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gleicher Weise geholfen hat, wie bei dem zweiten Entweichen. Man nimmt sogar an, daß all da» abenteuerliche Drum und Dran bei beiden Entweichungen (die durchsägte» Gitter, der Strick usw.) lediglich markiert wurde, um den Verdacht einer „Flucht" zu erwecke», während in Wirklichkeit Paffy aufrechten Gange» die Türe« und Gänge passiert hat, die ihm Metzger mit dem Schlüssel sorglich geöffnet hatte. Metzger ist 27 Jahre alt und nicht verheiratet. Er ist von Sindringe» OA. Oehringev gebürtig.
Oehringen 20. Aug. Vor dem Güterschuppen explodierte gestern auf einem Wage« rin zur Beförderung in die Stadt bestimmte» Paket Feuerwerk»körper. Mit heillosem Geknatter ging der ganze Inhalt in die Luft. Zum Glück waren sofort Leute bei der Hand, die die gefährliche Ladung auf die Straße warfen und die Umgebung unter Wasser setzten, sodaß die Befürchtung, daß bei der schrecklichen Trockenheit ein Schadenfeuer entstehen könnte, sich al» grundlo» erwies. Untersuchung ist eingeleitet.
Gmünd 19. Aug. (Leset Zeitungen!) Die Sommerarbeiten veranlassen da und dort noch manchen Bewohner de» flachen Landes, in der heißen Jahreszeit auf die Haltung einer Tageszeitung zu verzichten. Daß e» sich auch räche« kann, wen« man keine Zeitung liest, in der die amtlichen Anzeigen stehen, konnte man hier am letzten Viehmarkttag an den Toren sehen. E» erschieuen immer wieder Zutriebe ohne Bescheinigung de» Schultheißen- oder Anwaltamte», die alle zurückgewiesen werden mußten. So haben die Leute den teilweise weilen Weg umsonst gemacht. Die Entschuldigung, da» hätten sie nicht gewußt und nicht gelesen, denn im Sommer käme» sie sonst ohne Blatt au», half nicht». Die kleine Ausgabe für eine Zeitung hätte sich diesmal gut rentiert.
Lorch, 20. Arg. (Grobfeuer.) Im nahen Wald Hausen brach gestern abend zehn Uhr in einem von dem 89 Jahre alten früheren Gemeinderat Georg Schmidt allein bewohnte« Hause Feuer aus, da» mit rasender Schnelligkeit um sich griff und außer dem Schmidtsche« Anwesen sechs weitere Wohngebäude nebst den Scheune» und Stallungen einäscherte. Unter den abgebrannten Häuser» befindet sich auch das frühere Rathau». Acht Familien sind obdachlo» geworden.
Friedrichshafen 18 Aug. Das von der Heeresverwaltung beim Zeppelin-Luftschiffbau bestellte Luftschiff für die deutsche Armee wird bereit» Ende September geliefert werden könne». An der Herstellung de» Schiff« wird mit allen Mitteln gearbeitet. Da» Luftschiff wird nur 132 m lang; e» wird einen möglichst ge
ringe» Rauminhalt erhalten. Die Eigengeschwindigkeit soll mindesten» 16—17 w in der Sekunde betragen, also erheblich größer sei», al» die seitherigen Geschwindigkeiten der bi»her erbauten Type.
Von der badischen Grenze 19.Aug. In Kirchdorf stürzte die massive Stallung de» Landwirt« Franz Xaver Weiß haar, während der Eigentümer und seine Angehörigen sich auf dem Felde befanden, unter donnerndem Getöse ein. Unter den Trümmern waren 8 Stück Vieh begraben, von denen eine Kuh sofort geschlachtet werden mußte und mehrere andere Tiere schwer verletzt wurde». Bi» Wrißhaar und seine Leute vom Felde eintrafe», machte sich die Einwohnerschaft hilfsbereit an« Rettungswerk. Oberhalb de» Stalle» waren große Vorräte von Heu und Garben, die nun zwischen de» Trümmer« liege».
