verbraucht hat und schuldig geworden ist. Er hat namentlich vertrauensselige Geschäftsleute und kleine Handwerker enorm geschädigt.
* Oehringen, 23. Dezbr. Das zunehmende Defizit bei der Krankenkaffe, namentlich durch die große Inanspruchnahme derselben seitens der Versicherten, welche sich in der eigenen Familie verpflegen und die nachgewtesene Simulation durch solche, ver- anlaßte die Amtsversammlung versuchsweise eine unverhoffte Kontrolle der Hauskranken durch einen von der Oberamtsstadl abgeschickten Bediensteten einzuführen. Die Erfahrung soll nun lehren, was bei dieser Kontrolle, die auf jährlich ca. 150Mk. kommen wird, herauskommt, jedenfalls wird sich die Auslage bezahlen, denn die Simulanten fühlen sich doch nicht mehr so sicher, wie bisher.
* Ulm, 28. Dez. Die hiesigen Regimenter haben in den letzten Tagen neue Gewehre erhalten. Die seitherigen kommen in die Depots. Die neuen Gewehre haben einige Verbesserungen in dem Mechanismus und stammen aus der Fabrik Löwe in Berlin.
"(Verschiedenes.) In der letzten Zeit wurde im Bezirk Aalen von Hausierern blaues Tuch verkauft, wovon der Meter in der Fabrik 1 Mk. 35 Pf. kostet. Die Hausierer setzten meist Stücke ab, die auf 3 Meter 20 Ctm. abgepaßt waren und entweder einen Herrenanzug oder einen Regenmantel geben sollten. Der Preis für ein solches Stück „Cheviot" kostete je nach der ungünstigen oder günstigen Gelegenheit 6 bis 10 Mk. bei einem Ankaufspreis von höchstens 4.30 Mk. Da verschiedene Stücke in Aalen dekatiert wurden, stellte es sich heraus, daß das Gewebe aus Wolle, Kunst- und Baumwolle zusammengesetzt ist. — In Eßlingen fand ein ungewöhnlich starker Zulauf arbeitsloser Handwerksgesellen am h. Abend in die Herberge zur Heimat statt; es kamen etwa 200 an, für die abends eine einfache Christfeier abgehalten wurde. — InSalach wollte Gem.-R. Pfletschinger an der Giebelseite seines Hauses einen Laden anlegen, fiel dabei das Garbenloch auf der Scheunentenne herunter und zog sich dadurch schwere Verwundungen, insbesondere am Kopfe zu, sodaß er nach 2 Stunden starb. — Am Christfest stürzte in Heilbronn der Müller Proß in betrunkenem Zustande über das Geländer der Treppe, welche von der Brücke nach dem Hefenweiler führt; er mußte bewußtlos vom Platze getragen werden und ist tags darauf im Spital gestorben.
* In Bayern und Baden hat sich, wie sich durch vielfache Zuschriften an Retchstagsabgeordnete ergiebt, in den beteiligten Kreisen eine lebhafte Bewegung dahin erhoben, bei den schwebenden Verhandlungen mit Rußland den deutschen und den russischen Zoll auf Hopfen in gleicher Höhe zu bemessen, um der gesunkenen deutschen Hopfenausfuhr wieder einigen Aufschwung zu geben. Da der russische Hopfenzoll viel höher als der deutsche ist, wir aber durch unsere Handelsverträge gebunden sind, wäre dies Ziel nur zu erreichen, wenn es gelingt, den russischen Hopfenzoll auf den Stand des unsrigen herabzubringen. Die Bemühungen in dieser Richtung haben, wie die „N.-L.C." hört, bereits einigen, aber noch nicht genügenden Erfolg gehabt.
* Berlin, 23. Dez. Aus Stuttgart wird dem „Verl. Lokalanz." telegraphiert: Heber die letzten Vorgänge zwischen Preußen und Württemberg, die Milttärkonvention betreffend, wird hier nach Neujahr aus der Feder eines Eingeweihten eine sensationelle Broschüre erscheinen, welche im ganzen Reiche Aufsehen erregen dürfte. Als Verfasser gilt eine bekannte politische Persönlichkeit.
