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war 68 Jahre alt, die Tat spielte sich in der Hohmaiengaffe Nr. 3 ab. Dehmer lebte mit feiner Schwiegermvtter schon lang i« Unfrieden. Er hatte sie anch erst vor acht Tage» in einer Weise mißhandelt, daß die Folgen «och nicht Überstunden waren, weshalb die Fra« »och im Bette lag. Al« Dehmer gestern nachmittag an» dem Wirtßhan« heimkam, gab e« wieder einen Wortwechsel. Fra« Kusterman», die gerade ihr Abendbrot verzehrte, wollte durch einen Knaben Dehmer« Verwandte herbeihole« lasten. Da stürzte sich der Schwiegersohn auf sie und brachte ihr eine größere Anzahl Stiche in den Kopf bei. Die Frau war wenige Minuten darauf tot. Dehmer ist Vater von 4 Kinder».
Alloberndorf 28. Aug. Auf der Staatsstraße zwischen Epsendorf und Talhause», in nächster Nähe de« letztere», ereignete sich, wie der „Schwarzwälder Bote" berichtet, ein Unglück »- fall, der wieder einmal eine krasse Illustration zur Rücksichtrlofigkeit mancher Automobilbefitzer gegenüber ihren Mitmenschen bildet. Der fleißige und strebsame HaudelSgärtner Neher in Altoberndorf, Vater von drei kleinen Kinder«, fuhr mit seinem Fahrrad die genannte Straße entlang, im Begriff, seinen alten Elter» einen Besuch zu machen und ihnen einen Korb Gemüse, den er auf dem Kopfe trug, mitzubringrn. Auf einmal fauste in rasendem Tempo ein rotlackierte«, von zwei Damen in blaue» Schleiern, einem Herrn mittlere» Alter« und dem Chauffeur besetzte« Automobil daher, und anstatt dem Radfahrer nur den nötigsten Platz zum Vorbeikommen zu lasten, so dicht an diese« Hera», daß er gezwungen war, abzuspringen. Unglücklicherweise blieb Gärtner Neher an seinem Rade hängen, stürzte zu Bode», und die beiden linktseitigen Räder de« Kraftwagen« gingen dem Manne über Kopf und Schulter. Nur dem Umstand, daß der Gemüsekorb sich dazwischen schob und die Schwere de« Wagengewichte» milderte, verdankte e« Neher, daß er nicht tot am Platze blieb. Ohne ein Wort der Entschuldigung oder Teilnahme fuhren die Insassen de« Automobils, nachdem der Chauffeur noch da» Fahrrad Neher« mit Wucht in de» Straßengraben geschleudert, in rasender Eile in der Richtung Oberndorf davon, nicht achtend der flehenden Bitte» de» durch ihre Schuld schwer verletzte», blutüberströmten Mannes, ihn nach Altoberndorf bi» zu seinem Hause mitzunehmen. Nach einiger Zeit vermochte sich der Verunglückte bi« zum Bahnhof Dalhausen zu schleppe» und von dort hrimzufahren. Er leidet an den Folge» diese» unverschuldeten Vorgänge«. Ein derartige» gewissen- und herzlose» Verhallen gegenüber seinen Nebenmenschen richtet sich in den Augen jede« anständig denkende» Menschen von selbst und e« ist nur zu hoffen, daß e« der sich bereit» mit der Sache beschäftigenden Landjägermannschast gelingen wird, den betreffende« Automobilbefitzer au«findig zu machen und zur Rechenschaft zu ziehen. Solche Rücksichtslosigkeiten gehören exemplarisch bestraft.
Heidenheim 26. Aug. Die bekannte
Firma Paul Hartman», Verbandstoff-Fabriken in Heidenheim, hat in diese« Tage« die Frankfurier Verbandstoff-Fabrik Degen u. Co., Frankfurt a. M., ohne Aktiva und Passiva käuflich übernommen und gliedert uni dieser Erwerbung ihren drei deutschen Fabriken eine vierte an, so daß die Firma samt ihren anSländische« Fabrik- betrieben zusammen acht Fabriken besitzt. Die neuerworbene Frankfurter Fabrik wird mit der dort seit dem Jahre 1890 bestehende» EngroS- Filiale von Paul Hartmann vereinigt.
Jllerrieden OA. Laupheiw, 29. Aug. Die Stadt Stuttgart läßt auf der Markung Jllerrieden probeweise ans Wasser bohren. Für den Fall, daß sich Master in genügender Menge und entsprechender Beschaffenheit findet, hat die Stadt Stuttgart sämtlich« Allmanden der Gemeinde, sowie da» sogenannte „Grießholz", soweit e« der Gemeinde gehört, angekauft. Für den Morgen wird 600 M bezahlt. Da» scheint bei de, Qualität de» Boden» viel. Ob aber die Gemeinde die plötzliche Abschaffung der All- mandrn ertragen kann, ist eine andere Frage.
