Gedanke geschwächt und dem Einheitsstaate vorgearbeitet. Daß der Tabakkonsum durch die Steigerung der Preise nicht leiden würde, würde Niemand glauben. Gerade weil Niemand zum Rauchen gezwungen sei, werde der Konsum zurückgehen. Die Annahme, die Tabakfabrikatsteuer würde unzweifelhaft zu dem Tabakmonopol führen, sei wohl begründet. Wenn es richtig sei, daß die Stempelsteuer die meiste Aussicht auf Annahme habe, so würde das beweisen, daß man die Bedeutung der Freiheit des Handels und Verkehrs unterschätze. Landwirtschaft und Industrie würden aber erst durch den Handel wahrhaft produktiv. Die Stempelvorlage stelle den denkbar^schärfsten Gegensatz zu den Worten des Kaisers dar: „Wir leben in dem Zeitalter des Verkehrs.* Die vorgeschlagene Verdoppelung bis Vervierfachung der Börsensteuer werde nach den bish. Erfahrungen in dreifacher Beziehung schädlich wirken: in Bezug auf die Provinzialbankiers, in Bezug auf das Verhältnis der kleinen Bankiers zu den großen an den Börsenplätzen selbst und in Bezug auf das Acbitrage- geschäft, welches gerade volkswirtschaftlich das nützlichste sei. Redner bemängelt ferner die Besteuerung der Aknengesellschaften und der Kommunalanleihen, während die Staatsanleihen steuerfrei bleiben.
La»deS«achrichtea.
* Altensteig, 6. Dezbr. Zu dem Beschluß des Reichstags über die Aufhebung des Jesuitengesetzes wird dem „C. Wochenbl." geschrieben: Durch diesen Beschluß soll den Jesuiten wieder gestattet werden, ihre Thätigkeit unbeschränkt aufzunehmen, eine Thätig- keit unter der die katholische und protestantische Christenheit schon viel zu leiden hatte, hat ja doch ein Papst dieselbe als verderblich bezeichnet. Wer es noch nicht wußte, oder wer es nicht glauhen mochte, daß der Jesuitenorden hauptsächlich zu dem Zweck gestiftet ist, um die Protestanten mit den diesem Orden eigenen Mitteln wieder zum katholischen Glauben zurückzuführen, dem hat dies der Führer der kath. Zentrumspartei Dr. Lieber bei der Beratung des Jesuitengesetzes im Reichstag überraschend klar gemacht, indem er aussprach: „Die kathol. Kirche braucht die Jesuiten und die mit derselben verwandten Orden zur völligen Erfüllung ihrer Aufgaben. W t r bekämpfen den Protestantismus, aber achten die überzeugten Protestanten.* Wer als überzeugter Protestant anzusehen ist, das wird dann Sache der Auslegkunst der Jesuiten sein, zunächst werden nur diejenigen als solche gelten, welche durch ihre Stimmabgabe für die Zurückberufung der den Protestantismus bekämpfenden Jesuiten bewiesen haben, wie viel oder wie wenig ihnen an ihrem angeborenen Glaubensbekenntnis, an dem Glauben ihrer Väter gelegen ist. Für die in Wirklichkeit überzeugten Protestanten ist dieser Vorgang ein tiefbedauerlicher und beschämender: Es dürfte zu erwarten sein, daß die Reichsregierung im Interesse des konfessionellen Friedens und der Geistesfreiheit, im Interesse der Protestanten und Katholiken diesem Beschluß des Reichstags keine Folge gtebt.
