rücht auf, wonach der Prinz-Regent von Bayern zu gunsten seines ältesten Sohnes, des Prinzen Ludwig, abzudanken beabsichtige. Die Münchener ,N. Nachr/ geben dies Gerücht mit allem Vorbehalt wieder und dazu eine Aeußerung, die „ein sehr hochstehender Herr* zu seiner intimen Umgebung gethan haben soll: „Ich werde nicht nach Wunsch offen und rückhaltlos von den Dingen unterrichtet, die Exzellenzen suchen mir alles zu beschönigen!"
* Würzburg, 12.Aug. Lieutenant Hoffmeister entfloh gestern aus dem Untersuchungsgefängnis. Derselbe war wegen sozialistischer Umtriebe in militärischen Kreisen inhaftiert.
' Bad Kissingen, 11. Aug. Etwa 700 Lehrer, die aus Würzburg kamen, vom 12. bayer. Volksschullehrertag, brachten dem Fürsten Bismarck heute nachmittag eine Huldigung dar. Der Fürst sprach ihnen Dank aus und verbreitete sich in längerer Rede über die deutsche Schule und ihre Zukunft, im Gegensätze zu dem französischen Chauvinismus und dem französischen Nationalkarakter; ein gewisser Partt- kulariSmus habe in historischer Liebe zu den uraltangestammten Dynastien auch im neuen Reiche seine Berechtigung. So habe er auch 1866 keinen Krieg der deutschen Stämme gegeneinander erwartet, sondern nur geglaubt, Preußen und Oesterreich würden die unvermeidlich gewordene Auseinandersetzung mit den Waffen über die Vormacht in Deutschland unter sich allein ausfechten dürfen, während die deutschen Mittelund Kleinstaaten dabei neutral zu bleiben vorztehen würden. Während und nach der Rede wurden dem Fürsten stürmische Betsallruse gewtdnet. Mit patriotischem Gesänge schloß die Kundgebung.
* Frankfurt a. M., 10. Aug. Die Beratungen der Konferenz der Ftnanzminister sind heute nachmittag 4V» Uhr geschloffen worden. Es wurde heute in der Beratung der speziellen Vorschläge zur Deckung der Retchsausgaben und zur Durchführung der Reform fortgefahren. Man einigte sich auch hier über die wesentlichen Grundlagen und beschloß die Ausarbeitung im Einzelnen und die Erledigung einer Reihe von Spezialsragen einer alsbald in Berlin zusammentretenden, aus Vertretern der wesentlich beteiligten Staaten und den Kommissaren der Reichsregterung niederzusetzenden Kommission zu übertragen. Es scheint beabsichtigt zu werden, soweit irgend thunlich, die genannten Gesetzentwürfe gleichzeitig dem Reichstage bei seinem dem- nächstigen Zusammentreten vorzulegen. Alle Aeuße- rungen der Teilnehmer an der Konferenz zeigen, daß dieselben von dem Ergebnisse der Beratungen sehr befriedigt sind.
* Frankfurt, 11. August. Nach der „Franks. Ztg." sind die drei Steuergattungen, hinsichtlich deren die Finanzministerkonferenz zu positiven Ergebnissen gekommen ist, die Tabakfabrikatsteuer, die Reichsstempelsteuer und die Weinsteuer. Bei der Wehrsteuer uud der Jnseratensteuer hatten die Beratungen vorläufig wenigstens ein negatives Resultat.
