migswtge zugestanden werden können. Für Landwirte, welche in Gegenden wohnen, wo der Futtermangel in Bälde voraussichtlich wieder fühlbar werden wird, ist folgendes von Wichtigkeit. Es kann eine Stund­ung der Abgabe auf 6 Monate gegen Bürgschaft schon von einem Betrag von 20 Mk. ab stattfinden. Es wird den Landwirten, welche eine eigene Brennerei nicht haben, angeraten, mehlige Stoffe in fremden abzubrennen, um dadurch Viehfutter zu gewinnen. Auch das Verarbeiten von nichtmehligen Stoffen (Obst, Trestern) zu Branntwein wird empfohlen und dabei möglichste Rücksichtnahme in steuerlicher Beziehung zu- gestchert. Die Organe der Steuerverwaltung werden mit Rücksicht darauf, daß viele Brenner ihre Brenne­rei, die schon lange ruhte, nunmehr wieder in Betrieb setzen, daß viele Brennereien von unerfahrenen Mietern benützt, daß minderwertige Materialien Verwendung finden werden, den Ausbentesatz vorsichtig und nicht zu Ungunsten des Steuerpflichtigen ansetzen und das Publikum in jeder Weise belehren und mit Ratschlä­gen unterstützen. Dieses Entgegenkommen des Ftnanz- ministers wird nicht verfehlen, landauf landab den besten Eindruck hervorzurufen.

-o. Altensteig, 17. Nov. Die Württembergische Volkszeitung bringt in ihrer Nummer 267 einen Be­richt aus dem Oberamt Nagold, in welchem in aner­kennender Weise der Errichtung von Jünglingsheimen hier und in Nagold gedacht wird. Der Artikel schließt:Möchten doch andere Städte den Beispielen von Nagold und Altensteig Nachkommen und auch solche Aufenthaltsorte für die jungen Leute errichten! Dadurch würden doch manche vor dem zwecklosen Um­herschweifen im Freien, vor dem heimlichen Rauchen, vor dem Wirtshausbesuch, vor dem Kartenspiel, über­haupt vor allem verderblichen Unfug, auf den eben solche junge zu Uebermut und Bosheit leicht geneigte Burschen gerne kommen, in vortrefflicher Weise be­wahrt." Diesen Worten fügt die Red. der Württbg. Volksztg. folgende Sätze bei:Gewiß sind solche Veranstaltungen lobens- und nachahmungswert und verdienstlich, wenn sie vom Wirtshausbesuch abhalten. Dagegen haben wir für die Furcht vorzwecklosem Umherschweifen im Freien" kein Verständnis. Es ist nicht Aufgabe, Stubenhocker zu erziehen; am Sonn­tag nachmittag soll der Lehrling, der die Woche über hinter dem Ladentisch oder der Hobelbank gestanden hat, in erster Linie ins Freie, sich regen und bewegen, in munterem Marsche oder Spiele die Muskelkraft stärken und die Lungen ausputzen und zwar bei gutem und schlechtem Wetter. Wenns dann dunkel wird, ists noch Zeit genug in Knabenhorte u. s. w. zu gehen und dort auch den Geist etwas zu beschäftigen. Dabei empfehlen wir den Stadtverwaltungen, den Burschen noch ein Vesper, bestehend in einem tüchtigen Stück Brot und womöglich auch etwas Obst zu reichen, das wird die Anziehung noch verstärken."

-n. Ebhausen, 16. Nov. Der Holzhauer I. G. Beutler, Vater von 4 erwachsenen Kindern wurde am letzten Montag im hiesigen Gemeindewald von einer fallenden Tanne erfaßt, zu Boden geschleudert und erhielt dadurch am Kopf und an der Brust schwere Verletzungen. Glücklicherweise geht es dem Mann bester, als man anfangs befürchtete; innerliche Verletzungen hat er allem nach nicht davongetragen.