-r. Vom Hinteren W ald, 5. Dez. Bei dem Zustandekommen einer Wasserversorgungsgruppe, kestehend aus den wasserarmen Orten unserer Gegend wird immer
mehr gearbeitet. Es find im ganzen 33 Ortschaften und Parzellen (einige auch auf badischem Gebiete gelegen) in Aussicht genommen und haben dieselben zusammen ca. 10 000 Einwohner. Die meisten der betreffenden Orte sollen ihren Beitritt zur Gruppe bereits erklärt haben. Die Gruppe selbst würde, wenn sie zu stände kommt, wie sie projektiert ist, die größte in Württemberg werden, also größer als die elf Albwafferversorgungen und größer als die Heuberg- und Härdtsfeldgruppe; sie wäre die 14. unseres Landes und würde wohl den Namen Schwarzwald-Waffer- versorgungsgruppe erhalten. Heute war Herr Baurat Ehmann von Stuttgart in unserer Gegend. Er machte sich zur Aufgabe, die Quellen bet der Agenbacher Sägmühle auf ihre Wasserlieferungsfähigkeit zu prüfen. Denn von dort aus sollen sämtliche Orte der projektierten Gruppe reichlich mit Wasser versorgt werden.
* Altensteig, 6. Dez. Nur noch knapp drei Wochen und das schöne Weihnachtsfest ist da. Wir raten daher unfern Lesern, schon jetzt mit den Geschäftsleuten behufs Erwerbung von Weihnachtsgeschenken in Verbindung zu treten, damit das, was nicht vorrätig ist, noch rechtzeitig und in gehöriger Güte beschafft werden kann. In der letzten Zeit vor Weihnachten ist mancher Gegenstand vergriffen und ein Anschaffen desselben dann nicht mehr ratsam. Namentlich möchten wir auch raten, die hiesigen Ge- schäftsleute zu berücksichtigen, denn die Zeitverhält- nifse bedingen es, daß jede Mark dem Platz- erhalten bleibt.
FreundedesSternenhtmmels machen wir darauf aufmerksam, daß in den Tagen vom 6. bis 13. ds. Mts. wieder zahlreiche Sternschnuppen- fälle zu beobachten sein werden, welche dem Sternbild der „Zwillinge* zu entstrahlen scheinen. Deshalb werden sie auch Geminidenschwärme genannt.
* Nagold, 1. Dez. Bei der Gemeinderatswahl wurden gewählt: Sttftungspsleger Holzapfel mit 219, Schönfärber Mayer mit 218, Kommerzienrat Sann- wald mir 204, Fabrikant K. Reichert mit 130 Stimmen. Wettere Stimmen erhielten: Uhrmacher W. Knödel 85, Schuhmacher Jak. Grüninger 39. Ungültig 35 St., da die Namen nicht genügend bezeichnet waren. (Ges.)
* Reutlingen, 4. Dez. Am Sonntag früh halb l Uhr ist Bäckermeister August Bertsch seiner Frau in den Tod nachgefolgt. Derselbe hatte, zumal in den letzten Tagen, unsagbar zu leiden, befand sich größtenteils bei vollem Bewußtsein und bedauerte fortwährend das Schicksal und den Hingang seiner Frau, mit welcher er sehr glücklich gelebt hatte. Er sah dem unabänderlichen Ereignis mit Standhaftigkeit und christlicher Ergebung entgegen und ordnete seine Verhältnisse noch vollständig.
Stuttgart, 2. Nov. Ein schöner Zug von der jugendlichen Prinzessin Pauline wird von Augenzeugen mitgeteilt. Die Prinzessin machte in Begleitung ihres Hofsräuleins einen Spaziergang durch den Bopserwald, hiebei traf sie eine betagte Milchsrau, welche ihren Karren mit leeren Milchflaschen den Bopser mühsam hinanfzog, kurz entschlossen trat die Königstochter heran, zog den Karren, das Hoffräulein half nachschieben und so wurde derselbe zur Freude der Milchfrau und der Vorübergehenden den Berg hinaufbefördert. Erst nachher hat die alte Frau erfahren, welch hohe Persönlichkeit den Wagen gezogen hat und sie lauert jetzt auf eine Gelegenheit sich bei der Prinzessin nochmals zu bedanken.
'Stuttgart, 4. Dezbr. Die dem komman- ' dierenden General des 13. (k. württ.) Armeccorps
v. Wölckernam Jahrestag der Schlacht bei Villiers widerfahrene außergewöhnliche Auszeichnung durch seine Stellung L la 8wits des Kaiser Friedrich-Regiments Nr. 125 ist zurückzuführen auf den hervorragenden Anteil, den v. Wölckern an den Kämpfen vor Parts genommen hat. Ihm war am 30. Nov. die Wieder- einnahme des verloren gegangenen Mont Mesly zu verdanken, wofür er neben anderen Auszeichnungen das eiserne Kreuz 1. Klasse erhielt.
