und stärkt jene rückläufige Bewegung, welche das schwer errungene Gefühl staatsbürgerlicher Gemeinschaft in den Gegensatz der Berufsstände aufzulösen strebt. Die Sucht, alle sozialen und wirtschaftlichen Uebel- stände durch Straf- und Polizeigesetze zu heilen, droht neue Auswüchse zu zeitigen. Wird solchen Bestrebungen nachgegeben, so treibt die Furcht vor der unaufhalt­sam wachsenden Unzufriedenheit alsbald wieder zum Erlaß von Ausnahmegesetzen, zur Verkümmerung der Preßfreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts. Schon wird im reaktionären Lager die Abschaffung des allgemeinen, gleichen und direkten Wahlrechts, dieses Grundpfeilers unserer Reichsverfafsung, mit dreister Stimme gefordert. Deutschland steht an einem Wendepunkte seiner inneren Entwicklung, und die deutschen Wähler haben zu entscheiden, ob es im Vaterlande vorwärts gehen soll oder rückwärs. Der Kampf wird kein leichter sein. Im Dienst unserer politischen Grundsätze müssen wir igewappnet stehen Wider die Gegner von rechts und von links. Alle Bestrebungen, die staatsbürgerlichen Rechte eines Teils der Bevölkerung um der Abstammung, des Bekennt­nisses und der politischen Ueberzeugung willen zu be­einträchtigen, werden in gleichem Maße zu bekämpfen sein wie Irrlehren, welche in der Beseitigung unserer Gesellschaftsordnung das Heil der Zukunft erblicken. AlS die Volksvertretung am 6. Mai ihre Entscheidung traf, war sie sich bewußt, dem Volke getreu zu sein. Wir vertrauen dem Volke, daß es seiner Vertretung am 15. Juni nicht untreu werden wird. Nach außen stark, soll das Reich im Innern ein Hort des freien Bürgertums sein. Es gilt, ohne Schwanken und ohne Halbheit vorwärts zu schreiten und das Banner des Gemeinwohls mit Thatkrast und Entschlossenheit zu entfalten.

La»deS»achn4tea.

* Altensteig, 9. Mai. Es scheint, als ob Heuer der April und der Mai ihre Rollen vertauschen woll­ten. Elfterer steht ja in dem alten Ruf, daß er kühles, und vor allem sehr veränderliches Wetter bringe. Heuer war er nun weder kühl noch veränder­lich, sondern anhaltend warm. Vom Mai dagegen erwartet man warmes Wetter und milde Lüfte. Heuer aber stellt er sich auffallend kühl ein, und es ist dies um so empfindlicher, als man sich vom April her bereits an die angenehme Wärme gewöhnt hat.

* Ass dem OA. Freudenstadt, 7. Mai. Heute morgen ist die zur Gemeinde Hallwangen ge­hörige sogen. Thalmühle in kurzer Zeit vollständig abgebrannt.

* Rottweil, 8. Mai. Die Handels- und Ge­werbekammer hier will den Versuch machen, eine neue Hausindustrie und zwar in der Branche der gegen­wärtig sehr in Blüte stehenden Vorhangindustric bei uns emzubürgern.

* Stuttgart, 6. Mai. DemS.M. wird aus Reutlingen mitgeteilt, daß Reg.-Präsident v. Lutz daselbst an Lungenentzündung erkrankt sei. Nach den letzten Nachrichten hat das Fieber nachgelassen, aber die Schwäche ist sehr groß.

'Stuttgart, 8. Mai. Die beiden Königinnen von Holland haben heute abend Stuttgart wieder verlassen und sich zunächst nach Flins begeben.

Sie haben dreitausend und einige hundert Frank gewonnen, mein Herr," sagte er mit heiserer Stimme. Das geht nicht mit rechten Dingen zu."

Griesheim wollte das Kartenspiel, das vor ihm lag, retten, aber ehe er es vermochte, hielt der alte Herr es schon in der Hand.

