genommene Lied ertönen und bewiesen dadurch ihre gute Schulung. Der vorgetragene umfangreiche Bericht über die Thätigkeit im letzten Jahre bekundete, daß der Verein sich wacker regt. Er besitzt gegenwärtig 26 aktive, 110 passive und 3 Ehrenmitglieder. Weiterer Beitritt zu den aktiven Mitgliedern ist sehr erwünscht. Bei der Neuwahl des Vorstands, Kassiers und Aasschusses wurden die seitherigen Mitglieder wiedergewählt. Der Verein ist zu Anfang d. Js. dem schwäbischen Sängerbund betgetreten.
* Ist der württemb ergische Schwarzwald zur Errichtung von Höhenkurorten oder Heilanstalten für Lungenkranke geeignet? Diese Frage, welche für die weitesten Kreise von namhaftem Interesse ist, wird, da sich die Vermehrung der genannten Anstalten in der letzten Zeit immer mehr als ein notwendiges Bedürfnis erwiesen hat, in dem offiziellen Organ des »Württemberg, ärztlichen Landesvereins" ausführlich erörtert und in bejahendem Sinne beantwortet. - Die zur Heilung von Lungenkranken notwendigen Eigenschaften, nämlich geräuschloses Leben und landschaftliche Schönheit, frisch ventilierte Höhen- und Waldluft und doch genügenden Windschutz, keine allzugroßen meteorologischen Schwankungen besitzen manche Orte unseres württembergischen Schwarzwaldes. Nach den sorgfältig angestellten Beobachtungen ist die Temperaturschwankung durchweg an manchen Orten im Thal größer als auf mancher Höhe. Namentlich wird auch die klare staubfreie Luft des Schwarzwaldes hervorgehoben.
* Stuttgart. Eine K. Verordnung be stimmt den WieSerzusammentritt der vertagten Ständeversammlung auf Dienstag den 14. März.
* Stuttgart, 1. März. Im Ortsverein des evangel. Bundes, der sich gestern im Herzog Christoph versammelt hatte, hielt Eduard Elben einen Vortrag über die kirchenpolitische Lage der Gegenwart. In kurzen Zügen schilderte er das in Rom herrschende System, das seit Jahrzehnten ganz von dem Jesuitenorden geleitet sei, der der Reformation mit unversöhnlicher Feindschaft gegenüberstehe. Aus der Geschichte wurde nachgewiesen, wie in unserem Jahrhundert die Furcht vor der Revolution, besonders aber die Unklarheit und das Schwanken der Politik in den süddeutschen Staaten, wie in Preußen, dem Papsttum unter der klar bewußten und konsequenten Leitung des Jesuitenordens zu der Macht verholsen habe. Diese Macht besteht hauptsächlich in der Unfehlbarkeit des päpstlichen Stuhles, der nicht irren kann, nie geirrt hat und nie irren wird, in der Einheit des Glaubens, der sich alle unterwerfen müssen, und in der Ausschließlichkeit, nach der die römische Kirche die allein seligmachende ist. Mit dieser Macht ausgerüstet, will sie ihre Gewalt über alle Getauften ausdehnen ; darum will sie den Jesuitenorden nach Deutschland zurücksühren, und die evang. Kirche steht vor einem Kampf um ihren Bestand. Doch erscheint bei näherer Betrachtung dieser Kamps nicht aussichtslos. Ist im Laufe dieses Jahrhunderts die Macht der römischen Kirche gewachsen, so ist auch in der evangelischen Christenheit manches anders und besser geworden. An die Stelle des flachen Rationalismus und der religiösen Gleichgiltigkeit sei eine tiefere Anschauung getreten, und den religiösen Fragen werde, wie es sich besonders in den letzten Wochen wieder gezeigt hat, ein warmes Interesse entgegengebracht. Luch in Beziehung auf die Werke der Barmherzigkeit, in denen die kath. Kirche der evang. voraus war, ist infolge der Thätigkeit der inneren Mission ein neues Leben in die evang. Christenheit gekommen, und das Zusammenwirken der Laien mit den Geistlichen, wie es besonders die neue Kirchenverfassung
gefördert hat, verleiht ein Gefühl der Kräftigung und Stärkung. Die große Beteiligung gegen die Zulassung der Jesuiten in Deutschland ist gleichfalls ein Beweis dafür, daß der Kampf gegen den Ultramontanismus ausgenommen wird, wobei es sich jedoch nur um einen Kampf gegen das herrschende System und nicht gegen die kath. deutschen Mitbrüder handelt, die in nationalen Fragen und im Kampf gegen äußere Feinde wie in den Jahren 1866 und 1870 sich als Deutsche fühlen und als solche sich bethäti- gen werden.