-Reutlingen, 15. Nov. Der Bäckergeselle Liemer hat gestern abend, erdrückt von den im Laufe der Untersuchung gegen ihn zu Tage geförderten Be­weisen, seine Unthat und seine alleinige Thäterschaft eingestanden. Nach seiner Darstellung hat er die That aus Rache darüber begangen, daß ihn sein Meister am Tage zuvor gescholten habe. Er will etwa eine halbe Stunde unschlüssig am Bette seines Meisters gestanden haben, bis dieser munter wurde und auf ihn zukam. Da erfolgte die grausige That (Die Frau Bertsch ist nun ihren schweren Verletzungen erlegen.)

* Stuttgart, 14. Nov. In Geschäftskreisen sollen sich, wie derW. V.-Ztg." geschrieben wird, die Klagen mehren, daß bei Vergebung von staatlichen Arbeiten auf die inländische Industrie zu wenig Rück­sicht genommen und daß vielfach Bezüge aus dem Auslande gemacht werden, die bei den inländischen Steuerzahlern ebenso gut gedeckt werden könnten. Es wird in dieser Hinsicht auf die Berichte der Handels­und Gewerbekammern von 1892 verwiesen. Der Ver­dienst der Handwerker ist bei derartigen Arbeiten auf das bescheidenste Maß schon durch die Submissionen herabgedrückt, dabei soll gespart werden, das vorschrifts­mäßig zu verwendende und aus Berlin, Kassel und anderen Orten zu beziehende Material kostet aber mit unter gerade noch einmal so viel, als entsprechend gutes, das Württemberg herstellt. Auf Befragen des betreffenden Beamten, der die Arbeiten unter sich hat, erfolgte meistens die trostreiche Antwort:Es ist eben von oben so Vorschrift." Der praktische Geschäfts­mann, dem langjährige Erfahrungen zur Seite stehen, verwendet aber das vom grünen Tisch entworfene Material nur da, wo er absolut muß, in Fällen, wo er die Wahl hat, gewiß nicht, sondern er hält sich an das, was er längst als gut kennt; er unterstützt da­durch die einheimische Industrie mehr als diejenigen Stellen, dre dafür den Beruf haben sollten. Und das Resultat? Die Leute werden unzufrieden und die Wahlen ergeben Abstimmungen, an denen diejenigen keine Freude haben können, die es mit dem Vaterland gut meinen und die das Ansehen der Regierung ge­stärkt sehen wollen.

"(Verschiedenes.) Zu der jüngst gebrachten Warnung, das Vieh nicht mit gefrorenem Grünfutter zu füttern, kommt heute ein weiterer Beleg. JnKün- zelsau mußte ein Viehbesitzer 2 Stück Vieh schlach ten, die mit gefrorenem Klee gefüttert worden waren, eine dritte Kuh konnte noch gerettet werden. Dem Wagner Joh. Stumm inOßweil wurde vom Kgl. Kriegsministerium die Summe von 4690 Mk. als einmalige Entschädigungssumme für seinen 21 Jahre alten Sohn ausbezahlt, der am 24. Juli d. I. auf dem Felde arbeitend, von einer verirrten, vom Schieß­platz bet Poppenweiler hergeflogenen Kugel zu Tode getroffen wurde. Der Handelsmann I. Falk von Steinbach bei Hall war letzter Tage in der Holz- wollfabrik in Mittelfischach. Als er sich etwas an der Maschine zu schaffen machte, wurde ihm ein Arm abgerissen. Der 6jährige Knabe des Steinhauers Staudt inAsperg war neulich mit dem Abschneiden von Rüben beschäftigt, als er plötzlich heftig niesen mußte. Beim Nicken des Kopfes fuhr ihm die Spitze des in der Hand gehaltenen Messers so unglücklich in das Auge, daß dasselbe in der Augenklinik in Stutt­

gart herausgenommen werden mußte. Aus Lebens­überdruß ließ sich ein junger Mann in Aalen vom Zug überfahren. Er war sofort tot.

* Berlin, 16. Nov. Ueber die Kieler Spionen- Affatre verlautet, der Kaiser habe sich über die Ge­schicklichkeit der Untersuchung überaus anerkennend ausgesprochen. Alle an der Untersuchung beteiligten Beamten erhielten Auszeichnungen. Das Resultat der Untersuchung wurde bereits der französischen Re­gierung bekannt gegeben.

