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Die Aushebung der Militärpflichtigen von der K. Oberersatzkommission im Bezirk Nagold findet nicht am 20., sondern am 28. und 30. Juni statt.
Gestorben: Traubenwirt Maier, Haiterbach; approb. Arzt Luib, Waldsee; Frhr. v. Hügel, kgl. württ. Generalmajor a. D., Dorlisheim; Privatier Geißler, Stuttgart.
D Die Weltlage
ist gegenwärtig so friedlich und der politische Himmel, was die internationalen Verhältnisse betrifft, so wolkenlos, daß die Militärvorlage durch sie keinerlei Unterstützung erhält. Indessen eine Reform, deren Wirksamkeit erst nach zwanzig Jahren voll zur Geltung kommt, ist auch nicht auf den Tagesbedarf zu- geschnitten; sie ist eine Sicherung für die Zukunft und hat daher auch mit der jetzigen politischen Situation nichts zu schaffen.
Seit einer Reihe von Jahren versichern die Dreibundmächte, daß ihre Allianz nur die Aufrechterhaltung des Friedens bezwecke und keine ihre Handlungen hat dem je widersprochen; desgleichen haben aber auch die verschiedenen französischen Minister, die in Frankreich wie die Wandelbilder wechseln, stets die Friedensliebe ihres Vaterlandes betont und das Gleiche kann man von den amtlichen Kreisen Rußlands behaupten. Wenn solchergestalt alle in Betracht kommenden Kräfte für den Frieden sind, so sollte das eigentlich den Erfolg hoben, daß man abrüstet. Indessen das Gegenteil ist der Fall. Während man sich in Paris über die Ablehnung der Militärvorlage durch den deutschen Reichstag in der irrtümlichen Voraussetzung freut, daß dadurch die deutsche Wehrkraft geschwächt würde, geht man mit aller Kraft daran, die Verteidigungsfähigkeit des eigenen Landes nach allen Kräften zu erhöhen. Gegen Belgien hin werden Bauten verschiedener Art unternommen, um gegebenensalles unter Außerachtlassung der belgischen Neutralität schnell an die Maaßlinte zu kommen und die dortigen schlecht verwahrten Sperrforts zu besetzen. In Belgien-kennt man diese Vorgänge genau, aber die belgische Regierung hat zu viel im eigenen Hause zu thun, als daß sie jener Dinge halber mit dem mächtigen Nachbar anbändeln sollte, zudem dies ja doch keinen Zweck hätte.
Frankreichs guter Freund Rußland hält sich in jüngster Zeit ganz auffällig zurück. Dieser Tage hat
Donnerstag den 1. Juni
Bekanntmachungen aller Art finden die erfolgreichste Verbreitung.
1893
der Zar im Hafen von Sewastopol eine Revue über
die russische Flotte im Schwarzen Meer abgehalten und ängstliche Gemüter fürchteten schon, der Zar werde das Admiralschiff besteigen, um mit der ganzen Flotte nach Varna oder Burgos, den Häfen Bulgariens, zu dampfen und dort „Ordnung" im russischen Sinne und nach den russischen Absichten zu schaffen. Nichts dergleichen ist geschehen; Fürst Ferdinand fährt in aller Gemütsruhe mit seiner jungen Frau in seinem von der Natur bevorzugten Lande umher und kümmert sich wenig um die Russen.
Daß die Zarenfamilie in diesem Sommer wieder nach Kopenhagen geht, ist schon bekannt. Daran knüpft sich neuerdings das Gerücht von einer Begegnung zwischen unserem Kaiser und dem Zaren, die gelegentlich der diesjährigen Nordlandsrzjse Kaiser Wilhelms stattfinden solle. Eine solche Begegnung ist möglich, wahrscheinlich aber hat ffich ein Zeitungsberichterstatter die Meldung aus den Fingern gesogen. Das Verhältnis Deutschlands zu Rußland würde durch eine Monarchenbegegnung nicht beeinflußt werden. Dinge von sehr materieller Bedeutung, die ihren Ausdruck in dem geplanten deutsch-russischen Handelsverträge finden sollen, find zwingender als der noch so gute Wille zweier friedlich gesinnter Herrscher.
