bläst ein schneidender Nordoststnrm über das herbstlich leere Feld und weht das welke Land von Baum und Strauch, und es hat ganz den Anschein, als ob Schnee kommen wollte. Der schroffe Witterungswechsel wird zwar sehr unangenehm empfunden und die Gefahr der Erkrankung ist bei solchem Wetter ziemlich groß, doch läßt sich bei der vorgeschrittenen Jahreszeit, zweite Novemberwoche, nicht mehr viel sagen. Für Leute, welche sich viel im Freien aufhalten und bei jedem Tag und Wetter ihren Dienst verrichten müssen, so namentlich für die Postboten und andere ist hiemit die schwere Zeit angebrochen.
* Stuttgart. Das Misstonsfest der „Württ. Misston unter Israel" fand am Nachmittag und Abend des Feiertags Simonis und Judä im Saal der Evangelischen Gesellschaft zu Stuttgart statt. Nach einer Misstonspredigt von Pfarrer Elsäßer in Strümpfelbach über Psalm 102, 15—17 redete Pfarrer Völter von Großingersheim als Vorstand der Mission über die Bedeutung des Talmud, des jüdischen Religionsbuchs für die Juden, zeigte, auf Grund davon, wie Nächstenliebe, Toleranz, die Anschauung von der Ehe und der Gerichtsverwaltung eine ganz andere, niedere sei, als bei den christlichen Völkern, welche die Lehre des Neuen Testaments angenommen. Von den drei Proselyten, welche Heuer in Pflege der Mission kamen, wurden zwei in der Kirche zu Großingersheim getauft, und alle drei befinden sich nun in einem lutherischen Predigerseminar Amerikas, um ihre Ausbildung zum Predigtam: zu vollenden.
* Stuttgart, 7. Nov. Von der Steigerung der Preise des Grundbesitzes in Stuttgart zeugt aufs neue der Kaufpreis, den die Stadt anlegen mußte um die Erbreiterung der Schelltngstraße bei ihrer Einmündung in die Friedrichsstraße vis-L-vis dem Bahnhofsausgang zu ermöglichen. Es wurden für 223 gw 55000 Mk. verlangt, d. h. pro Quadratmeter annähernd 250 Mk.
* Bebenhausen, 8. Nov. Die heutige Kaiserjagd wurde in dem zum Revier Hildrizhausen gehörigen Herrenberger Stadtwald abgehalten. Um halb 9 Uhr fuhren die Majestäten mit ihrem Gefolge durchs kleine Goldersbach- und Metterthal den für die heutige Jagd vorgesehenen Waldteilen zu. Das Ergebnis der heutigen Jagd blieb gegen das glänzende Resultat der gestrigen Jagd im Revier Entringen stark zurück, obwohl auch in dem heute aufgesuchten Teil des Schönbuchs ein starker Wildstand vorhanden ist. Der starke scharfe Wind war die Schuld daran, daß die Tiere nicht herauskamen. Es kamen im Ganzen 4 Stück Hochwild zur Strecke. Nur auf solches wird in diesen Tagen gejagt. Auf den Kaiser fiel auch heute der Löwenanteil an der Jagdbeute, indem von ihm 2 Stück der 4 zur Strecke gebrachten erlegt wurden. Gegen halb 6 Uhr traf die Jagdgesellschaft wieder hier ein.
* Heilbronn, 9. Nov. Aus Stuttgart wird uns geschrieben: In Advokatenkreisen will man über den Stand des „Falles Hegelmaier" folgendes wissen: Dem Disziplinarhof sei jetzt die Anklageschrift zugegangen und zwei Referenten sollen bestellt sein, das sehr umfassende Aktenmaterial zu studieren. Bei allem Fleiß dieser Herren nimmt man an, daß
werde sterben, und in Wahrheit erwarteten die Aerzte kaum etwas anderes.
