* Berlin, 1. Nov. Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet, daß der Kaiser den Reichstag persönlich eröffnen werde.
* Berlin, 1. Novbr. Laut Times wies der französ. Marineminister, Admiral Rteunier, alle französischen Häfen des Mittelmeers an, die russischen Kriegsschiffe gleich den französ. zu behandeln.
* Berlin, 1. November. Unmittelbar nach dem Schluß des hanoverschen Spielprozeffes wird eine diesbezügliche Kundgebung des Kaisers erwartet. Im Reichstag werden lebhafte Debatten dieserhalb stattfinden. — Die amtl.Statistik der letzten Reichstagswahlen ist nunmehr erschienen. Hienach fielen am 15. Juni auf die Kandidaten der einzelnen Parteien:
Konservativen 1038 353
Freikonservativen 438 435
Nationalliberalen 996 980
Zentrum 1468 501
Sozialdemokratie 1786 738
Freisinnige Volkspartet 666439
„ Vereinigung 258481
Südd. Volkspartei 166757
Antisemiten 263 861
Polen 229 531
Elsäßer, Dänen u. Welfen 234 927
Die stärkste Partei ist somit die sozialdemokratische, dann folgt das Zentrum, Konservativen, Nationalliberalen u. s. w.
* Die „Köln. Ztg." schreibt, indem sie auf das Wieder^rwachen des kriegerischen aggressiven Geistes in Frankreich hinweist: „Mit Kronstadt und Toulon hat der Zar, indem er die Furcht Frankreichs vor dem Kriege aufhob, eine neue Lage geschaffen, und für Deutschland gilt es, sich in ihr einzurichten. Sie wird früher oder später auch in dem diplomatischen Verkehr in einer Erschwerung der Verständigung auf allen Gebieten zutage treten, sagt doch schon jetzt ein Blatt: „Ein zweiter Schnäbelefall wäre ein so tötlicher Spaß, daß ihn sich selbst ein Bismarck nicht mehr erlauben würde." Und was war uns Schnä- bele! Ob man den Spion einsteckte oder laufen ließ, war in Deutschland jedermann vollständig gleichgiltig und man verstand nicht, wie sich die Franzosen darüber bis zum äußersten erregen konnten. Der französischen Sucht zur Ueberhebung ist durch die Annäherung an Rußland neue Nahrung gegeben, und wir haben mit ihr als einem nicht zu unterschätzenden politischen Faktor zu rechnen. Was Deutschland dabei zu thun habe, um zu verhindern, daß sie wieder einmal leichtfertig den Krieg entzünden? Vor allen Dingen sein Pulver trocken und seine Klinge scharf zu halten."
* Die „Nordd. Allg. Ztg." bespricht die Lage in Marokko und sagt, die spanische Regierung habe sich mit ihrem Bemühen, die Angelegenheit von Melilla im Geleise korrekter völkerrechtlicher Beziehungen zu erhalten, Verdienste um den Völkersrieden erworben. Man brauche sich nur der vielen widerstrebenden Interessen in Marokko zu erinnern und an die Namen Tuat und Tanger zu denken, um daran gemahnt zu werden, daß die augenblickliche Erregung selbstsüchtige Interessen wachrufen könne, die man nur bei besonnener Erwägung der Sache ohne die Gefahr von Konflikten bannen könne.
Gr ist der Gröe!
(Fortsetzung.)
„Ha! Sie wollen mir wohl den Stuhl vor die Thür setzen. Gehen Sie doch — ich bekomme schon einen Buchhalter wieder!" schrie dieser den jungen Mann an.
Lörrach schlug sich energisch ins Mittel.
„Du bist krank und in größter Erregung. Du schweigst jetzt ganz und über das andere reden wir noch, der Herr Elsat wird einsehen, daß du augenblicklich der Schonung bedarfst," sagte er so bestimmt, daß Harterott schwieg.
Sie fuhren dann sofort alle in die Stadt.
„Ueberlasse mir die Untersuchung, Hans, du richtest in deiner Stimmung nur Unheil an," bat Lörrach.
Dagegen verwahrte sich der Fabrikant aber auf das heftigste.
„Mische du dich nur nicht hinein, du spielst dich auf den Philanthropen hinaus; ich bin ganz gesund, brauche keinen Vormund."
„Gut! So beherrsche deine Heftigkeit wenigstens — ich gebe dir zu, es stürmt viel auf dich ein; aber du kommst mit Ruhe weiter."
Als sie aussttegen, standen schon Gerichtsbeamte vor der Thür des Harterott'chen Hauses, drinnen saß der Untersuchungsrichter neben Frau Ella und hatte mit dieser den Hausherrn erwartet. Bettina war auch da und als sie Lörrach erblickte, rief sie: „Gott sei Dank, daß Sie mitgekommen find!" —
" Kolberg. Welche verderbliche Anziehungskraft die Küsten-Leuchtfeuer auf unsere wandernden Vögel haben, ergeben folgende Zahlen: In der Nacht zum 15. Okt. sind durch Anstiegen an die Laternen des Leuchtturmes Funkenhagen getötet worden: 75 Rotkehlchen, 31 Lerchen, 11 Goldhähnchen, 7 Staare, 2 Zaunkönige, 2 Waldschnepfen und 1 Ente. Nach möglichst genauer Schätzung des wachthabenden Feuer- wärters sind in dieser einen Nacht mehr denn 3000 Vögel gegen die Laterne geflogen.