* Unter dem TitelModerner Jesuittsmus" bringen diePreuß. Jahrbücher" eine neue Veröffent­lichung des Grafen Paul von Hoensbroech, die eine Ergänzung zu dessen Schrift:Mein Austritt aus dem Jesuitenorden" bildet. Graf Hoensbroech be­kennt darin, daß er nicht mehr auf katholischem Boden stehe und daß der Bruch mit der katholischen Kirche seinem Austritt aus dem Jesuitenorden voran­ging und für denselben bestimmend war.Wären meine religiösen Ueberzeugungen schreibt er nicht ins Wanken geraten und gestürzt: ich hätte nie den Jesuitenorden verlassen, so sehr auch sein System und Wesen mir widerstrebte. Ich hätte es als Pflicht betrachtet, auszuharren und meine Persönlichkeit in die Schanze zu schlagen, um meinen Glaubensgenossen- das Aergernis, meiner Familie das schwere Leid zu ersparen. Als aber der Glaube an die Kirche wich, da gab es für mich nur mehr einen Weg: den, so ich gegangen bin." Diese Erklärung, die der Ver­fasser abgiebtgewiß nicht aus Freude an der Geg­nerschaft zu seiner früheren Kirche", sondernaus Liebe zur Wahrheit und zur Klarheit" begleitet die Versicherung, daß er durchaus am positiven Christen­tum festhalte. An Zitaten aus modernen jesuitischen Schriftstellern, die als Professoren den Nachwuchs des Ordens bilden und erziehen, entwickelt sodann Graf Hoensbroech die heutigen Ansichten und Ziele des Jesuitenordens insbesondere über das Verhältnis von Kirche und Staat, Kirche urd Schule und giebt Beispiele jesuitischerGewiffensleitung." Wir hebe» daraus folgendes hervor:Anna, die einen Ehebruch begangen hat, antwortet ihrem Mann, der dies ver­mutet und sie fragt, das erste Mal: sie habe die Ehe nicht gebrochen; das zweite Mal, nachdem sie von der Sünde schon losgesprochen worden ist, ant­wortet sie:eines solchen Vergehens bin ich nicht schuld g." Endlich, das dritte Mal, da ihr Mann in sie dringt, leugnet sie den Ehebruch ganz und gar und sagt:Ich habe den Ehebruch nicht begangen," indem sie dabei denkt, einen Ehebruch, den ich offen­baren müßte: oder:Ich habe keinen Ehebruch be­gangen, den ich Dir offenbaren müßte." Hat Anna in einem dieser Fälle unrecht gehandelt? In allen drei Fällen ist Anna von der Beschuldigung der Lüge freigesprochen. Denn: das erste Mal konnte sie sagen, sie habe die Ehe nicht gebrochen, da die Ehe ja noch bestand. Das zweite Mal konnte sie sagen, sie sei des Ehebruchs nicht schuldig, da ja nach geschehener Beichte und erhaltener Lossprechung ihr Gewissen durch den begangenen Ehebruch nicht mehr beschwert wurde, indem sie die moralische Ge­wißheit hatte, daß ihr derselbe verziehen sei. Auch das dritte Mal durfte sie nach probabler Meinung

Gr ist der Erve!

Roman von L. H a i d h e i m.

(Fortsetzung.)

Und da hat er wohl gedacht, er könne meiner Tochter, die ihm so bereitwillig entgegen kam, Flat- tusen und allerlei Liebesunsinn in den Kopf setzen?" rief er zornig.

Vater Herr Lörrach ehrt deine Tochter «ehr als du selbst! Er hat kein Wort zu mir gesagt, daS du nicht hören könntest!" rief sie ebenso auf­brausend.

Das wollt' ich dem jungen Herrn auch geraten haben!" versetzte der Baron, und dann setzte er höh­nisch hinzu sie kannte ihn wohl, der heftigste Aerger wurde bei ihm geradezu boshaft:

Der junge Herr wird deine Liebenswürdigkeit gegen ihn hoffentlich für ländliche Ungezogenheit ge­nommen haben, er weiß, daß du keine Mutter hast."