* Berlin, 26. Dez. Die Nat.-Ztg. weist die demokratischen „Fabeln" über die militärischen Vereinbarungen zwischen Preußen und Württemberg zurück und hebt-hervor, daß die verstärkte Kommin- dierung von Offizieren zwischen Preußen und Württemberg im Interesse der Schlagfertigkeit des deutschen Heeres, in erster Reihe aber im Interesse der württ. Offiziere liege.
* Zwischen der deutschen und der griech i- schen Regierung findet ein sehr lebhafter Schriftwechsel wegen Wahrung der deutschen Interessen bei den finanziellen Schwierigkeiten in Griechenland statt. Es haben auf Weisung von Berlin aus wiederholte Besprechungen zwischen dem deutschen Gesandten in Athen und den beteiligten dortigen leitenden Persönlichkeiten staitgemnden, welche durchaus keine» Zweifel darüber lassen können, daß die Bemühungen der deutschen Gläubiger, zu ihrem Rechte zu gelangen, seitens der deutschen Regierung auf jede Unterstützung rechnen könne», welche in deren Macht liegt.
* (Zerfahrenheit im Reichstage.) Wer den Verhandlungen des, Reichstags und der Betrachtungen der Presse der politischen Parteien über die Steuervorlagen gefolgt ist, wird sich dem Eindrücke einer außergewöhnlich starken Zersplitterung der Ansichten und eines weitgehenden Ans Segens in ganz ungangbare Nebenwege nicht verschließen. Die Notwendigkeit einer erheblichen Vermehrung der Einnahmen des Reichs machte sich zwar so stark geltend, daß der schlechthin verneinende Standpunkt nur wenige Vertreter fand. Aber die Gegenvorschläge zur Erreichung dieses Ziels gehen nicht allein weit auseinander, sie bieten trotz ihrer Mannigfaltigkeit auch kaum einen praktisch verwertbaren Gedanken. Die Reichseinkommensteuer würde die Selbständigkeit der Bundesstaaten beschränken und die Reichserbschafts- steuer würde störend in den Haushalt derjenigen Bundesstaaten eingreifen, welche selbst eine Erbschaftssteuer haben. Ganz verfehlt sind die Qutttungs-, Frachtbrief- und Tabaksteuern. Der hiernach allein noch auf dem Plane bleibende Gegenvorschlag, die Matrikularumlagen entsprechend zu erhöhen, müßte die Finanzen aller Bundesstaaten unheilvoll berühren und begegnet daher mit Recht von deren Seite^und zwar nicht bloß von den Regierungen dem entschiedensten Widerspruch. Das Gesamtergebnis der Verhandlungen läßt sich daher so zusammenfassen, daß die Notwendigkeit erheblicher Erhöhung der Rerchssteuern zwar überwiegend anerkannt ist und zahlreiche Vorschläge zur Erlangung dieses Ziels gemacht sind, daß aber keiner derselben dazu geeignet oder ausreichend ist. Daß dieses Bild größter Zerfahrenheit des Reichstages ein besonders erfreuliches wäre, wird nicht behauptet werden können.
* Berlin, 27. Dez. Der vorbchaltene Termin für das Inkrafttreten des deutsch-serbischen Handels
vertrags wurde mittelst Notenaustausches auf I.Jan.
* Durch Kabinetts-Ordre vom 14. Dezbr. d. I. ist die dem Kaiser vorgelegte Probe eines Kochgeschirrs aus Aluminium bet Neubeschaffungn für die Infanterie, die Jäger und Schützen, die Pioniere und die Eisenbahn-Formationen genehmigt worden.
