„Natztg." schreibt dazu: „Was evangelische Synoden oder Kirchenbehörden gegen Mischehen überhaupt oder speziell gegen christlich-jüdische Mischehen thun können, ist von vornherein mit Wirkungslosigkeit geschlagen. Zu Mischehen veranlassen stets Motive, gegen welche die „Zuchtmtttel", die die evangelische Kirche anzuwenden vermag, völlig bedeutungslos sind. Kein Christ, der aus Beweggründendes Herzens, und ebenso wenig ein Christ, der aus Beweggründen des Geldbeutels eine Jüdin heiraten will — hierüber kann die „Kreuzztg." sich besonders in den ihr nahestehenden Kreisen informieren — wird sich davon durch die Besorgnis abhalten lasten, nicht Kirchenvorsteher oder Synodalmitglied werden zu können. Würden aber etwa lästigere „Zuchtmittel" versucht, so siebt es ja Möglichkeiten, ein evangelischer Christ zu sein, ohne daß man zur „Landeskirche" gehört." Weiter vertritt die „Natztg." den Standpunkt, durch solche Beschlüsse werde das Zivilstandsgesetz, welches der Ehe unter allen Staatsangehörigen, ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, die nämliche Würde und sittliche Bedeutung beimißt, herabgewürdigt und verhöhnt.
"Berlin, 30. Okt. Im Hose des Strafge- fängnistrs zu Plötzrnsre wurde heute früh die Witwe Zillmann, welche ihren Mann vergiftet hatte, hiuge- richtet.
* Berlin, 31. Okt. Für Jnvalidenpenstonen find im nächsten Reichsetat 2V. Millionen Mark mehr angesetzt als im laufenden Jahre.
* Berlin, 31. Okt. Die Vosstsche Zeitung meldet aus Wilhelmshaven: Der hiesige Schleppdampfer Frieda ist am Sonntag abend im Jadebusen mit der ganzen aus 5 Mann bestehenden Besatzung untergegangen.
* Die „Hamb. Nachr." schreiben zu der französisch-russischen „Allianz", die Besuche in Kronstadt und Toulon verdanke Deutschland der Aenderung, welche die deutsche Politik nach dem März 1890 Rußland gegenüber erfahren habe. Früher habe die deutsche Diplomatie es verstanden, eine zu große Freundschaft zwischen Rußland und Frankreich zu verhüten. In jener Zeit sei es trotz mannigfacher Friktionen nicht dazu gekommen, daß der Zar die Marseillaise stehend angehört, oder daß Ereignisse L la Kronstadt und Toulon stattgefunden hätten. Im Gegenteil habe trotz des Dreibundes zwischen St. Petersburg und Berlin vollkommenes Vertrauen geherrscht; es konnte nur vorübergehend und durch Fälschungen getrübt werden. Nach Bismarcks Rücktritt fei deutscherseits eine größere Begünstigung gegen England eingetreten, wenigstens sei in den Augen Rußlands dieser Schein erweckt worden. Die Panslawisten, welche Rußland und Deutschland in einen Krieg gegen einander treiben möchten, haben keinen großen Einstuß, jedenfalls haben sie nicht entfernt die Macht, das offizielle Rußland zu einem Feldzug gegen Deutschland zu zwingen. Eine Waffenbrüderschaft sei mit Frankreich sicher nicht abgeschlossen, denn wenn je ein deutsch-russischer Krieg entstünde, so würden ja die französischen Gewehre von selbst losgehen. Weshalb sollte da Rußland mit Frankreich erst einen Vertrag schließen, der ihm keinerlei weitere Vorteile brächte, wohl aber seine Entschließungsfreiheit lähmte ?
An dieser Stellung könnte bloß etwas geändert werden, wenn man in St. Petersburg erführe, daß eine deutsch-englische Intimität mit einer Spitze gegen Rußland bestehe, und wenn der Dreibund in den Verdacht gerate, die antirusstschen Interessen Englands mit seiner Macht direkt oder indirekt zu decken. „Wenn der russische Besuch in Toulon und Paris irgendeine politische Spitze gehabt haben sollte, so ist sie nicht gegen Deutschland gerichtet, sondern gegen England. Diesem entspricht auch die Entsendung eines englischen Geschwaders nach den italienischen Häfen, um den Russen in Toulon ein Paroli zu biegen.
