fast durchgängig oppositionell wählenden großen Städten vorhanden und sich insbesondere bei dem Verhältnis der Abgeordnetenzahl der Sozialdemokraten zu ihrer Stimmenzahl äußert. Auf jeden sozialdemo­kratischen Abgeordneten fällt mindestens die doppelte Zahl Stimmen wie auf einen konservativen. Neben der durch die größere Bevölkerungszahl ihrer Wahl­kreise herbeigeführten Steigerung ihrer Stimmenzahl haben die radikalen Parteien auch noch stets das Bestreben, diese Stimmenzahl auch ohne praktischen Nutzen durch Aufstellung unendlicher Zählkandidaturen und Zusammentrommelung der letzten Anhänger künst­lich in die Höhe zu treiben. Wenn die Sozialdemokraten mit 1,7 Millionen Wählern 44, die Konservativen mit 1 Million Wählern 68 Abgeordnete besitzen, so liegt darin, wenn man sich auf den reinen Zahlen- standpnnkt stellen will, allerdings ein Mißverhältnis.

* Berlin, 3. Nov. Das Ergebnis der Preis Verteilung auf der Weltausstellung in Chicago stellt sich für Deutschland als ein überaus günstiges dar. In­soweit abgeschlossene Mitteilungen bereits vorliegen, ergiebt sich, daß in den wichtigem Gruppen, in denen der deutsche Gewerbefleiß vertreten ist, demselben Vi bis Vr sämtlicher Preise zugefallen ist.

* Berlin, 3. Nov. Ein Vertreter der Regierung soll der Kreuzztg. zufolge geäußert haben, der Reichs­tag müsse die Konsequenzen seiner Beschlüsse tragen und könne sich namentlich den Folgen der Handels­verträge nicht entziehen. Das Geld für die Deckung der auS den Handelsverträgen mit Oesterreich und Italien entspringenden Ausfälle der Zolleinnahmen von 40 Millionen jährlich müsse beschafft werden.

* Der Sultan beabsichtigt dem deutschen Kaiser den anläßlich des letzten Bairamfestes ge­stiftetenHausorden der osmanischen Dynastie* zu verleihen und diesen statutengemäß durch eine Spe- zialmisfion nach Berlin zu senden. Der Zeitpunkt der Abreise dieser Mission dürste nach der Rückkehr des deutschen Botschafters, Fürsten Radolin, die sich um einige Tage verzögert hat und erst Ende dieses Monats erfolgt, vereinbart werden.

* Berlin, 4. Nov. Lieutenant Georg v. Schier- städt, einer der Zeugen im Hannoverschen Spieler- Prozeß, wurde vorgestern zur Kaiserl. Hubertusjagd befohlen; man folgert hieraus, daß die betreffenden Offiziere nur mit einem Verweise davonkommen werden.

* Man glaubt, daß die Konservativen gegen die neuen kleineren Handelsverträge, die dem Reichstag alsbald zugehen sollen, keinen ernstlichen Widerspruch erheben werden, obwohl Rumänien und Serbien der ermäßigte Getreidezoll zugestanden wird. Dagegen wird die konservative Partei jedenfalls bei dieser Gelegen­heit ihren entschiedenenWiderspruchgegeneinenHandels- vertrag mit Rußland unter denselben Bedingungen einlegen. Jedenfalls wird eine große, prinzipielle Debatte über die gesamte Handelsvertragspolitik zu erwarten sein, wenn auch die kleineren Verträge wohl nicht ernstlich gefährdet sind.

' Schneidemühl, 3. Nov. Dem aufgebrochenen Unglücksbrunnen entströmen seit gestern ununterbrochen mit der früheren Vehemenz kolossale Waflermassen mit 5 Prozent Erdbestandteilen. Der Brunnenmeister

urch das erste Bohrloch erfolgte, und vermutet einen Erdrutsch in der Tiefe, hofft jedoch bis Samstag die Gefahr zu beseitigen.

* Nattbor, 4. Nov. Ein Lieutenant des 2. Ulanen-Regiments erschoß sich. Motiv unbekannt.