* (Verschiedenes.) In Böttingen wurde das Wohnhaus der led. Katharine Huber und das daneben sich befindliche Anwesen des Maurers Lehr durch das Feuer zerstört. — In Oferdingen sind an Diphterie in einer Familie 4 Kinder gestorben; auch sonst'forderte die Krankheit «selbst mehrere Opfer. — In D et t i n g en u. T. wurde in der Kunstmühle ein Mahlknecht von der Transmission erfaßt, in die Höhe gezogen und ihm der Brustkasten vollständig eingedrückt. — In Cannstatt wurde der Hilfsschaffner Adam Barth von seinem Schwager Wilhelm Trautwein erstochen.
* Karlsruhe, 4. Dez. Wegen der Futternot wurden zu Vorschüssen und Heulteferuugen insgesamt 3 Mill. Mk. durch administrative Kredite ver- willigt.
* Die Münchener „Allgem. Ztg.* bringt folgende Meldung: „Seitens des ersten Staatsanwaltes beim Landgericht München I ist heute gegen den früheren Reichstagsabgeordneten u. s. w. Kon- rad Fischer wegen dringenden Verdachts des Meineids, der Verleitung zum Meineide, Unterschlagung u. s. w. ein Steckbrief erlaffen worden.*
* In einem Hotel in Breslau begingen der 70jährige Rentier Karl Meier und seine 30jährtge Tochter aus Magdeburg Selbstmord. Elfterer nahm Gift, letztere tötete sich durch einen Revolverschuß in die Schläfe. DaS Motiv zur That ist unbekannt.
* Berlin, 2. Dez. Die Morgenblätter besprechen die Annahme des Antrags auf Wiederzulassung der Jesuiten und sagen dessen Annahme auch in der dritten Lesung voraus.
* Berlin, 2. Dez. Prof. Förster, Vorsitzender der Gesellschaft für ethische Kultur, richtete an die Vorsitzenden aller liberalen Reichstagsfraktionen eine Mitteilung, worin er die schädliche Wirkung der Aufhebung des Jesuiten-Gesetzes darstellt.
* Berlin, 2. Dez. Es verlautet, der Bundesrat werde sich gegen die Aushebung des Jesuitengesetzes erklären.
* Berlin, 4. Dez. Wie verlautet, hat der Kaiser angeordnet, die in den Sptelerprozeß verwickelten Offiziere je nach Beteiligung zur gerichtlichen Untersuchung heranzuziehen.
* Berlin, 4. Dez. Der Kinder Engel hat am letzten Mittwoch in Berlin in gnadenreicher Weise seines Amtes gewaltet. Zwei Knaben im Alter von sechs und vier Jahren, Söhne eines im dritten Stock der Koppenstraße wohnenden Kellners, spielten an der Wasserleitung und vermochten den geöffneten Hahn nicht wieder zu schließen. Als ihre Hilferufe keinen Erfolg hatten, suchten sie sich aus Angst, trotzdem durchaus keine Gefahr vorlag, durch einen Sprung aus dem Fenster zn retten. Da sie auf ein Gartenbeet
„Wirklich, Ella, und wenn er dir damals — du weißt — ach. liebe Schwester, hast du den vielleicht scherzenden Worten nicht doch wohl eine zu tiefe Bedeutung gegeben?"
„Natürlich! Ich bin dumm und eitel — bin alles eher, als daß du glaubst, was deinen Helden herabsetzt."
Bettina seufzte. Ihre Blicke wurden trübe, es war mit Ella nicht zu reden; seit Harterotts Tode schien in der leichtlebigen Frau ein ganz anderer Charakter hervorzutreten und mit Schrecken sagten sich die Eltern und Bettina oft und öfter, Ella sei in ihrem Kummer nicht mehr so gut und liebenswürdig wie früher.
