Mer von 1—9 Jahren.
* Mannheim, 25. Nov. Für Restauration des hiesigen Schlosses bewilligte die Domänendirektion 800,000 Mk.
* In der Abgeordnetenkammer des baierischen Landtags war am Donnerstag Gegenstand der T.-O. der Antrag der Sozialdemokraten, „die Kammer wolle erklären, daß die neuenReichssteuerprojekte, insbesondere die einschneidende Erhöhung der Tabakbesteuerung, sowie die Einführung einer Weinsteuer eine abermalige schwere Belastung des deutschen Volkes darstellen, daß die Einrichtung dieser Steuern der ausdrücklich von den verbündeten Regierungen eingegange- nenVerpflichtung,i>ieKostendesneuen Militärgesetzes nicht aufdieSchultern der Minderbemittelten zu legen, auf das Schroffste widerspricht und daß sich daher die Kammer gegen die erwähnten Steuerprojekte ablehnend verhalten müsse; und an die Regierung die Aufforderung zu richten, die Vertreter Baierns im Bundesrate dahin zu instruieren, daß die vorgelegten Gesetzentwürfe abzulehnen seien." Hierzu sagt der Minister des Aeußern, die Abstimmung des Bundes- rats sei am Montag erfolgt und Vätern habe zugestimmt. Der Antrag sei überholt. Eine Einholung der Ansicht des Landtages sei verfassungswidrig und praktisch undurchführbar; letzteres habe faktisch der zu spät gekommene Antrag Vollmar gezeigt. Die Regierung anerkennt nicht, daß sie einen Druck auf sich ausüben zu lassen habe, weil sie freie Bewegung im Bundesrat haben müsse und die Volksvertretung im Reichstage zum Ausdruck kommt. Das Recht der Kritik werde dem Landtage nicht bestritten. Der Minister rechnet auf die Zustimmung aller staats- erhaltenden Parteien. Der Finanzminister verteidigte die Reichssteuern und bestritt die von Vollmar betonten belastenden Folgewirkungen der Tabak- und Weinsteuer auf die Unbemittelten, die Industrie und die Arbeiter. Die baierische Regierung war in der Weinfrage ebensowenig der Schleppträger Preußens wie Preußen der Schleppträger Baierns in der Tabakfrage. Für Württemberg und Baden war die Lage anders, weil diese schon eine Weinsteuer haben und Einbuße befürchten. Die Schädlichkeit der Aufhebung der Brennerliebesgabe habe er jüngst dargcthan. Wenn keine indirekten Steuern geschaffen werden, müssen direkte genommen werden, die noch mehr beschweren.
* Mainz, 25. Nov. Nach einer Mitteilung aus ärztlichen Kreisen liegen gegenwärtig in den Provinzen Rheinhefsen und Starkenburg 10,000 Personen an Influenza darnieder.
* (Eine treue L>chwä bin.) In der Obermainanlage in Frankfurt verlor ein Herr eine Brieftasche mit 7000 Mk. Ein biederes Dienstmädchen aus Schwaben fand die Tasche und stellte sie ihm zu. Sie empfing 20 Mk. Belohnung.
* Berlin, 23. Nov. In parlamentarischen Kreisen glaubt man, daß der Reichstag die Wetn- steuer ablehnen werde.
* Der „Reichsanz." veröffentlicht das deutsch-englische Abkommen wegen Abgrenzung der beiderseitigen Interessensphären im Hinterlande von Kamerun bezw.
streckenden Gebieten.
* Der Kaiser will, nach einer kürzlich an das Rcichs-Marine-Amt erlassenen Ordre, zur Hebung des Interesses für gutes Schießen an Bord, hervorragende Leistungen in der Ausbildung der Mannschaften im Schießen besonders anerkennen und hat bestimmt, daß ihm das Oberkommando der Marine alljährlich zum 1. November bezw. bei Vorlage der Schießberichte der Marine diejenigen Offiziere namhaft macht, die sich durch außergewöhnliche Leistungen in oer Ausbildung der Mannschaften im Schießen ausgezeichnet haben.
* Die deutsch-russischen Vertragsverhandlungen werden von einem undurchdringlichen Schleier des Geheimnisses umhüllt. Die „Kreuzztg." ist in der Lage, folgendes Mitteilen zu können: „In einzelnen Preßorganen tauchen immer wieder Nachrichten über den angeblichen Stand der deutsch-russischen Handelsvertrags-Verhandlungen auf. Auf wie wenig Glaubwürdigkeit dieselben Anspruch haben, geht aus der Thatsache hervor, daß auf russische Anregung beide Teile vorläufig volle Verschwiegenheit zugestchert haben.
* Die Erträge der dem Reichstage vorgeschlagenen neuen Steuern werden in den Gesetzentwürfen veranschlagt wie folgt:
Tabaksteuer mehr als bisher Weinsteuer 1) Naturwein 2) Schaumwein Stempelsteuer mehr 1) für Aktien rc.