* Berlin, 10. August. Endlich ist der deutschspanische Handelsvertrag zu stände gekommen! Sicherlich hat zu diesem Ergebnis die anerkannte diplomatische Geschicklichkeit unseres Botschafters in Madrid nicht wenig beigetragen. Immer wieder drohten die
Verhandlungen mit völligem Abbruch zu endigen, und immer wieder bestand Deutschland mit Zähigkeit auf der Wiederaufnahme. Hauptsächlich unsere Landwirtschaft ersehnte den Vertragsabschluß mit Spanien. Das landwirtschaftliche Brennereigewerbe und die Spritindustrte erzielten früher einen beträchtlichen Gewinn durch Einfuhr nach Spanien, besten Weine mit deutschem Sprit versetzt wurden. Seit länger als einem Jahre war dies Absatzgebiet verschlossen, namentlich aus dem Grunde, weil Frankreich die so behandelten spanischen Weine nicht als Wein anerkannte, dementsprechend mit höheren Zollsätzen belegte. Führt in der Beziehung der Vertrag eine Besserung der Verhältnisse — durch Zollermäßigungen Spaniens — herbei, so wäre viel für das Gedeihen der deutschen Landwirtschaft und der von ihr abhängigen Gewerbe gewonnen. Spaniens Hauptausfuhrwaren sind außer Wein: Früchte, Oel, Wolle, Kupfer. Blei, Ersen. Aus den Kolonien kommen Kaffee, Zucker und Tabak. Bedeutend können die von Spanien uns gewährten Tarifermäßigungen deshalb nicht sein, weil die spanischen Finanzen sehr auf die Zolleinnahmen angewiesen sind. Nach den neuesten vorläufigen Mitteilungen über das Budgetjahr 1892/93 ergaben die Einfuhrzölle eine Mehreinnahme von 25 Millionen Pesetas, also 20 Millionen Mark.
* Berlin, 10. Aug. Wie die „Post" erfährt, werden zu der im nächsten Monat nach Berlin zu berufenden Konferenz, welche über die betreffs der gewerblichen Sonntagsruhe zu erlassenden Ausführungs- besttmmungen beraten soll, sowohl Arbeitnehmer als Arbeitgeber eingeladen werden.
* Berlin, 10. Aug. Wie aus Dresden gemeldet wird, hat sich Prinz Johann Georg von Sachsen mit der Herzogin Maria Jsabella von Württemberg verlobt.
* Berlin, 11. Aug. Der Kaiser fährt Dienstag früh nach Berlin zurück und begiebt sich direkt nach dem Tempelhofer Felde zur großen Herbstparade.
* Berlin, 11. Aug. Einer Altonaer Meldung der „Börsen-Zeitung" zufolge reiste ein höhergestellter Arzt der deutschen Kriegsmarine nach Italien behufs Prüfung des dortigen Standes der Cholera. Von dem Berichte des Arztes wird es abhängen, ob Prinz Heinrich von Preußen zu den italienischen Flottenmanövern gehen wird, oder ob der Besuch zu verschieben ist.
* Berlin, 11. Aug. Die „Voss. Ztg." meldet: Die Unterhandlungen der preuß. Militärverwaltung über die Gebietsankäufe an der belgischen Grenze zur Anlegung eines ausgedehnten Manöverfeldes und eines Barackenlagers für das VIII. preuß. Armeekorps sind, wie vom Brüsseler Patriote geschrieben wird, zum Abschluffe gekommen. Der erworbene Grund und Boden befindet sich in dem Gebiete der Gemeinden Kalterherberg und Büttgenbach (Kreis Montjoie, bezw. Kreis Malmedy im Regierungsbezirk Aachen) und umfaßt etwas über 600 Hektar. Die Einrichtung des Lagers soll im Laufe des Herbstes erfolgen. Die preuß. Militärverwaltung ist mit dieser Maßnahme dem Vorgehen der Franzosen gefolgt. Die französische Militärverwaltung hat bei Mallbeuge an der nordfranzösischbelgischen Grenze längst ein Heerlager errichtet.
* Berlin, 12. Aug. Der „Retchsanz." meldet, der Kaiser erteilte dem Schatzsekretär Maltzahn die nachgesuchte Dienstentlassung zum 1. Sept. und verlieh demselben den Kronenorden erster Klaffe.
* Berlin, 12. Aug. Nach der „Voff. Z." sind zwischen der deutschen und der englischen Regierung Verhandlungen über die Festlegung der Nordwestgrenze von Kamerun eingeleitet. Die Verhandlungen bezwecken, die Grenze bis zum Tschadsee durchzuztehen. Man einigte sich, daß die Grenze von Aola am rechten Ufer des Benue aufwärts bis zur Einmündung des von Süden in den Benue fallenden Farofluffes folgt und dann vorläufig in gerader Linie bis zum westlichen Mündungsarme des Schari verläuft.
