* Potsdam, 23. Aug. Der Kaiser ist gestern abend mit Sonderzug nach Reinhardsbrunn an das Sterbelager des Herzogs von Coburg abgereist.

* Gotha, 23. August. Der Herzog ist gestern abend 113,4 Uhr gestorben.

* Gotha, 23. Aug. Der Kaiser wird der Bei­setzung des Herzogs Ernst beiwohnen.

* Friedrichroda, 23. Aug. Der Herzog von Edinburg hat als Herzog Alfred die Thronfolge von Koburg-Gotha ongetreten.

* Berlin, 21. Aug. Der Reichsanzeiger schreibt: Aus Kreisen der Kleinindustrie ist darüber geklagt worden, daß bei dem Abschluß von Licferungsver- trägen von seiten der Staatsverwaltungen häufig die Lieferfristen zu knapp bemessen würden. Meist sei dies die Folge einer verspäteten Bestellung der Lieferung, welche dann in gedrängter Zeit bewerk­stelligt werden solle, während welcher die Arbeits­kräfte unter Zuhilfenahme von Ueberschichten und Sonntagsarbeit übermäßig angestrengt werden müßten. Nach Fertigstellung des Auftrags pflegte später häufig in dem betreffenden Betriebe ein Mangel an Beschäf­tigung einzutreten, der den Betriebsinhaber zwinge, einen Teil seiner Leute zu entlasten. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, hat der Minister des Innern die Regierungspräsidenten ersucht, aufdie zurVerwaltung des Innern gehörigen Behörden in dem Sinne ein­zuwirken, daß die Lieferungen, die von den Behörden zu vergeben find, soweit dies angeht, gleichmäßig über das ganze Jahr verteilt werden. Dies wird sich besonders bei der Vergebung der Herstellung von Be­kleidungsstücken durchführen lasten, damit dadurch in dem betreffenden Betriebe eine gewisse Stätigkeit erzielt wird, die nicht nur dem Betriebsinhaber allein, sondern auch seinen Arbeitern zu gut kommt. Vor allem soll darauf gehalten werden, daß alle Ver­gebungen von Lieferungsarbeiten möglichst frühzeitig erfolgen und daß ausreichende Lieferungsfristen ge­währt werden, die ein ruhiges und ^gleichmäßiges Fertigstellen der Arbeiten gestatten."

* Berlin, 23. Aug. Ueber den Fall des Grena­diers Schröder vom 1. Garderegiment z. F., der zur­zeit die gesamte deutsche Presse beschäftigt, hat sich der Kaiser, wie der Allg. Miltt. Korresp. von unter­richteter Seite mitgeteilt wird, eingehend Bericht er­statten lasten.

* Bezüglich neuer Marineforderungen berichtet die Köln. Volksztg.", daß der preuß. Finanzminister Miqurl bei seiner Steuerreform 40 Mill. Mark über das gegenwärtig vorliegende Bedürfnis hinaus ver­lange; und zwar geschehe dies, weil eine starke Ver­mehrung der Marine beabsichtigt werde, Die Marine soll so stark gemacht werden, daß sie die Ostsee be­herrsche und auf der Nordsee die Offensive gegen die französischen Schiffe ergreifen könne. Wenn dieser Plan tatsächlich unserer Marineverwaltung vor­schwebt, würden auf viele Jahre hinaus außerordent­liche Marineforderungen zu erwarten sein.

' DieNordd. Allg. Ztg." bezeichnet die Nachricht derKöln. Ztg." und anderer Blätter, daß die Ab­sicht bestehe, im Zusammenhang mit der Steuerreform im Reiche mit bedeutenden Marine-Forderungen an die gesetzgebenden Faktoren heranzutreten, als unrichtig.

