durch ihren Berichterstatter das Mandat des Frhrn. v. Gültlingen infolge seiner Beförderung zum Landgerichtsrat für erloschen. Erste Lesung des Gesetzentwurfs betr. die Entlaßbarkeit dienstunfähig gewordener Körperschaftsbeamten chom Amt. Untersee bejaht die Bedürfnisfrage für die Einbringung dieses Gesetzes. Die Entfernung der genannten Beamten auf dem Verwaltungswege erscheine fernerhin nicht mehr opportun. Hinsichtlich der Lebenslänglichkeit der Ortsvorsteher verstehe er den gegenteiligen Standpunkt wohl, allein er möchte seine Kollegen von der Linken doch bitten, dm jungen Gesetzentwurf eine ehrliche Probe bestehen zu lassen und das umso mehr, als der Gesetzentwurf sehr wohl auf die Ortsvorsteher Anwendung finden kann, wenn dieselben nicht mehr lebenslänglich sein werden. Der Entwurf schaffe recht einfach eine Lösung sehr komplizierter Verhält- niffe, aber eS sei nicht zu verhehlen, daß er gleichzeitig auch einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden enthalte. Redner spricht sodann den Wunsch aus, es möchte einer andern Behörde als der Kreisregierung die Rechtsbefugnis zur Entlassung zugewiesen werden. Dem Disziplinarhof erteilt er den Rat, das Verfahren auf Entfernung vom Amt nicht bloß auf Grund der Akten, sondern auf Grund eines öffentlichen und mündlichen Verfahrens zu führen. WaS den andern Gesetzentwurf betr. die Pensionsberechtigung der Körperschastsbeamten anbelangt, so hält er denselben ebenfalls für durchaus begründet. Ohne Zuweisung der Pensionsrechte sei eine Amtsenthebung auch nicht im Sinne der Gemeinden. Die größeren Städte haben dies längst eingesehen unddeshalbschonPenstonskassengegründet. M aurer: Wenn durch das 1. Gesetz die Entfernbarkeit der Ortsvorsteher noch mehr erleichtert und hinter diesem Gesetz die Penfionsberechtigkeit steht, so werde es dahin kommen, daß eine große Anzahl von Korporationsbeamten den Gemeinden zur Last fallen werde. Mit den Korporationsbeamten ist er durchaus zufrieden und meint, wir verbessern das Institut der Korporationsbeamten keineswegs, wenn wir sie penfionsbe- rechtigt machen. Wir bekommen genug tüchtige Leute auch ohne Pensionsberechtigung. Einen ungünstigeren Zeitpunkt als gerade jetzt, den 2. Ges.-Entwurf ein- zubringen, hätte die Regierung nicht finden können. Die Bevölkerung ist an der Grenze ihrer Steuerkraft angekommen und verwahrt sich gegen jede weitere Belastung, namentlich eine so horrende, wie sie der 2. Ges.-Entw. vorschlägt, der den Gemeinden für seine gut bezahlten Beamten auch noch ein jährliches Opfer von 261 000 Mk. auferlegen will. Redner bittet, den Entwurf betr. die Penfionsrechte kurzer Hand abzulehnen, da sonst die Unzufriedenheit der Bevölkerung aufs höchste steigen würde. Hartranfft tritt als Vorstand des Vereins württ. Gemeinde- und Korporationsbeamten für den Pensionsentwurf warm ein. Beide Entwürfe stehen oder fallen miteinander. Man könne doch niemand auf die Straße setzen, ohne für die Sicherung seiner Pensionsrechte zu sorgen. In dem Pensionsentwurf trete ein hochwichtiges humanitäres Werk an uns heran. Möge ein guter Geist über unserer Arbeit walten. Wir sind für die beiden Entwürfe mit Leib und Seele, für den ersten mit dem Leib, für den zweiten mit
aber Hallstädt schien nicht daran zu denken; so mußte er sich damit begnügen, diese Einladung in dem Blick Theodores zu suchen.
„Darf ich hoffen, daß wir Sie vor Ihrem Scheiden noch einmal sehen werdend" wandte er sich zu dem Mädchen.
