leugnen, daß sie einen Ehebruch begangen habe, bei sich denkend: einen solchen, den sie ihrem Manne hätte gestehen müssen. Gerade so, wie ein Angeklag­ter einem Richter, der unrechtmäßiger Weise fragt, antworten darf: »Ich habe das Verbrechen nicht be­gangen," indem er darunter versteht,so daß ich es gestehen müßte." (Gury, 8. ll. Onsus Oonsiosntia. Däit. oota.v. ?Li'isÜ8 1891. Voi. I. paZ. 182. 184). Seine Betrachtung über diesen Fall schließt Graf Hoensbroech mit folgenden Worten:Ich glaube, man wird verstehen, warum ich gerade dieses Beispiel jesuitischer Gewissensleitung gewählt habe. Es ist ein einzig bestimmter Fall, angeknüpft an ein einzel­nes bestimmtes Vergehen, den Ehebruch; aber die Entscheidung über diesen Fall eröffnet Ausblicke auf Grundsätze, die in ihrer Wirksamkeit wahrhaft zer­störend auf Treue und Glauben in allen Gebieten des menschlichen Verkehrs einflteßen müssen. Mit dem vollen Bewußtsein dessen, was ich sage, behaupte ich, der Jesu tismus erzieht systematisch zu solchen Unwahrheiten. Ich selbst habe oft die Erfahrung gemacht, daß auch bei den täglichen Vorkommnissen des Lebens der echte Jesuit die Mittel, die hier in diesem Beispiel der ehebrecherischen Anna an die Hand gegeben werden, auch selbst benutzt; und diese Unaufrichtigkeit, diese unwahre Gewundenheit im gegenseitigen Verkehr war für mich stets eine drückende Wahrnehmung.

* Die Finanzminister von Bayern und Würt­temberg, Frhr. v. Riedel und Dr. v. Riecke, sind am Sonntag in Berlin eingetroffen, um an den in diesen Tagen stattftndenden Verhandlungen des Bundesrats über die neuen Reichssteuergesetze teilzu­nehmen. Bekanntlich schweben noch bezüglich der Weinstcuer erhebliche Differenzen. Darauf ist offen­bar die sonst ungewöhnliche Beteiligung der süd­deutschen Finanzminister an den Bundesrats-Verhand- lungen zurückzuführen.

' Nach denHamb. Nachr." haben die russi­schen Unterhändler beiden deutsch-russischen Zollverhandlungen ein vorläufiges Abkommen vor­geschlagen, das aber diesseits als unannehmbar ab- grlehnt worden ist.

* Hannover, 15. Nov. Heute begann vor der Straskammer des Landgerichts das Nachspiel zu dem großen Spieler- und Wucherprozeß. Des gewerbs- und gewohnheitsmäßigen Wuchers sind angeklagt: Rentier Krain und Frau Guhl aus Berlin, Agent Hollmann, Agent Hirsch und Witwe Schwietzer aus Hannover. Den Vorsitz des Gerichshofs führt wiederum Landgerichtsdirektor Heinrot. Die Staatsanwaltschaft vertritt Gerichtsasscssor Seel.

"Köln, 16. Nov. Bei einem Festessen in Gürzenich anläßlich der Einweihung des neuen Postgebäudes brachte Staatssekretär Stephan den Toast auf den Kaiser aus. Wer das Glück habe, in der Nähe des Monarchen zu weilen, der wisse, mit wie scharfem Geist der Kaiser alle zum Wohlstände der Nation führenden Elemente durchdringe, dazu gehöre auch das Verkehrswesen. Der Kaiser verfolge mit ein­gehendem Interesse alle Fortschritte desselben. Die sicherste Gewähr für das Gedeihen und die Entwicklung des Handels und Verkehrs sei der Friede; alle wissen, mit welcher Weisheit der Kaiser auf die Erhaltung

dieses kostbaren Gutes bedacht sei. Die Verstärkung der Machtmittel habe nur diesen Zweck. Deutschlands Freunde wissen, was sie an deutscher Treue und Macht für Helfer haben.

