m
Amtsblatt für
MgemewesKnMe^
v7>n äsn
AttenSteig.I'taöl.
AndMmhaltungzblattZ
obsi-sn >)/ü^oI
MH
M.27
Erscheint wöchentl. 3wal: Dienstag, Donnerstag u. Samstag u. kostet bei der Erped., sowie im OA.- Bezirk Nagold 90 außerhalb 1 ^ das Quartal.
Samstag den 4. März
Einrückungspreis der Ispalt. Zeile für Altensteig I und nahe Umgebung bei Imal. Einrückung 8 ^ ^ 893
bei mehrmaliger je 6 auswärts je 8 j
Amtliches.
Vermöge höchster Entschließung Sr. Moj. des Königs wurde der Amtskörperschaft und den Gemeinden des Bezirks Nagold als Beitrag zu den Kosten der Straßen- Unterhaltung die Lnimme von 18 190 Mk. für das Etats- iahr 1892/93 aus Staatsmitteln verwilligt.
Gestorben: Kaufmann Stotz, Hirsau; Justizrat Ocsterlen, Stuttgart; Kausmann Krauß, Reutlingen.
^ Der Handelsvertrag mit Rußland.
Seit den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts hat die russische Zollpoli ik dafür gesorgt, daß die chinesische Mauer, die zollpobtisch um Rußland errichtet ist, immer höher werde. Zwar haben schon früher gewisse Abmachungen zwischen der preußischen und russischen Regierung stattgefunden, denen zufolge die russische Zollschraube ohne Ende nicht immer in Bewegung blieb; aber Rußland war politisch stark, es Lnrachtete Preußen sozusagen kaum als etwas anderes, denn einen vorgeschobenen russischen Posten und kehrte sich infolgedessen an die Abmachungen, die noch aus der Zeit vor Gründung des deutschen Zollvereins datieren, nicht im mindesten.
Unter der Regierung des gegenwärtigen Zaren wurden d'e Zölle, die seitdem übrigens auch erschwerenderweise in Gold bezahlt werden mußten, so hohe, daß sie die Einfuhr nach Rußland fast fällig abschnitten. Man darf sich deshalb nicht wundern, wenn das inzwischen polstisch geeinte und erstarkte Deutschland Gegen- nioßregeln ergriff, die im Laufe der Zeit in Rußland sehr fühlbar wurden. Dieser Umstand hat in Petersburg die Geneigtheit hervorgerufen, mit dem industriell sich stetig entwickelnden benachbarten Deutschen Reiche zollpolttisch auf einen besseren Fuß zu kommen und man ist dieserhalb vor etwa vier Monaten in Vorbesprechungen und Vorverhandlungen eingetreten. Es wird nun von mehreren Seiten hberein- stimmend gemeldet, daß die Aussichten für das Zustandekommen eines deutsch-russischen Handels Vertrages die denkbar besten seien. i
Zwar giebt es in Rußland noch immer Personen von Einfluß, die eine hinzögernNk Behandlung der Angelegenheit bis zu dem Zeit
punkt vorziehen würden, wo sich übersehen ließe, ob Rußland überhaupt durch das Ergebnis seiner Ernte in die Lage kommt, Getreide auszuführen. Denn nur im bejahenden Falle hätte Rußland an der Beseitigung des deutschen Differentialzolles Interessen (Oesterreich und die andern Vertragsstaaten zahlen bekanntlich nur 3.50 Mk. Roggeuzoll, wogegen Rußland 5Mk. zu zahlen hat), während im anderen Falle jedes russische Zollzugeständnis vergebens gemacht wäre. Aber der Einfluß dieser Personen reicht nicht bis zu der entscheidenden Stelle. Der Zar wünscht den Handelsvertragsabschluß, und das Verdienst des russischen Botschafters in Berlin Grafen Schuwalow ist es, bei dem Zaren diesen Wunsch hervorgerufen und bestärkt zu haben. Die des- fallstgen Bemühungen des russischen Staatsmannes reichen zeitlich weit zurück; sie hatten den ersten größeren Erfolg in der Veranstaltung des Besuches des Großfürsten-Thronfolgers in Berlin und den entscheidenden Erfolg durch den Verlauf dieses Besuches selbst. Unterredungen des russischen Thronfolgers mit dem Kaiser und mit den diesseitigen Staatsmännern, auf deren Stimme man in Petersburg besonderes Gewicht legt, schufen eine Stimmung, die die Verständigung leicht machte.
Hüben und drüben war der Wunsch lebendig, zn einer Vereinbarung zu kommen, die weniger Selbstzweck als der Ausdruck dafür sein sollte, daß die Zeit der Spannung vorüber sei. In Rußland war seit dem Berliner Kongreß ein Gefühl der Kränkung zurückgeblieben. Gort- schakow hatte Bismarcks Stellung als „ehrlicher Makler* in Rußland schwer verdächtigt, und wenn auch der Zar sich dem Alt-Reichskanzler gegenüber immer sehr huldvoll gezeigt hat, so war doch die panslawtstische Partei ein unerbittlicher Gegner. Daß Bismarck heute noch und bei jeder Gelegenheit einer Verständigung mit Rußland das Wort redet, ändert an dieser Thatsache nicht das geringste. Das in Rußland stark verbreitete Mißtrauen gegen Deutschland soll möglichst beseitigt werden und deshalb tragen und trugen die Verhandlungen über den
deutsch-russischen Handelsvertrag weit mehr einen politischen als einen wirtschaftlichen Charakter. Die diesseitigen Sachverständigen und Interessenten wurden befragt, den Ausschlag aber gab das politische Interesse, das verlangte, daß man der russischen Regierung von deutscher Seite den Beweis vertrauenden Entgegenkommens gab. Deshalb hat man sich hier bereit finden lassen, Rußland in zwei Punkten nach dessen Wunsche Zugeständnisse zu machen, nämlich in betreff des Getreidezolls und des Holzzolls. Beide Zölle sollen auch Rußland gegenüber auf den Betrag ermäßigt werden, der für österreichischungarische Provenienzen gilt.
