fich gegen einzelne Banken, deren Mittel in unbeweglichen Werten angelegt sind. Es herrscht eine schwüle Stimmung in Berlin. Die Krise scheint jetzt die Häuser und Gründe erfaßt zu haben, viele tausend Wohnungen stehen leer, der Realitäten-Kredit in den Vororten ist tief gesunken. Die Hypotheken-Jnstitute haben ihr Kapital zum Teil dazu verwendet, ihre eigenen Pfandbriefe anzukaufeu, um deren Kurs zu halten; die Mietpreise der Häuser sinken, und die Dresdner Bank ist bei der Versteigerung eines Hauses, das im Zentrum Berlins liegt und dem Bau- Unternehmer Troplowitz gehörte, mit einer Forderung von hundertfünfzigtausend Mark vollständig durchgefallen. Es war heute ein schlimmer Tag für Berlin. Ein Falliment in Hamburg hatte eine große und schlechte Forderung der Dresdener Bank aufgedeckt und nun wendet sich der Sturm gegen die Kredit-Institute. und das von den umherschwirrenden Gerüchten beängstigte Publikum wirft die Effekten auf den Markt. Ein strenges Gericht wird über die Banken gehalten, und deren Portefeuilles und Debitoren sind jetzt der Herd, wo die Krise sich eingenistet hat. Die deutsche Nation ist noch immer reich und die Berliner Börse ist noch immer stark, aber Deutschland ist ärmer und Berlin weit schwächer geworden. Das Einkommen unzähliger Familien hat sich verringert, Milliarden fremder Effekten sind entwertet, das Kapital ist festgerannt, die finanzielle Zerrüttung Italiens hat dem deutschen Volke einen Verlust von mehreren hundert Millionen bereitet, die Industrie und der Handel stocken, in allen Weltteilen hat das deutsche Volk sein Vermögen eingebüßt, und in dem zu jäh aufgeschossenen Berlin ist ein herber Rückschlag eingetreten.
* Ein 17jähriger Gymnasiast, Willi Schl., Sohn eines Militärbeamten, geriet nach dem vor zwei Jahren erfolgten Tod seines Vaters in schlechte Gesellschaft, bestahl kürzlich schon seine Mutter um 300 Mk. und ging dann mit zwei Kameraden durch, nachdem einer derselben seinem Vater 3900 Mk. gestohlen hatte. In Magdeburg wurde Schl, mit dem einen Genossen festgenommen, während der andere, Namens Otto M., weiterflüchtete. Die drei hatten in zwei Tagen 1860 Mk. verjubelt. Schl, wurde nun vor einigen Tagen zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt, erschoß sich aber in der Nacht zum Freitag unter Hinterlassung eines Briefes mit der Aufschrift „An meinen lieben Otto", der zweiflellos für den flüchtigen M. bestimmt ist. Der cynische Inhalt des Schreibens enthält u. a. auch die Angabe, daß Schl, die Hand an sich gelegt habe, um nicht seiner Mutter die Freude zu gönnen, ihn als Sträfling in Plötzensee zu sehen.
Ausländisches.
* Wien, 23. Okt. Im gestrigen gemeinsamen Mtnisterrate unter dem Vorsitz des Grafen Kalnoky wurden die Differenzen zwischen den beiderseitigen Regierungen betreffs des russischen Handelsvertrages ausgeglichen, so daß die Antwortnote an Rußland festgestellt werden konnte, wodurch die Eoentualität des Zustandekommens des Vertrages in nahe Zeit gerückt ist.
* Wien, 23. Okt. In der Pester Garnison greift
Kr ist der Erve!
(Fortsetzung.)
„Der als Gast des Herrn Harterott die Ehre hatte, Ihnen letzthin vorgestellt zu werden. Mein Vetter und ich sind zur Entenjagd heute wiederge- kommen, und da er mich entbehren konnte, bin ich umher gelaufen und in den Park geraten."
