des Staatssekretärs über die Verwaltungspraxis gegen den Asststentenverband. Liebermann von Sonnenberg: Der Staatssekretär sollte für jede Anregung unsererseits dankbar sein, er braucht sich deshalb nicht gleich als Giraffe hinzustellen, auf der wir unfern Löwenritt aus ­führen wollen. Wegen antisemitischer Gesinnung seien erfreulicherweise im letzten Jahre keine Maßregelungen erfolgt, um so mehr bedauer­licherweise gegen Postasststenten. Redner bringt zwei Fälle zur Sprache, in denen es sich an­scheinend um Verletzung des Telegraphen- und Briefgeheimnisses gegen Postasststenten handle und wünscht, daß die Postverwaltung bei Lie­ferungen nur deutsche und keine jüdischen Firmen bedenke. Gr befürwortete auch den Neubau eines Postamts in Kassel. Direktor Fischer sichert eine Untersuchung der vom Redner vorgebrachten Beschwerden zu. Das Bedürfnis eines neuen Zweigpostamts in Kassel erkenne die Postverwaltung an. Zur Zeit schwebten darüber Verhandlungen wegen der Platzfrage. Stöcker tadelt das Vorgehen der Postverwaltung gegen die Postasststenten und wünscht die Schließung der Postämter am Sonntag nachmittag. Nach längerer Debatte wird die Beratung auf Montag vertagt. (Auch die deutsche Partei wird für die bevorstehende Reichstagswahl demnächst einen eigenen Kandi­daten ausstellen.)

Lavdesaachrichtev.

*Stuttgart,4. März. Polizei-Inspektor Kern von der Kriminalabteilung beging heute die Feier seines 25jährigen Dienstjubiläums.

* Stuttgart, 5. März. Dem Vernehmen nach bereitet sich in der königl. Familie ein Ereignis vor, welches eventuell nicht ohne Ein­fluß auf die präsumtive Thronfolge bleiben könnte. Wie ein hier verbreitetes, vorläufig je­doch noch unkontrollierbares Gerücht wissen will, soll der Verbindung eines dem Throne sehr nahestehenden Agnaten mit einer zur württemb. Königsfamilie gehörigen Prinzessin im Werke sein.

* Stuttgart, 5. März. Der diesjährige Württ. Kriegerbundstag wird zu Pfingsten in Eßlingen abgehalten werden.

* Stuttgart, 5. März. Die Zahl der Aerzte in Württemberg beträgt im laufenden Jahr 711 (gegen 699 im Vorjahre); hievon entfallen auf den Neckarkreis 300 (gegen 297 im Vorjahre), auf den Schwarzwaldkreis 151 (141), auf den Jagstkreis 87 (89), auf den Donaukreis 170 (163); auf 10 000 Einwohner kommen in Württemberg 3,49 (3,38) Aerzte.

* Stuttgart, 5. März. Ein für unsere Wirte nicht uninteressanter Prozeß hat gestern vor dem Reichsgericht feinen Abschluß gefunden. Der Bierbrauer I. Beck von Heimsheim ist vom Landgericht hier am 24. Nov. vorigen Jahres wegenwissenschaftlicher Behandlung" (!) des Bieres zu 50 Mk. Strafe verurteilt worden. Der betreffende Bierbrauer hatte nämlich ru­mänische Gerste benützt; da jedoch die rumänische

Gerste zu wenig Malz enthielt, war der Sud zu bitter geraten. Um diesem Uebelstand ab- zuhelfeu, hat der Angeklagte eine Quantität Saccharin verwendet, um durch den süßen Bei­geschmack die Bitterkeit zu verdecken. Gegen das vom Stuttgarter Landgericht auf Grund des Paragraphen über Lebensmitteloerfälschung gefällte Urteil hat der Beklagte an das Reichs­gericht rekurriert, indem er ausführte, daß die Zuthat von Saccharin nicht als eine Fälschung von Lebensmitteln betrachtet werden könne. Das Reichsgericht war dagegen anderer Ansicht und bestätigte das Urteil des Stuttgarter Land­gerichts.

* Cannstatt, 6. März. Um den bet ver­schiedenen Brandfällen schon vorgekommenen Unziemlichkeiten zu steuern, beschloß der Gemeinde­rat, an die Feuerwehrleute von jetzt an sog. Erfrischungsmarken L 10 Pf. und 20 Pf. ab­zugeben. Diese Marken können in jeder Wirt­schaft ausgegeben werden und werden von der Stadtpflege innerhalb drei Tagen eingelöst. Dadurch soll namentlich vermieden werden, daß seitens einzelner Feuerwehrleute auf Kosten der Brandbeschädigten bei Wirten erhebliche Zeche gemacht, oder von den Beschädigten selbst Er­frischungen in unziemlicher Weise verlangt werden.

