statt edelerer Weine zu ziehen. — Unbestrett, bar sei, daß durch die Vorlage nur einzelne Landesteile in ihren Produzenten und Konsumenten herangezogen werden. 1870 wurde bezüglich der Reichsverfaffung protokollarisch erklärt, das Reich werde niemals von dem Rechte, eine Reichsweinsteuer zu erheben, Gebrauch machen. Die süddeutschen Staaten erklären sich jetzt gegen die Vorlage, ausgenommen Bayern, das seit einigen Jahren als Schildknappe Preußens in finanziellen Verhältnissen mitzulaufen gewohnt ist. Die Verb. Regierungen sollten den Unzufriedenen im Reiche eine Waffe von solcher Schwere, wie die Vorlage ist, nicht in die Hand geben. Der Württemberg. Ministerpräsident v. Mittnacht erklärt: 1870 wurden zwischen den württemb. und den norddeutschen Bevollmächtigten Erklärungen bezüglich der Weinbesteuerung abgegeben. Der württembergische Bevollmächtigte erklärte im Nov. 1870, sowohl für den Staatshaushalt Württembergs als im Interesse der Bevölkerung müßte es von dem empfindlichsten Nachteil sein, wenn der Bund, zur Aufhebung eines in Württemberg seit Jahrhunderten bestehenden Zustandes, unternehmen würde, den inländischen Wein von Bundeswegen zu ^besteuern; der württembergische Bevollmächtigte sei deshalb angewiesen , zu beantragen, daß entweder der Wein von den der Bundesbesteuerung zu unterwerfenden Gegenständen ausgenommen, oder die Besteuerung abhängig gemacht werde von der Zustimmung Württembergs. Die nordd. Bundesbevollmächtigten erklärten darauf, sie seien nicht in der Lage, auf diese Bedingungen einzugehen, aber nach ihrer Ansicht biete die Eigentümlichkeit des Weins als Besteuerungsgegenstand eine vollkommen ausreichende Gewähr dafür, daß. der Bund von dem verfassungsmäßigen Rechte in dieser Beziehung keinen Gebrauch machen werde, da nach den Erfahrungen in Norddeutschland eine auf die Weinerzeugung gelegte Steuer namentlich bezüglich des finanziellen Resultats nicht zweckmäßig erscheine, eine an den Weinverbrauch sich anschließende Besteuerung einen größeren finanziellen Ertrag nur da geben würde, wo von der ganzen Bevölkerung Wein getrunken wird. Diese Erklärungen wurden von den württemb. Bevollmächtigten als beruhigend angesehen; die Württemberg. Bevollmächtigten haben dann in der Voraussetzung einer entsprechenden Kundgebung im Buudesrat auf eine weitere Begründung der vorliegenden Anträge verzichtet. Der Bundesrat hat später erklärt, daß die Erklärungen der norddeutschen Bundesbevollmächtigten die Zustimmung des Bundes- ratS hatten. Ein Sonderrecht hat Württemberg jedenfalls danach nicht verlangt, konnte es in Bezug auf die Weinbesteuerung nicht verlangen. Die Erklärungen von 1870 haben nach meiner Ueberzeugung überhaupt keinen rechtlichen Inhalt, enthalten auch kein eigentliches selbständiges Versprechen. Das war auch der Grund, warum sie in den Verhandlungen der parlamentarischen Körperschaften nicht mitgeteilt worden find. Jetzt nach 22 Jahren kann aber jedenfalls dieser Erklärung keine Bedeutung mehr beigelegt werden. Obwohl nun die württ. Regierung von der Notwendigkeit neuer Einnahmen für das Reich als Stütze der finanziellen Auseinandersetzungen zwischen dem Reich und den Einzelstaaten durchdrungen ist,
Viktoria rSAia,
Roman von H. von Ziegler.
(Fortsetzung.)
„Sagen Sie dem Herrn Lieutenant, daß der Herr Oberst in die Jnstruktionsstunde gegangen sei, aber nicht gesagt habe, ob er heute noch dienstliche Meldungen wünsche."