* Hamburg, 15. November. Wegen der be­kannten Eisenbahnbillet - Schwindeleien ist nunmehr gegen fünfzig Personen Anklage erhoben worden.

Ausländisches.

* Eine unheimliche Fahrt haben, wie man der N. Zürch. Ztg. schreibt, 8 Insassen des Schnellzugs Padua-Bologna dieser Tage erlebt. Dieselben, worunter 2 Damen, befanden sich im letzten Wagen des Zugs, der schon bald nach der Ausfahrt aus der Station Monselice die zwei Hinteren Räder verlor und den es dann bald darauf aus den Schienen warf. Für die in dem Wagen befindlichen Reisen­den war es ein wahres Martyrium. Eine Abwechs­lung von zweifelhaftem Vergnügen mit dem bestän­digen Schwanken des Vehikels bildeten die durch das Fahren über die Holzschwellen erzeugten, in regel­mäßigen Zwischenräumen sich wiederholenden, nicht geringen Erschütterungen, die um so empfindlicher waren, als der Zug eine sehr große Schnelligkeit hatte. Um das Maß voll zu machen, explodierte noch der Gasbehälter, und im Wagen war's dunkle Nacht. Die eine der Damen fiel in Ohnmacht und die andere schien fast wahnsinnig vor Schrecken. Selbst der durch die Explosion verursachte Lärm ver­mochte das Fahrpersonal nicht auf die kritische Lage der Insassen des Wagens aufmerksam zu machen, kein Wunder darum, daß auch die Hilferufe aus den Fenstern unbeachtet blieben, und so mußten die Armen fast 15 Kilometer auf solche Weise durchfahren, und erst als der Zug auf der nächsten Haltstation an- fuhr, wurden sie erlöst. Der Schrecken war aufs Höchste gestiegen, als der Zug eine Brücke passierte, deren Holzbretter der Wagen aufrtß.

"Paris, 16. Nov. Die Morgenblätter mel­den aus Marseille: Vor dem Hause des Komman­deurs des 15. Armeekorps ist eine Bombe geplatzt; Schilderhaus und Fenster sind zertrümmert. Per­sonen wurden nicht verletzt. Eine zweite Bombe wurde im Flure des Hauses gefunden. Ein Italiener ist verhaftet.

* Toulon, 15. Novbr. Gestern nacht brach Feuer in einem beim Bahnhof Frejus gelegenen Militärbarackenbau aus. Das Gebäude enthielt be­deutenden Vorrat an Kriegsmunition und Lebens­mitteln. Das Feuer dauert noch fort. Die Offiziere des technischen Korps erklärten, daß wegen der in der Baracke befindlichen zwei Tonnen Explosivstoffe heute nacht eine Explosion eintreten müsse, übrigens ohne ernste Folgen. Die Ursache der Feuersbrunst in unbekannt. Der Schaden beträgt über 100 OSO Lire. Menschenverlust fand nicht statt.

* Die Flottenfrage steht in England noch im­mer in erster Linie auf der Tagesordnung. Die Times" stellen in einem Artikel Vergleiche an be­züglich der europäischen Flotten und bestehen darauf, die englische Flotte auf einen unüberwindlichen Stand zu bringen, selbst wenn weitere 100 Mill. Pfund für die Vermehrung der Flotte ausgegeben werden müßten.

schickt; Bettina war mitgekommen, der Arzt wurde geholt, andere Verwandten eilten herbei, denn die Schreckenskunde flog wie ein Lauffeuer durch die Stadt, und während sich alle um die Verzweifelnde drängten, fiel diese aus einer Ohnmacht und einem Krapfanfall in den andern.