* Straßburg, 2. Nov. Der russische Unter- than Sperling, in Metz wohnhaft, wurde wegen Be- thättgnng sozialistischer Gesinnung anläßlich der letzten Reichstagswahlen aus den Reichslanden ausgewiesen.

* Metz, 30. Okt. Wir lesen in derMetzer Zeitung*:Was Spazierengehen kostet, hat vor kurzem das hiesige Gewerbegericht entschieden. Der eigentliche Fall lag folgendermaßen: An einem zu militärischen Zwecken bestimmten Bau wurden Pflastrr- arbeiten ansgeführt, die der Unternehmer einem Pflastermeister übertragen hatte. Aus irgend einem hier nicht in Betracht kommenden Grunde schickte der Unternehmer eines Tages eine Anzahl von Arbei­tern vom Bau fort, darunter auch die Pflasterer. Diese teilten das Vorkommnis ihrem Meister mit und wurden von diesem angewiesen, spazieren zu gehen, die auf diese Weise zugebrachten Tags würden ihnen so vergütet werden, als wenn sie im Akkord gearbeitet hätten. Die Arbeiter kamen, obgleich sie lieber nach Straßbnrg gereist wären, wo sie sicher Arbeit zu finden glaubten, dieser Weisung nach, die bei mehrmaliger Meldung beim Meister von diesem wiederholt wurde. So vergingen einige Wochen, und es kam denn auch die Lohnzahlung. Da meinte der Meister, Spazierengehen sei mit 4 Mk. für den Tag hinlänglich bezahlt, während die Arbeiter, die nach dem Versprechen des Meisters 8 Mk. hätten vrrlan- gen können, 6 Mk. für den Tag beanspruchten. Nun kam die Sacht vor das Gewerbegericht. Nach An­hörung der Parteien und Zeugen war das Gericht nahe daran, den Arbeitern die verlangten 6 Mk. zu­zusprechen, als im letzten Augenblick ein Vergleich zu­stande kam, dem zufolge dis Arbeiter, die sich in der ganzen Angelegenheit durchaus korrekt und anständig benommen haben sollen, sich mit 5 Mk. begnügten.*

Ausländisches.

* Wien, 4. Nov. Gegen 1000 Arbeiter und So­zialisten versuchten gestern abend in eine von dem liberalen Verein einberufene Versammlung etnzudringen, die bezweckte, dem Abgeordneten Kronawetter wegen seiner Haltung in der Wahlreform ein Mißtrauens­votum zu erteilen. Die Wache zog blank und schlug mit flacher Klinge, was mit Stockhieben erwidert wurde. Die Menge wurde zerstreut, sammelte sich aber neuerdings, wobei es mehrere Zusammenstöße gab und zwei Arbeiter und 3 Wachleute verwundet wurden. Mehrere Verhaftungen wurden vorgenommen.

* W i e n. Ein gefährlicher Heiratsschwindler ist ein gewisser Anton Netter Hierselbst, der, wie aus seinen Verzeichnissen hervorgeht, dreißig Mädchen die Ehe versprochen hat. Er annoncierte ein Heirats­gesuch, auf das zahlreiche Anträge von Mädchen der dienenden Klaffe anlangten. Mit fast allen Be­werberinnen ging Netter Liebesverhältnisse ein, ver­sprach allen die Ehe und entlehnte von allen Bargeld, so viel sie hatten, und mitunter auch Pretiosen. Einige Mädchen haben dafür noch weitere Folgen

Treiben Netters wurde Ende August d. durch seine Verhaftung ein Ende gemacht. Zwanzig der be­trogenen Mädchen waren gar nicht ausfindig zu machen. Sieben Mädchen, die mit Beträgen von 7 bis 125 Gulden geschädigt find, haben sich dem Strafverfahren angeschlossen. Neun wettere erleiden keinen Schaden, da ste behutsam waren, sich ernstlich mit ihm einzalassen. Das Gericht verurteilte Netter zu 3 Jahren schweren Kerkers und zu einer Geldstrafe von 170 Gulden.