Herr Lörrach hat keinen Grund, von mir gering zu denken, und würde das hoffentlich auch von der Tochter meines Vaters nicht wagen. Du hast ihn auf das freundlichste ausgezeichnet, Papa, und ich meine, er war es wert. Gegen mich bist du immer ungerecht, ich bin ja auch wehrlos!"

Und Fräulein Hedwig weinte.

Aha! Wehrlos! Möchtest dich wohl am liebsten mit mir duellieren?" lenkte der Papa ein. Aber bann dachte er doch wieder an die Art seiner Tochter, den Englishman zu loben; ihm fiel ein, wie die beiden

miteinander verkehrt hatten. Seine Schuld! Erließ es unter seinen Augen so weit kommen. Und auf der einsamen Füllenwiese! Nein, es war unerhört.

Was habt Ihr denn dahinten in den Wiesen zu thun wo kein Mensch hinkommt?"

Wir suchten zuletzt Champignons Grete hat sie mit nach Haus genommen."

Grete? Wo kam die denn her? Unsere Grete?"

Gott, Papa, sie und Nina kamen zum Melken, die Kühe sind ja in der Füllenwiese."

Na ein anderes Mal verbitt' ich mir der­gleichen Amüsements hinter meinem Rücken, verstan­den? Werde übrigens schon selbst aufpassen!"

Ich habe dir ehrlich die Wahrheit gesagt, Papa, aber die kannst du natürlich nicht vertragen, obwohl du immer von Wahrheit redest!" schluchzte die Tochter tief gekränkt.

Ich die Wahrheit nicht vertragen? Du hättest mir mal mit einer Lüge kommen sollen!"

So? Wenn ich mich nicht selbst zu gut dazu hielte, so wüßtest du doch jetzt nichts."

Ja, das weiß der Kuckuck, Mädchen zu hüten ist eine Teufelsarbeit"

Du brauchst mich nicht zu hüten, Papa, ich thue es schon selbst und"

Na ruhig im Glied! Meinst du, ich will mich mit dir in einen Zungenkampf einlassen? Darin seid ihr Weiber uns über, das ist gewiß. Und nun mach', daß du ins Bett kommst."

Und er gab ihr versöhnt einen Kuß. Aber sie traute ihm nicht recht; aus seiner Stimme klang so

etwas wie:Da werde ich doch geeignete Maßregeln treffen."

Recht lange lag sie noch wach. Es machte ihr viel Sorge, daß der Vater so zornig gewesen war und ob er es nun wohl gegen Lörrach werden würde.

Der arme Herr Lörrach! Welch' schreckliches Nachspiel hatte er erlebt zu seinerJagd auf dem Anstand," über die sie beide sich so herzlich amüsiert hatten.

Am andern Morgen, als Fräulein Hedwig aus ihrem Zimmer trat, um mit dem Papa Kaffee zu trinken, schleppte eben Louis, der Diener, einen riesen­haften altmodischen Koffer, mit Seehundsfell über­zogen, vom Boden.

Was giebt's, Louis, ist etwas daran entzwei?" fragte die junge Dame.

Nein, gnädiges Fräulein, ich soll ihn in Ihr Zimmer tragen, gnädiges Fräulein möchten sogleich nach dem Frühstück einpacken.

Einpacken?" Eine schreckliche Ahnung ging in Hedwigs Geist auf.Aber wir reisen ja erst in acht Tagen," rief sie.

Der gnädige Herr haben es wohl anders be­schlossen. Sie haben ihren Koffer schon fertig

heute mittag soll es losgehen."

* *

Der Zustand, welcher in Frau EllaS Zimmern, im ganzen Hause herrschte, als Fritz Lörrach mit seines Vetters Leiche anlangte, war unbeschreiblich.

Man hatte auf Veranlassung des Gasberger Pastors sofort nach den Eltern der jungen Frau ge-