wünscht nähere Auskunft über den angeblichen Waffenhandel, der von deutschen Firmen gelegentlich des Konflikts der Franzosen mit Dahomey getrieben und die Verhaftung von drei Deutschen herbeigesührt habe. Wünschenswert sei auch eine Vervollständigung der Konsularberichte, in denen Mitteilungen über den Stand der Kaffee- u. Baumwollenernte fehlten. Staatssekretär M a r s ch a l l hält letzteren Wunsch für berechtigt, schwierig sei es aber, zuverlässige Berichte zu erhalten. Nach Verhängung der Blokade über Weydey sei ein Verbot des Waffenhandels seitens der deutschen Regierung ergangen und auch gehalten worden. Vor jener Blokade hätten sich auch Franzosen an der Waffenlieferung beteiligt. Im klebrigen sei die französische Regierung berechtigt, Fremde aus ihren Gebieten auszuweisen. Auf eine Anfrage des Abg. Lucius erklärt Staatssekretär Marsch all: Die Regierung könne, was die Unterbringung von auswärtigen Anleihen betreffe, nur angeben, ob politische Gründe dagegen vorlägen; die Frage der Rentabilität u. s. w. gehe sie nichts an. Portugal gegenüber habe die Regierung die Interessenten bestens unterstützt, von dem Grundsätze ausgehend, daß Portugal mit seinen auswärtigen Gläubigern zu einer Verständigung gelange und ihnen nichts oktroyire, sie auch nicht schlechter stelle als die inneren Gläubiger. Daran halte die Regierung auch jetzt fest. Graf Mirbach kommt auf die früheren Debatten über den Identitätsnachweis und den russischen Handelsvertrag zurück und bedauert namentlich, daß man bei sinkenden Ge- tretdepreisen die Zölle auf 12 Jahre gebunden habe. Unbedingt verlangten die Landwirte aktives Vorgehen in der Silberfrage. Caprivt: Auf den Btmetalltsmus wolle er nicht eingehen. Er könne nur wiederholen, wenn England jemals die notwendigen Voraussetzungen erfülle, würde Deutschland sich überlegen, ob es Nachfolgen könne. Die Landwirtschaft brauche vor allem Stabilität, deshalb habe man lange Verträge abgeschlossen. Derselbe Graf Mirbach, der heute die Aufrechterhaltung der Differentialzölle gegen Rußland verlange, habe jüngst in Reichstagsreden und schriftlichen Eingaben die Beseitigung dieser Zölle im Interesse der Ostprovinzen verlangt nnd daran die Forderung der Aufhebung des Identitätsnachweises geknüpft. Heute scheine er letzteren mit dem Bestehen der Differentialzölle vereinbar zu finden. Mir ist es unmöglich, daraus eine Richtschnur für das Verhalten der Regierung zu entnehmen. Abg. Barth führt aus, daß die Befürchtungen der Agrarier vor einem unermeßlichen Getreidetm- port aus Amerika unbegründet seien und daß die Aufrechterhaltur.g des Differentialzolls gegen Rußland der Landwirtschaft nur nachteilig sei. Redner bittet dann die Regierung, der neuerdings zunehmenden Bewegung auf Einführung der Schiedsgerichtsklausel in Verträgen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Staats sekretär Marsch all: Wir sind nach wie
vor bereit, einzelne Streitfälle schiedsgerichtlich entscheiden zu lassen, aber eine allgemeine Verpflichtung, sämtliche internationalen Streitigkeiten auf diese Weise zu schlichten, dürste für Deutschland angesichts seiner Lage bedenklich sein. Kardorff: Wenn die Regierung nur ernstlich wollte, könnte sie die Währungsfrage schon lösen. Ein Staatsmann sollte jede Maßregel auch hinsichtlich ihrer Wirkung auf die Landwirtschaft prüfen. Capripi: Das habe ich stets gethan und werde es thun, daraus folgt aber nicht, daß ich mir die Auffassung Kardorff's aneigne. Man vergleicht die Landwirtschaft mit einem Baume, dem neue Erde zuzuführen sei; es sind ihm aber bereits so viele Schichten zugeführt worden (Sehr richtig! links), daß ich um neue verlegen bin. Bebel bedauert die Antwort von Maischalls auf die Anregung Barths betreffend die Einführung internationaler Schiedsgerichte und kann nicht einsehen, inwiefern solche für Deutschland bedenklich sein sollten. Fürchtet man etwa, daß die elsaß-lothringische Frage aufgerührt werden könne? Deutschland gelte als das Karnickel, das mit großen Kciegsrüstungen in den sechziger Jahren angefangen habe, und es würde einen Beweis seiner Friedensliebe geben, wenn es der Schiedsgerichtsfrage näher träte. Reichskanzler Caprivi: Herr Bebel hat bereits angedeutet, daß die elsaß-lothringische Frage vor das Forum des Schiedsgerichts gebracht werden könne. Ich bin fest überzeugt, daß die deutsche Nation sich einem solchen Schiedsgericht nicht fügt und lieber den letzten Blutstropfen an die Behauptung Elsaß-Lothringens setzc. (Beifall rechtst Bebel: Wenn man mit solchen Anschauungen an diese Frage herantritt, ist freilich alles ver geblich. Die Schiedsgerichte sollen sich doch mit künftigen Streitfragen befassen. Baumbach: Wir haben auf dem interparlamentarischen Friedenskongreß die elsässtsche Frage gar nicht berührt, sie überhaupt als indiskutabel bezeichnet, weil sie durch den Friedensschluß erledigt ist; deshalb möge sich auch der Reichskanzler dieser Frage freundlicher gegenüberstellen.
