O»

Erscheint Dienstag Donners-! tag und Samstag.

Bestellpreis pr. Quartal M im Bezirk Nagold

außerhalb 1 .

M. 68.

MenML.M

Einrück- ungspreis Altensteig und nahe Umgebung bei lmal. z Einrückung 8^, bei mehrmal. je 8

auswärts je 8 ^ die ! Ispalt.Zeile

Man abonniert auswärts auf dieses Blatt bei den Postämtern und Postboten.

Dienstag den 13. Juni

Bekanntmachungen aller Art finden die erfolg­reichste Verbreitung.

1893.

Amtliches.

Die kgl. Zentralstelle für Gewerbe und Handel hat 10000 Mark als Reisebeiträge zum Besuch der Weltausstellung in Ehi- rago ousgesetzt. Eine Anzahl dem Gewerbe angehvriger Personen, namentlich auch Techniker, Werkmeister u. s. w. erhalten einen Rcisebeitrag bis zu 1500 Mark. Anmeldungen sind bis 1. Juli an die Handels- und Gewerbekammer Calw einzureichen. Näheres ist aus der diesbezüglichen Bekanntmachung imSt.-.Anz" Nr. 134 ersichtlich.

Gestorben: Christian Kemps, Mühlebefitzer, Ebhausen; Gottl. Deuble, ob. Müller, Gültlingen; Handelsgärtner Kaipf, Söf­lingen ; Landesökonomierat Schuster, Hohenheim.

Graf Herbert Bismarck

hielt auf einer Kreiswahlversammlung in Genthin eine Rede, zu deren Beginn er betonte, daß eine Verstärkung unsrer Armee unabweislich sei, und die Hoffnung aus sprach, daß es in dieser wichtigen Frage zu einer Verstän­digung im neuen Reichstag kommen werde. Die neue Vorlage werde wohl in manchen Punkten von dem An­trag Huene abweichen. Was bei diesem Antrag am wenigsten zu billigen gewesen, sei die vorgeschlagene Verminderung der Artillerie. Alle Autoritäten seien seit Jahren darüber einig, daß mit der Vervoll- - kommnung des Jnfanteriegewehrs der Artillerie in künftigen Kriegen die Hauptrolle zufallen werde. Redner möchte deshalb Ersparnisse lieber auf andern Gebieten, als gerade auf dem artilleristischen, gemacht sehen. Wenn die Ausbringung der Geldmittel jetzt schwerer werde als vor Jahr und Tag, so sei das die Schuld der Regierung und des aufgelösten Reichs­tags. Die Wirkung der Handelsverträge stelle sich als eine Blutcntziehung am Reichskörper dar. Von unser« großen wirtschaftlichen Konzessionen hätten nicht nur unsere politischen Verbündeten profitiert, sondern mit dem gleichen Schlag auch alle Staaten, mit denen wir im Verhältnis der Meistbegünstigung stehen ohne jede Gegen-Konzesston; dazu gehörten in erster Linie: Frankreich, Nordamerika und England mit seinen sämtlichen Kolonien. Aber auch die z. B. von Oesterreich gewährten Gegenkonzesstonen ständen in keinem Verhältnis zu unfern Opfern; habe doch der Regierungs-Kommissar in der Reichstags-Kom­mission erklärt, wir hätten Oesterreich-Ungarn gegen­über 188 Millionen an Zöllen nachgelassen, letzteres aber nur 63 Millionen an uns. Redner glaubt, es

