."
„Ja, das wird wohl das beste sein," erwiderte Frau Rettberg zaghaft.
„Der Junge ruiniert nicht bloß sich selbst, sondern auch uns," grollte der Staatsanwalt weiter. „Das Geld ist kaum zu erschwingen, was er verbraucht. Aber da kommen sie in lustige Gesellschaft «nd werfen das Geld zum Fenster hinaus. Wir schränken «ns auf das äußerste ein und sparen jeden Pfennig, und wofür? Daß es der Herr Sohn thöricht verpraßt. Aber wir haben noch andere Kinder, für die wir sorgen müssen. Will er's nicht anders treiben, dann hat das Studium ein Ende; dann mag er was anders werden. Von mir erhält er dazu nichts mehr."
Dann saß er wieder stumm da und blickte mit gerunzelter Stirn vor sich nieder.
„Aber trink doch nur wenigstens," begütigte seine Frau.
„Ach der Appetit ist mir vergangen," erwiderte er ärgerlich. Dann schien er sich zu besinnen, daß die beiden Kleinen dabei saßen. /
„Nun," sagte er freundlich, obgleich sein Groll noch tn der Stimme nachklang, seid ihr fertig? Ihr müßt in die Schule."
(Fortsetzung folgt.)