gesetzgebung nicht das Recht hat, den Richter unter allen Umständen z«r Vernehmung von Sachverständigen zu zwingen. Artikel 24 bestimmt, daß Früchte, die von einem Baum auf ein Nachbargrundstück herüberfallen, als Früchte dieses Grundstücks gelten sollen; dagegen sollen Früchte, die auf eine Straße, einen öffentlichen Weg oder ein öffentliches Gewässer herabfallen, als aus dem Grundstück, auf welchem der Baum steht, niedergefallen zu betrachten sein. Dieser Artikel wurde im Absatz 1 in einer von Land- auer beantragten besseren redaktionellen Fassung angenommen; in Absatz 2 wurden auf Antrag der Kommission die Worte „oder ein öffentliches Gewässer" und weiterhin auf Antrag Göz noch das Wort „Straße" gestrichen. Bei Artikel 26 wurde am Samstag die Beratung abgebrochen und auf Dienstag nachm, vertagt.
Lasdesaachrichte«.
* Altensteig, 12. April. Am morgigen Tage tritt der Reichstag wieder zusammen und an diesem Tag wird die Militärkommission den Bericht, den der Abg. Dr. Gröber während der Osterferien entworfen hat, feststellen. Gegen den 20. April kann dann die Mtlitärvorlage vor das Plenum des Reichstags gelangen. Die „Freis. Ztg." meint, daß der Verlauf der Verhandlungen dann ähnlich wie in der Kommission sein werde. Der Vermittlungsantrag Benntg- sen's, eine Präsenzerhöhung von 49000 Mann statt der verlangten 84 000 Mann zu bewilligen, wird nach den Erklärungen in der nationalliberalen Presse im Plenum überhaupt nicht wieder gestellt werden. Für die Regierungsvorlage werden nur die Konservativen und die Freikonservativen stimmen. Nach Ablehnung der Regierungsvorlage kommen alsdann die Anträge der Zentrumspartei und der freisinnigen Partei zur Verhandlung auf der Grundlage der Jnne- haltung der gegenwärtigen Frtedenspräsenzstärke. Sonst pflegt es Regel zu sein, daß nach Ablehnung der höheren Ziffern die Minorität für die niedrigere Ziffer stimmt. In der Kommission haben die konservativen Parteien diese Taktik nicht befolgt, sondern nach Ablehnung der Re- gierungsziffer gegen alle übrigen Anträge gestimmt. Da außerdem die Sozialdemokraten gegen alle Anträge stimmen, so dürfte in der zweiten Beratung kein Antrag eine Mehrheit erlangen. Der Gesetzentwurf wird infolge dessen in allen seinen Teilen abgelehnt werden. Nach den Bestimmungen der Geschäftsordnung fällt bet solchen Ablehnungen in der zweiten Beratung die dritte Beratung des Gesetzentwurfes aus. Die Regierung ist also in der Lage, wenn sie sonst will, etwa am 27. April die Auflösung des Reichstags dekretieren zu können.
* Altenstetg, 12. April. Je dringender die Natur des Regens bedürfte desto -wolkenloser blaut der Himmel, desto schärfer undtrockener weht der Wind, desto höher steigt das Barometer. Das Keimen und Wachsen der Saaten ist durch die ungewöhnliche Trockenheit stark gehemmt,
Futter wächst gleich gar keines und die Gartengewächse rühren sich nicht. Fast jede Nacht bringt starken Reif.
* (Reichsgericht.) Infolge der von den Angeklagten eingelegte Revision hat das Reichsgericht dem Vernehmen nach das Urteil der Strafkammer II in Stuttgart, wodurch wegen Beleidigung des Hauptmanns Frhr. v. Varn- büler der Redakteur des Beobachters, Karl Schmidt zu 25 Mk., Bauschreiber Herrmann hier zu 40 Mk. Geldstrafe verurteilt wurden, aufgehoben und die Sache zu nochmaliger Verhandlung an die Strafkammer II zurückoerwiesen, behufs Vernehmung weiterer Zeugen, da Beschränkung der Verteidigung mit Erfolg gerügt wurde.