* Aus dem O beramt Mergenth eim, 6. März. Demnächst soll einem Weber K. in A. ein Teil einer Millionenerbschaft (etwa V 2 Mill. Mk.) in den Schoß fallen. Der Löwen­anteil wird nach den Aussagen des Letzteren nach Steinheim a. Murr entfallen, wo die Frau des Beglückten geboren ist. Der Erblasser in Amerika ist im Jahre 1817 ausgewandert.

* (Verschiedenes.) Am Samstag nacht hat in Hei l br 0 nn ein 24 Jahre alter Fabrik­arbeiter seinen Stiefvater hinterrücks angefallen und mit einem Schlüssel derart auf den Kops geschlagen, daß er aus sechzehn Wunden blutete. Der Thäter wurde verhaftet. Im Bezirks­krankenhaus in Neckarsulm ist am Montag früh ein junger Mann gestorben; derselbe wurde am 14. Febr. nach einer Fastnachtsuntechaltung von einem Freund aus Unvorsichtigkeit mit einem Revolver erschossen. In Stuttgart hatte am Samstag abend ein Ehepaar in der Staffel­straße Streit, wobei der Mann mit einem Messer seiner Frau einen Stich in die Brust beibrachte, welcher nach der ärztlichen Unter­suchung lebensgefährlich ist. Der Thäter ist festgenommen. In der Fcanzeamühle des Eduard Mtchelberger in Herbertingen brannten am Samstag nachmittag 2 Scheuern mit sämtlichen Vorräten nieder; ebenso ging der ganze Viehstand zu Grunde, bestehend aus 3 Pferden, 17 sehr wertvollen Stück Rindvieh und 7 Zuchtschweinen. Gerettet konnte gar nichts werden. Brandstiftung ist wahrscheinlich. In Oehrin gen hat sich ein 65 Jahre alter Glaser aus Lebensüberdruß mittels eines Karabiners erschossen. Der Gemeindepfleger in Wiernsheim ist nun schon sei: IIWochrn

verhaftet. In seiner Buchführung herrscht ein solcher Wirrwarr, daß bis jetzt erst 10 000M. Defizit entdeckt wurden und die Hauptsumme der Fälschung noch gar nicht festgestellt werden konnte. In Göppingen kam die sechs­jährige Tochter der Filzfabrikanten Schund Wtw. in der Nähe der Wohnung unter den Schnell­zug und wurde so schwer verwundet, daß das Kind noch in derselben Nacht starb. Das neue württ. SalonbootCharlotte" machte diese Woche seine erste Probefahrt nach Langen­argen, wo die an Bort befindlichen Werfte- arbeiter reichlich bewirtet wurden. Die Probe­fahrt ergab ein vorzügliches Resultat. Die Fertigstellung des Dampfers wird aber noch längere Zeic erfordern. Der beim letzten Eisgang auf der Markung Untertürkheim angerichtete Schaden beträgt zufolge gemeinde- rätlichen Anschlags 41660M., wovon 23 960 Mark auf die Bürger, 17 000 Mk. auf das Gemeindeland entfallen. In Dettingen, OA. Haigerloch, siel ein 1012jähriger Knabe in den Neckar. Der dortige Adlerwirt, der sich in der Nähe befand, versuchte den Knaben zu retten, wurde aber, wie vermutet wird, in dem kalten Wasser vom Schlage gerührt und mußte leider seine mutige und opferwillige Handlungs­weise mit dem Tode büßen, während der Knabe durch anderweitige Hilfe gerettet werden konnte. In einer Brauerei in Metzingen wurde schon mehreremal Gerste entwendet- ohne daß man dem Thäter auf die Spur kommen konnte. Der Besitzer kam nun auf den guten Gedanken, in seinen Geschäftsräumen ein elektrisches Läute­werk anbringen zu lassen, wodurch auch schon am Freitag nacht der Dieb erwischt wurde. Derselbe ist ein daselbst in Arbeit stehender Schlossergeselle, welcher sich einen Schlüssel in den betreffenden Lageraum zu verschaffen ge­wußt hatte. Dem 27 Jahre alten Johann Fleck aus Entri ng en, welcher in einer in Ktrchheim u. T. aufgestellten Schießbude beschäftigt war, wurde am Sonntag abenv auf bis jetzt noch nicht aufgeklärte Weise ins rechte Auge geschossen, so daß dasselbe ausl'.ef.

' DemEcho v. Wals" zufolge errichtet die in Furt Wange 11 bestehendeBadische Uhren­fabrik" in China eine Filiale und sin) Ange­stellte bezw. Arbeiter und Maschinen bereits vor einigen Tagen nach dem Lande der Bezopften abgegangen. Es ist dies die 2. Filiale der Fabrik tm Auslande; die erste errichtete dieselbe in Italien.