* Die Durchschlagskraft der Jnfanteriegeschosse

ist geradezu erstaunlich, wie folgender, von daher. Blättern berichteter Vorfall zeigt. Bei einer Uebung im Scharfschießen am Kugelfang bet Fröttmantng zog ein Soldat des bayer. Jnfanterie-Leibregtments falsch auf und brachte die Mündung seines Gewehrs gegen den Lauf des Gewehrs seines Nebenmannes. Die Kugel schlug an des letzteren Lauf, durchbohrte den Umhüllungslauf, drückte den inneren gezogenen Lauf an einer Stelle ein und schlitzte den äußeren Lauf wie eine Baumrinde der Länge nach auf.

* Mit der Wahl in Hamburg sind nunmehr alle Nachwahlen zum Reichstage erledigt, die durch Doppelwahlen notwendig geworden waren. Es waren doppelt gewählt die Abgg. Träger (Freis. Volks­partei), Bebel (soz.), Ahlwardt, Werner, Zimmer­mann (Antisemiten). Die Nachwahlen find genau im Sinne der Hauptwahlen ausgefallen und eine Verschiebung der Parteiverhältnisse im Reichstag hat nicht stattgefunden.

* Duisburg, 23. Aug. Laut Bekanntmachung des hies. Bürgermeisteramts ist der im Ruhrorter Kaiserhafen beschäftigt gewesene Baggermeister Erbel aus Duisburg gestern im Duisburger Epidemienhaus an astatischer Cholera gestorben.

* Kiel. Ein ziemlich intensives Nordlicht ist am Freitag abend in Kiel beobachtet worden. Der zu­erst gelvltchweiße Bogen, der die Grundlage des Po­larlichts bildete, war m leise auf- und abflutender Bewegung begriffen und zeigte dann an seiner Basis ein lebhaftes Rot, weiter aufwärts Helles Grün, während der obere Rand des jetzt fast schlangenförmig sich windenden Bogens ein lichtes Gelb aufwies. Die Höhe des Bogens mochte zwischen 4 bis 6 Grad schwanken, während sich die aus allen seinen Teilen blitzartig aufschießenden lichten Strahlen nach dem Zenith zu richten schienen. Oft erschien, derKiel. Ztg." zufolge, das Ganze wie eine scharf ausgezackte Krone, dann wieder wie irgend etn phantastisches himmlisches Ungeheuer, ein stachlicher Drache, aus dessen Rücken lichte Lanzen nach oben geschlendert wurden.

* Danzig, 24. Aug. DerDanziger Zei­tung" zufolge hat der Landwirtschaftsminister die Einfuhrerlaubnis für Heu und Stroh aus Rußland telegraphisch bis zum 2. September verlängert.

* Aus hohem Norden, 22. Aug. Das deutsche TouristenschiffAdmiral" ist gestern, von Spitzbergen kommend, in Tromsö eingetroffen. Das Schiff ist ungefähr bis zum 81. Breitegrad vorge- drungen, ohne auf Packeis zu stoßen. Die Beobach­tung der Mitternachtssonne gelang vortrefflich; unter­wegs wurde auch Walfischjagd betrieben.

Ausländisches.

* Wien, 24. Aug. Nachdem schon gestern im Bezirk Favoriten Ausschreitungen vorgefallen sind, fanden heute wiederum mehrfache Ansammlungen des Pöbels statt, welche durch die Polizei zerstreut wur­den. Die Polizei wurde wiederholl mit Steinen be­worfen, sie nahm mehrere Verhaftungen vor. Gröbere Exzesse kamen nicht vor.

* Wien, 24. August. Zur Ausführung großer Erdarbeiten zu den Festungsbauten in Galizien wur­

den von österreichischen Bauunternehmern mehrere Tausend italienische Arbeiter engagiert.

* Prag, 23. August. Heute nacht wurden auf fast sämtlichen Briefkasten die kaiserlichen Adler schwarz überstrichen und ebenso die kaiserlichen Emblemen an den Tabaktrafiken beschmutzt.