* (Verschiedenes.) Von der Schafherde eines in Rommelshausen übernachtenden Schäfers waren morgens mehrere Tiere verendet. Die tierärztliche Untersuchung ergab, daß dieselben auf einer mit frischem Kunstdünger bestreuten Wiese geweidet und hiedurch schädliche Stoffe in den Magen bekommen hatten. Da in gegenwärtiger Zeit so viel künstlicher Dünger angewendet wird, so ist dieser Fall für die Schäfer gewiß eine Mahnung zur Vorsicht. — Merkwürdiger als dem Totengräber Ott in Eybach das Schicksal am Osterfest gefallen, dürfte es nicht gleich wieder Vorkommen. In dessen Familie war nämlich an diesem Tage die Taufe des dreizehnten Kindes, zugleich aber auch die Konfirmation des erstgeborenen Kindes, zudem noch die Beerdigung eines seiner Kinder. Also Taufe, Konfirmation und Leichenbegängnis in einer Familie an einem Tage. — In Wangen i. A. ist die elektrische Straßenbeleuchtung fertig gestellt und am Samstag abend eröffnet worden. Die Hauptstraßen werden durch Bogenlampen beleuchtet. — In Winnenden hat sich der Schneidermeister K. in seiner Wohnung erhängt. — In Bietigheim wurde der Leichnam eines Holzhändlers von Calmbach aus der Enz herausgezogen. Da der Verunglückte in günstigen Verhältnissen stand, so ist man begierig, aus welcher Ursache der Mann seinen Tod gefunden hat. — In Heidenheim erhängte sich Samstag früh ein 64 Jahre alter Oekonom auf seiner Bühne. Schwere körperliche Leiden haben den braven, fleißigen Mann zu diesem traurigen Schritte veranlaßt. — In Stuttgart hat sich am Samstag früh V-6 Uhr ein 7—8 Jahre alter Knabe, welcher vor einigen Tagen seinen daselbst wohnhaften Eltern entlaufen war und wieder eingeliefert wurde, aus dem Fenster eines Mansarden-Abtritts in den Hof hinuntergestürzt. Er verschied nach wenigen Minuten.
* Karlsruhe, 10. April. Der 20 Jahre alte Ernst Schüler aus Ladenburg, der am 19. Nov. v. I. am Hellen Tage in der Nähe von Enttngen bei Pforzheim einen 13 Jahre alten Knaben aus Kieselbronn beraubt und in der schauderhaftesten Weise mißhandelt hat, so
daß der arme Junge für tot liegen blieb und erst nach fünfmonatlichem Krankenlager einigermaßen wieder hergestellt wurde, wurde heute vom hiesigen Schwurgericht zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Der Staatsanwalt hatte lebenslängliche Zuchthausstrafe beantragt.
* Karlsruhe, 11. April. In Bietigheim bei Rastatt erstach der Gemeinderat Gans den Bürger Essig wegen der Aeußerung, Gans komme das nächstemal nicht mehr aufs Rathaus.
* Mainz, 7. April. In Niederingelheim ist in der verflossenen Nacht die aus drei Köpfen bestehende Familie Schweikard durch Kohlengas erstickt.
* Die Schuldenlast des zahlungsunfähigen Bankiers Bernhard Ltndner in Halle ist nach Angaben der „Saale-Ztg." über Erwarten hoch und beziffert sich auf IV 2 bis 2 Millionen Mark. Börsenmitglteder und überhaupt Vertreter des Kaufmannsstandes scheinen nur in geringfügigem Umfange in Mitleidenschaft gezogen zu sein; den Hauptbestandteil der Gläubiger bilden Private, mittlere Beamte und Handwerker; stark beteiligt sollen auch einige weniger begüterte Verwandt: Lindners sein. Das in ihn gesetzte Vertrauen hat L. in geradezu schurkischer Weise mißbraucht.
* Berlin, 7. April. Drei kaiserliche Staats-Karossen, begleitet von zwei Stallmeistern zu Pferde in voller Gala, wie bet den großen Festauffahrten, passierten heute auf einer Probefahrt die Friedrichsstraße und erregten durch dte-Pracht der Geschirre und Livreen allgemeines Aufsehen. Diese drei Karossen werden kurz vor der Abreise des Kaisers nach Rom dorthin dirigiert, wo ste für die feierliche Auffahrt zum Vatikan Verwendung finden. Die königlich italienischen Wagen dürfen die Grenze der päpstlichen Machtsphäre nicht passieren.
* Berlin, 10. April. Der dem Reichstag zugegangene Entwurf des Seuchengesetzes beschränkt, abweichend von der früher veröffentlichten Vorlage, die Anzeigepflicht auf die Cholera, das Fleckfieber, das gelbe Fieber, die Pest und die schwarzen Pocken.
* Bezüglich der italienischen Reise des deutschen Kaiserpaares wird aus Berlin geschrieben: Der Kaiser utid.die Kaiserin haben in einem Kabinettsschreiben den italienischen Behörden den Wunsch aussprechen lassen, daß aus der gesamten Fahrt auf den italienischen Eisenbahnen Chiust und Chtaffo keinerlei feierliche Empfänge und sonstige Ehrenbezeugungen startfinden möchten.