* (Verschiedenes.) In Heilbronn wurde ein Kaufmannslehrling, der seinem Prinzipal 100 M. entwendet hat, verhaftet. — Unter der Kinderwelt in Bis sin gen a. E. herrscht neben den gewöhnlichen Kinderkrankheiten seit einiger Zeit in erschreckeader Weise die Halsbräune. Seit Neujahr sind gegen 35 Kinder im Alter bis zu 6 Iihren dieser Krankheit erlegen. — In Degerloch hat sich ein dortiger Bürger und Gemeinderat im Stalle erhängt. Widerwärtige Erfahrungen, die er aus Anlaß einer Erbschaftsteilung machen mußte, haben den Mann zu der unglückseligen That verleitet. — In U l m wurde am Donnerstag in den Anlagen vor dem Blaubeurer Thor ein junger Mensch erschossen aufgefunden. — Bezüglich des an dem Fräulein Selma Neuß verübten Mords hat die Kgl. Staatsanwaltschaft Ulm nun auch eine Belohnung von 300 Mk. aus geschrieben, so daß die ausgesetzte Prämie nunmehr 800 Mk. beträgt. — In Holzgerlingen feierte der Odcrholzhauer Mickeler mit seiner Ehefrau das Fest der goldenen Hochzeit. Von Sr. Maj. dem König wurde das Jubelpaar durch eine Ehrengabe von 20 Mk. erfreut. — Von einer betrübenden Nachricht wurde in Ebingen die Familie des Mathias Nieder, Fuhrmann ereilt, die im Laufe weniger Jahre zwei Söhne im schönsten Jünglingsalter durch schmerzlicheUnglücksfälle verloren hat. Von Straßburg kam die schmerzliche Nachricht, daß einem dritten Sohne, der dort als Metzgerbursche in Arbeit stand, und im August v. I. beim Abspringen von einem Wagen den Fuß übertreten hatte, und der infolge dieses Unfalls seitdem krank darniederlag, im dortigen Spital habe d.er kranke Fuß abgenommen werden müssen.
* Bayreuth. In einer der letzten Nächte wurde der Gendarm Fuchs in der Nähe von Weidenberg (Oberfranken) bei einem Patronillengange erschossen, woraus geschlossen wird, daß es zwischen Fuchs und einer oder mehreren anderen Personen, vermutlich Wilderern, zu einem Zusammenstoß gekommen ist.
* Die „Franks. Ztg." meldet aus Leipzig: Das Schwurgericht verurteilte den Handlungs- commis Wyssel, der im Oktober einen Geldbriefträger in seine Wohnung zu locken, zu berauben und zu ermorden versuchte, zu 121z Jahren Zuchthaus und 10 Jahren Ehrverlust.
* Berlin, 3. März. Wie aus Primkenau gemeldet wird, reist Herzog Ernst Günther, Bruder der Kaiserin, zur Weltausstellung nach Chicago. Sein Aufenthalt ist auf sechs Wochen veranschlagt.
* Berlin, 3. März. Wie der „Kreuzztg." aus Süddeutschland geschrieben wird, seien ! jahrelang bei Bauern, Wirten und Taglöhner» ! Schreiben von Berliner Kommtssionshäusern ein- getroffen, welche zum Börsenspiel auffordern: ebenso wurden Ortsvorsteher in Württemberg und Bayern aufgefordert, aus den Steuerlisten die einigermaßen wohlhabenden Ortsangesefsenen anzugeben, um dieselben zu Börsengeschäften z« veranlassen.
* Berlin, 3. März. Dem russischen Botschafter, Graf Schuwalow, wurde heute die Ant- I wort Deutschlands auf die russischen Vorschläge ! wegen Abschlusses des Handelsvertrags mit ! Rußland übergeben.
* Der Antrag des Zentrums auf Aufhebung des Jesuitengesetzes wird der „Germ." zufolge voraussichtlich am Mittwoch, den 15. d, im Reichstag zur Verhandlung kommen.
* Am 1. April werden es zwei Jahre, daß die Kommission für das bürgerliche Gesetzbuch unter dem Vorsitz des Staatssekretärs im Reichsjustizamt und jetzigen Präsidenten des Reichsgerichts von Oehlschläger, ihre Thätigkeit begonnen hat. Diese war >m ganzen auf zwei i Jahre veranschlagt. Bis jetzt ist die Kommission bis zum 8 868 gelangt, während im ganzen weit über 2000 Paragraphen zu erledigen sind, die noch die schwierigsten Aufgaben für die Kommission umfassen. Es wird angenommen, daß zur Abwicklung der Gesamtauf- ! gäbe noch mindestens drei Jahre erforderlich ! seien, und daß die Schwelle des neuen Jahrhunderts längst überschritten sein wird, wenn das Bürgerliche Gesetzbuch Rechtskraft im deutschen Reiche gewinnt.
* Die Vorstände der Jnvaliditäts- und Alters- Versicherungsanstalten sind seitens des Reichs- Versichernngsamtes für Ende dieses Monats zu einer Konferenz nach Berlin eingeladen worden, in der einige auf die weitere Durchführung des Jnvaliditäts- und Alters Versicherungsgesetzes bezügl.',Fragen gemeinsam erörtert werden sollen.