Scheinbar verwirrt senkte Theodore die Wimpern.
„Ich kann diese Frage heute nochnicht beantworten." sagte sie; „ich weiß noch nicht, welche Entschlüsse mein Vater fassen wird."
„Elisabeth würde dadurch eine große Freude bereitet."
„Entschuldigen Sie, jenes Haus werde ich nicht mehr betreten," fiel Hallstädt ihm in die Rede. „Sie können mir das wahrlich nicht übel nehmen. Aber will ihre Frau Schwester uns hier besuchen, so ist sie herzlich willkommen."
„Ich danke Ihnen," sagte Grüner, „eine schwere Last wird ihr von der Seele fallen, wenn ich ihr die Botschaft bringe."
Er nahm mit einer Verbeugung Abschied und entfernte sich.
Wie ganz anders würde er den Erfolg dieses Besuches beurteilt haben, wenn er das spöttische Lächeln gesehen hätte, das die Lippen Theodores umspielte.
„Er wird kommen," sagte sie, „heute nachmittag sehe ich ihn im Druidenhain wieder, dort wird die Komödie beendet werden."
„Fast bereue ich, deinem Plane meine Zustimmung gegeben zu haben," sagte der Vater, „es ist ein gefährliches Spiel und durchschaut dieser Schurke es,
mit der Seele. (Heiterkeit.) Haußmann-Balingen verurteilt beide Vorlagen scharf. Dieselben seien das Gegenteil einer Stärkung der Selbstverwaltung. Der Pensions-Entwurf sei nicht notwendig und wir sollten keine Gesetze machen, die nicht absolut nötig sind. Wo ein Bedürfnis vorhanden ist, habe man in den betr. Gemeinden schon vorgesorgt. Die Pensionierung werde sich wie ein Bleigewicht an die Gemeinden hängen. Redner kommt zu dem Schluß, daß die Äolkspartei und die ihr nahestehenden Abgeordneten den Pensions-Entwurf für unannehmbar finden. Sie überweisen den Entwurf nun einer Kommission, um einen Weg zu finden, die Entlassung geisteskranker Ortsvorsteher zu erleichtern. Minister v. Schwid: Wenn die Abg. Maurer und Haußmann geltend gemacht haben, wie schwer die Pensionierung die Gemeinden belaste, so bedauere auch er dies, denn es sei sein Bestreben von jeher, die Gemeinden zu entlasten. Hier handle es sich für das ganze Land nur um einen Zuschuß von 260 000 Mk. jährlich, das sei doch ein sehr winziger Betrag. Man höre gegenwärtig nur zu oft sagen, daß die Gemeinden, die Nation an den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit angekommen seien. Wenn wir obige Summe nicht mehr aufbringen können, stände es allerdings mit uns Matthäi am Letzten. Das sei aber nicht der Fall, was er hier aussprechen wolle. Zur Ehre des Vaterlands haben wir immer noch genug übrig. Eine Nation, die zwei Milliarden für Spirituosen ausgebe, sei noch nicht so weit, wie man immer glauben machen wolle. Er empfiehlt, die Vorlagen an die Kommission einer ernsten Prüfung zu unterziehen. (Beifall.) Haußmann bedauert, daß der Minister ihn nur mit allgemeinen Wendungen widerlegt habe. Ueber die Behauptung, daß unsere Gemeinden an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit angelangt sind, habe der Minister geradezu gehöhnt. Es sei sehr bedauerlich, daß man am Ministertisch über diese Dinge spöttele. Im klebrigen bittet er, in die Kommission nicht zu viele Schultheißen zu wählen. (Heiterkeit.) Man überweist sodann den Ges.-Entwurf an eine Kommission von 15 Mitgliedern, die man am Dimstag wählen will. Sodann genehmigte noch mit 51 gegen 15 Stimmen die Kammer den Ankauf des Marstallgebäudes um 1700 000 Mk. Gegen diese Exigenzspricht Sachs, dafür Ellrichs- Hausen und Minister Riecke.
Laudesrwchnchten.
