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Amts- and Aiyeigeblatt für dm Oberamtsdesirk Calw.
8K. Zahl,ms.
Ikrscheinungrtllg«: M«ntaa, Dtrnrtag. Mittw»ch, S»nner«t»g, Freitag und Sam« tag. Jnsertt-nlprei» II Psg. pr» Zeile für Stadt u. Be>irk»orte; außer «e,trr II Bsg.
Samstag, den 2. September 1911.
, „ ^r.i.d.Stadt'/^LHrl.m.rrägerl.Mk.l.SS. Postbezugspr. -.d.OrtS-u. NachbarortLverk. ' .jährl. Mk. 1.20, im Fernverkehr l!k. 1.30. Bestellg. in Württ. 30 Psg., in Bayern u. Reich SIPfg.
Amtliche Vekaimtinachr,nge»r
Erlaß an die Herrn Ortsvorsteher, betr. das Beizen der Saatsrncht.
Auf die im „Calwer Wochenblatt" Nr. 195 erschienene Aufforderung obengenannten Betreffs sind bei der K. Anstalt für Pflanzenschutz in Hohenheim nur aus 3 Gemeinden Bestellungen eingekommen.
Es wird daher wiederholt auf die empfohlene Formalinbeize aufmerksam gemacht und bemerkt, daß dieses Mittel sich lange Zeit unverändert aufbewahren läßt.
Bestellungen können noch gemacht werden. Der Versand beginnt am 5. und endet am 15. d. Mts.
Calw, 2. September 1911.
K. Oberamt.
Binder.
Tagesueuigkeite«.
* Calw 2. Sept. Der Obstertrag aus den städtischen Baumgütern und Allmanden ergab einen Erlös von 263 ^ 20 A Das Quantum war zu rund 50 Ztr. geschätzt. Der Zentner kommt durchschnittlich auf 5 ^ 25^ zu stehen. Die Steigerung war sehr lebhaft.
Freudenstadt 1. Sept. (Andere Zeiten.) Er ist noch nicht so lange her, daß Freudenstadt den Ruf genoß, vermöge seine« Waldreichtum« nicht nur ohne Steuern auszukommen, sondern auch seinen Bürgern einige 30 ^ jährlich auszubezahlen. Damit ist e» feit einigen Jahren vorbei. Bereits 1908 beschlossen die bürgerlichen Kollegien eine Umlage von 45000 Jetzt ist sie auf 81 000 ^ gestiegen und e« waren sogar 91000 ^ beantragt. Die Folge ist die Einsetzung einer Sparkommissio», die auf eine Herabsetzung der wachsenden KommuvalauS gaben bedacht sein soll.
Stuttgart, 1. Sept. (Brand.) Heute Abend um b/«7 Uhr entstand wiederum in der Pianofortefabrik von Lipp L Sohn in der Schillerstraße im Souterain de» Fabrikgebäude» Feuer. Die sofort herbeigeeilte Hauplfeuer- wehr griff sofort unter Leitung des Branddirektors Jacoby da» Feuer energisch an, so daß in kurzer Zeit jede Gefahr beseitigt war. I» den Fournier- werkstätten wurde ein nicht unbeträchtlicher Schaden angerichtet. Bei den Löscharbeiten erhielt ein Feuerwehrmann erhebliche Verletzungen am Unterarm. I» der großen, den Brandplatz einkreisende» Menschenmenge war da» Gerücht verbreitet, daß Brandstiftung vorliege.
Stuttgart 1. Sept. (Arbeiterbewegung.) Zur westdeutsche« Tabakarbeiteraussperrung wird uns vom Stuttgarter christliche« Gewerkschaftsburea« geschrieben, daß einer Meldung der de« westdeutsche« Tabakfabrikrn nahestehenden Taget presse zufolge nunmehr eine Aussperrung der christlich-national organisierten Tabakarbeiter in ganz Westdeutschland vorgenommen werden soll. Die Bemühungen de» christlichen Tabakarbeiterverbande», eine Ver- stäädigung herbeizuführen, sind al« gescheitert anzusehen. Die angedrohte Aussperrung richtet sich lediglich gegen den christlichen Verband. Der sozialdemokratische Verband hat verschiedene Streik» besonder» in Westfalen geführt, ohne daß eine Aussperrung erfolgte. Im Falle die Aussperrung durchgeführt werden sollte, wird e» zu einem Boykott der Waren derjenigen westdeutschen Fabrikanten durch die christlich-nationalen Arbeiter Deutschlands kommen, die die christlich-organisierte» Tabakarbeiter ausgesperrt haben. Die in Frage kommende» Firmen sind bereits den Mitgliedern mitgeteilt worden. Besonder» ist dabei auf die Firma Kaftan in Kaldenkirchen
neben anderen hingewiesen worden. Mit stichhaltigen Gründe« ist da» Vorgehen der westdeutsche» Tabakfabrikanten gegen de« christliche« Tabakarbeiterverband nicht zu rechtfertigen, erhalten doch die besten Arbeiter von der Firma, bei der die Bewegung ihren Ursprung hat, noch nicht einmal 20 M. Wochevlohn.