T In Dillstein bei Pforzheim brannte« am SamSlag da» Sägewerk der Gebrüder Gengenbach samt' den Holzvorräten, einem 2'/»stockigen Wohnhaus und noch 7 über der Straße gelegene Wohn- und Geschäftshäuser nieder; darunter da» Gasthaus zum Adler. Nach 4stüudiger Bekämpfung de» Feuer», von nachmittag» '/r5—'/-9 Uhr, seitens der Ort»feuerwehr, sowie der Feuerwehren von Pforzheim, Brötzingen, Büchenbronn und Huchenfeld war die Gefahr der Weiterentwicklung abgewendet. Vor 10 Jahren ist da» frühere Sägewerk schon einmal abgebrannt. Der jetzige Gesamtschaden de» Brandes dürfte 200000 ^ übersteige».
Baden-Oo» 20. Aug. Da» Luftschiff „Schwaben" unternahm heute 2 Fahrten; die erste schon früh 6.30 Uhr mit 18 Paffagiere», die zweite um 8.10 Uhr mit 14 Passagieren. Für morgen Montag ist Ruhetag vorgesehen. Am Dienstag werden die Fahrten wieder ausgenommen.
Heidelberg 16. Aug. (Die verunglückte Luftpost.) Bei der letzten Fahrt de» Luftschiffe» „Schwaben" nach Frankfurt ist eine au» dem Luftschiff geworfene Postsendung auf merkwürdige Weise verloren gegangen. Die neun Mitreisenden hatten in der Kabine eifrig Luftpostkarte» geschrieben. Diese wurden nun mit dem Stempel der Delag versehen und auf aufgerollt in eine Papphülse gesteckt, die 50 ^ Finderlohn enthält und de» Finder ersucht, die Karten in den nächsten Postkasten zu stkcke». Kurz vor Heidelberg wurde da» Paketcheo, da» zur besseren Kenntlichmachung mit bunten, leicht flatternden Bändern versehen ist, zur Kabine hinau»geworfe«. Schnell sank e« hinab und verschwand mitten in die schwarzberußte Oeffnung eine» Kamin». Dieser
de» Grafe» Paffy gemutmaßt worden ist: er hat Helfershelfer zu seiner Befreiung gehabt, aber nicht nur einen, der von außen kam und ihn abholte, sonder» »och einen zweite», der innen im Gefängnis selbst für ihn arbeitete und de« Weg zur Freiheit ihm ebnete. Man nimmt nach den Informationen der Neckarzeitung an amtlicher Stelle an, daß Metzger mit dem Berliner Helfershelfer Paffy, einem Schlosser, der in seinen Kreisen „Franz" heißt, in Verbindung stand, schon vor dieser Flucht, ebenfall» auch schon vor der ersten Flucht, zu der er wohl auch geholfen hat. Dieser Schloff» „Franz" ist e» zweifellos, der den Einstieg in» Gefängnis a«»- geführt hat, er hatte von Berlin etwa 1000 ^ mitgebracht und sich dadurch wohl die Hilfe drS Metzger erkauft. Der Verdacht, daß bei der Flucht auch Hilfe innerhalb de» Hause» mitgewirkt haben könnte, war bei den Gerichtsbehörden sogleich nach der Untersuchung aufgetaucht, er fand seine Bestätigung und führte zu der Verhaftung de» verdächtigen Gefängnisgehilfe» Metzger auf Grund der Beobachtung eine» Malerlehrling», der an jenem kritischen Montag — dem Tag der Flucht — nachmittag» an der Rückwand de» Gebäude» gearbeitet hat, da» bi»her da» Bezirkskommando enthalten hat. Hier stand der Malerlehrling auf einer Leiter, ziemlich hoch oben, und konnte von da aus gerade noch da» Fenster sehe«, durch da» die Flucht erfolgt ist. Zwischen 5 und 6 Uhr nachmittag» bemerkte er, wie durch da» Gitter an einem der Stäbe eine Hand sich immer hin und her bewegte, hie und da kam auch ein Stück de» Aermel» mit zum Vorschein, ein dunkle» Stück Stoff, wie e» zu den Uniforme» der Gefangenenwärter verwendet wird. Dabei hat er ei» knirschende» Geräusch gehört. Der junge Mann, dem dies zwar ausfiel, schenkte der Beobachtung nicht die Bedeutung, die