Man vergab ihr indes alles, wie sie stets mit blinder Liebe geliebt — aber darum konnte doch besonders Bettina sich nicht verhehlen, Ella veredelte sich nicht. Und wie oft hatte sie gehört und gelesen, daß das Leid die Seele läutere, wie des Feuers Glut das Gold. Ach, sie vergaß, daß dazu eben auch Gold in der Seele sein muß.
„Liebe Ella! Papa meint es so gut!"
Mil mir meint keiner es gut. So lange ich die reiche Frau und der Stolz der Familie war — o, da sreüich, da war alles, was ich sagte und that, lobenswert. Jetzt bin ich nur eine arme Witwe — da liegt die Sache anders. Meines Mannes Hab und Gut gehört nicht mehr mir, nicht ein Stein von seinem Hause geht auf mich über; wie ich kam, so verlasse ich dies Haus, ich nehme nichts mit mir als meine schrecklichen Erfahrungen und ich bin doch kaum
fünfundzwanzig Jahre. Und," fuhr sie sich aufregend und erbitternd fort: „Der. dessen Kommen in unser Haus uns das Unglück brachte, der nimmt alles an sich."
„Er weiß ja gar nichts davon, Ella, das Gericht hat ihm den Doktor Zindler als Mandatar bestellt; er selbst soll ja gemütskrank sein," unterbrach Bettina die Schwester.
„Das ist mir einerlei, nimmt er es nicht, so thut es sein Bevollmächtigter und der Herr Compagnon, den sie gleich haben kommen lassen."
„Ella, Mr. Leuven hat dich im Aufträge Lörrachs dringend gebeten, dies Haus so lange es dir beliebt, als das Deinige anzusehen."
„Redensarten! Meinst du, ich halte es aus, statt meines armen Hans Fußtritt den eines fremden Geschäftsführers hier hin- und hergehen zu hören? Meinst du, dieser Mr. Leuoen mit seinen kühlen, tadelnden Blicken sei mir nicht ein Dorn im Auge, wenn er hier aus und eingeht, in der Fabrik sich als Herr gebärdet und mit den jungen Leuten über den Büchern sitzt. Spricht er nicht mit mir, als sei ich schuld an — seines Compagnons —" Sie beendete den Satz nicht.
„Liebe, beste Ella," bat Bettina, sich neben sie setzend und die Schwester umschlingend, „was du damals in der Raserei deines Schmerzes gegen Lörrach ausgesagt hattest, war -"
„Das fehlt mir gerade noch! Ich habe es nicht anders erwartet. Erst thatet ihr alle überzeugt."
„Ich nicht, Ella, ich nicht!"
„Du nicht, aber Vater und Mutter und die Verwandten; sie sahen mich alle, alle geisterbleich an, aber in ihren Augen stand deutlich, sie glaubten mir. — Jetzt —"
„Jetzt ist durch die Verhöre und Lörrachs Freunde vieles anders geworden."
„Fräule in Wtedner — ein rekommandierter Brief, der Postbote muß die Bescheinigung haben, Herr Wiedner hat ihn hierher geschickt," meldete der Diener.
„Ein rekommandierter Brief?" Erstaunt hatte Bettina die ihr ganz fremde Damenhand der Adresse besichtigt. Nachdem sie die Unterschrift gegeben, öffnete sie den Umschlag und las die Unterschrift des Briefes: Hedwig v. Jhlefleth! Ihr nächster Blick fiel auf den Namen Lörrach. Was war denn das? Im äußersten Erstaunen drehte sie mit nervöser Hast das Blatt hin und her.
„Lies doch ordentlich — so wird ja kein Mensch klug daraus," sagte Ella finster. Sie halte sich mit über den Brief gebeugt; die Schwestern teilten gewohnheitsmäßig fast jeden Gedanken, Bettina fand nichts in dieser Indiskretion. (Fortsetzung folgt.)
L e s e f r ü ch t e.
Wer Freunde ohne Fehler sucht, bleibt ohne Freund.
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In der Trockenheit erkennt man die guten Quellen,
in der Not die guten Freunde.
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Wohlthaten sind Rosen an dornigem Stengel; betd müssen vorsichtig gereicht werden, sonst verletzen sie*
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