Korntal 31. Aug. Ein eigenartiger Unfall, der aber der Komik nicht entbehrt, trug sich letzten Sonntag auf der Nebenbahn nach Weißach zu. Bei dem um 9,49 Uhr vormittags in Korntal abgehenden Sonntagszug beugte sich, wie die „Cannstatt» Zeitung" berichtet, einige 100 Meter vor der Station Münchingen der Heizer etwa» zu weit über seine Maschine hinaus, sodaß er da» Gleichgewicht verlor und über seine Lokomotive herunterfiel, wobei er den «eben dem Gleis befindlichen ziemlich hohe» Bahndamm hinunterkollerte. Der Führer, der den Unfall nicht bemerkt hatte, konnte de« Zug erst nach geraumer Zeit zum Halten bringen, worauf der größte Teil der Passagiere, meistens Stuttgarter Ausflügler, die teilweise die Sache mit angesehen hatten, au» dem Zug außstiege« und unter allerhand mehr oder minder guten Witzen warteten, bis der Heizer wieder den Bahndamm heraufgeklettert und dem Zug «achgelaufen war. Von einigen besonder» liebenswürdigen Mitreisenden wurde ihm «och auf die Maschine hinaufgeholfen und dann ging» mit Windeseile bi» zur Station Münchingen. Hier wurde der Heizer, der bei dem Sturz ei« Loch im Kopfe davongetrage« hatte, von barmherzige« Samaritern verbunden und da e» ihm schlecht zu werden drohte, von anderen zur Erfrischung der Lebensgeister mit verschiedene« Schnäpse« regaliert. Die» alle» nahm natürlich längere
Frau Lores Lebenswerk.
28) Roman von Erich Ebenstein.
(Fortsetzung.)
Und sie dachte an ihre Nichten und Neffen, denen sie viel Gute» getan hatte und die den Weg zu ihr längst vergessen hatte».
Mama saß unbehaglich zwischen de« beide» Pessimisten. Die Mensche» verachten — sie konnte es nicht begreifen. — Zu den Menschen gehörten doch auch ihre Kinder — überhaupt-
„Was bleibt einem denn «och, wenn man sich von de» Menschen abwendet?" fragte sie einmal zaghaft.
„Blumen! Die Liebe zur Natur," antwortete Fräulein Reinling und sah liebevoll über ihre Hyazinthen hinweg auf de« blaffen Frühlingshimmel, an dem der Abendstern in sanftem Licht erstrahlte.
„Ich selbst bleibe mir!" sagte Peter Lott hart. „Und die Musik," setzte er uach einer Weile weich und träumerisch Hinz«.
Mama dachte verwirrt daran, daß sie selbst sich lauge nicht bedeutend genug erschien, um damit ausgefüllt zu sein. Blume«, Musik, Natur — Gott ja, sie liebte da» alles auch, aber das wahre Leben war da» doch nicht?
Schließlich dachte sie mitleidig: Sie habe« eben keine Kinder, die Armen, sonst würde» sie nicht so rede». Ueber die Kinder hinweg führt ei« ewig grünender Pfad au» der Wüste de» Alter» in» Land der Jugend -
Wie reich und gesegnet ihr Lebe« trotz de» Alter» war, empfand sie wieder so recht, als heute früh die Nachricht von der Geburt de« Kindes aus der Villa Retiro kam. Wie in de« Tagen der Jugend hatte ihr Herz in so überströmender Freude geklopft. Sie wußte gar nicht, was sie zuerst tun sollte. Barbe stand kopfschüttelnd dabei, reichte ihr
Hut und Jacke und half ihr, sich anziehen, den» wahrhaftig, die arme Frau war so verwirrt, daß sie fieberhaft nach dev Handschuhe» suchte, die sie doch schon an den Hände« hatte. Dabei hörte sie die zahllosen Aufträge an, die sich nur so überstürzte«.
Zuerst Fräulein Reinling verständigen. Dan» eine« Dienstmann zu Onkel Peter. Kraftbrühe koche» für Assunta — Du weißt, Barbe, ohne Grünzeug, in Dunst, wie wir e» für einen armen Man» machte« — morgen wird sie ja schon essen dürfen, und drüben haben sie jetzt natürlich zu nicht» Zeit. Ich bleibe selbstverständlich drüben zur Pflege. Ach Gott, hätten sie mich doch nur gestern gleich geholt —"
Endlich ging sie fort. Barbe sah ihr nach, wie sie, um den Weg der Straße zu kürzen, mitten über de« taunaffe» Rasen lief.
„Bin neugierig," dachte sie und stieg gemächlich in die Mansarde hinauf, nachdem sie die Botschaft an Peter Lott abgeschickt hatte. ES war eine Ahnung in ihr, daß e» mit Huhn und Kartoffelbrühe eine solche Eile habe» würde.
Und wirklich dauerte e» keine halbe Stunde, so sah Barbe ihre Herrin de» Garte« wieder betreten. Diesmal lief sie nicht über de« Rasen, sonder» ging ganz langsam und ordentlich Über den gewundenen Kiesweg herauf.
Oben in der Mansarde öffnete Fräulein Reinling zugleich da» Fenster und winkte aufgeregt hinab.
„Sie kommen doch gleich nachher zu mir, Mamachen — pardon, Großmamachen? Ich brenne schon vor Neugierde —"
Großmama nickte nur. Barbe warf eine« schiefen Blick auf die Eintretende. Ein Sonnenstrahl kreuzte den Flur und fiel gerade auf Frau Lore» Gesicht, so daß sie eine« Augenblick erschrocken die Auge« schloß.
Sie sah recht alt au» in diesem Moment, viel älter al» sie war. —
„Assunta ist sehr krank," murmelte sie und ließ sich müde auf eine»