„Möchten Sie unseren Garten gern sehen?" fragte sie mit einem reizenden, naiven Stolz darauf. „Ich will Sie gern umherführen."
„Gnädiges Fräulein sind sehr gütig, ich könnte nichts besseres wünschen!" rief er hochbeglückt, aber mit großer Beherrschung sich so zeremoniell wie möglich benehmend.
„Sie kommen aus England und sind so viel Schöneres gewöhnt?" fragte sie, nun doch etwas zweifelnd.
„Anderes, Baronesse, nicht gerade darum Schöneres; solch ein alter Garten ist jedenfalls eine Sel- tenhnr, und es heimelt wunderbar an, darin so viel liebe alte Bekannte zu sehen, wie den Rittersporn dort und jene Malven."
„Das ist mein Geschmack auch!" sagte sie lebhaft. „Ich finde natürlich bei unseren gekannten die schönsten neuen Blumen und Anlagen, aber so traulich und lieb wie unser Garten mutet mich keiner an. Mir ist zuweilen, als müßte der Urgroßvater, der dies alles hat pflanzen lassen, noch darin umhergehen und die Großtanten mit ihren langen Schmachtlocken, an die ich mich noch erinnere. Denken Sie
die Cholera um sich. Das Kaiserpaar wird die Absicht, von Gödöllö in die Ofener Burg überzufiedeln, deshalb nicht verwirklichen.
* R o m, 23. Okt. Aus Palermo wird gemeldet: In der Nacht zum Sonntag griffen zahlreiche Briganten die Gendarmertekaferne an und verhinderten durch anhaltendes Gewehrfeuer die Gendarmen die Kaserne zu verlassen. Inzwischen wurden die Bürgermeisterei und die Stadtkaffe ausgeplündert.
* Paris, 23. Okt. Die Trauerfeierlichkeiten für Mac Mahon fanden gestern statt. Der Leichenzug bildete sich vor der Madeleine-Ktrche, wohin der Sarg am Samstag verbracht worden war. Im Augenblick der Hebung des Sarges hielten die Minister Dupuy und Loizillon Reden. Hierauf wurde der Sarg auf einen sechsspännigen Leichenwagen gehoben. Der Zug begab sich nach dem Jnvalidendom. In demselben folgten die Familie, die hier accreditier ten Botschafter und Spezialgesandten, unter denen Lord Dufferin, Oberst Talbot, Gras Münster mit dem gesamten Botschastspersonal in großer Uniform, die russischen Offiziere, Zivil- und Militärabordnungen. Auf dem ganzen Wege harrte des Zugs eine schweigsame, andächtige Menge. Ministerpräsident Dupuy schilderte in seiner Rede den Charakter des Marschalls und gedachte seiner Wirksamkeit als Bürger, Staatsmann und Staatsoberhaupt. Als Mac Mahon im Besitze der Staatsgewalt war, richtete er seine ganze Sorge auf die Stellung Frankreichs dem Auslande gegenüber, und seit seinem Rücktritte konnte er sehen, daß die Republik in gleicher Weise die Pflicht der Wachsamkeit erfüllte. Vor seinem Tode habe er sehen können, daß Frankreich in einer neuen Lage als Lohn für eine weise und aufrichtige Haltung ein sicheres Pfand für den Frieden gefunden habe, welchem Frankreich ergeben sei und dessen ganz Europa bedürfe. Mac Mahon habe die moralische Tragweite der festlichen Veranstaltungen anläßlich des Besuches der russischen Marine wohl erkannt. Indem seine sterbliche Hülle in den Dom der Invaliden übergeführt wurde, bewies die Republik, daß sie über den Kämpfen der Parteien das heilige Bild des Vaterlandes hochzuhalten weiß. Der Krtezsminister Loizillon erinnerte an die hervorragendsten Waffen- thaten des Verstorbenen. Nach der kirchlichen Trauerfeier wurde der Sarg vor das Thar des Jnvaliden- domes gebracht, worauf die Truppen vorbe?marschier- ten. Die Mitglieder des diplomatischen Corps und die russischen Offiziere hatten dabei rechts und links vom Sarge Aufstellung genommen. Nach dem Vorbeimarsch der Truppen wurde der Sarg wieder in die Kirche getragen und in dem für Marschälle bestimmten Gewölbe beigesetzt. Um 4 Uhr war die Trauerfeier zu Ende. Kein Zwischenfall ist vorgekommen.