* Kürzlich wurde berichtet, daß in den preußischen Kantinen der Verkauf von Branntwein an die Mannschaften verboten wurde. Zu diesem Verbot kam jetzt ein zweites, dahin gehend, daß bis zum 1. Januar 1894 sämtliche Kantinen des 16. preuß. Armeekorps, die noch Selbstwirtschaft betrieben haben, an Private vermietet sein müssen, weil abgesehen von der Dienstentziehung der darin kommandierten Soldaten und Unteroffiziere, auch die Disziplin durch die Selbstwirtschaft gelockert worden sei.
* Eine ganz schmutzige Wäsche scheint der Spielerund Wucherprozeß zu sein, welcher gegenwärtig vor der Strafkammer in Hannover verhandelt wird. Unter den Opfern befinden sich vorwiegend Offiziere. Bis jetzt sind etwa 30 derselben ermittelt. Der niederste Verlust betrug 600 Mk. Ein Premierlieute- nant v. S. verlor an einem Abend 4000 Mk. Leider zu spät beobachtete er dann von dem Spiegel eines Nebenzimmers aus, wie während des Spiels Lichtner und v. Meyertnck sich andauernd Zeichen machten. Ein Lieutenant v. O. verlor 12000 Mk., der Rittmeister a. D. Graf v. K. einmal 12000 Mt. und ein anderesmal 13000 Mk., ein Hauptmann v. W. einmal 12000 Mk. und dann wieder 10000 Mk., Lieutenant Frhr. v. B. verlor das erstemal 12000, das zweitemal 17000 Mk., ein Premierlieutenant v. B. 2800 Mk., Lieutenant v. G. 6000 Mk., Premier- lteutenant G. 1200 Mk., Lieutenant Frhr. v. P. 19000 Mk., ein Herr v. K. einmal 2500 und dann wieder 800 Mk., ein 8tuä. juris Graf v. K. 10000 Mk., Lteut. v. M. 14700 Mk., Oberstlieutenant a. D. K. 15000 Mk., Lieut. Graf W. 2000 Mk., Lieut. v. W. 1000 Mk-, Legations-Sekretär v. R. 10000 Mk., Frhr. v. S. 15000 Mk. u. s. w. Den größten Verlust erlitt der Rittergutsbesitzer L. mit nahezu 61000 Mk. Derselbe wurde außerdem noch durch den v. Zedlitz um weitere 6000 Mk. betrogen, indem der letztere ihn zu einer Bürgschaft von über 6000 Mk. zu bewegen wußte, v. Zedlitz löste^ den betreffenden Wechsel nicht ein, und L. mußte ihn bezahlen. Welche „Zinsen" die Opfer des Spiels außerdem noch bezahlen mußten, ergiebt sich daraus, daß einem Lieut. v. E., der dem S. Seemann aus dem Spiel etwa 2000 Mk. schuldig geworden war, 60—64 Proz. Zinsen berechnet wurden.
Ausländisches.
* Wien, 30. Okt. Der Reichsrat wurde heute auf Grund kaiserlicher Ermächtigung vertagt.
* Pest, 30. Okt. Die Blätter melden, die Kronprinzessin Witwe Stephanie stehe im Begriffe, eine zweite Ehe zu schließen.
* Paris, 30. Okt. Der Kardinal Rampolla
hat der französischen Regierung die Befriedigung de heiligen Stuhls für den Erfolg der Feste ausgedrückt, welche die Beziehungen Frankreichs und Rußlands konsolidiert haben. Auch nach St. Petersburg ist eine derartige Befriedigungsdepesche aus dem Vatikan abgegangen. „Ich sei — gewährt mir die Bitte — in eurem Bunde der Dritte", könnte man zittieren nach der Befriedigung, mit welcher im Vatikan alles, was gegen den Dreibund geschieht, ausgenommen wird.