„Zu Befehl," der Diener entfernte sich und Graf Hohenburg bemerkte, ohne emporzubltcken: „Du bist die echte Kommandeurstochter, Viktoria. Der schöne Adjutant erwartet sicherlich den Bescheid aus deinem eigenen Munde zu erhalten."
„Nicht doch, lieber Onkel," mit vollendeter Selbst, beherrschung zuckte die Gräfin die Achseln und ihre Stimme klang kühl wie immer, „es sind Dienstsachen, die Lieutenant Willen erledigen will und Papa wünscht ebensowenig wie ich, dieselben als persönliche Verpflichtung dem Adjutanten gegenüber aufzufaffen. Ich nehme in seiner Abwesenheit überhaupt nie Herrenbesuch an."
Graf Hohenburg lehnte schweigend in seinem Stuhl und fixierte, während beide Mädchen zusammen plauderten, Viktoria unausgesetzt. Wie schön sie war und — wie alt er sich auf einmal vorkam. In den wenigen Tagen, welche er bei seinem Bruder zubrachte, hatte er eine starke Leidenschaft in sich erwachen und festwurzeln gefühlt, gegen die er machtlos ankämpfte. Er war Junggeselle, aber auf einmal entdeckte er die Verpflichtung als Gesandter auch ein Haus zu machen, zu repräsentieren. Und, wenn er
hat fie trotzdem an den Bedenken gegen die Weinsteuer festgehalten. Die württembergischen Verhältnisse haben sich in Bezug auf die harte Arbeit der Weinbauern ungünstiger gestaltet; darum ist die Württemberg. Regierung gegen Alles, wodurch diesen Leuten Schaden drohen könnte. (Beifall links.) Sie ist darum nicht in der Lage, dem Gesetzentwürfe, wenigstens in der jetzigen Form, zuzustimmen. Gegen eine Schaum- und Kunstweinsteuer hat sie dagegen nichts einzuwenden. Der Reichstag überwies die Weinsteuervorlage an die Kommission für Stempel- und Tabaksteuer.
Landesnachrichteu.
* Altensteig, 22. Jan. Die russischen und amerikanischen Petroleumindustriellen haben sich zu einem Welt-Kartell (Ring) vereinigt. Produktion und Absatz des Gesamtbedarfs der Welt an Petroleum soll in die Hände eines Ausschusses von fünf Mitgliedern gelegt werden. Dieses ist wohl das großartigste großkapitalistische Manöver, das je die Welt gesehen. Diese fünfköpstge Petroleumgesellschaft reguliert nun den Preis für das Petroleum, „das Licht des armen Mannes", und unterjocht so die ganze Welt. Große Herrn haben scheint? die Hand im Spiel. Sie setzen, um die von der amerikanischen Konkurrenz bedrohte russische Petroleumindustrie zu retten, die Abmachung mit dem amerikanischen P tro- leum-König Rockefeller durch. Gegen so ungeheuerliche Ausschreitungen der Privatproduktion mw des Spekulantentums ist ein internationales Vorgehen ebenso nötig wie gegen die Anarchisten. D r Großbetrieb ist auf das notwendigste zu beschränken, der Einzelne soll niemals ein Monopol haben dürfen. Wo der Einzelne ein Monopol hat, ist die Gesellschaft von einem Einzigen abhängig, sie ist ihm tributpflichtig, muß sich als Gegenstand der willkürlichsten Ausbeutung hergeben. Wenn gegen solch großartige Weltherrschaft etlicher Wucherer nicht energisch Front gemacht wird, wen wunderts dann noch, wenn die Sozialdemokratie immer mehr Anhänger findet und zur Herrschaft kommt?
* Nagold, 18. Jan. Die dem Privatier Knödel von hier gehörige, zwischen Gündringen und Schietingen isoliert gelegene Sägmühle ist heute nacht abgebrannt.
* Sulz Dorf, 19. Jan. Dis hiesige Dampfmolkerei liefert schon zum zweitenmal Süßbutter nach Keta in Westafrika (Sklavenküste), da die erste Sendung wohlbehalten dort etngetroffen ist. — Im Bureau des Bahnhofes zu Wildberg fiel vorgestern früh eine brennende Erdöllampe zu Boden und explodierte, wodurch ein kleiner Zimmerbrand entstand, der aber durch das rasche und zweckdienliche Eingreifen der Beamten sofort gelöscht wurde, ohne daß weiterer Schaden entstanden wäre.