' Paris, 23. Oktbr. Anläßlich der gestrigen Leichenfeier für Mac Mahon wurden mehrfach beifällige Worte geäußert über den Kranz des deutschen Kaisers und die Schönheit der gestern sichtbaren deutschen Uniformen. Der „Figaro" schreibt: Die Menge blieb bei dem Anblick der letzteren nicht frei von Bewunderung, die freilich die Erinnerung und die Hoffnung nicht hinderte. Trotzdem war kein Ereignis so glücklich für die Sache des Friedens, als
nur, wie hübsch das ist, sich vorstellen zu können, sie alle, die vor uns bier gewesen, kommen als Geister zuweilen zurück und freuen sich, daß wir in Ehren halten, was ihnen lieb war."
Sie lachte dabei und that, als gruselte ihr. Dabei sah sie so kindlich und schelmisch aus. ganz anders, als da er zuerst nur die vornehme Dame in ihr kennen gelernt hatte.
Der Papa spiele Whist mit dem Pastor und dem Inspektor, erzählte die junge Dame und fragte dann sehr interessiert nach Bettina Wiedner und nach Frau Harterott. Er gab ihr freundliche Auskunft und kam dann auf hier und dort Geschehenes zu sprechen, sie hörte so, daß er große Reisen gemacht, und das schien ihr ein unerreichbares Glück.
„Ich bin noch nie weiter gekommen, als bis in die Residenz," erklärte sie und erzählte dann auch, der Papa möge keine fremden Menschen um sich haben — schon ihre Freundinnen belästigten ihn.
Sie liebte es sehr, auf dem kleinen See zu fahren, Papa sähe es aber nicht gern, sagte sie später.
„Aber er würde vielleicht erlauben, daß ich Sie rudere, Baronesse?" fragte Lörrach.
„Sicher!" Doch als er dann gleich eine Stunde für morgen vorschlug, zögerte sie, zog sich scheu ein wenig zurück und meinte, wenn es sich so träfe, so würde sie das Anerbieten gern aunehmen.
Nichts Bestimmtes! Ihm gefiel diese Zurückhaltung sehr, so le d sie ihm anderseits war.
Endlich mußte er aber doch fort. Sie hatte ihn plaudernd bis fast an den Ausgang geführt.
das Defile so vieler fremden Uniformen durch die Pariser Straßen.
»Paris, 23. Okt. Der deutsche Botschafter Graf Münster kehrte von dem Begräbnisse Mac Mahons zu Fuße zurück, von den Militärattaches umgeben und von der Volksmenge auf dem ganzen Wege mit großer Achtung begrüßt.
* Paris, 23. Okt. Admiral Avellan wird mit den russ. Offizieren in der Nacht vom Dienstag auf Mittwoch Paris wieder verlassen.
* In Norwegen wird die Agitation gegen Schweden unentwegt fortgesetzt. Am 17. d. sprach in Christiania auf einem großen Wählerfest der Linken, dem der frühere StaatSminister Steen beiwohnte, Staatsrat Ovam unter begeisterter Zustimmung für die Selbständigkeit Norwegens auch betreffs der auswärtigen Angelegenheiten. Alle Liberalen Norwegens müßten dafür arbeiten, daß das Ministerium Stang, welches nur di: Geschäfte für die schwedische Oberhoheit besorge, der Mittel zum Regieren beraubt würde. Dem gewesenen Staatsminister Steen wurden mehrfach lebhafte Huldigungen dargebracht.