Belgien hat seine Verfaffungskrise überwunden; man hat sich auf ein Wahlgesetz geeinigt, das als Uebergang zu einem bessern sehr wohl geeignet ist und auch die breiten Massen des Volkes einigermaßen befriedigt. Nicht so wohl ist England daran, wo eine politische Frage, die irische Homerule, die Gemüter für und wider in Erregung hält. Die Aussichten des „großen alten Mannes", das „letzte Werk seines Lebens" zu vollbringen, sind in der letzten Zeit gewachsen und man muß die zähe Energie bewundern, mit der der Dreiundachtzigjährige der vielen Schwierigkeiten Herr zu werden versteht, die sich ihm entgegenstellen.
Traurig sieht es in Spanten aus, wo ein energischer Kriegsminister Reformen durchzuführen bemüht ist, die dem Lande jährlich viele Millionen ersparen, zugleich aber auch die Unzufriedenheit in den Reihen der Offiziere steigern. Bedrohlich für die Monarchie ist auch das starke Anwachsen der republikanischen Partei, die in Madrid sämtliche Wahlkreise vertritt, mithin dort in der Mehrheit ist.
Der republikanische Staatsgedanke erleidet dagegen Abbruch durch die Praxis, die ihm in vielen Ländern republikanischer Verfassung gegeben wird. Mit großer Gewandtheit hat man in Frankreich dm Riesenskandal des Panamaschwindels versanden lassen, für den doch die Republik allein verantwortlich ist, und die meisten amerikanischen Republiken, die Union ausgenommen, geben fortdauernd ein bewegtes BUd von Bürgerkriegen, Aufständen, Verschwörungen und Putschen, wie sie in gleicher Weise in monarchisch regierten Ländern nicht Vorkommen. Da alle diese „Bewegungen" jedoch nur Stürme im Glase Wasser find, so bleiben sie erfreulicherweise ohne Einfluß auf die im ganzen friedliche Weltlage.
Württembergischer Landtag.
Kammer der Abgeordneten.
* Stuttgart, 25. Mai. (47. Sitzung.) Fortsetzung der Beratung der Eisenbahn-Petitionen. Berichterstatter v. Leibbrand beginnt mit der 9. Petition, der projektierten Bahn Biberach-Ochseuhausen. Auch diese Petition wird der Regierung zur Kenntnisnahme überwiesen. Erst die 10. Petition (Zabergäubahn) fand mehr Gnade, indem der Antrag der Komm, „in thunlichster Bälde eine Ges.-Vorlage über die Erbauung einer Bahn von Lauffen a. N. nach Güglingen einzubringcn," angenommen wird. v. Leibbrand bringt nun die letzte Petition vor: Bitte der Kollegien der Stadt Bucha« um baldige Erbauung einer Lokalbahn von Schufsenried nach Buchau. Auch diese Petition fand willfähriges Gehör, indem die Regierung um Einbringung einer Gesetzesvorlage in thunlichster Bälde ersucht werden soll. Schürer bespricht noch ein vor 2 Jahren eingebrachtes Gesuch des Eisen- bahnkomites von Herrenberg; er giebt sich der Hoffnung hin, daß das Projekt einer Ammerthalbahn wohlwollend im Auge behalten werde und die Ausführung nicht mehr zu lange auf sich warten lassen möge. v. Göz bringt dagegen das Böbl. Bahnprojekt in Erinnerung. Essig bittet die Regierung den Wahlheimer Bürgern die Bitte um eine Haltestelle bei Gelegenheit der Erbauung einer zweiten Linie zu gewähren.
* Stuttgart, 26. Mai. (48. Sitzung.) Vor Eintritt in die T.-O. erklärt die staatsrechtliche Komm.
Der zweite Mann.
Erzählung von Ewald August König.
(Fortsetzung.)
„Er beteuert seine Schuldlosigkeit, er behauptet, nichts davon gewußt zu haben, daß die Karten gezeichnet warm, und ich weiß wirklich nicht, wie man seine Schuld feststellen will. Elisabeth hat ihm mit einer Scheidung gedroht; sie wird diese Drohung ausführen, sollte die entehrende Anklage gegen ihren Gatten erhoben werden."
Während Grüner dies sagte, streifte sein forschender Blick verstohlen das Mädchen, das mit ihrer Handarbeit am Fenster saß und der Unterhaltung nur geringe Aufmerksamkeit zu schenken schien.