* London, 30. Okt. Der Vertreter der „Times" aus Toulon berichtet von einem Gespräch mit einem Vertrauensmann des russischen Botschafters v. Mohren- hsim, daß zwischen Frankreich und Rußland schon zwei Jahre eine Mtlitärkonvention bestanden habe.
" Petersburg, 28. Okt. Das Petersb. Journal drückt die Meldung des amtlichen Warschawsky Dnevnik ab über freundschaftliche Besuche, welche Offiziere der russischen Grajewo'schen Grenzwachbrigade und des in Lyck garnisonirenden preußischen Ulanenregiments jüngst austauschten.
' In der panslawisttschen Presse Rußlands äußern sich Verstimmung und Mißtrauen gegen Schweden immer deutlicher. Die „Wjcdomosti" ergreifen die Gelegenheit, das schwedische Nationalgefühl an seiner empfindlichsten Stelle, in Finnland zu kränken, indem sie für den Fall einer europäischen Krise die Belegung Finnlands mit nationalrusstschen Truppen und die Entfernung der finnländtschen Regimenter nach dem Innern des russischen Reiches verlangen. Daß eine solche Maßregel gegen die 1809 bei Uebernahme des Großfürstentums von Zar Alexander I. gegebenen Zusicherungen in der gröblichsten Weise verstoßen würde, braucht das panslawistische Blatt natürlich nicht zu kümmern. Die finnländischen Blätter protestieren heftig gegen jene Drohung wie überhaupt gegen die Verdächtigung der militärischen Treue ihrer Soldaten, die bekanntlich unter Alexander II. sogar die bevorzugte Leibwache des Zaren bildeten.
* Madrid, 30. Okt. Bei dem gestrigen Gefecht mit den Kabylen wurde der Gouverneur von Melilla, General Margallo getötet. — Der Kriegsminister kündigt an, daß die spanischen Verluste sehr beträchtlich waren. Man spricht von 70 Toten und 122 Verwundeten, aber in Wahrheit dürften sie noch bedeutender sein. Der neue Kommandant kommt heute in Melilla an. General Ortega hat große Verstärkung verlangt. Bet dem Kampf am Freitag und Samstag an den Forts Rostrogordo und Cabreüzas standen den 11000 Arabern bloß 2000 Spanier gegenüber. Die Kabylen konnten sich in der Nacht in den Laufgräben der Spanier etnnisten und beschossen von da den Feind aufs wirksamste. Es ist außer Zweifel, daß es sich um eine Niederlage handelt. Von Madrid sind heute 3 Bataillone Jäger und 4 Bataillone Linie abgegangen.
* Madrid, 31. Okt. Der Ministerrat beschloß die Einrichtung einer Dampferlinie, welche den Verkehr zwischen Malaga und Melilla zweimal täglich vermittelt. Der Marineminister entsandte wegen Ausbleibens authentischer Nachrichten den Kreuzer „Ile de Lucon" nach Melilla; derselbe soll die amtlichen Depeschen direkt überbringen. Nach den letzten Meldungen beschränken sich die in die Forts zurückgezo-
Kr ist der Gröe!
(Fortsetzung.)
„Ich bin totmüde. Entschuldige mich, wenn ich zu Bett gehe," sagte Fritz dann.
„Geh nur, ich lege mich auch hin!" erwiderte Hans.
Aber er legte sich nicht hin, er blieb auf und Lörrach hörte ihn, als er selbst schon im Bett lag, daS Fenster wieder öffnen.
„Das geht nicht gut mit Hans, ich will selbst mit dem Doktor sprechen," dachte er im Einschlafen.
Es war früh am andern Morgen, als Fritz Lörrach von einem Wagengerassel geweckt wurde. Ein Blick durchs Fenster belehrte ihn, daß Herr Elsat, der Buchhalter seines Vetters, und ein anderer Kommis in dem Wagen saßen.
