Auf dem Bahnhof in Langenau wollten zwei Männer von Oellingen und Setzingen ans dem Zug -eransspringen, nachdem derselbe schon abgefahren war. Dem einen aus Setzingen ist der gewagte Sprung gelungen; deran dere fie lunter die Räder der Eisenbahnwagen zurück und sein Körper wurde von denselben mitten entzwei geschnitten. Der Verunglückte hinterläßt eine Frau mit 4 unversorgten Kindern.

* Karlsruhe, 27. Mai. DerBad. Korresp." zufolge nahm die ständige Tarifkommisston der deutschen Eisenbahnverwaltung den Antrag Bayerns auf all­gemeine Einführung von Rückfahrkarten mit zehntägiger Dauer an und wird einen dahingehenden Vorschlag der Generalversammlung der deutschen Eisenbahnver­waltungen unterbreiten.

* In Pfaffenberg bei Kehlheim sprach am Sonntag Dr. Sigl vomBayerischen Vaterland," von der Bauernversammlung mit minutenlangem Applaus empfangen. Er stellt sich als ntederbayerischer Bauernsohn vor und beglückwünschte gegenüber einer kürzlich von geistlicher Seite gemachten Aeußerung, daß die vorjährige Kehlheimer Wahl ein Schandfleck für ganz Bayern sei. den Wahlkreis zu dieser Wahl, da dieselbe den ersten Anstoß zu der heutigen Be­wegung und das SignalLos vom Zentrum" ge­geben habe. Jetzt rühre man sich erfreulicher Weise überall, um sich aus den Banden und Fesseln des Zentrums zu befreien. Wenn der Tag von Kehlheim nicht gewesen wäre, würde das Zentrum, das stets die Interessen des Volkes verraten habe, wieder in «orxors umgefallen und die Milttärvorlage angenom­men worden sein. Das Zentrum habe trotz der schön­sten Versprechungen indirekt allen Militärvorlagen

> und sonstigen Volksbelastungen zugestimmt, weil es mit der Beendigung des Kulturkampfes aufgehört habe, eine ehrliche Oppositionspartei zu sein, und anstatt dessen eine wortbrüchige lakaienhafte Bettelpartei, eine Partei des Handelns und Feilschens geworden sei (Großer Beifall), die das Votk um kleinlicher Partei- Vorteile willen verrate und ganz nach der preußischen Pfeife tanze. Bezüglich der Militärvorlage sei sein Programm: Kein Mann und kein Groschen für die­selbe! Den Militarismus habe man Preußen zu ver- danken, das mit dem 66er und 70er Krieg das Elend herbeigeführt habe, unter dem das Volk heute seufze, und wenn man die fortgesetzten, kolossalen Rüstungen ansehe, müsse man sich unwillkürlich fragen: Was plant der Preuß wieder und wen will er das nächste Mal abraufend (Große Heiterkeit.) Wir sind mit verhältnismäßiger" Freude bet Deutschland. Wir stecken noch den Kopf heraus. Vielleicht schnappt uns Preußen den Kopf auch noch ab. (Lebhafte Zurufe.) Reuchenegger (der im Winter über Sigl mir geringer Mehrheit siegte) sagte jüngst in einer Versammlung, Laß er in Berlin eingesehen habe, daß Preußen uns einstecken wolle. Nun, wenn er wenigstens das in

i Berlin erkannt hat, daun hat er doch etwas gelernt. Ich wußte es schon lange. (Bravo!) Wenn wir Feinde rings um Deutschland haben, so verdanken wir das nicht unseren bayerischen, sondern den preu­ßischen Eigenschaften. (Bravo!) Es müsse endlich ein­mal eine Politik des Friedens und der Abrüstung inauguriert werden; denn wenn die Sache so ins