Ich konnte nicht ahnen, daß ein kleiner Ver­lust so furchtbar aufregen würde," sagte er, und in dem Tone, den er anschlug, lag verachtende Gering­schätzung.Hätte ich das vorausgesehen, so würde ich Ihnen keine Veranlassung gegeben haben, die Gastfreundschaft in so beleidigender Weise zu ver­letzen."

Er erschrack, als bet den letzten Worten sein Blick auf die Thür fiel und er im offenen Rahmen derselben seinen Schwager erblickte, dessen zornglühende Augen ihn drohend anschauten.

Sie selbst verletzen sie!" fuhr Hallstädt auf, die Hand auf die Stirn pressend.Sie verleiten Ihre Gäste zum Spiel, um sie zu plündern."

Ich bitte Sie, mäßigen Sie sich," sagte Grüner nähertretend,ich weiß zwar nicht, was hier vorge­fallen ist, aber verlassen Sie sich darauf, wenn Sie eine Beschwerde haben, werde ich sie untersuchen und Ihnen zu Ihrem Recht verhelfen."

Was hier vorgefallen ist?" erwiderte Gries­heim.Weiter nichts, als daß wir Pharao gespielt haben. Herr Hallstädt hat eine Kleinigkeit verloren."

Nennen Sie tausend Thaler eine Kleinigkeit?"

Für mich ist das eine ganz unbedeutende Summe."

* Stuttgart, 8. Mai. Dem Vernehmen nach hat die württembergische Regierung einen Gesetzent­wurf in Vorbereitung, der in der Hauptsache den vom württembergischen Schugverein für Handel und Ge­werbe ausgesprochenen Wünschen bezüglich der Kon­sumvereine (Besteuerung, Blechgeld rc) entgegen- kommen soll.

* Stuttgart, 8. Mai. Ein Rtssenqaader aus grauem Granit, welcher heute Vormittag vor dem Neubau des Landesgewerbemuseums etntraf, erregte die Bewunderung der Vorübergehenden. Der Stein ist nicht weniger als 320 om lang, ebenso breit und 60 om dick, an den Randen glattgeschliffen. Er kommt aus Schwarzenberg in Bayern und soll als Treppenpodest in der Landesgewerdehalle benützt wer­den. Im ganzen kommen 4 solche Steine zur Ver­wendung. Jeder derselben kostet einschließlich der Fracht bis Stuttgart etwa 1000 Mk.

* Stuttgart, 9. Mat. Das große Ereignis auf dem Lebensmittelmarkt ist, daß heute die ersten einheimischen Kirschen aus dem Remsthal eingetroffen sind. Das Datum ist bemerkenswert; die einheimischen Kirschen erschienen nur 5 Tage nach den italienischen und 4 Wochen vor der Durchschnittszeit (4.5. Juni,) zu welcher die einheimischen Kirschen zu erscheinen Pflegen.

* Ein Liebespaar, angeblich von Stuttgart, welches seit 2 Tagen in Rorschach wohnte, mietete einen Nachen, fuhr ein paar Kilometer weit in den See hinein, und stürzte sich dann ins nasse Grab. Ein schweizerischer Landjäger holte das Schiffchen ans Land. Die Personalien stehen noch nicht fest, es giebt da verschiedene Versionen.

* Ludwigsburg,?. Mat. Am heutigen Sonn­tag wurde in hiesiger Garnisonskirche die Prinzessin Pauline K. H. durch Garnisonsprediger Blum kon­firmiert. Die ganze Stadt war mit Fahnen und Draperien geschmückt. Außer den in Stuttgart resi­dierenden Mitgliedern des Kgl. Hauses wohnten dem feierlichen Akt von auswärts die Königtn-Regemin der Niederlande, Herzog Wilhelm von Württemberg und Fürst und Fürstin von Bentheim-Steinfurt bei.