* Calw, 19. Jan. Im Saale des Georgenäums hielt heute abend Dekan Braun vor einer zahlreichen Zuhörerschaft einen Vortrag über das Schreckensjahr 1793. Nachdem Redner den Gang der französ. Revolution bis zu diesem Zeitpunkt gezeichnet hatte, schilderte er die Gewaltherrschaft der Jakobiner, wie sie vornehmlich zum Ausdruck gekommen ist in dem Prozeß des Königs, der Giron-
> disten, der Königin und in der Abschaffung des
die Augen schloß, sah er an seiner Seite eine hohe, stolze Frauengestalt in schimmernder Hoftoilette mit schwerer Sammetschleppe und funkelnd von Perlen und Diamanten schreiten, deren schönes Haupt sich kühl und zeremoniell wie das einer Fürstin nach allen Seiten sich neigte: Viktoria! Ein tiefer Seufzer entrang sich seiner Brust, dann fuhr er mit der Hand über die Augen, wie um jene Gedanken fortzuwischen und wandte sich dem Gespräche seiner Nichten zu.
„Ah, du bist also die schöne Wasserrose vom Amazonenstrom, welche der Indier anbetet," rief Ada bewundernd, „sage, wer ist denn dieser letztere?"
„Assessor von Rohr, den Papa vielleicht heute zum Thee Mitbringt."
„Ein eifriger Verehrer Viktortas, mußt du wissen, liebe Ada," lächelte Onkel Rudolf, doch seine Stimme war klanglos, die Finger spielten nervös mit der goldenen Uhrkette.
„Ja, ja," nickte da? schöne Mädchen heiter, „der gute Baron überschüttet mich mit Aufmerksamkeiten. Jedesmal, wenn er sich bei uns ansagen läßt und das geschieht alle Wochen ein- wenn nicht zweimal, bringt er ein prachtvolles Bouquet oder eine Bonboniere und es wird mir sehr schwer, diese Sachen nicht zurückzuweisen."
„Wie steht er denn aus?" fragte Ada neugierig, „ist er schön, häßlich, angenehm oder fatal? Ich bin zu gespannt ihn zu sehen — vielleicht einen künftigen
„Ach gar," wehrte Gräfin Viktoria halb spöttisch, „da will ich dir gleich einen Eid schwören —"
Christentums. Nachdem noch gezeigt wurde, wie scho» in diesem Jahr die traurigen Folgen der Revolution, der vollständige Bankerott der Nation in geistiger und materieller Beziehung eintraten, schloß Redner mit dem Wunsche, es möge unserem deutschen Volk nie fehlen an einsichtigen und entschlossenen Männern, die etwa eintretende Mißstände auf dem Wege friedlicher Reformen zu beseitigen im stände seien.
"Stuttgart, 18. Jan. Seine Majestät der König begiebt sich sicherem Vernehmen nach am 26. Jan. nach Berlin zur Feier des Geburtstages Sr. Maj. des Kaisers und wird am 28. Jan. wieder hierher zurückkehren.
* Stuttgart, 19. Jan. Ueber die Steigerung
der Preise der Apotheken in Württemberg haben schon mehrfach Erörterungen in der Presse stattgefunden. Nach de« vom K. Medtzinalkollegium an- gestellten Erhebungen liegen folgende Daten vor. Die Gesamtzahl der Apotheken des Landes beträgt 267, wovon 197 Realberechtigung haben. 11 Apotheken richteten neben ber allopathischen eine homöopattsche Abteilung ein. Selbständige homöopattsche Apotheken gibt es nur eine. Gegen durchschnittlich 11,7 Geschäfte in den Jahren 1876 bis 1890, wechselten 1891 15 Realapotheken ihren Besitzer. Den häufigste« Besitzwechsel weist der Jagstkreis auf. Von den genannten 15 Apotheken befinden sich 4 in Städten mit fünftausend und mehr Einwohnern, 11 in den übrigen Gemeinden. Der Kaufpreis für die vier elfteren beträgt zusammen 966,000 Mk., für die 11 letzteren 1,045,750 Mk. Somit ist der Durchschnittspreis für eine größere Apotheke in 1891 auf 241,500 Mk. gestiegen gegen 134,474 Mk. in den Jahren 1876 bis 1890. Für eine kleinere Apotheke wurden 1891 durchschnittlich 95,068 Mk. bezahlt gegen 74,245 M. in dem vorgenannten 15jährigen Zeitraum. Hieraus geht zur Genüge hervor, daß die Apothekenpreise unverhältnismäßig gestiegen sind. (Schw. B.)