* Berlin wie es weint und lacht. Am Heilig-Abend wandelte ein junger Mann durch die Straßen Berlins und sah sehnsüchtig nach den Häusern, durch die der Kerzellschimmer der Christbäume fiel. An der Ecke der Leipziger- und Charlottenftraße blieb er dann stehen, zog einen Revolver aus der Tasche und jagte sich mit den Worten: „Jetzt kommt die Bescheerung für mich" eine Kugel in die rechte Schläfe. In dem Lebensmüden ist der 19 Jahre alte Hausdiener Josef W. festgestellt, der wenige Stunden vorher seine Bcoistelle verloren hatte. W., der schwer verwundet ist, wurde durch die Polizei einem Krankenhause überwiesen.
* Dortmund, 22. Dez. In der letzten Nacht sind auf freiem Felde in der Nähe der Stadt zwei Kinder eines Händlers, die sich in der Dunkelheit verirrt halten, erfroren. Sie waren 8 und 12 Jahre alt.
* Zur Warnung mag folgender Vorfall dienen, welcher der „Päd. Ztg." aus dem thüringischen Orte Zella gemeldet wird: Ein Schulmädchen hatte einen Tintenklecks aus dem Aufsatzheft abgeleckt. Bald danach stellten sich heftige Magenschmerzen und Uebelkeit ein. Etwa 12 Stunden, nachdem das Mädchen die Tinte zu sich genommen hatte, wurden die Schmerzen ungemein heftig, und es erfolgte Erbrechen von gefärbten Massen. Erst nach Verabreichung von Etsenhydrat trat Linderung ein, und später erholte sich das Kind wieder. Die Analyse der erbrochenen Flüssigkeit ergab das Vorhandensein von Arsenik.
Ausländisches.
* Budapest, 23. Dez. Bischof Schopper von Rosenau fordert die Geistlichkeit in einem Hirtenbriefe auf, während der bevorstehenden Feiertage die Gläubigen über die Gefahren aufzuklären, welche ihnen seitens des sreimaurerischen Judentums und dem damit verbundenen Liberalismus drohen, welche sich jetzt zur Entscheidungsschlacht bezüglich derkirchlichenVorlagenrüsteu.
* Budapest, 23. Dezbr. Aus dem Militä' magazin in Pola sind 20 Kilo Dynamit gestohl worden.
* Rom, 27. Dez. Der Jesuiten-"'-,''- ersucht
den Papst i- - -L,-
Wa ülbel eaia Denkschrift g
"Palermo, - Lercara fand
gestern vor dem Bürgermeisteramt eine Kundgebung statt. Die Demonstranten richteten gegen die Polizei einen Steinhagel, verwundeten viele Wachmänner, griffen die Truppen mit Steinen und Beilen an und versuchten dieselben zu entwaffnen. Die Truppen feuerten, vier Leute wurden getötet, schließlich wurden die Tumultuanten auseinander getrieben.
* Paris, 23. Dez. Scharfrichter Daibler erhielt eine Menge Drohbriefe, worin ihm mit Luftsprenguna gedroht wird, falls er Vaillant hinrichte.
Kr ist der Kröe!
Roman von L. Haidheim.
(Schluß.)
„Herr Lörrach! Es ist nun alles gut — Sie sind frei!" sagte sie leise und stockend.
„Frei, Hedwig, frei durch Sie — und —" er sprang empor, immer die Hände in den ihrigen, — „und Sie sollen nun entscheiden, ob ich frei bin, zum Unglück oder Glück! Ich liebe Sie Hedwig — Ihr Vater hat mich abgewiesen, hat mich gar nicht dahin kommen lassen, ihn um Ihre Hand zu bitten. Ich frage Sie dennoch, Hedwig, teure Hedwig — können, wollen Sie die Meine sein?"
Ein unbeschreiblicher Schrecken malte sich in des jungen Mädchens Zügen.
„Papa — Sie abgewiesen?"
Aber was Fritz Lörrach in ihren Augen las, das ließ ihn aufjauchzen vor Glück und Jubel.