* Hinsichtlich der Wirkungen des Zollkrieges konstatiert das „Berl. Fremdenbl.", daß dieser Tage zum ersten Mal seit dem Teuerungsjahr 1891 französischer Roggen an der Berliner Börse angeboten worden sei, und bemerkt dazu: „Frankreich exportiert also seinen eigenen Roggen und deckt seinen Bedarf durch den besseren jetzt billigen russischen Roggen. Inwieweit ein derartiges Verfahren Deutschlands Repressalien gegen Rußland beeinflussen wird, muß abgewartet werden. Ernstliche Beachtung verdient die Thatsache jedenfalls."
* Solingen, 9. Aug. Heute mittag wurde ein Mädchen von etwa 8 Jahren ermordet mit durchschnittenem Halse in einem Busch in der Nähe der Stadt gefunden. Die Polizei hat bereits mehrere Verdächtige verhaftet. Die Verhafteten mußten von der Polizei gegen die Angriffe einer tausendköpfigeu Menge geschützt werden, die ernstlich Miene machte, an den Leuten Lynchjustiz zu üben.
* Kassel, 12. Aug. Mit dem Bau einer Telephon« anlage, die bestimmt ist, Süddeutschland und Frankfurt mit Berlin zu verbinden, wurde heute hterselbst begonnen. Die Strecke Frankfurt-Lollar ist bereits fertiggestellt.
* Aus Lyck (Ostpreußen), 10. Aug., wird gemeldet: Bei einer Gefechtsübung stieß ein Ulan seine Lanze aus Unvorsichtigkeit dem Gegner so in den Oberkörper, daß dieser tot vom Pferde stürzte.
* Ein schweres Eisenbahnunglück hat sich dieser Tage auf dem Güldenboden (Ostpreußen) ereignet. Der Viehzug, der, von Königsberg kommend, um 5 Uhr früh auf Bahnhof Güldenboden eintrifft, ist bet der Einfahrt, wahrscheinlich durch falsche Weichenstellung, aus ein falsches Geleise geraten, in dem die Drehscheibe liegt, und dadurch verunglückt; 12 Wagen wurden vollständig zertrümmert. Im Zug befanden sich außer 30 für Leipzig bestimmten Remonten mehrere Hundert Gänse und ein Transport Rindvieh. Hievon konnte nur wenig gerettet werden. Von den Remonten ist nur ein einziges Tier völlig unverletzt geblieben. Ein Wagen m:t tragenden Kühen, die nach Sachsen gehen sollren, hat sich über drei andere Wagen aufgetürmi und die Kühe hängen sämtlich zermalmt zwischen den Wagentrümmern. Menschen wurden nicht getötet. Verletzt sind, wie die „K. Hart. Ztg." meldet, der Zugführer Grabowski aus Königsberg, ein Sergeant vom Dragonerregimcnt aus Borna und ein Gemeiner von demselben Regiment, erfterer und letzterer ziemlich schwer.
Gine Woche. (Nachdruck verboten.)
Kriminal-Roman von M. . . .
(Fortsetzung.)
Anny Förster und Benjamin Hood hatten in der ersten Zeit nach ihrer Vermählung ein völlig zurückgezogenes Leben geführt, sie schienen ihr Glück in aller Stille genießen zu wollen. Als jedoch einige Monate verflossen waren, zeigten sie sich wieder in der sogenannten „Welt". Anny schien mit gleicher Lust an allen Vergnügungen teilzunehmen wie früher. Der einzige Unterschied war, daß die Königin der eleganten Salons jetzt nicht mehr Anny Förster, sondern Anny Hood hieß.
In diesem Augenblick stieg ein Gedanke in meiner Seele auf. Eine Frau, die den Mann verläßt, der sie liebt und dem sie aus freien Stücken ihre Hand gegeben, hat in meinen Augen keinen Anspruch auf Achtung und Vertrauen.