* Wie der „Schw. M." hört, bestätigt sich die Blättermeldung, das 13. k. württ. Armeekorps werde dieses Jahr Kaisermanöver haben, nicht. Eine dahingehende Bestimmung ist nicht getroffen worden.
* Ulm, 18. Jan. Der erste Gewinn der Münsterbaulotterie fiel auf die Nummer 175,471. Das Los ist an Heinze nach Berlin verkauft worden. Weiter gewonnen haben 6000 Mk. 47,665, 174,102; 2000 Mk. Nc. 272,886; 1000 Mk. Nr. 46,057, 38.974 15,257, 164,387; 500 Mk. Nr. 145,668, 57,319, 276,583, 150,680, 131,378, 177,260, 140,138. 35,589, 208,452, 169,928, 208,268, 144,121, 257,265, 187,552, 233,037, 272,210, 79,486, 150,833, 107.654; 300 Mk. Nr. 160,495, 182,929, 99,462, 272,781, 208,141, 52,958, 176,892, 95,395, 287,483, 232,802, 159,901, 43,431, 281,143, 147,029, 187,621.
* (Eine billige Kuh.) In der „Neckar-Ztg." wird folgender Kuhhandel erzählt: Im Stalle des Gememdepflegers zu El. unweit der großen Linde steht eine prächtige Kuh, „Julie" genannt, nebst ihrem im letzten Herbst geworfenen Söhnchen. Der Eigentümer kam auf originelle und billige Art zu der schönen gelbschecktgen Kuh. Kommt da eines schönen TageS um die Erntezeit ein Handelsmann mit einer prächtigen Kuh nach Cl., um dieselbe au den Mann
„Nein, nein," unterbrach die Cousine lachend, „das darfst du nicht. Denke nur, wenn du dich doch noch für ihn interessieren würdest —"
„Sehr wahrscheinlich!" Das schöne Mädchen zuckte sarkastisch mit den Achseln. „Wie schön dn bist, Kleine, in meinem Interesse!"
„Nun, wer weiß, es ist ja kein Lieutenant," erwiderte Ada neckend, „denn du hattest beim Manöver gegen diese interessante Menschenklaffe eine bedeutende Abneigung."
Viktoria blickte wie zufällig empor und in des Botschafters ernst forschendes Auge, sie ward sehr rot und sah zur Seite, in dem Moment hatte sie gemeint, er schaue bis tief hinab in ihre Seele und ergründe ein Geheimnis, welches sie bisher kaum sich selbst eingestanden.
„Freilich, so wichtig wie dir sind sie wir nicht, aber nun komm, mein Herz, wir wollen uns die z» stellenden Bilder ansehen und besonders deine Rolle auswählen. Onkel Rudolf, bitte hilf uns!"
Sie reichte ihm die Hand mit einem so an ihr ungewohnten Blicke, daß der ernste, ältere Mann ein scharfes Weh durch sein Herz zucken fühlte. Er beugte sich über die kleine, weiße Hand und küßte sie ehrfurchtsvoll wie die einer Fürstin.
„Hu, kann der Onkel Rudolf galant sein," kicherte Ada wie ein Kobold; „bitte, bitte, lieber Onkel, küsse mir doch auch einmal die Hand wie Viktoria."
Und mit einer allerliebsten Grimasse reichte sie ihm ihre Finger, die er wie die eines Kinoes festhielt.
„Kleinen Mädchen küßt man nicht die Hand,"