Lörrach war heimlich gegangen, den Unglücklichen zu sehen, kehrte aber so erschüttert von dem Anblick der bewußtlosen Leidensgestalt aus dem Krankenhause zurück, daß er nachher dem alten Großvater statt des Trostes nur sagen konnte: „Beten Sie, daß er erlöst wird."
Am Tage nach diesem Besuche in der Stadt kam Harterott in bester Stimmung schon vormittags nach Warmenau, brachte Lörrachs englisches Gewehr mit und erklärte, sie sollten nachmittags auf den Anstand gehen. Tags vorher hatte Hans noch nichts davon gesagt, aber seine Laune war sichtlich eine bessere, seine Jagdlust plötzlich wieder so lebhaft, daß er um so weniger fragte, ob Fritz auch Lust habe, ihn zu begleiten, als dieser selbst immer mit Freude an die Rehjagd gedacht hatte.
Für Lörrach hü te nichts Fataleres kommen können, als der unerwartete Zwischenfall.
Des Barons Spielpartie war heute; er und Hedwig hatten einen Spaziergang nach einem nicht sehr entfernten Gehölze verabredet, wo Reiher in großer Zahl horsteten. Dem geliebten Mädchen ein paar schöne Rriherbüsche herunter zu holen, wäre ein so großes Vergnügen gewesen — ein viel größeres das Alleinsein mit ihr!
Harterott dus aber zu gestehen und sich von ihm frei zu machen, erschien seinem Gefühle auch völlig unmöglich.
Nein — auch für den leisesten Scherz, selbst nur
die Sichtung des bekanntlich zu ganz ungewöhnlichen Dimensionen angewachsenen Materials nicht vor dem nächsten Frühjahr beendigt werden kann. Rechnet man dazu noch eine geraume Zeit, die Hegelmaier zur Rückäußerung gelassen werden muß, so scheint es nicht ausgeschloffen, daß die endgiltige Entscheidung vor Jahresfrist kaum zu erwarten sein dürste.
* (Verschiedenes.) Ein Bauer, der den sog. Gallenmarkt in Kirchheim u. T. besuchte und die Wirkungen des „Neuen" persönlich kennen lernte, hat seinen ganzen Erlös, 500 Mk. in bar, verloren. Ein ehrlicher Finder hat sich noch nicht gezeigt. — In Unterkochen ereignete sich ein schweres Unglück. Der verheiratete Arbeiter Deininger wurde nämlich in der Papierfabrik von Trötscher von einer Transmission erfaßt und derart herumgeschleudert, daß ihm ein Arm herausgeriffen und beide Oberschenkel gebrochen wurden. — Zum Andenken an seinen im Jahre 1853 verstorbenen Vater, Gottlieb Ellwanger in Großheppach, hat dessen Sohn, der Großgärtner in Rochefter, Staat New-Jork ist, seiner Heimatge- meinde Großheppach die schöne Summe von 16,000 Mk. zur stilgerechten Erneuerung ins dortigen Gotteshauses zukommen lassen. — In Ebingen besitzt Hr. Sonneuwirt Hofmann ein wurmartiges Wesen, etwa so dick wie eine Stricknadel und 1 Meter lang. Das Amphibtum wurde von einem Gerber in den aus Südamerika rc. kommenden Wildhäuten gesunden. — InMagstadt erschoß sich ein schon längere Zeit kränkelnder verheirateter Metzger. — Als Seltenheit wird von Leutkirch mttgetetlt, daß 11 Geschwister Dorn, herstammend von P. P. Dorn und Adelheid Dorn, wovon das älteste 74, das jüngste 55 Jahre zählt, gegenwärtig noch leben und sich alle bester Gesundheit und Rüstigkeit erfreuen. — In Ell Wangen wurden in einem dortigen Gasthause einigen Dienstmädchen von unbekannter Hand ihre im Kasten verwahrten besseren Kleider derart zerschnitten und beschädigt, daß dieselben ganz unbrauchbar geworden sind.