* Berlin, 7. März. Die Frakiiousooc- ftände des Reichstags richteten au die Mitglieder das Ersuchen, zahlreicher zu erscheinen. Gestern waren mehrere Stunden hindurch von 396 Ab­geordneten nur 46 anwesend.

* Halle a. S., 6. März. Weinhändler Müller, der 109000 Mk. verwirtschaftet hat und seit Jahresfrist flüchtig ist, ist im Ausland verhaftet und hier eingeliefert worden,

* Gotha, 5. März. DasGothaer Tage­

zwang, den Schmuck einem Juwelier vorzulegen. Der betreffende Herr ist vor einigen Tagen gestorben, wir hatten das Geschäft erst kurz vor­her abgeschlossen und als ich so ganz unerwartet die Todesnachricht vernahm, wurde ich wegen meines Kapitals besorgt. Ich dachte sofort an das Unterpfand, und es war wohl natürlich, daß Zweifel in mir aufstiegen, die mich so lange beunruhigten, bis ich endlich heute Morgen mich entschloß, einen Juwelier zu besuchen, und von ihm erfuhr ich, daß die falschen Steine mit großer Geschicklichkeit geschliffen sind, aber durch­aus keinen Wert haben."

Ich hätte Ihnen das alles Voraussagen können, ehe Sie den Vertrag schlossen." nickte Gustav;die Sache gehört vor das Forum der Kriminalbehörde, und ich fürchte, auch diese wird Ihnen leider keine Genugthuung für den Betrug geben können, da ja der Betrüger dem irdischen Richter entrückt ist. Wie hieß der betreffende?"

Roderich Griesheim."

Der Advokat sah die junge Dame starr an, für einen kurzen Mo­ment stockte das Blut in seinen Adern; sein erster Gedanke galt der Witwe des Betrügers und unwillkürlich erinnerte er sich des Urteils, das kurz vorher sein Vater über Roderich Griesheim gefällt hatte.

Sie scheinen den Herrn zu kennen," sagte Paula, der diese Ueber- raschung nicht entgehen konnte.

Ja. ich habe ihn gekannt, aber nicht von dieser Seite," antwortete er;ich hielt ihn für einen Ehrenmann."

Er machte ja auch auf mich diesen Eindruck, ich glaubte, im volles Vertrauen schenken zu dürfen. In seinem Hause bin ich nie gewesen, er soll eine Witwe in anscheinend guten Verhältnissen hinterlassen haben; ich hege die leise Hoffnung, daß sie die Verpflichtungen ihres Mannes einlösen wird."

Gustav schüttelte zweifelnd das Haupt, er konnte diese Hoffnung nicht teilen, das Bild der einstigen Geliebten verblaßte noch mehr und ihm drängte sich jetzt die Frage auf, ob Elisabeth sich an diesen Be­trügereien ihres Mannes beteiligt habe eine Frage, auf die er keine Antwort fand.

Haben Sie nur mit Griesheim verhandelt, oder schloffen Sie den Vertrag auch mit seinem Schwager Grüner?" fragte er nach einer Pause.

Nur mit Roderich Griesheim."

Seine Frau lernten Sie ebenfalls nicht kennen?"

Nein, Herr Doktor."

Und das Kapital übergaben Sie ihm in Wertpapieren?"

Paula nickte bejahend und legte einige Papiere auf den Schreibtisch.

Hier ist der Vertrag und ein genaues Verzeichnis der Obliga­tionen, die er empfangen hat", sagte Paula; vielleicht finden diese Ob­ligationen sich in seinem Nachlaß und dann bin ich wohl berechtigt, sie als mein Eigentum zu reklamieren?"

Wenn dieser Fall festgestellt werden kann, allerdings," erwiderte der Advokat, während er einen Blick in die Papiere warf.Der Wort­laut des Vertrages hat Ihnen wohl auch kein Mißtrauen eingeflößt."

Mißtrauen?" fragte Paula betroffen.

Sie werden in diesem Vertrage gewissermaßen als Teilhaberin eines Geschäfts bezeichnet. Sie erhalten einen gewissen Prozentsatz vom Gewinn und es ergibt sich daraus in natürlicher Folgerung, daß Sie !mit Ihrem Kapital wie am Gewinn, so auch am Verlust beteiligt sind. Griesheim hatte sich für alle Fälle gesichert, Sie konnten das Darlehen nicht zurückfordern und ihm war es leicht, den Beweis zu führen, daß ^ es durch Geschäftsverluste gänzlich absorbiert worden fei." i (Fortsetzung folgt.)