Vom Bodensee 28. Aug. lieber den bereit» kurz gemeldeten Unfall de« Aviatiker« Fiedler liegt nn« nunmehr folgender ausführlicher Bericht vor: Der Aviatiker Fiedler, dem anfangs voriger Woche der Flug von Konstanz nach Schloß Heiligenberg gelang, der aber von seiner Absicht von dort über de» ganze« Bodensee nach Bregenz zu fliege» wegen widriger Winde Abstand nehmen mußte, hatte die Absicht, gestern nachmittag die hier angekündigten Schauflüge auszuführen. Aber oleich bei Beginn widerfuhr ihm da« Mißgeschick, daß er mit seinem Apparat in den See stürzte. Au« dem ganze« Bodenseegebiet, dem Vorarlberg, der nahe» Schweiz, au» dem Algäu und auch au« Oberschwabe» waren Schaulustige herbeigeströmt. Etwa 3000 Personen mögen auf dem alten Exerzierplatz, von wo au« die Schauflüge erfolgen sollte«, und in den Seeanlagen versammelt gewesen sein, die von 4 Uhr ab, auf den festgesetzten Beginn der Flüge, warteten, bi« Fiedler sich endlich um V-6 Uhr entschloß, den Aufstieg zu wage». Als der Motor in Tätigkeit gesetzt war ',nd der zwei- flüglige Propeller sausend die Luft durchschnitt, fuhr der Apparat über dem Boden eine Strecke weit, bi« er sich kurz vor dem Ufer etwa 25 Meter hoch emporbob. Auf dem von Gebäuden und hohen Bretterstößen umgebenen Exerzierplatz hatte fast völlige Windstille geherrscht. Al« aber der Aeroplan, ungeschützt vor dem Winde, über die Seefläche schwebte, drückte eine seitliche Bö dev linken Flügel herab. Zunächst gelang e« Fiedler «och, den Avparat in der Höhe zu halte«, dann aber senkte sich da» Flugzeug nach der linke« Seite und stürzte mit seinem L/nker, etwa 200 Meter vom Ufer entfernt, plötzlich in de« See. Fiedler konnte sich schwimmend über Master halten, bi« er von einem der zahlreiche«. Boote, deren Insasse» sich den Schanflug vom See au» hatte» ansehe» wollen, ausgenommen war, ehe
«och der sofort vom Hafen herbeieüende österreichische Dampfer au der Unfallstelle eintreffe« konnte. Der Apparat, der von den Tragflächen und den mit Luft aufgepumpte» Pneumatik« gehalten, über dem 23—30 Meter tiefe« See schwebte, konnte, wenn auch stark beschädigt, »och im Laufe de» Abends geborgen werden.
Berlin 28. Aug. In einem Caf6 der Friedrichstraße hatte in der Nacht auf den Sonntag ein Gast in einem dort fitzenden Man» den Hochstapler Grafe« Passy alias Schiemangk zu erkennen geglaubt. Al« der vermutete Graf da» Lokal verließ, folgte ihm der Beobachter und ließ ihn durch einen Schutzmann verhafte». Auf der Polizeiwache schenkte man seiner Versicherung, daß er ei» harmloser Reisender au» der Provinz sei, keinen Glauben, da die Ähnlichkeit frappant war. Eist durch die Arbeit de« Eikennungldienste» der Kriminalpolizei wurde am Sonntag morgen festgestellt, daß von einer Identität de« Verhafteten mit dem Grafen Passy keine Rede sein könne. Der verdächtige Reisende wurde entlasten.
Berlin 28. Aug. Der Lokalanz. meldet au« Basel: Kurz nach 9 Uhr entgleiste hier der Straßburger Schnellzug infolge falscher Weichenstellung. Die Lokomotive und zwei Wagen wurden au« dem Glei» geworfen. Verletzt wurde niemand.
Teplitz 28. Aug. Der Inspektor der Außig-Teplitzer Eisenbahn, Karl Tucha, der zum Besuch seiner in der Sommerfrische weilende« Gattin nach Reizenhai» reise» wollte, wurde gestern in der sogen. „Hölle" bei Sebastiansberg von unbekannten Tätern ermordet. Er wurde bi« auf die Fingerringe aurgeraubt aufgefundeu.