45 000 000 Mk. 12 738 730 „
4 544 848 „
2) „ Kauf und Anschaffungs
geschäfte
3) „ Lottertelose
4) „ Quittungen
5) „ Chers
6) „ Frachtpapiere
4 400 000
11000 000
5 400 000
6 500 000 650000
8500 000
Zusammen 98 733 578 Mt.
Berlin. Als großen Erfolg der deutschen Industrie steht der,Konf/ an, daß vor einigen Tagen die Regierung eines süd amerikanischen Staates in Berlin 20 000 Uniformen im ungefähren Betrage von 600 000 Mk. bei einer Militäreffektenfabrik bestellt hat, ein Auftrag, der bisher stets nach Parts vergeben worden sei.
' Wie die Blätter melden, hat der Kaiser end- giltig die Anbringung einer Wahlurne als Reichsemblem auf dem Kaiser Wilhelm-Denkmal für Berlin abgelehnt, mit der Begründung, daß hier kein Volksmonument, sondern ein Denkmal der Dynastie in Frage komme.
* Berlin, 25. Nov. Die Antisemiten (Reformpartei) beschlossen, gegen die Handelsverträge zu stimmen, dagegen bei dem Jesuitenantrag Jedem die Freiheit der Abstimmung zu überlassen.
* Die Verzinsung der Reichsschuld bildet ein von Jahr zu Jahr erheblich an Bedeutung steigendes Kapital des Reichshaushalts-Etats. Die Summe, die zur Verzinsung der Reichsschuld gehört, ist in den letzten Jahren stets um 5,7 Millionen Mk. gestiegen. Während sie vor zehn Jahren 2,8°/g und vor 5 Jahren 3,9°/y der gesamten fortdauernden Ausgaben des Reichs ausmachte, ist sie allmählich
des nächsten Etatsjahrs gestiegen.
* B o n n, 21. Nov. Das Dunkel über die Ermordung eines siebzehnjährigen Mädchens ist gelichtet. Die Ermordete hat eine Verwechslung mit dem Leben bezahlen müssen. Ein junger Ehemann wollte seiner Frau, die abends auf verbotenen Wegen wandelte, auflauern; in der Dunkelheit irrte er sich in der Person und das unschuldige Mädchen erhielt den tätlichen Stich. Der Thäter soll vor dem Untersuchungsrichter ein Geständnis abgelegt haben.
* (Der Fabrikarbeiter als Millionär.) Eine Riesenerbschaft hat der Fabrikarbeiter P., beschäftigt auf dem Bochumer Verein in Bochum, gemacht. Vor mehreren Jahren wanderte ein naher Verwandter desselben aus seiner Heimat, einem hessischen Dorfe, nach Amerika aus. Kürzlich ist dieser Verwandte unter Hinterlassung eines großen Vermögens unverheiratet gestorben und hat obengenannten P. zum alleinigen Erben eingesetzt. Durch Vermittlung des Bochumer Vereins find die nötigen Formalitäten rc. erledigt worden und find dem mit Glücksgütern so plötzlich reich gesegneten Fabrikarbeiter bereits Samstags seitens Ser Reichsbank 40 000 Dollars ausgezahlk worden. Das in Amerika befindliche Grundvermögen des Erblassers repräsentiert den Wert von vier bis fünf Millionen Dollars. Der Erbe ist Witwer, etwa 35 Jahre alt, mit vier Kindern. Trotzdem derselbe die große Summe ausgezahlt bekommen hatte, erschien er Montag wie gewöhnlich an seiner Arbeitsstätte in der Fabrik.
* Kiel, 24. Nov. Bei seiner heute vormittag 8 Uhr erfolgten Abreise nach der Göhrde ließ der Kaiser den Polizeichef und Bürgermeister Lorey in das Fürstenzimmer des Bahnhofs kommen und beglückwünschte die Kieler Polizei zu dem Erfolge in der bekannten Spionengeschichte. Die Verhafteten seien gefährliche französische Spione und aktive französische Offiziere.
Ausländisches.
* Rom, 23. November. Ueber das Befinden des Papstes hört die „Str. P." aus vatikanischen Kreisen, daß man lebhaft um ihn besorgt ist, obwohl er nicht eigentlich krank ist; der Leibarzt Lapponi aber bemerkte, daß der Papst hinsteche und ein plötzliches Ende leicht eintreten könnte. Man zweifelt, daß der Papst den Win.er überleben wird.
* R o m, 24. Nov. Agencia Stephaui meldet: Der Ministerrat beschloß heute vormittag, zu demissionieren.
* Graz, 25. Nov. Der Zar richtete anläßlich des Todes des Grafen Hartenau ein sehr warmes Telegramm an dessen Mutter, die Prinzessin Battenberg, ebenso kondolierten alle Großfürsten.
* Paris, 24. Nov. Das Ministerium Dupuy ist am Dienstag mit seinem Programm vor die Deputiertenkammer getreten. Es will die auf Verfassungsrevision, Trennung der Kirche vom Staate, Aenverung des Wahlgesetzes und progressive Besteuerung gerichteten Bestrebungen bekämpfen. Die Erklärung richtet sich auch gegen den Sozialismus, was die Sozialisten veranlaßre, ein Mißtrauensvotum gegen das Kabinett zu beantragen.