Gehen Sie nicht hinein! Sie rast, sie kann Sie heute nicht sehen," flüsterte der Pastor Lörrach zu und sah ganz krank aus von den Szenen, die er mit angesehen.

Es drängte Fritz, Ella nur ein Wort zu sagen aber auch ihr Vater wies ihn zurück.

Beleidigt durfte er sich nicht fühlen, wenn er sich die arme Fra« vergegenwärtigte, und doch war es ihm, als hätte man ihn, den Freund und Ver­wandten, ebensowohl zu Ella lassen können als die anderen.

Die Mägde in der Küche hielten es für ihre Pflicht, möglichst laut zu weinen. Die Knechte stan­den dabei und machten ernste Gesichter, die Kommis waren auf die Nachricht hin, die sich erst nach Schluß der Kontorstunden verbreitete, wiedergekommen. Mit ihrer Hilfe bahrte Lörrach den Toten, dessen Züge ruhig, ja fast heiter waren, auf.

Der Arzt untersuchte die Wunde und ließ sich von Lörrach beschreiben, wie das Unglück zugegangen sein könnte, und bestätigte dann, daß der Schuß den sofortigen Tod herbeigeführt haben müsse.

Sie will ihn sehen!" kam auf einmal die Kunde aus den Zimmern der Frau und alle stoben aus­einander.

Der Doktor nur blieb und als er Lörrach fra­gend ansah, erwiderte dieser:

Ich muß sie sehen, und sie muß doch wissen wollen, wie ich ihn fand. Besser alles heute, als morgen diese Szene erneuern."

So zogen sie sich in das Nebenzimmer zurück, in dem Gefühl, daß dieses erste entsetzenvolle Wieder­sehen durch keinen Zeugen gestört werden sollte.

Aber mit Frau Ella kamen die Eltern, die sämt­lichen Verwandten.

Sie war, als sie eintrat ruhig vor Ermattung; beim Anblick der Leiche schrie sie aber laut auf und sank neben derselben auf die Kniee in fassungslosem Schmerz.

Fritz Lörrach, in tiefster Seele erschüttert und blaß werdend bis auf die Lippen, sah sie kaum so daliegen, als er, ohne sich Rechenschaft zu geben von dem Impuls, schon neben ihr war, ihre Hand er­greifend und fast erstickt von seiner Bewegung bittend:

Ella! Ella! Tragen Sie das Unglück in Ge­duld! Ach, arme Ella, wer hätte das geahnt?"

Aber was war das?

Ella entriß bei dem ersten Laut von Lörrachs Stimme zusammenschauernd, ihm ihre Hand, sie sah ihn so sonderbar an, scheu, zornig, durchbohrend, und wandte sich von ihm, warf sich in ihres Vaters Arme und rief:

HanS! Hans! Wenn du sprechen könntest!" Und dann brach sie wieder in krampfhaftes Schreie» aus.

Betreten und doch noch mitleidsvoll war er zu­rückgewichen. Es that ihm sehr leid, daß er sich ihr

* Die Führer der Aufständischen in Brasilien haben, wie nunmehr auch von anderen Seiten be­stätigt wird, beschlossen, offen für die Wiederherstellung der Monarchie einzutreten.

Gemeinnütziges.

* Sammelt das Laub. Kaum irgend etwas anderes liefert so vorzügliche Blumenerde wie das Laub. Namentlich zum Einpflanzen von Blumen in Töpfe ist es vorzüglich, da sich bet den in Lauberde ge­pflanzten Blumen erfahrungsmäßig weit seltener Wurzelkrankheiten aller Art, Würmer rc. einstellen, als bei Benutzung von Erde, die von verrottetem Dünger rc. stammt. Schon aus diesem Grunde sollte das Laub möglichst sorgsam zusammengebracht und kompostiert werden. Es findet das Laub aber auch gute Verwendung zur Erwärmung der Mistbeete im Frühjahr. Einmal kann man die Wirkung des Düngers mit demselben unterstützen, andererseits aber auch durch Untermischen desselben mit Laub verlang­samen und somit auf längere Zeit verteilen, was namentlich beim Pferdemtst oft sehr wünschenswert ist. Zur Bereitung der Lauberde für Topfpflanzen bringt man das Laub in Haufen und übergießt es von Zeit zu Zeit mit Jauche.