Ungemefsene weiter gehe, werde den europäischen Völ­kern einmal dir Geduld ausgehen und sie würden samt unfern beiden Alliierten über den Urheber deS Militarismus herfallen und ihn unschädlich machen. (Beifall.) Redner erklärt sich sodann gegen alle wetteren Handelsverträge, unter denen das Inland bluten müsse, um uns die Gunst des Auslandes zu erhalten, und will, daß einmal Gesetze zur Erhaltung des Mittel­standes, des Handwerkers und Bauern, kurz Gesetze für die ehrlichen Leute geschaffen werden. Die Auf­besserung der Bauern sei wichtiger als die der Mini­ster. (Großer Beifall.) Im wetteren plaidtert Redner für Luxussteuern und ausgiebige Besteuerung der reichen Leute, die ihre Millionen doch nur aus der Tasche des Volkes gestohlen hätten (Großer Beifall), sowie für Gründung einer bayerischen Partei im Reichstag, weil die Befürchtung nicht ungerechtfertigt sei, daßPreußen Bayern in die Tasche stecken wolle." Das Zentrum hasse ihn so grenzenlos, weil er das schlechte Gewissen der Partei sei (Großer Beifall), er sei aber ebenso katholisch, wie die Pharisäer und Heuchler des Zentrums, er habe auch noch keinen ultramontanen Heiligen gesehen. Unter gewaltigem Applaus schließt Dr. Sigl mit folgenden Worten: Wenn Ihr am 15. Juni einen Zentrumsmann wählt, so setzt Ihr eure Peiniger wieder zu Herren über Euch und beißt Euch selbst in die Nase."

* Die allgemeine deutsche Lehrerversammlung in Leipzig hat mit großer Mehrheit folgende Thesen angenommen:Die einheitliche und gesunde Ent­wicklung der deutschen Nation verlangt eine einheit­liche nationale Bildung, welche durch eine nationale Schule vermittelt werden muß. Diese darf keine Trennung nach Konfessionen kennen, sondern muß einen simultanen Charakter haben." Referent war Schul­inspektor Scherer in Worms.

* In der Hasenhatde bei Berlin erschoß der jungverheiratete Dimer Hammel die achtzehnjährige Emma Zeitzmann, die Schwester seiner jungen Frau, und verwundete sich dann selbst lebensgefährlich. Die Beiden liebten sich und hatten beschlossen, gemeinsam zu sterben.

* Ahlwardt bereist gegenwärtig wieder seinen Wahl­kreis Friedeberg, seine Reden gipfeln stets in der Be­hauptung, daß seine Akten trotz aller gegenteiligen Ansichten seinerFeinde im Reichstage" doch schweres Beweismaterial gegenJuden und Judenfreunde der höchsten Gesellschaft" enthalten. Aber er hat, wie berichtet wird, nicht sonderliches Glück, die Konser­vativen ziehen sich mehr und mehr von ihm zurück und von der Begeisterung, die im vorigen Jahre für ihn sich zeigte, ist nichts mehr zu merken.

* Nteder-Jngelheim, 27. Mai. Ein Herr Odernheimer von hier hat, ähnlich wie der Schneider Dowe in Mannheim, einenkugelsicheren Stoff" er­funden und dem Kriegsminister in Berlin Proben davon vorgelegt. Vor einigen Tagen erhielt Herr Osernheimer eine Mitteilung des Krtegsministeriums, nach welcher in der Schiebschule zu Spandau Ver­suche mit dem von ihm erfundenen Stoff gemacht werden sollen; gleichzeitig wurde dem Herrn Odern- Helmer auserlegt, über seine Erfindung keine wetteren Mitteilungen zu machen.

* Hamburg, 29. Mat. Die Cholerakommisston

des Senats teilt mit: Ein Comptoirbote in der Neu­stadt, welcher seit acht Tagen an leichten Durchfällen litt, begab sich am 27. Mai wegen Choleraerscheinungen in ärztliche Behandlung und starb am 27. Mai mit­tags. Die bakteriologische Untersuchung ergab gestern Cholera.

Ausländisches.

* Aus Bern wird gemeldet: Der Bundesrat for­dert von der Bundesversammlung fünf Millionen Franken für sofortige Anschaffung von Kriegsmaterial.

* Sanct Jmmier (Schweiz), 30. Mat. Aus­ständige Arbeiter der hiesigen Uhrenschalenfabrik ver­suchten letzte Nacht die Fabrik zu zerstören und schlu­gen die Fenster derselben ein. Polizeimannschaften von Bern sind hierher abgegangen.