* W i en, 4. Nov. Wegen Betrugs an einer Frau Bleichröder aus Berlin, der er die Ehe versprochen und 100000 Gulden entlockt hat, wurde hier ein be­kannter Lebemann, Armin Bergl, verhaftet. Frau Blcichröder lebte hier seit einiger Zeit von ihrem Manne geschieden.

* Ein mannhaftes Wort des Kaisers Franz Josef wird demDaily Telegraph* aus Wien gemeldet, welches anläßlich der augenblicklichen M'nflterkrifis in Bezug aut die Zukunft gesprochen worden ist. Danach hat der Kaiser gesagt: Nichts wird mich von der Aufrechterhaltung des Dreibunves abbringen; es mag schwere Finanzopfer kosten und viele Sorgen und Unruhen verursachen, aber wie auch d'L Opfer beschaffen sein mög n, nichts wird mich hindern, Wort zu halten.

* Die Grazer Bürgerschaft bereitet einen Fackel­zug und eine Beleuchtung der Stadt vor, um ihrer Freude über Taaffes Rücktritt festlichen Ausdruck zu geben.

* Rom, 3. Nov. DieRiforma,* das Organ Crispi's, findet das Versprechen des Admirals Avel- lane, bald und auf längere Zeit nach Ajaccio zurück­zukehren, viel bedeutsamer als den Flitter und das Geschrei der verflossenen Feste. Die Aeußerang des Admirals beweise, daß der Zar, wiewohl er den Frie­den wünsche, aus der Zurückhaltung, welche er sich bisher auferlegt hatte, heranstreten wolle. Auch an­dere Staaten sollten auf der Hut sein, um ihre In­teressen mit nicht geringerem Eifer, den der Zar bethätige, wahrzunehmen; von Italien müsse dies geradezu gefordert werden. Wir wollen die russischen und die französischen Interessen achten, erwarten aber, daß uns von ihrer Sette das Gleiche widerfahre.

-Rom. Ucber das Auftauchen von Räubern in unmittelbarer Nähe Roms berichtet derPopolo Ro­mano": Die zwischen Monteporzto und Montecom- patri verkehrende Post wurde am Dienstag von zwei unbekannten Individuen überfallen und die Insassen unter Bedrohung mit dem Tode aufgefordert, ihr Geld und sonstige Kostbarkeiten anszultefern. Es fielen den Räubern bei dieser Gelegenheit über 100 Lira und ein Paar goldene Ohrringe in die Hände, mit welcher Beute sie sich schleunigst aus dem Staube machten. Die sofort von dem Vorfall benachrichtigte Polizeipräfektur in Rom entsandte alsbald einen Kriminalbeamten mit drei Gehilfen an den Ort der That, um die Spur der Räuber zu verfolgen. Man nimmt allgemein an, daß der eine der Räuber mit einem Individuum identisch sei, das vor wenigen Tagen unmittelbar vor den Thoren Roms einen ähn­lichen Raubanfall auf zwei Reisende ausfnhrte.

' Eine Erbschaft von 2 Millionen Rubel ist, wie

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Gr ist der Grve!

(Fortsetzung.)

Nach einer längeren Pause sagte Frau Ella end­lich in einem weicheren Tone, als sie sonst zu haben Pflegte:

Sie waren heute sehr eigentümlich gegen Bettina, Fritz!"

Er erschrak. Ihre Stimme, noch mehr ihre Mienen verrieten, was ihm bevorstand.

Er leugnete. Sie schüttelte den Kopf.

Sagen Sie mir aufrichtig, Fritz, ist Ihr Herz nicht mehr frei?" sagte sie nach einem kurzen aber­maligen Schweigen gepreßt.

. , Was sollte er thun? Er wollte wedernein" nochja* antworten.

-eIch hatte es mir so schön gedacht, Fritz! Aber Ihre anfängliche Freundlichkeit gegen Bettina hat mich wvhftirre geführt?"