Stettin 28. Aug. Bei der heutige» Tafel für die Provinz hielt der Kaiser folgende Rede: „Der jubelnde Empfang, den heute Pommern» getreue Hauptstadt I. M. der Kaiserin, mir und meinen Kindern, sowie Sr. Maj. dem König von Schweden, meinem vielgeliebten treuen Freund, und seiner erlauchten Gemahlin bereitet hat, die unter un« zu sehen eine besondere Ehre und Freude ist, hat meinem Herzen wohlgetav, und ich spreche unseren herzlichsten Dank dafür au«. Groß ist der Fortschritt und die Entwicklung, die Stettin genommen hat al« Hafenstadt, al« Handeltstadt und al» industrielle Stadt, und e« gereicht mir zur Befriedigung, daß ich ihr durch die Verbesserung der Seewege und de» neuerding« stattfindenden Ausbau de« Großschiffahrisweges, der Stettin mit meiner Hauptstadt verbinden soll, habe entgegenkomme» können. Besonder» aber möchte ich rühmend am heutigen Tage der pommerischen Landwirtschaft gedenken, zu der ich mich al« Besitzer von Schmolfin doch auch rechnen kann. Sie hat mit der Anwendung aller moderne» Hilfsmittel rastlos vorwärt« gestrebt und ist dadurch geradezu vorbildlich geworden für die Landwirtschaft de« Königreich« Preußen, und dazu, meine Herren,
sanfte» Augen ihrer Herrin erhalte», wie eben jetzt, aber sie ließ sich nicht einschüchter«.
„Weil'» wahr ist'. Der Herr Doktor soll'« nur endlich wissen — sonst hören Sie ja so auf niemanden —."
„E« ist gut, Barbe. Du kannst hinau»gehrn," sagte Frau Lore gebieterisch. „Wenn Du auch über dreißig Jahre Leid und Freud mit mir geteilt hast: meine Angelegenheiten bleiben deshalb doch meine Angelegenheiten."
Da Mich die Alte hiuau«, innerlich doch froh, daß sie ihrem Aerger einmal Luft gemacht hatte. Der Alte würde ihr jetzt d'rin schon den Kopf zurechtsetze».
Aber der sagte gar nicht», sondern sah seine Schwägerin nur still an und schüttelte den Kopf. E« wunderte ihn gar nicht einmal. Er kannte sie ja. Die Haut vom Leibe hätte sie sich ziehen laste» für ihre Kinder.
Eine andere Frage ging ihm im Kopfe herum und die kleidete er endlich vorsichtig in Worte.
„Muß Astunta denn so spare», daß —"
„Bewahre," fiel sie ihm hastig in die Rede, wa« denkst Du denn! Ferry steht sich ja au»gezeich«et. Brillant geht die Fabrik; au» alle» Kronländern gehr» Bestellungen ei»! Nur, weißt Du, e« ist meine Freude, wenn ich den Kindern so kleine Extragenüste besorge» kann — ich wüßte auch sonst wahrhaftig nicht, wa» ich mit Zeit und Geld aufangen sollte."
Und nun galt e» also für Weihnachten zu sparen. — Astunta mußte
natürlich die Baby-Au»stattung bekommen. Ein großer Teil davon lag freilich schon sauber mit blaue« Bändern gebunden, in dem neuen, weißlakierten Babyschrank. Aber so ei» kleiner Mensch braucht am Ende »och viel — und in Rudi« junger Menage gab e« ja noch manche Lücke, dir der Weihnachttmann ausfüllen sollte. Dazu kamen »och Wein und Zigarren für Ferry, Note« für Peter Lott, Geschenke für Barbe und die drei armen Familien, welche Frau Lore regelmäßig unterstützte. Ja, es würde schon ein hübsche« Sümmchen nötig sei» und der neue Mantel mußte unbedingt für nächsten Winter bleiben.
Schließlich tat es ja der alte auch noch. Wer guckte denn eine alte Frau weiter viel an?
Zu abend brauchte man auch nicht immer frisch zu kochen. Eine Taffe Tee und etwa« kalter Aufschnitt — gleich morgen wollte sie e« Barbe sagen.
Dann kam ihr plötzlich eine phänomenale Idee. Wie sie darauf nur nicht früher verfallen war! Die netten Mansardenzimmer im erste« Stockwerk mußten doch nicht leerstehe«? Mit der Küche und dem Dienerzimmer gab e« eine ganz nette Wohnung. Früher, als die Eltern »och lebten, war oben auch vermietet worden. Nur Han« hatte keine fremde» Leute im Hau» dulden wollen, so sparsam er sonst auch war.
Sie dachte an Peter Lott, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Der wohnte nun schon 15 Jahre bei der alten Majori», war ganz zufrieden und schwärmte zudem nur für westseitig gelegene Wohnungen, während die Zimmer oben nur Morgensonne hatte». Auch wäre e« peinlich gewesen, sie ihm geradezu anzutrageu. (Fortsetzung folgt.)