Konstantinopel, 20. Okt. Der deutsche Botschaftssekretär Baron v. Seefried-Buttenhrim begab sich gestern nach Jerusalem, um ans Befehl deS Reichskanzlers die deutsche Botschaft bei der Grundsteinlegung der evangelischen Kirche zu vertreten. Die Kirche wird bei der Grabeskirche auf einem früher dem Johannckerorden gehörigen Platz Murfistan erbaut werden, den 1869 der Kronprinz Friedrich Wilhelm vom Sultan beim Besuch Jerusalems geschenkt erhielt. Die Grundmauern der alten Ritterkirche sind noch vorhanden und werden jetzt für den Neubau benutzt, der durchaus in den alten Formen gestaltet wird. Als Vertreter des Königs von Preußen, des Schutzherrn des evangelischen Bistums Jerusclems, erscheint bekanntlich der Präsident des evangelischen Oberkirchenrats Barkhausen.
* Madrid, 23. Okt. Aus Tanger wird gemeldet, 50000 Mauren seien um Melilla konzentriert. Der Kriegsminister wirft aufs eiligste alle disponiblen Mannschaften hinüber, große Transportschiffe gehen mit Munition dahin ab. Divisionskommandeur Vriz übernimmt das Kommando bis zum Eintreffen des Generals Chinchilla.
Der diesjährige Wein «nd die Vorsichtsmaßregel« z« dessen bestmöglicher AvLgestattnng.
Man kann sehr verschiedene Urteile über den heurigen Wein hören. Die Einen sagen, er reihe sich würdig an einen 65er, 58er, 46er, 42er, 34er rc. an, unsere bestreiten dieses und weisen ihm eine weit Niederere Stufe in der Letter der Jahrgänge an. Beide Urteile dürsten begründet sein, und die Verschiedenheit beruhen auf dem so bedeutenden Einfluß, den Bodenverhältnisse, Vorkommen oder Ausbleiben von Gewitterregen, Kraftzustand und Bau Heuer auf die Entwicklung der Trauben ausgeübt haben. Die Trauben kamen in diesem Jahr infolge der außerordentlichen Wärme des Frühjahrs sehr früh auf die Bahn. Die Blüte fand durchschnittlich 3 Wochen früher als in einem gewöhnlichen Jahre statt. Bei dem abnormen Mangel an allgemeinen Niederschlägen mußte aber ycyer eine große Verschiedenheit sich da-
Wenn er nur hätte hoffen dürfen, sie wiederzusehen ! Aber sie sagte kein Wort, sie entließ ihn mit derselben freundlichen Unbefangenheit, mit der sie ihn begleitet hatte.
Als er nach Warmenau zurückkam, hatte sich Harterott schon zu Best begeben; er rief dies wenigstens seinem Vetter zu, obwohl dieser ihn noch längere Zeit in seinem Zimmer sich bewegen hörte.
Lörrach schlief darüber ein — aber mitten in der Nacht weckte ihn plötzlich ein Geräusch, wie von einem Knall oder Fall. Er horchte lautlos — dann hörte er, wie regelmäßige Schritte aus Harterotts Stube, die unter der seinigen lag, zu ihm empordrangen, und den Kopf schüttelnd über des Vetters nervöse Aufregung, lag er nun lange, immer diesem ruhelosen Auf- und Abgehen lauschend und dazwischen an seine Abendbegegnung senkend.
„Er hat Sorgen, es ist klar. Wenn der Mensch nur sprechen wollte, daß man ihm vielleicht raten oder ihm Hilfe geben könnte," murmelte er.
Später war er darüber dann doch wieder ein- geschtafen, hatte von dem Fräulein v. Jhlefleth geträumt, und als er herunter kam, sagte ihm der Hauswart, der Herr sei schon lange aus und nachdem er etwas Kaffee getrunken, fortgegangen.
Also nach der schlaflosen Nacht nicht einmal einen erquickenden Morgenschlummer. Fritz Lörrach fühlte Mitleid mit Hans — er muß krank sein.
Als auch er sein Frühstück genommen, ging er hinaus, Hans zu suchen.