„Hedwig, du liebst mich? Du bist mir gut?" Und er zog sie in seine Arme. Sie aber litt es willig, ließ sich von ihm küssen. Dann aber stürzten ihr die Thränen aus den Augen. Sie schlang die Arme um seinen Hals und weinte.
„Aber Papa — ich kann ihm, ich darf ihm keinen Kummer machen! Er hat nur mich!"
Das war alles so lieb und wahr!
Sie hielten sich schweigend umschlungen, auch Lörrachs Herz war schwer.
Das geliebte Mädchen zur Auflehnung gegen den
geliebten Vater zu zwingen! Ein schlimmer, trauriger Konflikt.
Und doch, mit welcher Seligkeit hielt er sie in den Armen!
„Sage mir nur erst einmal, ein einziges Mal, Hedwig, daß du mich lieb hast. Du hast es noch nicht gesagt!" bat er sie zärtlich.
„Du weißt es ja!" Sie zögerte. Dann faßte sie plötzlich Mut: „Ja, ich habe dich lieb, mehr als alles auf der Welt! Aber —"
Da ging das Pförtchen. Sie standen unmittelbar davor und hatten nicht gesehen noch gehört, daß der Baron herankam.
Der alte Herr war blaß und erregt. Weder Freude noch Zorn lag in seinen Augen — aber ein Weh, das Fritz Lörrach traf.
„Ach, du denkst also an deinen Vater?" fragte er herantretend. Es ging ein Zucken durch sein Gesicht, als wolle er weinen, aber er zwang die Bewegung zurück.
„Papa, Papa! — Ich soll wählen zwischen dir und ihm? Ich habe ihn lieb — dich auch! O sei barmherzig, sei nicht böse!" Und Hedwig, sich von Lörrach losmachend, lag an seinem Halse.
Aber dann reichte sie sofort ihre Rechte wieder mit liebevollem Blick dem Geliebten, als wolle sie sagen: Sei ruhig - fei meiner Liebe sicher.
Ein minutenlanges Schweigen folgte.
Dann sagte der Baron, indem er Hedwigs Arme sanft von seinem Hals löste, weich:
„Du wirst ihn doch lieber haben als mich, das
ist der Eltern Los, Kind, und — ich dachte schon, meine Tochter sei zum Gerede der Leute geworden, der junge Herr habe sich mit ihr Rendezvous gegeben und wolle nun vergnüglich s iner Wege ziehen!"
„Aber — Herr Baron!" Furcht uns Hoffnung und ahnendes Glück klangen aus Lörrachs Stimme.
„Ja wohl, mein junger Herr, das dachte ich, denn das erste, was ich gestern hier erfuhr, war, daß die Geschichte von Ihren Promenaden mit meiner Tochter in aller Leute Mäulern sei. Und da ist es mir ja lieb, daß Sie es wenigstens ehrlich mit dem Kinde gemeint haben."
„Herr Baron!" — „Papa!"
„Laßt mich aussprechen." wehrte der alte Herr beide ab. „Hedwig ist arm, ganz vermögenslos, Herr Lörrach — das wissen Sie, und ich sage, um der Wahrheit willen, durch meine Schuld ist sie's, denn ich war ein unbesonnener junger Mensch und trage in Buße noch heute meine Schulden ab."
„Ich kann Hedwig sorgenlos stellen, auch für den Fall meines Todes."
„Davon nachher, Hecr Lörrach! Ich muß Ihnen ferner gestehen, daß ich mein Kind nicht gern weggebe in ein fremdes Land — Sie, mit Ihrem Anspruch nehmen mir — doch das ist so der Welt Lauf! Anch noch anderes spricht in mir gegen Sie — man macht sich nicht leicht los von anerzogenen Begriffen. Ich achte Sie, Herr Lörrach, ich vertraue Ihnen mein Kind an, aber — verzeihen Sie — freuen kann ich mich nicht! Nein, Hedwig, weine nicht, du kannst das nicht verlangen — das nicht! — Und nun —