Was gab es? Was führte die beiden hierher? Er sprang auf, öffnete das Fenster und fragte.
„Ist Herr Harterott schon aufgestanden, Herr Lörrach?" riefen beide Herren zurück.
„Ich glaube nicht. Er befindet sich schlecht. Ist es wegen des Streiks?"
„Nein, Herr Lörrach, man hat bei uns eine Brandstiftung versucht," rief in gedämpftem Ton der Buchhalter ihm zu.
„Warten Sie —! Oder bitte, kommen Sie sachte herauf, mein Vetter war gestern gar nicht wohl; können wir es ihm nicht erspa-en?" flüsterte er erschrocken zurück. Gleich darauf traten die Herren in fein neben der Kammer liegendes Wohnzimmer.
Der alte Melcher, der Hauswart, hatte ihnen gesagt, Herr Hartcrott schlafe noch. So traten sie sehr leise auf, und Lörrach gesellte sich, nachdem er sich eilig angekleidet, zu ihnen.
Die Herren waren sehr erregt.
Man hatte im Warenlager Feuer anlegen wollen.
„Denken Sie nur, welches Unglück hätte entstehen können, Herr Lörrach." Sie sprachen beide zugleich.
„Und wie?" Glauben Sie an böswillige Brandstiftung?" fragte dieser.
„Natürlich — wir haben alles genau so getroffen, wie ich es vermutete — es ist ein Skandal sondergleichen — Petroleum auf die Tuchballen gegossen — ganze Haufen von Schwefelfäden dazwischen versteckt und an mehreren Stellen zugleich."
„Aber das ist ja schrecklich! Hat man Verdacht ?"
„Nicht den geringsten, Herr Lörrach."
„Bringen Sie die Sache mit dem Streik in Zusammenhang?"
„Nein! Wenigstens liegt kein Anlaß dazu vor. Es ist ja wahr, Herr Harterott steht nicht besonders gut —"
„Nein, Herr Buchhalter, sagen Sie nur ehrlich die Wahrheit," mischte sich der andere junge Mann ein. „Herr Harterott ist verhaßt bei den Leuten; aber man hat keinen bei uns gesehen, keinen einzigen."
„Und am Ende, wer führt die Schlüssel zum Warenlager?" fragte Lörrach.
„Ich, in des Prinzipals Abwesenheit. Ich wohne im Hause!" sagte Herr Elsat.
„Und wie entdeckten Sie die Geschichte?"
Des Buchhalters Gesicht überflog eine brennende Röte, das des anderen ein leichtes Lächeln.
„Es kann nicht h-lsen, nur heraus damit!" ermutigte der letztere.
„Ja, Offenheit ist auch wohl das beste!" seufzte der Buchhalter und bekannte Lörrach, er habe ein heimliches Verhältnis mit Fräulein Lina, der Stütze der Hausfrau. Abends hätten sie sich in dem großen Saal, wo die Tuchstücke auf langen Tischen gerollt wurden, getroffen und niemals seien sie da gestört worden.
Gestern abend war aber einem der Dienstmädchen auf Veranlassung von Fräulein Lina von Fra« Harterott gekündigt worden; dieses hatte aus Aerzer die Zusammenkünfte des Liebespaares verraten und Frau Harterott, die sehr streng auf Ordnung und Sitte in ihrem Hause hielt, nach dem Packsaale verwiesen.
„In meiner Angst — wir hörten sie kommen — schloß ich die Thür nach dem Warenlager auf — wir schlüpften hinein und konnten noch gerade wieder zuschließen, da hörten wir Frau Harterott Linas Namen rufen.
„Wir standen und regten uns nicht, bis sie fort ging, aber mir fiel sofort ein sonderbarer Geruch auf. Als wir nun ruhiger wurden, sprachen wir darüber; Lina meinte gleich, es brenne irgendwo und es rieche nach Petroleum.
„Wir dachten doch nichts Arges, aber ich ging weiter in die Lagerräume hinein, der Brandgeruch