Lalldesaachrichreu.
* Alten steig, 3. März. Am letzten Mittwoch ist in dem Frhrl. v. Gültlingenschen Wald Kegelshardt in einem 6—8jähr. Kultur- bcstand ein Brand ausgebrochen. Derselbe konnte durch rasche Hilfeleistung bald gelöscht werden, doch sind ca. 100 Pflanzen zu Grunde gegangen. Als Entstehungsursache wird fahrlässiger Umgang mit Cigarren vermutet.
' Altensteig, 3. März. Fast scheint der Frühling vor dem Zeitpunkt, den ihm der Kalender vorschreibt, seinen Einzug halten zu wollen, denn die ersten Tage des Lenzmonats sind so mild, daß der Schnee selbst aus Schluch- ten, Gräben und Wäldern, aus denen er sich bekanntlich sehr ungerne vertreiben läßt, zu verschwinden beginnt und auch die teilweise vom Dezember her noch übrig gebliebenen Eiskrusten
auf den Feldern und in den Gärten den warmen Sonnenstrahlen weichen. Freilich dürfen wir uns keine Hoffnung machen, daß nunmehr dem Winter endlich der Garaus gemacht ist, wir stehen ja erst im Beginn des März, der bekanntlich oft schon bittere Kälte und Schneemassen gebracht, so daß Lerchen und Staaren, soweit sie nicht bei Zeiten den Rückzug angetreten hatten, dutzendweise zu Grunde gingen. Es wäre daher auch keineswegs gut, wenn das dermalige laue Wetter länger anhtelte: was die Sonne jetzt hervorzauberte, würden spätere Fröste wieder vernichten. Ordentlich wohl thut es aber jedem, der, Monatelang in seine Vier- Wände etngesperrt, nunmehr ins Freie gehen kann, um Frühltngslust zu „kneippen".
* Stuttgart, 27. Febr. Der König hat dem Dlenstknecht Andreas Pfau von Dornhan, OA. Sulz aus dem allgem. Gratialienfonds eine Entschädigung von 1500 Mk. bewilligt. Pfau war wegen Diebstahls vom Landgericht Rottweil zu 2 Jahren 6 Monaten Zuchthaus verurteilt worden, die er auch verbüßte. Am 23. Dez. 1892 wurde er in Rottweil im Wiederaufnahmeverfahren als unschuldig fretge- sprochen, nachdem im Sept. 1892 der Insasse des Stuttgarter Zuchthauses, der Schneider Johannes Stöhr von Feckenhausen, OA. Rottweil, bekannt hatte, Thäter desjenigen Diebstahls zu sein, wegen dessen Pfau verurteilt worden war.
* Stuttgart, 2. März. Die am 5. Oktober 1891 vom hiesigen Schwurgericht wegen Verleitung ihrer Dtenstmagd zu Meineid zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilte Privatierswitwe Julie Keppler von hier, welche indes gegen Kaution auf freiem Fuß belassen worden ist, wurde rm Wiederaufnahmeverfahren in geheimer Sitzung des Kgl. Landgerichts wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit auf Grund eines Gutachtens des Obcrmedizinalrats Dr. v. Landenberger freigesprochen.
* (Verschiedenes.) In Westerheim wurde der 16jährige schwachsinnnige Berger von seinen rohen unnatürlichen Eltern schon seit längerer Zeit auf geradezu scheußliche Weise mißhandelt. Man fand bei einer Haussuchung das arme Kind siech und elenv in engem Raum zwischen dem Ofen und einer schadhaften Wand auf schmutzigen Lumpen liegend. Eine Zehe war ihm infolge der miserablen Behandlung abgefault. Die Rabeneltern wurden beide verhaftet. — Der Gemeinderat in Ulm hat für die Ergreifung des Mörders der Fräulein Selma Reuß 500 Mk. Belohnung ausgcsetzt. — Eines der gefährlichsten Schleudergcschäfre in Ulm, die Fama Alexander Holz, hat ihren Konkurs angemeldet. — In Unt erkür! heim wurde der 14jährige Sohn der W:twe Warth von 4 jungen Burschen überfallen und jämmerlich zugerichtet, so daß sein Aufkommen fraglich ist. — In Obertürkheim wurden vier junge Burschen, angeblich aus Hedelfingen, von einem verheirateten Mann, mit dem sie in Streit ge-
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2.