: -Ella!" rief er in peinlichster Bestürzung über ihr.Vorgehen. Bettina stand ihm zu hoch für diese Arft sie ihm anzubieten, und nun obendrein, wo er nichts für sie fühlte, als ehrliche HoLachtung.

Es ist vielleicht unweiblich, daß ich dies Thema zur Sprache bringe," fuhr sie entschlossen fort,aber ich. stehe Ihnen näher, Fritz, wie vielleicht andere Frauen. Ich möchte gut machen, was ich Ihnen an- that und Bettina"

nStill, Ella kein Wort weiter!" stieß er schroff Waus,, er wollte um keinen Preis wissen, was sie ihm. von ihrer Schwester sagen würde. Da er

aber sah, daß er sie verletzt hatte, setzte er, zu einer Galanterie seine Zuflucht nehmend, begütigend hinzu:

Glauben Sie, daß man Sie so leicht vergißt, Ella?"

Sie schwieg. Er auch. Es entstand eine schwüle Pause. Er sagte sich ärgerlich, daß ste seine Worte ernst auffasse und konnte dieselben doch nicht zurück­nehmen. Die Stille wurde für ihn drückend. End­lich sprang er auf.

Ich will nach Harterott sehen; die Arbeiter werden gleich kommen," stieß er heraus und schoß aus der Thür.

Solch' cine verwünschte Zwickmühle!" dachteer, noch immer ganz heiß vor Verlegenheit.

Und eine glühende Sehnsucht nach dem frischen Waldesduft von Warmenau und nach Hedwig über­kam ihn von neuem.

Er ging verstimmt hinaus vor das Thor. Hans unterhandelte mit den Arbeitern.

Was sollte er thun in dieser Stellung, die Ella ihm aufdrängte? Es hatte ihm nichts ferner gelegen, als die Schranken, die sie beide sich im richtigen Ge­fühl von Anfang an gezogen, zu durchbrechen, und nun hatte ihn eine momentane Verlegenheit dazu ver­leitet, Ella Worte zu sagen, die er eigentlich scherz­haft geben wollte und die sie dann lächerlicherweise in ihr r Eitelkeit ernst nahm.

Und wie hatte Fritz so etwas sagen können er, dessen Seele ein Bild erfüllte, welches von Frau Ella himmelweit entfernt war. Dabei aber verwahrte er sich alles Ernstes vor der eigenen Schwäche. Er

war nicht verliebt o nein! Hedwig von Jhlefleth stand ihm nur hoch, wie jedem Menschen sein Ideal!

Als er nach einer Stunde wieder in die laute, unruhige Stadt zurückkam, hätte er am liebsten gleich für immer abreisen mögen. Er fühlte deutlich, daß dies der beste Ausweg sein würde. Mit Bettina und Ella jetzt zusammen zu bleiben, schien ihm unmöglich, und besser für ihn, ja viel besser war es, wenn er Hedwig nicht wieder sah.

In den Straßen, b sonders in den Nebenstraßen, standen die Leute überall in Gruppen zusammen. Sie besprachen die Brandstiftung, den Streik; er hörte hier und da Aeußerungen, die nicht gerade rühmlich für seinen Vetter waren.

In der Nähe des Hauses begegnete ihm die Arbeiterdeputation.

Nun, sind Sie einig geworden mit Herrn Harterott?"

Ja, das sind wir ja soweit, aber sagen Sie es ihm noch einmal ernstlich, Herr Lörrach, wir lassen uns nicht behandeln wie Hunde!" erwiderten sie ihm.

Nein, das thun wir nicht. Wir sind zwar nicht so reich wie er jeder hat nicht gleich solch einen Erbonkel, aber wir thun unsere Pflicht, wir stehlen und rauben auch nicht, und daß es nun heißen soll, einer von uns hätte das Feuer anlegen wollen"

Erregt und zornig drängten sich die Leute um ihn.

Das war ihm peinlich; sie sahen, ohne jedes Zuthun seinerseits, offenbar in ihm einen Verteidiger ihrer Interessen.

schüft vstttriAsr Lr: Ocr. LL. Fabrik-Devot.

Muster bereitwilligst franco ins Haus