* Eßlingen, 8. Mai. Der Reif, welcher in der Nacht vom Freitag auf Samstag gefallen, hat wie wir uns gestern leider überzeugen mußten unserem Weinstock namentlich in den höheren Lagen empfind­lichen Schaden gethan. Auch die Frühgewächse sind teilweise erfroren. Gestern früh hat es einige wenige Schneeflocken gegeben. So lange die drei Eisheiligen nicht vorüber sind ist eben dem Wetter nicht zu trauen. (Auch sonst lauten die Berichte recht trostlos, so schreibt uns unser Untertürkhetmer Berichterstatter: Gestern früh sank das Thermometer auf Null Grad. Die niederen Weinberge, welche uns mit schönen Trieben und reichem Traubenansatz entzückt hatten, da sie vom Winterfrost unberührt gebl eben waren, weil siebezogen" waren, sind nun auch schwer ge­schädigt. Auch die Triebe der Frühkartoffeln sind ganz erfroren. Die Weingärtner sehen einem schweren Jahre entgegen. Wiuterfrost, Ueberschwemmung, Frühjahrsfrost und Futtermangel wegen Dürre, drücken die Gemüter sehr darnieder.)

* Die Tagesordnung zu den Verhandlungen des 11. Kriegerbundestags am 22. Mai in der Turnhalle

Für mich ebenfalls. Mich ärgert nicht der Verlust, sondern der Betrug."

Sie behaupten da etwas, was Sie nicht be­weisen können; das ist doppelt beleidigend," sagte Griesheim mit gehobener Stimme.Ich muß Sie ersuchen, diese Behauptung zurückzunehmen und mir das Kartenspiel herauszugeben. Sie begehen einen Diebstahl, wenn Sie die Karten mitnehmen; bedenken Sie das wohl!"

Hallstädt hatte seinen Rock zugeknüpft, als ob er die Karten, die er in der Brusttasche trug, besser schützen wollte.

Ich will der Behörde anheimstellen, zu beur­teilen, wer sich hier eines Verbrechens schuldig ge­macht hat", erwiderte er.Ich behaupte, daß die Karten gefälscht sind."

Ich bitte Sie noch einmal, ruhig zu bleiben", nahm Grüner das Wort, während er dem alten Herr folgte, der rasch das Zimmer verließ.Wir wollen einen Spaziergang machen, dann mögen Sie mir alles erzählen."

Dadurch wird das Geschehene nicht ungeschehen gemacht!"

Aber bei ruhigem Nachdenken erscheint's viel­leicht in anderem Lichte. Sie lassen sich jetzt zu sehr von Ihrem Zorne Hinreißen. Was wird Ihr Fräu­lein Tochter dazu sagen?"

Hallstädt trat an das Fenster des Korridors und blickte eine geraume Weile schweigend hinaus; es kostete ihn unsagbare Mühe, seiner Entrüstung Herr zu werden.

zu Eßlingen besteht aus 15 Nummern, darunter Rechenschafts- und Kassenbericht für die Jahre 1891 und 1892, Anträge und Berichte der Revisionskom­mission, sowie verschiedene Anträge des Präsidiums, betreffend Abänderung einiger Paragraphen der Bundes­statuten und sonstiges; sodann Anträge von Vereinen, u. a. vom Veteranenverein Tübingen, welcher dahin­geht : das Präsidium zu ersuchen, die nötigen Schritte einzuleiten, damit den ausmarfchierten Mitgliedern des Württ. Kriegerbundes imjttrankheits- u. Bedarfs­fall auf Ansuchen und auf Grund ärztlicher Ver­ordnung ohne Armutsurkunde Freibäder und freie Kurtaxe in Wtldbad verwtlligt werden. Zum Schluffe findet die Neuwahl des Präsidiums, der Revisions­kommission und der Bundesausschußmitglieder statt.