bestehe in den an der nationalen Produktion beteilig­ten Kreisen kein Zweifel mehr darüber, daß die neuen Handelsverträge eine schwere Schädigung derselben bedeuten. Handelsverträge an sich könnten unter Umständen großen Nutzen bringen, wenn sie mit Ge­schick abgeschlossen würden, wie z. B. der vor kurzem abgelaufene mit Spanien. Die jetzige Regierung stehe nun schon über Jahr und Tag vor diesem spanischen Problem; jetzt dürfte es auch den geschicktesten Unter­händlern nicht mehr gelingen, günstige Handelsver­träge abzuschließen. Nach den Vorgängen beim öster­reichischen Handelsvertrag sage sich natürlich jede fremde Regierung, daß von der unsrigen jede Kon­zession auf Kosten der deutschen Produktion zu er­reichen sei, wenn man nur recht hartnäckig auftrete. Bei uns scheine ja jetzt der Satz zu gelten:Abge­schlossen muß werden, was es auch kosten mag." Dies allein schon genüge, um die Behauptung »ä absuräum zu führen,daß unsre auswärtigen Beziehungen jetzt weit besser gewahrt werden, als zur Zeit des Fürsten Bismarck." Außer an das Fiasko mit den Handels­verträgen sei zu erinnern an die Kolontalpolitik, an Kronstadt, an die durch den Namen Stablewski ge­kennzeichnete Polenpolitik, welche den russischen Nach­bar stutzig mache, an die Italien betreffenden Retchs- tagsredrn u. dgl. mehr. Jeden Patrioten müßten die betreffenden Evolutionen mit Sorge erfüllen. Der neue Reichstag müsse auf eine Umkehr zu den be­währten früheren Traditionen hinwirken, und um dies Ziel zu erreichen, müßten Männer hineingewählt werden, die nicht politische Wetterfahnen seien. Das Gebiet, welches der Fürsorge am meisten bedürfe, sei die um ihre Existenz ringende Landwirt­schaft. Nachdem Graf Bismarck die manchesterliche Fabel vomreinen Konsumenten" beleuchtet und die aus ihr beruhenden Folgerungen zurückgewiesen hatte, kennzeichnete er schließlich das Bestreben der frei­sinnigen und demokratischen Parteien, welches, wenn wenn sie freie Hand hätten, wirtschaftlich zu unferm Ruin und politisch zur Republik führen müßte, und beklag!e die Höhe der Verwaltungskostcn bei der Alters-, Jnvaltdttäts- und Unfallversicherung, welche jetzt einen gewaltigen Betrag der aufkommenden Gelder verzehre. Dies sei ein abnormer Zustand, in dem Wandel geschaffen werden müsse. Zum Schluß

wandte er sich gegen die Agitation seiner freisinnigen Geg­ner. Der Haß und die Feindschaft gegen seinen Namen datiere daher, daß Fürst Bismarck die Revolution gebändigt habe und daß er 1862 die damals be­drohte Stellung des Königtums vor parlamentarischer und demokratischer Ueberflutung gerettet habe; diesen Haß habe er mit seinem großen Namen geerbt; er fühle sich dadurch mehr geehrt als gedrückt, denn wahr bleibe der alte Spruch:Viel' Feind', viel Ehr'."

LaadeSsachrichtea.

* Alten steig, 12. Juni. Wie bekannt, hat die Viehzuchtgenossenschaft des Bezirks Nagold auch eine Anzahl Tiere zur Wettbewerbung auf die deutsche landwirtschaftliche Ausstellung nach München gesandt. Es ist nun die erfreuliche Nachricht eingelaufen, daß einer Kuh des Hrn. Mühlebesitzers Schill hier der dritte Preis mit 100 Mark zuerkannt wurde. ES ehrt diese Prämierung nicht nur den Vtehbesttzer, sondern auch die Biehzuchtgenoffenschaft Nagold in besonderem Matze. Am gestrigen Sonntag wurde von Stuttgarter sozialdemokratischen Agitatoren ein Wahlflugblatt von Haus zu Haus getragen, in welchem für den sozialdemokratischen Kandidaten Gott lieb Proß, Handschuhmacher in Eßlingen, Stimmung gemacht wird. Das Flugblatt ist in einem verfäng­lich mäßigen Tone gehalten, und es sind die Grund­ziele der Sozialdemokratie wohlweislich verschwiegen. Bei uns ist indessen kein Boden für die bekannten sozialdemokratischen Irrlehren und kein denkender Wähler wird sich durch dieses Flugblatt beeinfluss«« lassen.

* Altensteig, 12. Juni. Ein erschreckendes Un­glück ist dem verheirateten Knecht des Hrn. Trauben­wirts Harr in Nagold zugestoßen. Derselbe wollte am Samstag abend einen Hausrat nach Ebhausen führen, eine kleine Strecke vor letzterem Orte wurde er von einem Pferde getreten, kam unter den Wagen und wurde so schwer verletzt, daß er nach einer Stunde seinen Geist aufgab. Außer der Gattin hinterläßt der Bedauernswerte 2 unerzogene Kinder.

* (Wahlkuriosum.) Auf letzten Samstag abend war in das Gasthaus zumRößle" eine Wählerversammlung einbe­rufen. Die erschienenen Wähler warteten nun vergebens auf die

Der zweite Wann.

Erzählung von Ewald August König.

(Fortsetzung.)

.Weshalb sollte denn das Unglück nicht in der Möglichkeit liegen?" fuhr sie fort.Erhalte, bevor er das Haus verließ, sehr viel und sehr hastig ge­trunken"

Ich bestreite die Möglichkeit ja nicht," unterbrach Gustav die junge Witwe, aber in solchen Fällen denkt man immer zuerst an ein Verbrechen."