Das prächtige Herbstwetter lockte an diesem Sonntag nachmittag die Spaziergänger scharenweise aus den engen Straßen der großen Stadt hinaus ins Freie.
Die letzten, schönen Herbsttage mußte man wahrnehmen, Sturm, Frost und Regen konnten schon in der nächsten Nacht die Herrschaft an- treten und dann war's für lange Zeit mit dem Genießen der erfrischenden Gottesluft vorbei.
Auch an dem Hause des Medizinalrats flutete dieser Menschenstrom vorbei, der alte Herr mit dem weißen Haar und der weißen Halsbinde stand droben am Fenster und blickte gedankenvoll auf die Menge hinunter, manchen Gruß nicht gewahrend, der zu ihm hinauf gesandt wurde.
Im Hintergründe des geräumigen und mit kunstsinnigem Geschmack eingerichteten Zimmers saß eine stattliche Dame mit leicht ergrautem Haar auf dem Diwan vor dem Kaffeetisch, während ein noch junger, schlanker Herr auf dem weichen Teppich langsam auf- und niederschritt.
„Ich will deine Ansicht ja nicht bestreiten, liebe Mutter," sagte er in herzlichem Tone, „will auch zugebeu, daß ich jetzt in dem Alter bin, in dem man wohl an tue Gründung eines eigenen Herdes denken darf, aber das kann mich doch nicht bestimmen, eine Dame, für die ich nichts fühle, als meine Gattin heimzuführen. Du hast mir da verschiedene Damen vorgeschlagen, sie sind alle hübsch, alle liebenswürdig und alle vermögend, aber zu keiner einzigen von ihnen fühle ich jene Zuneigung, die ja doch die Grundlage späterer Liebe bilden muß. Wenn einmal die Rechte kommt, Mutter, dann werde ich nicht lange säumen."
„Ich sehe keine Möglichkeit, daß du jemals die Rechte finden wirst, wenn du uns nicht gestattest, sie für dich zu suchen, Gustav," erwiderte die Medizinalrätin. „Du bist vom frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein beschäftigt, verbringst deine Zeit nur in deinem Büreau und
im Gerichtssaal und denkst an nichts anderes, als nur an deine Prozesse und deine Akten."
Der Advokat war in der Mitte des Zimmers stehen geblieben, er strich mit der Hand langsam über den schwarzen, sorgsam gepflegten Vollbart und ein Zug schmerzlicher Wehmut umzuckte dabei seine Lippen,
„Doch, ich denke manchmal auch an andere Dinge," sagte er, „aber dann siud's keine erfreulichen Gedanken. Und die Rechte wird auch einmal kommen, verlaß dich darauf, für mich hat's keine Eile, ich kann noch warten. Mir fehlt ja nichts.so lange ich hier bei euch wohne und an eurem Tisch speise. Es fragt sich, ob die künftige Gattin in allen Dingen so liebevoll für mich sorgen wird, wie du es thust. Mutter."
„Man findet nicht immer in der Ehe die goldenen Berge, die man sich von ihr verspricht," nahm der Mediziualrat das Wort, während er aus den Kaffeetisch zuschritt; „ich glaube, Elisabeth Grüner hat dä? auch erfahren."
„Sie ist unglücklich gewesen?" fragte sein Sohn rasch.
„Unglücklich? Ich will das gerade nicht behaupten. Roderich Griesheim war kein roher Mensch, im Gegenteil, er zeigte sich stets sehr besorgt um seine Gattin, aber wü es mit den Einkünften ausgesehen hat, daraus bin ich nie klug geworden. Der Bruder Elisabeths und dieser Roderich Griesheim waren für mich immer problematische Naturen, der Himmel mag wissen, wovon sie gelebt haben."
„So werden die Sorgen die arme Frau doppelt bestürmen!" sagte der Advokat in erregtem Tone. „Griesheim wird Schulden hinterlassen haben — sprach sie bei deinem Besuch nicht davon?"
„Das ihren Freunden einzugestehen, ist sie zu stolz," schaltete die alte Dame ein, „sie wollte immer hoch hinaus. Ihre Eltern waren brave, vernünftige Leute, nur hätten sie bei der Erziehung ihrer Kinder die Zügel etwas straffer anziehen müssen." (Forts, folgt.)
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