Er ist der Gröe!
(Fortsetzung.)
Gegen sein besseres Wissen, gegen seinen Willen brach er aus:
„Man soll Frau Harterott rufen, sie soll mir ins Antlitz bezeugen, daß sie im Wahnsinn mich beschuldigt!"
„Frau Harterotts Aussagen werden seiner Zeit wiederholt werden!" war die kalte Antwort.
„Herr Richter! Es ist kein Ehrenmann vor solcher Schmach geschützt, wenn Sie mich verhaften lassen! Nur nicht ins Gefängnis — fordern Sie mein ganzes Vermögen als Pfand."
„Es thut mir leid! Machen Sie keine Weitläufigkeiten — ich sage Ihnen ja, weisen Sie Ihr Alibi nach, wenn Sie können."
„So sei es! Und verwünscht das Haus, das mir nur Unglück brachte!" knirschte Lörrach.
Z „Sie können Ihre Sachen mitnehmen und für Geld alles haben!" flüsterte ihm beruhigend Meier zu.
„Was nach der Ordnung erlaubt ist!" berichtigte Strubel.
Vor der Thür hatte sich ein ungeheurer Menschenhaufen angesammelt.
Und aller Augen sahen ihn an. Entsetzlich! „Da ist er! Das ist er!" ging es durch die Menge. Und in die atemlose Stille hinein klang plötzlich eine Stimme: „Ohne Sorge, Herr Lörrach, dem Willy Preuß seine Unschuld haben wir schon heraus, Ihre wollen wir auch wohl an den Tag bringen."
Es war eine rohe, ungebildete Stimme und doch klang sie Lörrach wie eine himmliche Verheißung ins Ohr.
Die ganze Stadt geriet in Aufruhr über diese letzte Neuigkeit.
Der feine, liebenswürdige Mann sollte Harterott umgebracht haben? Die allgemeine Entrüstung fand in der Stadtzeitung und in allen öffentlichen Lokalen, fast noch mehr in den Familienkreisen und Kaffeekränzchen Ausdruck.
So groß das Mitleid mit Frau Ella Harterott auch war, so zeigte sich doch jetzt, daß sie sich wenig aufrichtige Sympathien erworben hatte, und als nun gar bekannt wurde, daß sie es gewesen, die gleich zu allererst gerufen hatte: Lörrach liebe sie, er sei Harterotts Erbe, er sei der Mörder, da kannte die Entrüstung keine Grenzen und wenn hier und da der Einwand laut wurde, sie habe in der Exaltation des furchtbaren Schmerzes dies alles sinnlos herausgestoßen, so blieben die Folgen sich doch gleich und man grollte der Unglücklichen bitter.
Natürlich kam jetzt auch zur Sprache, daß sie mit Lörrach verlobt gewesen war. Andere wollten wissen, die Wievners hätten seine Verlobung mit Bettina gewünscht und auf alle Weise herbeizuführen getrachtet. Wieder andere ergänzten dies Gerücht, Lörrach sei, um Bettina zu vermeiden, immer in Warmenau gewesen.
Dann flog plötzlich die Kunde von Mund zu Mund, der unglückliche Willy Preuß sei unschuldig; man habe ganz unerhörte Entdeckungen gemacht. Aus
dem Krankenhause sei der Genesene sofort weggeschafft un.> aufs Land zu seinem Großvater gebracht worden.
Dazwischen fiel das Begräbnis Harterotts. Es hieß, daß sich noch vor demselben Gläubiger mit ganz erheblichen Posten gemeldet hätten; die Finanzlage Harterotts habe schon seit einiger Zeit zu ernsten Bedenken Anlaß gegeben.
Fritz Lörrach wurde von dem allem nichts gewahr. Der Schlag, der seine Ehre getroffen, war zu hart, er warf ihn fürs erste völlig danieder und zugleich kam damit die Reaktion nach all den Aufregungen dieser Tage.
Stumm, teilnahmlos, ohne zu essen, ohne zu schlafen, lag er auf dem für sein Geld beschafften Bett und zermarterte sich mit wirren Gedanken, die ihm wie ein Mühlrad in beständig gleichmäßiger Reihenfolge und Wiederholung im Kopf herum gingen.
Ein dumpfes, unruhiges Sehnen nach Freiheit, frischer Lust, Bewegung erfüllte ihn,'; ein unruhiges Warten auf eine Kunde von Hedwig, aber, obwohl er darunter litt, kam ihm doch nicht die Energie, sich aufzuraffen, ja nicht einmal das klare Bewußtsein, daß er diese Energie haben müsse.
Wenn der Gefängniswärter ihn anredete oder ihm tröstend und ermutigend zusprach, wandte er stumm den Kopf nach der Wand; als man ihm den Arzt schickte, antwortete er nur höflich, ihm fehle nichts als das Alleinsein.
Man hatte ihm ein anständiges Zimmer gegeben ; der Gefängniswärter brachte ihm aus eigenem Antriebe und wohl bedenkend, daß jede Liebesthat