* Jntereffant für Deutschlands Bevölkerungszustand dürsten folgende statistische ' Nachrichten sein: Im- Jahre 1891 wurden 399 389 Ehen geschlossen, geboren wurden i 1840172, gestorben sind 116 442 (in beiden ! Fällen ohne die Totgeborenen), so daß sich ein Geburtsüberschuß von 675 751 ergiebt. Berechnet man das Verhältnis zur mittleren Bevölkerung, so kommen auf 1000 Einwohner im deutschen Reich 8 pCt. Eheschließungen, 37 pCt. Geburten und 23,4 PCt. Todesfälle, so daß die Geburten 13,6 PCt. übersteigen.
' In Hildburghausen erschoß sich dieser Tage ein Schäler des Technikums in nervöser Aufregung und aus falschem Ehrgefühl, weil er eine Geldstrafe die ihm von der Polizei auferlegt war, nicht bezahlt hatte und infolge dessen diese Strafe durch Haft verbüßen sollte.
* Aus Braunschweig wird der „Fr.Z." geschrieben: Ein riesiges Horn, das auf der Braunkohlengrube „Treue" gefunden wurde, ist.
Die Unterhaltung wurde in diesem Augenblick durch den Eintritt des Dienstmädchens gestört, das dem Advokaten den Besuch einer Dame meldete.
„Ich komnie sogleich/ nickte Gustav, „führen Sie die Dame in mein Kabinett. — Sollte sie es sein?" wandte er sich zu seinem Vater, als das Mädchen sich entfernt hatte. „Ich kann mir doch nicht wohl denken, daß sie an die frühere Freundschaft appellieren und meinen Rat beanspruchen sollte."
„Und wäre es so. dann bewahre dir deine Kaltblütigkeit," sagte die Mutter. „Deinen Beistand brauchst du ihr darum ja nicht zu verweigern."
Der Advokat stieg langsam die Treppe hinunter: seine Büreau- räume lagen im Erdgeschoß.
Als er in sein Prioatkabinett trat, sah er sich einer schwarzgekleideten Dame gegenüber, deren imponierende Erscheinung einen tiefen, fast überwältigenden Eindruck auf ihn machte. Ihr hoher, schlanker Wuchs war untadelhaft, ihre Haltung aristokratisch, von bestechendem Zauber weiblicher Würde umflossen.
Aschblondes Haar umrahmte in reicher Fülle die hohe Stirn, aus den tiefblauen Augen leuchteten Geist und Gemüt und nur der herbe Zug, der die feinen rosigen Lippen umspielte, störte einigermaßen die Harmonie dieser bezaubernd schönen und distinguierten Erscheinung.
„Gestatten Sie mir, daß ich nstch Ihnen vorstelle," sagte sie, nachdem sie die riefe Verbeugung Gustavs mit einer leichten Verneigung erwidert hatte — „Paula Hagen, Tochter des vor einigen Monaten verstorbenen Hauptmauns Hagen. Ich muß um Entschuldigung bitten, Herr Doktor, daß ich Ihre Sonntagsruhe, deren Sie nach den Anstrengungen der letzten Woche dringend bedürfen, zu stören wage," fuhr sie darauf im leichten Konversationstöne fort, während sie in dem Sessel, den der
Advokat ihr hingerollt hatte, Platz nahm; „ich wollte Sie um Rat und Beistand bitten und habe Ihnen eine lange Geschichte zu erzählen."
„Sie stören durchaus nicht, gnädiges Fräulein," erwiderte der Advokat, der im stillen schon berechnet hatte, daß die neue Klientin höchstens vier- oder fünfundzwanzig Jahre zählen konnte, „es ist mir sogar sehr lieb, baß Sie gerade den Sonntag gewählt haben, in das stete Einerlei dieses Ruhetages wird dadurch für mich eine angenehme Abwechselung gebracht."
Eine leichte Röte überfloß flüchtig die Wangen Paulas, es lag ^ in dem Blicke des jungen Advokaten etwas, was sie unwillkürlich nötigte, die Wimpern zu senken.
„Ich muß Sie vorab mit den Gründen bekannt machen, die mich bewogen haben, eine Ihnen unverständliche Thorheit zu begehen," sagte sie, und jetzt ließ der Ton ihrer Stimme die innere Erregung erkennen, die sie bisher zurückgedrängt hatte. „Mein Vater nahm schon vor vielen Jahren seinen Abschied, weil er im Avancement übergangen war; er beschäftigte sich mit litterarischen Arbeiten und das Honorar, das er dafür erhielt, reichte im Verein mit seiner Pension hin, unsere Bedürfnisse zu bestreiten. Mein Bruder, der jetzt Premierleutnant ist, befand sich damals noch in der Kadettenschule; meine Mutter starb früh.
Da können Sie sich denken, daß auf den Schultern meines Vaters eine schwere Last lag."
„Und wohl auch auf den Ihrigen?" fragte der Advokat teilnehmend.
„Ich habe meine Pflicht gethan, so gut ich es vermochte, und mein guter Vater hat sie durch dankbare Anerkennung meiner geringen Dienste mir erleichtert. Als er sich dem Ende nahe fühlte, rief er meinen Bruder und mich an sein Sterbelager."
(Fortsetzung folgt.)