* Die Heilbronn erNeck.-Ztg." schreibt: Der Frost in der Nacht von Freitag auf Samstag hat die anfänglichen Befürchtungen leider übertroffen. Der Schaden in den mever- i Lagen der Weinberge ist zum Teil ein sehr beträchtlicher und unsere schwer geprüften Weingärtner, denen bet Fortdauer der Trockenheit nun auch noch die Viehhaltung erschwert oder gar unmöglich gemacht wird, sind schon wieder um einen großen Teil ihrer Hoffnungen betrogen. Noch größer als hier ist der Schaden in vielen Orten der näheren und ferneren Umgebung. Es liegen uns hierüber Berichte aus Weinsberg, Besigheim, Bietig­heim, Güglingen, Crailsheim, Künzelsau, Murrhardt, Untertürkheim rc. vor. Ganz trostlos sieht es in Bückingen aus, wo die Weinberge gänzlich erfroren und keinerlei Hoffnung auf Ertrag mehr ist. Auch die Gartengewächse haben vielfach Not gelitten.

* Aus dem Oberamt Mergentheim sind betrü­bende Nachrichten eingelaufen. In der Frühe des 6. und noch mehr in der Frühe des 8. sind Fröste eiugetreten, welche die jungen Triebe sämtlich vernichtet haben. Die Blüten und Fruchtansätze an gden meisten Aepfel- bäumen find wie verbrüht und hängen gelb herab. Die Reben hatten in Hülle und Fülle schöne Triebe und Fruchtkeime; sie sind zerstört. Selbst der Klee hat gelitten und erscheint wie verbrüht. In den Gärten find alle zarteren Pflanzen verloren. Hauptsächlich betroffen wurden, wie es scheint, die höheren Lagen, während das Tauberthal selbst weniger gelitten hat.

* Nach der am 1. Dez. oorgenommenen Viehzäh­lung giebt es in Württemberg 115947Bienenvölker, nämlich 27 582 im Jagstkcets, 38229 im Donankreis, 28312 im Schwarzwaldkreis und 21824 im Neckar­kreis. Innerhalb 10 Jahren hat eine Zunahme von 35 840 Völker stattgefunden. Rechnet man für 1 Volk 15 Mk., so repräsentieren die 115 947 Völker einen Wert von 1 739 205 Mk., und bet einem durch­schnittlichen Ertrag von 5 Mk. per Stock und Jahr beziffert sich die Jahreseinnahme auf 579 735 Mk.

* (Verschiedenes.) In Nagold fiel am Samstag der 57 Jahre alte Holzmacher I. Beutler beim Ansästen einer Eiche 3 Meter hoch herab. Er mußte bewußtlos nach Hause getragen werden, wo er nach kurzer Zeit verschied. InHochdorf bet Vachingen a. E. verunglückte ein junger Bursche beim Hochzeitsschießen, dadurch, daß der Karabiner, der wohl zu stark geladen war, platzte und ihm eine Hand derart zerriß, daß sie abgenommen werden mußte. In Zang wollte eine ältere wohlbeleibte

Wie ich auch darüber nachdenke, von welcher Seite ich auch die Sache betrachten mag, immer wieder komme ich zu dem Schluß, daß Ihr Schwager ein Schuft ist," sagte er endlich.Hier ist noch ein Rest von der Zigarre, die er mir gegeben hat; ich werde das Kraut untersuchen lassen der Chemiker wird schon das Gift herausfinden."

Welche Vermutung!" erwiderte Grüner mit scheinbarem Entsetzen.

Es wäre nicht das erste Mal, daß man mit einer Zigarre das Opfer betäubt hat, um es leichter plündern zu können der sinnverwirrende Rausch, der so plötzlich mich befiel, hat jedenfalls seine Ur­sachen."

Ich kann es nicht fassen, wie Sie zu diesem Verdacht kommen, der doch meinen Schwager ohne weiteres zum Verbrecher stempelt. Lassen Sie uns das Vorgefallene ernst und ruhig untersuchen, wir wollen einen Spaziergang machen"

Hallstädt schüttelte energisch den Kopf.

Ich muß danken," sagte er;nach diesen Er­fahrungen kann niemand mir verargen, daß ich so bald wie möglich nach Brunnen zurückkehre."

Dann werde ich mir erlauben, Sie morgen zu besuchen. Versprechen Sie mir, bis dahin keine Schritte zu thun."

(Fortsetzung folgt.)

Auflösung des Rätsels in Nr. 53: Rußland."