* Stutt gart, 30.Mai. In der Kammer der Abg. haben heute Schnaidt, Holzherr, Storz, Maurer, Rath, Wagner, Winter, Aldinger, Commerell, Kälber, Klaus, Conrad Haußmann, Hartmann, Friedrich Haußmann, Brodbeck, Ehntnger, Haigold, Rathgeb folgenden Antrag gestellt: Angesichts der allseitig anerkannten großen Not, welche zufolge der letzten Winter- und Frühjahrsfröste, hauptsächlich aber zufolge der anhaltenden Dürre dieses Frühjahrs bei den zahlreichen kleineren Bauern, Weingärtnern und bei den Feld- oder Weinbau treibenden Handwerkern teils schon vorhanden, teils im Entstehen begriffen ist, stellen wir den Antrag: Die Kammer der Abgeordneten wolle beschließen, an die k. Staatsregierung die Bitte zu richten, geeigneten Orts darauf hinzuwirken, daß die für bevorstehenden Spätsommer geplanten Manöver des
württ. Armeekorps unterbleiben oder wenigstens möglichst eingeschränkt werden.
* Stuttgart, 30. Mai. Eine solch' große Volksversammlung, wie sich am Samstag zusammengefunden, um Bebel zu hören, dürfte Stuttgart wohl noch nicht gesehen haben. Das Zirkusgebäude war bis auf den letzten Stehplatz von einer dichtgedrängten Menge überfüllt. Wie sehr die Teilnehmer von der bloßen Neugierde getrieben waren, Bebel zu sehen, läßt sich natürlich nicht berechnen. Bebel verbreitete sich in 2V» ständigem Vortrage über die dermaligen wirtschaftlichen, politischen und militärischen Verhältnisse in Deutschland und stellte sodann die Behauptung auf, daß bei der Bildung aller Parteien ohne Unterschied die ökonomischen Interessen die eigentliche Triebkraft gebildet haben. Von unseren Verbündeten Oesterreich und Italien wußte er zu berichten, daß jede wettere Steigerung der Militärausgaben den Staatsbankerott herbeiführen müßte. Rußland und Frankreich seien an der Grenze der materiellen und physischen Leistungsfähigkeit angelangt. In Frankreich habe die kolossale Ausbeutung des Volkes durch unerschwingliche Steuerlasten die Lebenshaltung dermaßen verschlechtert, daß die Bevölkerung einer Degeneration entgegengehe. Schon jetzt enthalte das französische Heer eine Menge körperlich Untauglicher, die keinen Strapazen gewachsen seien. Unter diesen Umständen möchte es sich für Deutschland empfehlen, seine Mittel für alle Fälle anfzusparen, statt sie schon im Frieden zu vergeuden. Ein etwaiger Krieg bedeute für ganz Europa ein Ringen der Völkerschaften bis zu ihrer Niederschmetter- ung. Weiter trat Redner ein für die Einführung einer Volkswehr, die ausschließlich direkte Besteuerung, das Frauenstimmrecht sowie für eine allgemeine Völkerföderation und in erster Linie für eine Aussöhnung zwischen Deutschland und Frankreich.
* Waldsee, 27. Mai. Gestern nachmittag zog über die Gegend von Bergatreute ein heftiges Gewitter. Acht auf dem Felde bet Gambach beschäftigte Personen suchten in einer einzeln stehenden Hütte Schutz gegen den starken Regen. Ihre 2 Pferde stellten sie vor dieselbe. Ein Blitzstrahl tötete beide wertvolle Tiere und betäubte sämtliche Personen. Die Mehrzahl derselben erhielt gefährliche Brandwunden. Die Kleider wurden zerfetzt, sogar die Stiefel wurden einem Manne von den Füßen geschleudert, selbst die Haften der Kleider wurden geschmolzen.