Der alte Herr wandelte auf und nieder, auf ihn schienen die letzten Worte nicht den erwarteten Eindruck zu machen.
„Gegen diesen Vorsatz meiner Schwester läßt sich nun freilich nichts einwenden," fuhr Grüner fort, „aber die Scheidung wird Aufsehen erregen, und wenn Elisabeth auch die Achtung vor ihrem Manne verloren hat, er bleibt doch ihr Gatte, und neben den schlimmen Eigenschaften fehlen auch die guten Seiten nicht."
„Wer nun einmal die Bahn bes Verbrechens betreten hat —"
„Sagen Sie das nicht, Herr Hallstädt; ich gebe meinen Schwager nicht verloren, so tiefschmerzlich auch seine Verirrung mich berührt. Er wird sich in die Bedingungen fügen, die Elisabeth ihm stellt. Und dann kann noch alles gut werden. Diese Hoffnung
ist es, was meine Schwester bewegt, Ihnen die verlorene Summe zurückzuerstatten; sie läßt Sie dringend bitten, ihr dafür die Schuldbeweise herauszugeben."
Hallstädt war stehen geblieben, ein bittender Blick, der auch dem Gast nicht entging, traf ihn aus den Augen seiner Tochter.
„Nicht der Verlust des Geldes ist es, was mich empört," sagte er, „sondern der Betrug selbst, die ganze Art und Weise, in der ich um dieses Geld gebracht worden bin. Und eben dies verbietet mir, die Schuldbeweise auszuliefern; auf die Rückerstattung des Geldes verzichte ich."
„So wollen Sie dennoch die Anklage erheben?" fragte Grüner in vorwurfsvollem Tone. „Meine Schwester würde unglücklich werden, Sie aber hätten nur eine zweifelhafte Genugthuung."
„Nein, ich werde auf die Anklage vorläufig verzichten; Frau Griesheim mag sich dafür bei meiner Tochter bedanken, die durch ihre Bitten meinen Zorn entwaffnet hat. Aber ich wünsche Ihrem Schwager nicht mehr zu begegnen, sein Anblick könnte mich an die Waffen erinnern, die ich gegen ihn besitze."
Grüner hatte sich dankend gegen Theodore verneigt; die Gefahr war durch ihre Vermittelung beseitigt, das gab den Hoffnungen bezüglich seines eigenen Projekts eine feste Stütze.
„Griesheim ist, wie ich Ihnen sagte, gestern abend abgereist," erwiderte er.
„Wohin?" fragte Hallstädt rasch.
„Wir wissen es nicht, er hat das Ziel seiner Reise nicht genannt und fragen wollten wir nicht.
i Jedenfalls wird er in den nächsten Tagen schreiben, er muß sich ja erkundigen, wie die Sache hier ausgelaufen ist."
„Nun, wir werden auch in den nächsten Tagen Brunnen wieder verlassen," erwiderte der alte Herr, „somit liegt also die Möglichkeit einer nochmaligen Begegnung mit Ihrem Schwager in ziemlich weiter Ferne."
„Und wohin gedenken Sie von hier aus zu reisen ?"
„Ich weiß es noch nicht, ich lasse mich in diesem Punkte gern vom augenblicklichen Entschluß letten."
„Können Sie sich nicht zur Besteigung des Pilatus entschließen? Ich gebe Ihnen mein Wort darauf, Sie werden diese Tour nicht bereuen."
„Sie ist uns zu beschwerlich," nahm jetzt Theodore das Wort; „wir wollen heute nachmittag noch einmal den Axenstein besuchen, das wird wohl die letzte Tour sein, die wir an diesem See machen."
Ein bedeutungsvoller Blick streifte ihn bei diesen Worten, Grüner mußte gewaltsam sich bezwingen, um seine Freude nicht zu verraten.
„So oft man ihn auch besuchen mag, der Axenstein mit seinem herrlichen Wildpark bleibt immer schön," sagte er. „Sie werden dann auch den Druidenhain besuchen—"
„Gewiß, ich werde Abschied nehmen von jedem schönen Plätzchen dort oben," erwiderte Theodore, „eine freundliche Erinnerung an dieses reizende Fleckchen soll mich in die Heimat begleiten."
Grüner hatte sich erhoben, er erwartete, daß man ihn einladen würde, sich an dieser Tour zu beteiligen,