* Hanover, 2. Nov. Im Spieler- und Wucherprozeß wurde gestern abend das Urteil verkündigt, v. Meyertnck, Fährle und Abter erhielten je 4 Jahre Gefängnis, sowie 5 Jahre Ehrverlust, Seemann und Heß je 2 Jahre Gefängnis und 5 Jahre Ehrverlust, Julius Rosenberg 750 Mk., Sußmann 1000 Mk. Geldstrafe. Max Rosenberg wurde freigesprochen. Der Staatsanwalt hatte gegen Meyerinck 4'Fährle 5, Abter 7, Seemann und Heß je 4, Max Rosenberg 2 Jahre Gefängnis, gegen Jul. Rosenberg und Sußmann Geldstrafen von je 1500 Mk. beantragt,
" Kastel, 31. Okt. Heute nachmittag 5 Uhr fand durch Pioniere des 11. Pionierbataillons die Sprengung eines im Anfang dieses Jahrhunderts erbauten Festungsvollwerkes, des sog. Fort Monte- bello statt. Der Turm, der als fortifikatortsche Anlage gar keinen Wert mehr besaß, ist ein mächtiges Bauwerk, dessen Mauern eine Dicke von drei Metern besitzen. Trotzdem ca. 50 Sprengladungen in dem Turme sich befanden, gelang es nicht ganz, denselben zum Fall zu bringen, ein Teil blieb stehen. Es wird voraussichtlich noch eine Nachsprengung stattfinden.
* Posen, 2. Nov. Die Pos. Z. meldet aus Schneidemühl: Die Quellen des artesischen Brunnens sind wieder aufgebrochcn. Ein starker Wasserstrahl führt Schlamm und Sandmassen mit sich. Der Brunnentechniker Leyer aus Berlin ist telegraphisch berufen worden.
* Kiel, 2. Nov. Die hier verhafteten französ. Spione sind wegen Landesverrats und wegen Verleitung zum Landesverrat angeklagt. Die Hauptverhandlung findet unter Ausschluß der Oeffentlich- keit statt.
* Straßburg, 2. Nov. Der deutsche Förster Reiß in Plaine bei Schirmeck traf gestern fünf französische Wilderer auf deutschem Gebiet, 200 Meter von der Grenze. Die Wilderer schoßen auf den Förster, dieser erwiderte das Feuer, zwei Wilderer wurden sofort getötet. Der Förster blieb unverletzt Derselbe befand sich in Notwehr. Staatsanwalt und Gericht haben den Thatbestand festgestellt.
Ausländisches.
* Die Wirren in Oesterreich werden immer größer. Graf Taaffes Entlassungsgesuch ist vom Kaiser noch nicht entschieden worden und dürfte auch erst entschieden werden, wenn der Kaiser in nächster Woche aus Gödöllö (Ungarn), wohin er sich von Wien aus begab, zurückgekehrt sein wird. Der Reichsrat ist vertagt, die Abgeordneten weilen aber fast sämtlich in Wien. Ob Graf Taaffe nochmals vom Kaiser zur Kabinetsbildung berufen wird, erscheint zweifelhaft. Sein Schaukelsystem scheint völlig abgewirtschaftet zu sein.
und ihr Ton war so warm und freudig bewegt, daß er erschrak. Unwillkürlich erwiderte er die Begrüßung kälter, und dann that ihm das liebenswürdige Mädchen doch leid; es wandte sich ab, ging hinaus und erschien nicht wieder.
Man untersuchte den Thatbestand.
Es war kein Zweifel möglich, man hatte es mit einer wohlgeplanten Brandstiftung zu thun.
Jetzt entstand die Frage nach dem Thäter.
Die Herren untersuchten stundenlang; es fand sich kein rechter Anhaltspunkt.
Wie immer waren tagsüber die Kommis und Lagerknechte in den sämtlichen Räumen teils beschäftigt gewesen, teils ab und zu gegangen; Herr Harterott hatte sich mehrere Male dort befunden. Von den Fabrikarbeitern war keiner gesehen worden. Die Aussagen sämtlicher Kommis und Hausleute förderten nichts zu Tage.
Dann, als der Untersuchungsrichter den letzten entlassen hatte, wandte er sich an Harterrott:
„Haben Sie etwa irgend einen erbitterten Feind? Sind Sie jetzt oder waren Sie kürzlich in Streit mit einem Ihrer Leute?"
„Außer mir den Arbeitern in Masse nicht!" versetzte dieser.
„Aber Ihre Frau Gemahlin erzählte mir von mehrfachen Differenzen mit Ihrem jüngsten Kontorarbeiter! Sie sollen sehr heftig gewesen sein, Herr Harterott."
„Preuß!" Ein Blitz schoß aus den Augen des Prinzipals."