* Sehr bemerkenswert bet der gegenwärtig in Italien herrschenden antifranzöstschm Bewegung ist, daß die Menge jede Gelegenheit zu lärmenden deutsch­freundlichen Kundgebungen benutzt. So wurden die Fenster der französischen Botschaft eingeworfen unter dem Rufe:Nieder mit den Franzosen! Hoch Deutsch­land! Hoch die Helden von Sedan!" Und auf der Piazza Colonna wurde die deutsche Nationalhymne unter frenetischem Beifall des Publikums gespielt, das in fortgesetzte Hochrufe auf Deutschland und die Tripel-Allianz und in die Rufe: Tod den Fran­zosen! Tod den Henkern! ausbrach. Wer öffentlich französisch sprach, geriet in Gefahr, geprügelt zu werden und schlecht erging es dem Direktor des BlattesJtalie", den man unter dem GeschreiNie­der mit den französischen Blättern!" umringte und mit Püffen regalierte. Ein Vorgehen, das übrigens auf Mißverständnis beruht, da dieItalic" zwar in französischer Sprache erscheint, allein etn gut italieni­sches Blatt ist. Auf alle Fälle haben die Franzosen in ihrem grenzenlosen Chauvinismus und Unverstand der Tripel-Alltanz in Italien einen unvergleichlichen IKknö erwiesen I

* Mailand, 24. Aug. Eine hauptsächlich aus Anarchisten bestehende Volksmenge zertrümmerte gestern Laternen und die Schaufenster mehrerer Ge­bäude. Gendarmerie zerstreute die Menge und nahm 23 Verhaftungen vor.

* Parts, 23. Aug. Der italienische Botschafter Reßmann teilte dem Minister Dupuy mit, daß die italienische Regierung ein Telegramm durch Mauer- anfchläge bekanntmache, nach welchem Italien von Frankreich Genugthuung geworden durch Abberufung des Bürgermeisters von Aigues-Mortes und Ent­schädigung für die Hinterbliebenen der Erschlagenen.

* Daily News melden aus Antwerpen: An Cholera sind bisher 11 Personen, 50 Prozent der Erkrankten, gestorben.

* Krakau, 23. Aug. Aus Kasimierz wird ge­meldet, daß dort die Weichsel infolge der starken Regengüsse um 7 Meter gestiegen ist und die Stadt fast vollständig überschwemmt hat. Eine große An­zahl Häuser sind eingestüczt und 25 Menschen ertrunken.

* Brody, 23. Aug. Die russische Regierung be­fahl, die an der deutschen Grenze überflüssigen Eisen­bahnwagen nach der österreichischen Grenze zu schaffen.

-Aus Rußland wird gemeldet, daß das neue Jnfanteriegewehr nach keiner Richtung den ge­hegten Hoffnungen entspreche und an so schwerwie­genden Mängeln leide, daß die Offiziere nachdrück­lich ein anderes Gewehr für die Truppen verlangen. Die Mannschaften sollen beim Schnellfeuern in so hochgradige Aufregung geraten, daß sie die Herrschaft über das Gewehr verlieren, dessen Lauf sich überdies nach wenigen Schüssen unerträglich erhitzt.

* New - Nork. Gräfin Stolzberg, einer öster­reichischen Adelsfamilie angehörig, vergiftete sich im Zentralpark. Nach dem Tode ihres Gatten, eines

Gim Woche. (Nachdruck verboten.)

Kriminal-Roman von M. . . .

(Fortsetzung.)

Es wird schwer halten, den Mörder ausfindig zu machen; Hoods Mörder meine ich. Er muß za ein ganz durchtriebener Halunke sein. Den zu fangen, das dürste sich verlohnen, das würde ein gutes Stück Geld einbringen! Sie, der Sie bei Mr. Förster dienen, sollten die Augen offen halten, man kann ja niemals wissen!" Ich blinzelte listig mit den Augen und sah den jungen Mann verständ­nisvoll an.

- ^Morrison wurde unruhig. Er rückte auf dem Stuhl hin und her. Erschien sprechen zu wollen, er besann sich aber eines anderen.