* Rom, 27. Mai. Neue Enthüllungen in der Bankenaffaire haben stattgefunden. Die Regierung wird beschuldigt mit den Geldern der Banka Romana die Wähler bestochen zu haben. Tanlongo will bis­her geheim gehaltene Dokumente ausliefern.

* Tirnova, 30. Mai. Die Sobranje wurde mit einer Thronrede geschloffen, worin Prinz Ferdi­nand für das patriotische Werk der Verfassungs­änderung (welche ihm eine römisch-katholische Ehe er­möglicht), dankt.

* DerVoss. Ztg." wird aus Belgrad tele­graphiert: Beim Empfange des serbischen außer­ordentlichen Gesandten Obersten Pantelitsch machte Kaiser Wilhelm bezüglich des Staatsstreiches in Bel­grad folgende verbürgte Aeußerung:Das war ein schneidiges Unternehmen des jungen Königs, dem meine vollen Sympathien gehören! Da hat alles ge­klappt, wieauf dem Exerzierfelde!" (DerRetchs-Anz." dementiert diese Aeußerung.)

* Athen, 29. Mat. Nachrichten auS Theben melden fortgesetzte Erdstöße und große Verwüstungen; ganze Straßen wurden zerstört; die Stadt ist teil­weise ein Trümmerhaufen; drei Kirchen, der Palast des Gouverneurs und die Bürgermeisterei sind einge­stürzt oder unbewohnbar; die Bevölkerung hat sich geflüchtet und kampiert auf den umliegenden Hügeln.

Handel «nd Berkehr.

* Stuttgart, 29. Mai. (Landesprodukten-Börse.) Die Börse ist gut besucht. Umsatz nicht von Belang. Wir notieren per 100 Ktlogr.: Weizen, bayer. Mk. 19 bis 19.25, Kansas Mk. 18.90, I.u klatg, Mk. 18.25 bis 18.40, rum. Mk. 17.30 bis 17.80, Kernen Mk. 19 bis 19.50, Haber Mk. 18 bis 19. Mehl- Preise per 100 Ktlogr. tnkl. Sack bei Wagenladung: Suppengries: Mk. 30.50 Mehl Nr. 0: Mk. 29.50 bis 30, Nr. 1: Mk. 27.50 bis 28.50, Nr. 2: Mk. 26 bis 26.50, Nr. 3: Mk. 23.50 bis 24.50 Nr. 4: Mk. 19.50 bis 20. Kleie mit Sack Mk. 10 per 100 Kilo je nach Qualität.

Verantwortlicher Redakteur: W. Rieker, Altensteig.

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Haus- und Landwirtschaftliches.

* Was ist die Beinweiche der Kühe und wie hilft > man? Die Beinweiche befällt nicht blos alte Tiere,

sondern auch gut genährte junge; die besten Milch- I kühe sind derselben am meisten ausgesetzt. Ein Tier ^ fängt an beim Gehen auf einem Hinterfuß leiser aufzutreten, ohne eigentlich lahm zu gehen; am Fuß ist aber nichts zu entdecken. Bald ist auch der andere Hinterfuß nicht mehr gut; er tritt lahmer ein und nun bemerkt man meistens geringes Anschwellen des Fessels und der Hinteren Klauensäume, die eine weiß­gelbe Farbe zeigen. So vergehen Tage und Wochen, und es wird immer schlimmer. Die Kuh vermag kaum »ehr zu stehen. Sie liegt meistens. Kein Appetit. Dabei ist das Tier in der Regel fieberfrei, , die Nase feucht, auch das Wiederkauen nicht unter­drückt. Das Aufstehen ist jetzt sehr gefährlich, nament­lich für hochträchtige Tiere. Nicht selten entstehen Beinbrüche und die Tiere sind verloren. Doch so gefahrvoll die Krankheit werden kann, so leicht ist die Heilung durch Futterknochenmehl, mit Schrot oder Körnern vermengt gegeben. Ist das Leiden schon weit vorangeschritten und bereits Appetitlosigkeit vor­handen, so muß das Knochenmehl gewaltsam einge­bracht und wohl auch im Verein mit verdauungs­belebenden Mitteln gegeben werden.