* (Verschiedenes.) Innerhalb 4 Wochen sind in Weigheim 29 Stück Vieh, meistens Kühe, der Maul- und Klauenseuche zum Opfer gefallen und repräsentiert diese Stückzahl einen Wert von Tausenden von Mark. Es haben manche Bürger 4 dis 5 Stück Vieh verloren. Einem Bürger wurde der ganze Stall aufgeräumt, worunter 3 prachtvolle Kühe. — Den ersten Treffer in der Brenzer Lotterie haben die Generalagenten dieser Lotterie Gebrüder Schuttes in Ulm mit einem Los gemacht, welchem ihnen von einem Stuttgarter Agenttn als nicht verkäuflich zurück- geschickt worden war. — In Waldsee erschoß sich ein praktischer Arzt in einem nahen Walde, nachdem er noch vorher einen Krankenbesuch gemacht und den Kutscher nach Hause geschickt hatte. Sein Hündchen hielt bei der Leiche Wache, bis dieselbe abgeholt wurde.
so darf man von seiner Wut das schlimmste erwarten."
„Für diesen Fall ist ja immer noch eine Waffe in deinen Händen."
„Eine Waffe, die nicht ihn, sondern nur seinen Schwager bedroht. Ich soll bei deiner Unterredung mit ihm nicht zugegen sein, wer weiß, ob —"
„Sei nur unbesorgt," scherzte Theodore, „er soll erst im letzten Augenblick hinter die Maske schauen, mit der ich ihn getäuscht habe. Wenn er alles bekannt hat, was ich zu wissen wünsche, dann kehre ich mit ihm zu dir zurück und in deiner Gegenwart werde ich ihm sagen, wie tief ich ihn verachte."
Die Schatten der Besorgnis wichen nicht von der Stirn des alten Herrn.
„Es könnte anders kommen, wie du denkst und hoffst," sagte er, „dann wäre ich nicht in deiner Nähe."
„So sind's andere, in dem Wildpark da oben ist ja immer Leben," erwiderte Theodore ruhig. „Soll ich nun, nachdem ich das Ziel so nahe vor mir sehe, unentschlossen stehen bleibend Ich kann es nicht, das Vertrauen der Freundin will ich rechtfertigen; was in meiner Macht liegt, sie glücklich zu machen, das soll geschehen."
„Das verlorene Vermögen wirst du ihr nicht zurückverschaffen können."
„Wenn ich nur das Lügengewebe zerreißen kann, das sie für immer von dem geliebten Manne zu trennen droht! Ich will die böse Saat der Verleumdung zerstören, die jene Frau gesäet hat."
„Ach was, Fräulein Hagen wird ja verständig
sein und durch solche Verleumdungen sich nicht beirren lassen!"
„Leider hat sie es schon gethan, die bösen Zweifel Hab. n Wurzel gefaßt, mir bangt vor den Folgen, wenn mir es nicht gelingt, sie zu widerlegen. Grüner denkt nur an meine Mitgift, er wird in die Falle gehen, und hat er ein Geständnis gemacht, so kann er es nicht zurücknehmen. Warten wir nun die Ergebnisse des heutigen Nachmittags ab, ich hege die feste Zuversicht, daß sie unsere Erwartungen erfüllen werden."
Zwar schüttelte Hallstädt noch immer das Haupt, aber er mußte selbst zugeben, daß die Sache jetzt zu weit gediehen war, als daß man auf halbem Wege stehen bleiben durfte.
Nach der Tafel fuhren Vater und Tochter hinauf zum Axenstein; in dem prächtigen Hotel dort oben nahmen sie den Kaffee ein, dann verließ Theodore den Vater, um den Wildpark zu besuchen. Sie verkannte nicht, daß sie einen gewagten Schritt unternahm, aber durch dieses Wagnis konnte sie der Freundin den inneren Frieden zurückgeven und zwei Menschenherzen glücklich machen — das war entscheidend; das Bewußtsein, die Pflichten der Freundschaft zu erfüllen und eine gute That zu vollbringen, ließ sie über alle Gefahren hinwegsehen.
Schon am Eingang des Parkes kam Grüner ihr entgegen. Der erste Blick in sein von der Aufregung gerötetes Antlitz ließ sie erkennen, daß er sie erkannt hatte.
(Fortsetzung folgt.)