Handel «ad Berkehr.

"Stuttgart, 15. Nov. Nachdem das Aus­fuhrverbot in Oesterreich-Ungarn aufgehoben ist, macht sich von dorther wieder eine namhafte Zufuhr von Wiesenheu geltend. Während das Verbot bestand, wurde viel Heu aus Oberttalien hier eingeführt. Unter den vom Ausland importierten Getreidearten wiegt galizischer Haber vor, der nach Eintritt deS deutsch russischen Zollkrieges den früher in großen Quantitäten eingeführten russischen Haber vollständig vom Markte verdrängt hat. Auf galizischem Haber ruht nach Inkrafttreten des deutsch-österreichischen Handelsvertrags noch ein Einfuhrzoll von 2 Mk. 80 Pfg. pro Meterzentner, während russischer Haber 6 Mk. Zoll jetzt zu zahlen hat.

* (DieSpeisung der Fünftausend.") Ein Geistlicher in Irland predigte über dieses Thema, machte aber einen Fehler beim Lesen des Textes und las:Und sie speisten fünftausend Menschen mit fünf­tausend Laiben Brod und zehntausend Fischen". Ein alter Irländer, der in der Kirche zugegen war, machte die Bemerkung:Das ist doch kein Wunder, das könnte ich auch!" Der Prediger hörte dies, wählte am darauffolgenden Sonntag denselben Text, las aber diesmal richtig:Und sie speisten fünftausend Personen mit fünf Laiben Brot und fünf Fischen." Er wartete einen Augenblick, beugte sich über den Rand der Kanzel vor und stellte halblaut die Frage:Könntest du das ebenfalls thun, Murphy?"Sicherlich, Hochwürden," antwortete Murphy.Und auf welche Weise?O," antwortete Murphy,mit dem, was am vorigen Sonntag übriggeblieben ist!"

_ Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altenstetg. _

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gezeigt hatte, es war ein Mißgriff, aber er hatte eS gut gemeint.

Da fiel sein Blick auf die anderen.

Was hieß das? Wie geisterhaft sahen sie alle aus und blickten so scheu an ihm vorbei.

Der alte Wiedner winkte ihm mit der Hand, beiseite zugehe», aber wie abweisend, wie eiskalt war seine Miene. Und wie freundlich hatten sie alle ihn behandelt.

Aber diese Gedanken und Wahrnehmungen husch­ten ihm wohl durch den Kopf, ohne jedoch feste Ge­stalt auzunehmen.

Er trat zurück in das Nebenzimmer. Der Doktor war daraus verschwunden. Und keiner kam zu ihm, keiner sagte ihm ein Wort er war doch der erste, der Haus gefunden, er hatte ihn gebracht.

Sind sie so böse mit mir wegen Bettinas?"

Auch der Gedanke glitt nur schattenhaft an ihm vorüber. Im nächsten Augenblick schon entschuldigte er alle. Ellas Schicksal lag ihnen selbstredend mehr am Herzen, als er und seine Stimmung.

Fritz begab sich auf sein Zimmer. Einen der Knechte veraulaßte das Fräulein Lina, dem dir Stelle schon gekündigt worden war, ihm Thee und etwas zu essen zu schicken.(Fortsetzung folgt.)

ß h a r a d e.

Das Erste muß halten der trotzige Knecht,

Kommt er dem Herrn in dem Zweiten,

Das Ganze ist ein stilles Geschlecht Verfolgt als schädlich, doch ob mit Recht,

Darüber ließe sich streiten.

Auflösung folgt in nächster Nummer.