* Der russische General Gurko traf am 8. April aus Petersburg in Berlin ein, verweilte einige Stunden und setzte alsdann seine Reise nach Paris fort.
* In der Angelegenheit des unter dem angeblichen Verdacht der Spionage in Rouen verhafteten württembergischen Roßarztes Gustav Kurtz, dessentwegen der Pariser Botschafter, Graf Münster, beauftragt worden war, bei der Republik vorstellig zu werden, meldet die Nordd.
> Allg. Ztg., der französische Minister des Aus-
„Und ich wiederhole, was ich schon so oft gesagt habe, man hätte besser die ganze Geschichte ruhen lassen sollen," erwiderte Griesheim unwillig. „Hallstädt und Tochter würden vielleicht nie etwas davon erfahren haben. Hallstädt hat mir zugesagt, uns in Luzern besuchen zu wollen, ich verfolgte dabei andere Zwecke, nun ärgert's mich, daß ich ihn so dringend eingeladen habe."
„Wer weiß, wie die Dinge sich noch wenden," sagte Elisabeth, „ich werde die Augen offen halten und unsere Interessen wahren."
Damit war das Gespräch beendet, sie verließen jetzt auch den Speisesaal und zogen sich in ihr Zimmer zurück. Der nächste Morgen fand die Reisegesellschaft wieder versammelt.
Die Sonne schien so hell, wie am Tage zuvor, dennoch zuckte der Kutscher auf die Frage Hallstädts, was er von dem Wetter halte, bedenklich die Achseln.
Grüner ging mit einem Scherz über die Bedenken hinweg, die Wolken, die sich in der Ferne am Horizonte zeigten, konnten nach seiner Behauptung den Ausflug nicht zu Wasser machen.
Er war auch heute wieder der liebenswürdige Gesellschafter, der keine Einsilbigkeit und am wenigsten eine Verstimmung aufkommen ließ. Er hatte für alles Sorge getragen, einige Flaschen Wein und ein vortreffliches Frühstück befanden sich im Wagen, und man war ihm sehr dankbar für diese Fürsorge, deren Wohltat man doppelt empfand, als die Wolken sich mehr und mehr zusammenballten und jetzt ein kleiner, kalter Regen unablässig niederrieselte.
Der Wagen mußte geschlossen werden, Mäntel und Tücher leisteten jetzt treffliche Dienste.
Die Kälte wurde immer empfindlicher, der nasse Nebel immer dichter, aber Grüner verlor auch jetzt die heitere Laune noch nicht und
seine Heiterkeit half auch den anderen über die ärgerliche Stimmung hinweg, die solche Witterung in der Regel hervorzurufen pflegt.
Man speiste im Furkahause und fuhr im Schneegestöber zum Rhonegletscher hinunter.
Natürlich kam die gigantische Pracht des Gletschers hinter dem wallenden Nebelschleier nicht zur Geltung, man mußte wieder umkehren und war herzlich froh, als im Thale von der Andermatt die Sonne wieder die Heimkehrenden begrüßte.
Ein Spaziergang zur Teuselsbrücke wurde von Grüner vorgeschlagen und nur von den beiden Damen angenommen, Griesheim und Hallstädt blieben im Gasthause zurück; sie zogen vor. bei einer Flasche Vino d'Asti eine Partie Piket zu spielen.
Grüner führte Theodore, er und Elisabeth unterhielten das Mädchen in einer so fesselnden und interessanten Weise, daß jede Müdigkeit ihr fern blieb, trotzdem der Weg ein ziemlich weiter war.
Sie kehrten erst kurz vor dem Abendessen zurück und fanden die beiden in Hallstädts Zimmer noch immer beim Kartenspiel.
Das Spiel mußte jetzt abgebrochen werden. Hallstädt legte die Karten hin und Griesheim verließ ihn mit der Erklärung, daß er zu jeder Zeit bereit sei, Revanche zu geben.
„Das hätte vermieden werden müssen!" zürnte Grüner, als er sich mit seinem Schwager allein befand; „die Verabredung, die wir gestern abend trafen, scheinst du schon vergeffen zu haben."
„Was mußte vermieden werden?" fragte Griesheim kühl.
„Das Kartenspiel! Du hast natürlich gewonnen?"
„Bah, eine Kleinigkeit, zehn Partien zu fünf Franken — rst nicht der Rede wert."
„Mir kannst du den ganzen Spaß verderben."
(Fortsetzung folgt.)