Sollte sie etwa ihre Hand mit im Spiele haben?
Aber der Grund? die Ursache?
Etwas Klarheit würde ich wohl auf jeden Fall bei den Besuchen erhalten, die ich heute bei Anny Hood und Archibald Förster abstatten mußte, — und wenn es mir gelang, Licht in die dunkle Sache zu bringen, welche Entdeckungen würde ich da machen! Häufig hatten sich in der New-Iorker feinen Welt geheimnisvolle Ereignisse zugetragen; aber dieser Mord war doch etwas so Entsetzliches, daß mir davor graute, daran zu rühren.
Die Uhr schlug zehn. Es war Zeit, sich zum
Chef zu begeben und über den Verlauf der letzten Nacht Bericht abzustatten. Er erwartete mich sicher voller Ungeduld. Und möglicherweise hatte er auch etwas zu melden.
Vielleicht mußte ich auch ein wachsames Auge auf den Adjutanten haben. Der junge Mann hatte mir niemals so recht gefallen; er war so hitzig, so unbesonnen. Aber die Jugend will ja nun einmal austoben.
5.
Ich betrat das Vorzimmer, in welchem der Adjutant sich aufzuhalten pflegte. Heute war der junge Mann jedoch nicht wie gewöhnlich auf seinem Posten. Ein anderer Sicherheitsbeamter kam mir entgegen. Ich beruhigte mich bei dem Gedanken, daß Morrison wahrscheinlich für den Augenblick fortgesandt sei.
„Sie werden erwartet, Mr. Moore. Der Chef hat bereits zwanzigmal nach Ihnen gefragt."
Ich trat ein.
Der Chef saß an einem Schreibtisch. Vor ihm lagen die Morgenblätter. Seine Stirn war gefurcht, seine Augen blickten finster, und seine Hand zitterte, als er die Zeitung umwandte, alles Zeichen, die auf Erregung oder heftigen Zorn schließen ließen.
Ich verneigte mich.
Er blickte einen Augenblick von der Zeitung auf und nickte mir zu. Dann setzte er seine Lektüre fort.
Ich war auf einen anderen Empfang gefaßt gewesen.
Er hatte mich ja so ungeduldig erwartet, und jetzt, wo ich da war, behandelte er mich so —
Ich stand regungslos da, und in mir kochte es vor Wut. Er forderte mich nicht einmal auf, Platz zu nehmen.
Endlich legte der Chef die Zeitung hin und erhob sich.
Ein schmerzlicher, sorgenvoller Ausdruck lag auf seinem Antlitz, wider Willen mußte ich Mitleid mit ihm haben. Und als er mit kummervoller Stimme zu sprechen begann, vergas ich allen Groll.
„Moore," sagte er, „ich habe lange auf Sie gewartet. Setzen Sie sich. Nehmen Sie hier auf dem Sofa Platz. Ich freue mich, daß Sie endlich da sind. Es sind freilich erst wenige Stunden verflossen, seit ich Sie zuletzt gesehen, aber Sie haben inzwischen sicher über die Sache nachgedacht. Vielleicht haben Sie Ihre Nachforschungen schon begonnen? Sagen Sie mir, bitte, jetzt, wie Sie über diese traurige Begebenheit denken. Wir verstehen einander ja, es giebt nur eine Möglichkeit. Er muß ja der Schuldige sein! Heute wird sein Name in aller Munde sein! Aber er ist kein gewöhnlicher Mann, kein gemeiner Verbrecher. Wie wird es uns gelingen,
die Spur zu finden, die Beweise zu schaffen?-
Und seit nun auch dies noch geschehen, um das Unglück voll zu machen" — er seufzte tief auf und sah mich forschend an — „seit auch dies noch geschehen—" Was meinte er nur damit?
„Sprechen Sie, Moore," fuhr mein Chef fort. „Sie wissen, daß ich mein ganzes Vertrauen in Sie setze. Wie denken Sie über vie Sache."
Ich berichtete die Ereignisse der verflossenen Nacht.