Sie sehen mir gar nicht danach aus," fuhr ich fort,als gehörten Sie auf so einen Platz. Aber Sie wollen das Leben studieren, sich die verschiedenen Lebensverhältnisse ansehen; das ist sehr verständig, sehr verständig! Es ist ja im übrigen ganz gleichgiltig, auf welche Weise man sein Brot verdient, wenn es nur mit ehrlichen Dingen zugeht. Ja, ja!" ich klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

Morrisons Augen glänzten. Er atmete tief auf und dann legte er los:

Ich bin ein Gentleman und bin auch gewöhnt, als solcher behandelt zu werden. Daß ich jetzt in dieser Livree stecke, daß ich diese erniedrigende Kleid­ung trage, beruht einzig und allein auf den Ver­

hältnissen. Sie finden es vielleicht merkwürdig, daß ich Ihnen dies erzähle, aber ich will niemand hinters Licht führen, und da Sie sich so freundlich mit mir unterhielten" er schwieg einen Augenblick.

Mich hinters Licht zu führen! Großer Gott, wozu der Stolz der Menschen nicht verführen kann! Ja, ja, das Schweigen wird einem oft schwer. Ja, das verstehe ich! Sie haben sicher ein bestimmtes Ziel vor Augen, das Sie erreichen wollen, Sie wünschen Karriere zu machen. Wer wollte das nicht. Was Sie dazu bestimmt, weiß ich nicht. Sie sind wahrscheinlich ehrgeizig. Der Ehrgeiz ist eine Tu­gend, eine edle Tugend! Vielleicht lieben Sie ein junges, liebliches Mädchen, und Sie wollen sich einen Namen schaffen, sich um jeden Preis bekannt machen. Sie führen sicher großartige Pläne im Schilde! Glück auf, mein Freund!"

Abermals atmete Morrison tief auf. Er sah mich strahlenden Blicks an. Ich hatte den Nagel auf den Kopf getroffen.

Ich hatte sein Benehmen in jener verhängnis­vollen Nacht nicht vergessen. Wie eifersüchtig, wie ehrgeizig war er nicht gewesen. Wie neidisch hatte er mich angesehen! Morrison hier das hieß, daß er auf Jagd gegangen war! Er hatte um einen mehrtägigen Urlaub gebeten. Er hoffte den Verbrecher zu erwischen. Und der Verbrecher war natürlich kein anderer als Archibald Förster! Das war sonnen­klar, das konnte jedes Kind einsehen! Und Morrison hatte sich in die Räuberhöhle hineinbegeben, er hatte sich in das Gewand des Dieners gesteckt, um desto

sicherer die Schritte der Schuldigen verfolgen zu können! Gut, er mochte es thun! Wer weiß, viel­leicht konnte er mir, wenn es darauf ankam, noch von Nutzen sein.

Morrison war ehrgeizig, Morrison war verliebt!

Und wenn Sie dann Ihren Zweck erreicht, Ihren Vorsatz durchgeführt haben, wenn Sie für eine Zeitlang der Ruhe bedürfen, dann kommen Sie auf einen oder zwei Monate aufs Land. Es giebt nichts schöneres als das Landleben. Die grünen Wiesen, die tiefen Wälder, der frische, dunkelblaue Himmel, der sich hoch und wolkenlos über Ihnen wölbt! Kommen Sie aufs Land hinaus! nicht allein, son­dern mit ihr, die Sie lieben und anbeten, die Ihnen alles auf der Welt ist-"

Sie haben sicher ihr Bild in der Tasche," fuhr ich fort,lassen Sie es mich sehen! Nur einen Augen­blick! Auch ich bin jung gewesen, auch ich habe bas lautere Klopfen des Herzens gekannt." Ich zeigte wirklich Anlage zum Romanschreiber!

Und wirklich! Morrison zog eine Photographie aus der Tasche und reichte sie mir. Und ich muß gestehen, es verlohnte sich der Mühe, sie zu betrachten.

Es war ein von Jugend und Schönheit strah­lendes Mädchengesicht. Ein paar tiefe, dunkle, strah­lende Augen, ein Stumpfnäschen, ein kleiner, lachen­der Mund, zwei Grübchen in den Wangen Morri­son hatte wirklich einen guten Geschmack.

Ich gab ihm das Bild zurück, erhob mich und sagte:

Sie sind glücklich! Sie haben die Sache richtig