Daran mag ich nicht denken, ich habe genug zu tragen und kein Freund steht mir zur Seite!" sagte sie, nach Wem ringend.Daß mir die Stadt verleidet ist, werden Sie begreifen; sobald ich meine Angelegenheiten geordnet habe, verlasse ich Luzern."

Der Nachlaß Ihres Gatten wird hoffentlich Ihre Zukunft sicher stellen."

Ich hoffe es auch, aber daneben fürchte ich auch, daß ich viel Ungeordnetes finden werde. Einige Kapi­talien meines Mannes find drüben noch angelegt, wer weiß, ob ich nicht um dieselben betrogen werde; ich habe überhaupt keinen klaren Einblick in die Ver­hältnisse und so kamr mir manches entgehen, was"

Sollte JhrBruder nicht die Verhältnisse kennen ?"

Ich chlaube es nicht; er stand in der letzten Zeit auf keinem guten Fuße mit seinem Schwager."

Und wie lange gedenken Sie noch in Luzern zu bleiben?"

Jedenfalls noch einige Tage," erwiderte Elisa­beth und ein bittender Blick traf ihn aus ihren dunklen

Augen;darf ich für diese kurze Zeit auf Ihre Freund­schaft rechnen?"

Er verneigte sich zustimmend; sie schien herzlicheres Entgegenkommen erwartet zu haben, ein Zug der Enttäuschung glitt über ihr blasses Antlitz.

Wann werden Sie den Toten beerdigen lassen?" fragte er.

Morgen früh. Willy ist ausgegangen, um die nötigen Anordnungen zu treffen."

Schon so bald?"

Weshalb soll ich noch länger warten? Ins Leben kann der teuere Verstorbene nicht zurückgerufen werden und ich muß ja wünschen, bald wieder zur Ruhe zu kommen."

Diesen Wunsch kann Ihnen freilich niemand verargen. Hat Ihr Bruder Ihnen seine gestrigen Erlebnisse auf dem Axeustein schon berichtet?"

Jawohl; sind Sie auch schon unterrichtet?"

Der Vater des Fräulein Hallstädt und Herr Hagen waren heute morgen bei mir. Vielleicht wissen Sie, daß dieser Herr Hagen der Bruder meiner Ver­lobten ist?"

Es ist mir bekannt," erwiderte sie kühl. Mein Bruder hat um die Hand Theodores geworben, und dieser Herr Hagen fand sich daraufhin veranlaßt, mit arroganter Unverschämtheit sich hineinzumischen und der jungen Dame seinen Arm und Schutz anzu­bieten."

Seinen Schutz!" wiederholte Varnay mit er­zwungener Ruhe. Das ist richtig, die Veranlassung dazu lag aber in dem rohen Benehmen JhreS Bruders,

der in seiner Wut über die Ablehnung seiner Wer­bung sich soweit vergaß, die junge Dame zu insul­tieren."

Wer hat Ihnen das gesagt?"

Die beiden Herren!"

Sie werden's natürlich in ihrer Weise erzählt haben; ich kann mir nicht denken, daß mein Bruder so unhöflich und nun gar noch roh gewesen sein soll."

Hagen fordert Genugthuung!"

Wie kann er das?" fragte sie entrüstet.An ihm wäre cs, Genugthuung zu geben! Glauben Sie mir, Herr Doktor, die Dinge liegen nicht so, wie man Ihnen berichtet hat, Theodore Hallstädt trägt selbst die Schuld daran, wenn mein Bruder ihr Worte sagte, die ihr vielleicht nicht ganz angenehm waren."

Theodore Hallstädt hat ihn ermutigt zu dieser Werbung," fuhr Elisabeth fort,sie machte ihr Ja­wort von Bedingungen abhängig, die der Ehre meines Bruders zu nahe traten."

Ich habe die Sache nur von einer Seite gehört," erwiderte Gustav einlenkend, dem in der Hauptsache darum zu thun war, di : Abreife der beiden zu verhindern, und ich glaube, daß die Angelegenheit in Vergessen­heit kommen wird, wenn Ihr Bruder sich nicht weiter darum kümmert. Hallstädt sagte mir, er werde heute oder morgen abreisen, Herr Hagen bleibt auch nur heute in Luzern"

Und Sie?" fragte Elisabeth rasch.

Ich werde wohl noch einige Tage bleiben, jetzt um so mehr, da Sie auf meine Freundschaft rechnen." Ich würde Ihnen dafür sehr dankbar sein. Aber

- U