* Prag, 1. Nov. Das Prager Tagbl. meldet aus Komotau: Großes Aufsehen erregt die entdeckte große Zollhinterziehung eines bekannten hiesigen Jn- dustrieetablissements in Eisenwaren. Die Fabrik- lettung erlegte sofort 100,000 fl. Gold zur Deckung der verkürzten Gebühren und 10,000 als vorläufiges Strafpenale.
* R o m. Obwohl Italien ein vor allem weingesegnetes Land ist, standen doch seine Bewohner bisher in dem Ruf großer Nüchternheit. Betrunkene auf der Straße waren eine seltene Erscheinung. Im letzten Jahrzehnt hat indes die Trunksucht auch unter den Italienern außerordentlich zugenommen, so daß jetzt alljährlich durchschnittlich 10 000 trunkene Personen auf der Straße aufgelesen werden. Diese auffallende Aenderung in der Lebensweise des Volkes hat zu eingehenden Untersuchungen Anlaß gegeben. Zunächst läßt die Statistik seit 1878 eine starke Zunahme der Verbrechen erkennen; 1890 war die Zahl der Verbrecher größer, als je zuvor. Ferner ist die Armut infolge der zunehmenden Trunksucht immer mehr angewachsen. Im nördlichen Italien ist die Trunksucht am stärksten verbreitet, während mehr nach dem Süden größere Mäßigkeit herrscht.
* Mailand, 1. Nov. Der Ministerrat beschloß, mit Rücksicht auf den heftigen Widerstand der Handelskammern von Erhebung der Eingangszölle in Gold einstweilen Abstand zu nehmen.
* Paris, 1. November. Aufsehen erregt ein Artikel des Petit Paristen, welcher die europäischen Mächte zur Vorsicht auffordert, damit England nicht in Marokko den in Egypten ausgeübten Streich wiederhole.
* Die Nachricht von der Absendung eines englischen Geschwaders von 20 Schiffen nach der marokkanischen Küste hat großes Aufsehen erregt. Die Zeitungen erklären, Frankreich könne nicht un- thätig zuschauen. Die „Debatts" erinnern an Salis- bury's Rede in Glasgow 1891: Marokko werde über kurz oder lang für Europa die Quelle gleicher Schwierigkeiten und für den europäischen Frieden ebenso bedrohlich werden wie zuvor die östlichen muha- medanischen Länder. Der „Temps" warnt Spanten, mehr zu thun, als seine Waffenehre zu rächen. Die Folgen könnten Hochernst werden. „Figaro" sagt, andere Mächte, welche ebenso viel Recht wie England haben, sich mit der marokkanischen Frage abzugeben, würden genötigt sein, ihre Geschwader, die eigentlich in der Levante kreuzen sollten, an die afrikanische Nordwestküste zu schicken. Radikale Blätter verlangen die sofortige Absendung eines dem englischen Geschwader entsprechenden Flottentetles.
* Ajaccio, 2. Nov. In seiner Begrüßungsrede sicherte Avellane dem Bürgermeister zu, er werde in drei Monaten zu langem Aufenthalt zurückkehren. — Ein Unglücksfall wurde auf dem Admiralsschiff durch Explosion eines Terpentin-Ballons herbeigeführk, ein Mairose erstickte, ein anderer.erlag später den erlittenen Verwundungen, die Abfahrt des Geschwaders wurde auf Freitag verschoben.
* Brüssel. Eine verhängnisvolle Wirkung der europäischen Kultur mußte ein 15jähriger Negerknabe an sich erfahren, den der belgische Lieutnant Lemaire dieser Tage aus dem Innern des Congostaates mit
„Sie erinnern sich also. Sie hatten Streit mit dem jungen Maschen."
„Ja! — Aber —" Harterott zeigte eine starke Erregung; er trat von einem Fuß auf den anderen, ging hin und her, strich mit der Hand über die plötzlich von Schweiß bedeckte Stirn.
Unwillkürlich hatte Lörrach den Kopf verneinend bewegt.
„Sie meinen der Preuß sei der Thäter?" fragte der Richter nach ihm hinüber. Sie saßen jetzt im Speisezimmer. Das ganze wurde nunmehr im Tone der Privatunterhaltung besprochen.
„Wilhelm Preuß — ein Brandstifter? Nein!"
„Kennen Sie ihn?"
„Ihn und seine Eltern!" Lörrach gab Auskunft, der Untersuchungsrichter kannte den Restaurateur. Er nickte. — „Das sind brave Leute!"
Frau Ella Harterott verteidigte sich: „Sie werden sich erinnern, Herr Richter, daß Sie mich fragten und ich Ihnen darauf antwortete: Mit Willy Preuß habe mein Mann freilich Streit gehabt. Ich verdächtige den jungen Mann mit keiner Silbe, keinem Gedanken."
„Das thaten Sie nicht, verehrte Frau, ich aber muß jede Spur und Möglichkeit von Amtswegen ins Auge fassen," erwiderte jener.
Dann wandte er sich an Harterott und fragte ihn um seine Meinung.
„Ich weiß nicht! Er — ich will nichts sagen!" Und in Unentschlossenheit und sich ebenso wunderlich wie alle diese Tage geberdend, lief er im Zimmer