* Aus Würz bürg berichtet man den M. N. N.: In einem großen Dorfe der Umgegend, in dem in Kürze die Gemeindewahl stattfindet, ist auf Rechnung der beiden Bürgermeisterkandidaten bis jetzt schon um 8000 Mk. getrunken und gegessen worden. Der eine Kandidat hat fünf Wirtschaften, der andere zwei, wo aber keineswegs Bier, sondern Most, Wein, meist Flaschenweine und selbst Champagner die Gurgeln der anspruchsvollen Herren Wähler, die seit drei Wochen allabendlich zechen, spülen müssen. Bis zur Wahl werden etwa 10 000 Mk. vertrunken sein. Als es neulich brannte, mußte die Feuerwehr erst aus den Wirtshäusern geholt werden, wo es Hasen-, Kalbs-, Rinds- rc. Braten gab und noch täglich giebt.
"Nürnberg, 7. Nov. Es wurde vor einiger Zeit von einem wertvollen literarischen Funde Mitteilung gemacht, indem in der Stadtbibliothek ein Buch aufgefunden worden war, von dem man hoffte, daß es von Hans Sachs geschrieben sei. Die genauen Vergleiche und Studien haben ergeben, daß nicht nur das Buch von Hans Sachs geschrieben ist, sondern auch 14 von ihm verfaßte bis jetzt unbekannte Meistergesänge enthält.
für einen erstaunt fragenden Blick seines Vetters war das geliebte Mädchen ihm zu heilig.
Er überlegte hin und her. Endlich fiel ihm ein Ausweg ein, der ihn lächeln machte.
Im Gehen nach dem See sagte Harterott ganz ohne äußeren Anlaß:
„Preuß ist tot."
„Willy? Der arme Bursch! Die armen Leute!" rief Lörrach und fragte, wann er gestorben sei, ob die Alten drüben es schon wüßten.
„Der Buchhalter hat es heute früh vom Bäcker- jungen gehört, der die Brötchen ins Krankenhaus liefert," erzählte Harterott, und als Lörrach, der ihm die Stimmung nicht verderben wollte und sich doch über die unverkennbare Befriedigung seines Vetters bitter ärgerte, schweigend blieb, begann er ihm auseinander zu setz n, daß Willy Preuß schon lange über Kopfweh geklagt hätte, und daß der Doktor gesagt habe, die Krankheit habe schon in ihm gesteckt.
Dabei fiel es Lörrach auf, daß Harterott so eine Art stiller Verstörtheit in Wort und Miene verriet.
Er war also doch nicht so ungerührt — er that nur so. Seine Mitwirkung bei der Anklage gegen den jungen Burschen that ihm doch jetzt leid.
„Damit wäre der Prozeß wegen Brandstiftung dann erledigt!" sagte Fritz.
„Ja," erwiderte Harterott, und seufzte tief auf. War es ein Seufzer der Reue oder der Erleichterung?
Sie hatten den Rest des Weges fast schweigend gemacht. Lörrach dachte an die alten Preuß' —
* In Eutenhaus en bei Mindelheim (Bayern) wurde eine bestialische That verübt. Es wurden nämlich kürzlich im Stalle des Huberbauern sämtlichen Rindern (17 an der Zahl) die Schweife abgeschnitten (!) und den Tieren unter die Füße geworfen. (!) Von dem ruchlosen Thäter hat man bis jetzt noch keine Spur.
* Berlin, 7. Nov. Der Wetnsteuergesetzentwurf bestimmt für Naturwein im Werte über 50 Mk. als Steuer für den Hektoliter 15 pCt. vom Werte, für Schaumwein 20 pCt., für Kanstwetn 25 pCt., mindestens aber 10 Mk. für den Hektoliter. Die Steuerpflicht tritt ein beim Uebergang des Weins vom Ausland, von der Zollniederlage, vom Hersteller oder Großhändler an den Kleinhändler oder Berbraucher. Die Steuer wird vom Kleinhändler und Berbraucher entrichtet. Als Wert gilt der Kaufpreis, für den der Kleinhändler oder Verbraucher den Wein erworben hat. Bei ausländischem Wein wird der Zollbetrag hinzugerechnet. Befreit sind der eigene Verbrauch des Herstellers, Meß- und Kommuntonwein, Wein zur Herstellung von Essig und Branntwein, sowie Weinproben. Die Erhebung und Verwaltung der Weinsteuer erfolgt durch die Landesbehörden, denen" die Kosten bis auf weiteres von Reichswegen vergütet werden. Für die beim Inkrafttreten des Gesetzes vorhandenen Weinvorräte ist von den Kleinhändlern eine Nachsteuer zu entrichten.