* Kein verschimmeltes Brpt an Hühner verfüttern! Wie bekannt, werden Brotteile oder Brotreste, die Man an feuchten Orten aufbewahrt, so schnell von Schimmelpilzen befallen, die das Brot für den mensch­lichen Genuß unbrauchbar machen. In Ermangelung

anderer Verwertung werden die verschimmelten Brot­teile dem Hühnerfutter beigemengt oder emgeweicht den Hühnern vorgeworfen. Da nun dieses Futter einen schädlich wirkenden Giftstoff enthält, so ist es erklärlich, wenn sich nach deren Aufnahme krankhafte Erscheinungen einstellen, die auf Vergiftung schließen! lassen und in den meisten Fällen den Tod der Hühner herbeiführen.

* Kein Gras dulden vor dem Bienenstand! Erst­schwärme gehen selten durch, weil diese die alte Königin haben, die oft, namentlich wenn sie schon 23 Jahre alt und stark mit Eiern angefüllt ist, nicht mehr gut fliegen kann; oft kann sie es gar nicht mehr und fällt dann kaum einige Schritte vor dem Stande auf den Boden; wird sie hier von den Bienen bemerkt, so setzt sich der ganze Schwarm zu ihr. Oft sehen die Bienen sie aber nicht hinabfallen und auf dem Boden können sie sie auch nicht sehen, weil vielleicht fußhohes Gras dort wuchert, und diese geh: verloren. Der Schwarm zieht wieder ln den Mutterstock zurück, um nach sieben Tagen mit einer jungen Königin wieder auszuziehen. L-ieben Tage machen aber vei einem Schwarm zur Zeit der Haupt­tracht viel aus. Man entferne deshalb das Gras vor dem Bienenstand und lasse beim Schwärmen keine Leute vor dmi Stande herumlaufen.

* Wie schätzt man das Schlachtgewicht der Mast­ochsen? Ein ziemlich zuverlässiges Verfahren, um nach dem Lebendgewicht eines Mastochsen sein.ver­mutliches Schlachtgewicht zu bestimmen, ist ein 50- prozentigcr Abzug bet mageren, ein 44prozenttger!

bet halbfetten, ein 36prozentiger Abzug bei ganz fetten Ochsen von dem Lebendgewicht. Im engeren Sinne sind unter Schlachtgewicht die Viertel mit Nieren und Nierentalg, ohne Fett von Netz und Därmen, die Beine bis zu den Sprunggelenken abgehackt, ohne Haut, Kopf, Zunge, Eingeweide rc., sowie mit dem Fletsche an den wahren und unechten Rippen zu ver­stehen. Um den Mastzustaud eines Ochsen zu beur­teilen, muß man über ein gutes Auge, Erfahrung, sowie richtige Anwendung der bekannten sieben Fleischer­griffe verfügen. Diese Griffe sind: Erster Griff: Brustbetnknorpel; zweiter Griff: Rippen; dritter Griff: vorderer und Hinterer Rand des Schulterblattes; vierter Griff: Mtttelfleisch; fünfter Griff: Seiten neben Schwetf-msatz und Aster; sechster Griff: Hoden; siebenter Griff: Hüften, insbesondere um das G lenk.

* Obstzucht betr. In vielen Gegenden unseres Landes herrscht unter den Obstbaumbesitzern eine leb­hafte Klage über das Abhandenkommen ihres Obstes. Dieser vielfach ausgetretene Mißstand hat in einigen Gemeinden zu einem Beschluß des Gemeinderats ge­führt, daß bas Obst-Auslesen außerhalb Etters morgens vor5Uhru. abends nach der Dämmerung bei Strafe ver­boten ist. Nach Mitteilungen ist diese Verordnung in Amlishagen OA.Gerobronn, und Marbach getroffen, u. wirkt an beiden Orien sehr günstig. Wer die Verhältnisse aus den Landorten kennt, weiß, daß zweifelhafte Personen sich gewöhalichfrühmorgensu.spätabendssolche Eingriffe in fremdes Eigentum erlauben, u.daß diesem Treiben am bestendurch ein allgemeines Verbot des Obstauflesens vor «.nach einer bestimmten Tageszeit Einhalt geboten wird.