Daß die deutschen Landwirte in allen ihren Vereinigungen sich mit großer Entschiedenheit gegen die Kornzollermäßigung für Rußland ausgesprochen haben, sei hier nur des Gegensatzes wegen erwähnt. Die russische Gegenleistung bezieht sich im wesentlichen auf zwei Artikel: landwirtschaftliche Masch nen und Kohlen. Elftere werden nahezu zollfrei nach Rußland eingeführt werden dürfen, während die Kohlen auf dem Landwege keinen höheren Zoll tragen sollen, als wenn sie zu Wasser kommen.
Das Schwergewicht des Vertrages, darauf muß noch einmal hingewiesen werden, liegt nicht in seinen Einzelbestimmungen, sondern darin, daß er überhaupt freundschaftliche Beziehungen anbahnt und zum Ausgangspunkt größerer Annäherung zu werden verspricht.
Deutscher Reichstag.
* Berlin, 27. Febr. Der Präsident teilt den Tod des Abg. Bödiker (Zentr.) mit. Das Haus erledigte die erste Beratung der Abänderung der Maß- und Gewichtsordnung. Die Wahl Ahlwardts wird giltig erklärt. Dazu wird der Antrag Knörke, betr. die Untersuchung einer Anzahl Wahlproteste, gegen die Stimmen der Rechten angenommen. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurde der Jusiiz- etat ohne erhebliche Debatte erledigt.
* Berlin, 28. Febr. Zweite Beratung des Etats des auswärtigen Amtes. Sctpto
(Nachdruck verboten.)
Der zweite Mann.
Erzählung von Ewald August König.
(Fortsetzung.)
„Ich wollte mir nur eine Frage erlauben," erwiderte der Agent zögernd, „ich bitte wegen der Störung tausendmal um Entschuldigung —"
„Nur heraus damit!"
„Sie haben den kürzlich verstorbenen Herrn Griesheim behandelt —"
„Griesheim?"
„Rodrich Griesheim, Herr Doktor."
Der Arzt blätterte in dem Buch, das vor ihm lag und nickte zustimmend.
„Griesheim, richtig, da steht's," sagte er, „der Mann ist tot —"
„Sind Sie überzeugt, daß er eines natürlichen Todes gestorben ist?"
Bei dieser unerwarteten Frage blickte der Doktor betroffen auf.
„Sind Sie es vielleicht nicht?" erwiderte er.
„Ich kann darüber nicht urteilen, da ich kein Arzt bin."
„Mit wem habe ich die Ehre?"
„Hermann Schüller, Agent verschiedener Versicherungsgesellschaften. Ich bin Generalagent der Lebensversicherungsgesellschaft, deren Mitglied Herr Griesheim war."
„Ah und in dieser Eigenschaft richten Sie die Frage an mich?"
„Jawohl."
„Na, dann will ich Ihnen darauf antworten, daß ein sehr natürlicher Blutsturz dem Leben dieses Mannes ein Ende gemacht hat. Ich bin mitten in der Nacht gerufen worden, konnte aber keine Hilfe mehr bringen; am nächsten Morgen war der Patient eine Leiche."
„Er ist früher beerdigt worden, als das Gesetz es gestattet."
„In solchen dringenden Fällen erlaubt das Gesetz die frühere
Beerdigung; ich habe mich im Sterbehause selbst von der Dringlichkeit des Falles überzeugt, es war mir, dem Arzte, nicht möglich, in das Zimmer zu gehen, in dem die Leiche lag. Genügt Ihnen das?"
„Es würde mir sehr lieb sein, wenn ich darüber ein Attest von Ihnen erhalten könnte."
„Wenn Sie es bezahlen, weshalb nicht?"
„Sehr gern."
Der Doktor legte einen Bogen Papier vor sich und schrieb einige Zeilen nieder, die er Unterzeichnete und mit seinem Siegel versah, und bereitwillig zahlte der Agent das verlangte Honorar.
„Sie würden also raten, die Summe auszuzahlen?" fragte der letztere.
„Ich habe Ihnen in dieser Angelegenheit keinen Rat zu erteilen," entgegnete der Arzt; „aber wollen Sie einen solchen von mir annehmen, so kann es nur der sein, wegen der Zahlung keine Schwierigkeiten zu machen — würde ein Prozeß gegen Sie angestrengt, so müßten Sie ihn verlieren."
„Ich danke Ihnen, das war's was ich wissen wollte."
„Na, und es wäre vielleicht der Sachlage angemessen, wenn Sie der jungen Witwe die Summe recht bald zahlen wollten, fuhr der Doktor fort; „in solcher Lebenslage ist es immer ein Trost, bares Geld im Hause zu haben."
Der Agent verneigte sich zustimmend und eilte in seine Wohnung zurück.
Seine Zweifel waren gehoben, das Attest des Doktors hatte die letzten Bedenken beseitigt; jetzt galt es, Grüner an der Ausführung seiner Drohungen zu verhindern.
Eine Stunde späterbrachte der Agent ein Schreiben an die Direktion seiner Gesellschaft zur Post, dem er das Attest beigefügt hatte.