"Berlin, 8. Nov. Jetzt sind sämtliche 433 Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus bekannt. Von demselben sind 149 Konservative, 59 Fceikonser- vatioe, 90 Nationalliberale, 91 Centrum, 14 freisinnige Volkspartei, 6 freisinnige Vereinigung, 2 Dänen, 18 Polen, 2 Bund der Landwirte, 1 Welfe und 1 unbestimmt.
* Ein schrecklicher Fall hat sich in Wanne bei Bochum ereignet. Zwei Brüder betrieben gemeinsam ein Geschäft und nahmen sich zur Führung des Haushalts eine junge Frauensperson ins Haus. Beide verliebten sich in das Mädchen, das wieder dem jüngsten der beiden Gehör schenkte. Der ältere half sich, bezw. suchte sich zu helfen, indem er den jüngeren Bruder aus dem Hause that, ihn auch zum Austritt aus dem Geschäft veranlaßte. Damit hatte er aber die Liebe des Mädchens nicht gewonnen, dieses blieb dem Vertriebenen treu. Am Samstag erschoß nun der fast rasend gewordene ältere Bruder erst das Mädchen, dann jagte er sich selbst mehrere Kugeln in die Brust. Beide waren sogleich tor.
* Lübeck. Gegen die schwedische Regierung wird in nächster Zeit ein Millionenprozeß recht eigentümlicher Art angestrengt werden. Es verhält sich damit so: Im Jahre 1634 erhielt die schwedische Regierung, die sich in dringender Verlegenheit befand, von dem Lübecker Kaufmann Jakob Krieves ein Darlehn von 68500 Thalern, das mit 6 Prozent bis zur erfolgten Rückzahlung zu verzinsen war. Der Originalschuldbrief, der übrigens erst am Weihnachtsabend 1686 ausgefertigt ist, befindet sich im Besitz des Gutsbesitzers Fretherrn Kuno von der Kettenburg, der nunmehr die Zahlung des erwähnten Betrages nebst Zinsen, zusammen über 4 Millionen Kronen, fordert. Er hat sich bereits an einen der bekanntesten schwedischen Rechtsanwälte gewandt. Dieser hat der
dann an Hedwig und ob er auch noch zeitig ankommen werde, sie zu treffen.
Sie mußten nicht weit am Vorwerk vorüber; dort lag ein größerer Holzbestand, der sich an die Bergwälder schloß, und in demselben eine stille einsame Wiese.
(Fortsetzung folgt.)
Leven.
Du kennst das Leben nicht, wenn du genossen Das höchste Glück nicht hast, die reinste Wonne, Wenn dir geleuchtet nicht die Freudensonne Und du das Liebste nicht ans Herz geschlossen,
Du kennst eS dann auch nicht, wenn hingeflossen Die Tage dir in ungetrübter Helle,
Wenn nie betrat das Unglück deine Schwelle, Begleitet von dem Kummer, seinem Sprossen.
Du kennst es nicht, wenn du nicht dein genannt Das höchste Glück, und es verloren wieder,
Wenn du nicht trauernd sahst aus Gräber nieder.
War „leben" heißt, von wen'gen wird'S erkannt, Zu streiten in Erfüllung hoher Sendung Durch Glück und Leid zu geistiger Vollendung.
W ä t s - k.
Wie die Erste ist die — Nadel; Und die Andere ist kein — Madel. Und das Ganze: 's wird gefangen, Wird gebunden, auch gehangen.
Auflösung folgt in nächster Nummer.