si; verlangte, erst als die Flucht Paffy« bekannt wurde und die ihn dann zur Erstattung einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft veranlaßte. Die Folge war, daß der verdächtige Gefängni»gehilfe Metzger festgenommen wurde. S» wurde nämlich auch festgestellt, daß Metzger vor einiger Zeit ein Paket au» Potsdam erhalten hat, da» vermutlich die Kleider enthielt, in denen Paffy entfloh »nd die er — e» ist da» wohl möglich — schon in seiner Gefängniszelle in aller Ruhe angezoge« hat. Metzger leugnet beharrlich jede Beziehung zu den Verbrechern und jede Beihilfe zur Flucht- Demgegenüber aber bleibt der Malerlehrling, ein durchau» glaubwürdiger junger Mann, bei seinen Aussagen über die gemachten Beobachtungen. An amtlicher Stelle hat man die sichere Ueberzmgung, daß Metzger, dem die Beaufsichtigung Paffy» speziell übertragen war, auch bei der erste» Flucht dem Gauner in
Wohl »ahm sie al» selbstverständlich an, daß man auch sie benachrichtige» würde, aber der Diener mußte vielleicht schon au» praktischen Gründen eher verständigt werde«. Köchin und Stubenmädchen, die bereit» seit 15. Juni auf die Rückkehr der Herrschaft warteten, mußten ja dann benachrichtigt und allerlei kleine Vorkehrungen zum Empfang getroffen werden.
Fra« Lore ging immer nur bi» an da» Tor von Retiro, um zu fragen. Erst al» endlich dar ersehnte Telegramm an den Diener da war und mitteilte, daß Lanzendorf» am 20. abend» ankämen, entschloß sie sich, in da» Innere einzutrete».
Sie mußte doch sehen, ob alle» in Ordnung war. Staunend, ganz verschüchtert von all der Pracht, durchschritt sie die Räume.
Da» mußte man Ferry lasse», Geschmack besaß er. Wie eine Königin würde Assunta e» hier haben, obwohl e» außer Bade- «nd Diener- zimmer nur vier Räume gab, den» die Mansardenzimmer standen leer und im Erdgeschoß wohnten die Mägde.
Die Treppe war mit Teppichen belegt und in de» Ecken standen Blattpflanze». Wa» Frau Lore am meiste» entzückte, war die Halle. Welch gemütlicher Raum! Auch sie malte sich sogleich au», wie reizend hier an langen Winternachmittage« Plauderstündchen sein würde», und die Zukunft lag mit einemmale in hellstem Lichte vor ihr.
Dann begann sie zu überlegen. Blumen mußten überall hin, dunkelrote Rose«, wie Assunta sie so sehr liebte, «nd hierher, in die Halle, wollte sie ihre» große» Azaleevbaum trage« lassen, der über «nd über in Blüte stand. Sie pflegte ihn seü 15 Jahren und war ihr Stolz. Nu» sollte er Assunta gehöre», damit doch etwa» au» dem Elternhau» unter all den fremde« Herrlichkeiten stand.
Sie fragte de» Diener, ob Lauzendorf Verfügung bezüglich de» Abendessen» getroffen habe?
Nein, der Herr Direktor hatte nur befohlen, daß die Köchin irgend eiue« warme« Imbiß bereithalte« solle.
„Gut," dachte Fra« Lore befriedigt, „diesen ersten Imbiß will ich
ihnen bereiten. Barbe mag mithelfen und dann tragen wir alle» herüber. Später fiel e» ihr ein, daß e» noch klüger wäre, Barbe in die Villa Retiro zu installiere» und erst fortzuschicke», bis alle» fix und fertig sei. Aufträgen mochte dann da» neue Stubenmädchen. Sie selbst wollte ihr Kind nur begrüßen, ihm möglichst schonend die Trauernachricht Mitteilen und dann still nach Hause gehen. Denn natürlich wollte da» junge Paar de« erste« Abend im eigene» Heim für sich allein habe».
Nu» begann sie eine fieberhafte Tätigkeit zu entwickeln. Poulard» wurde« gekauft und ein schöner Rheinlach» — Ferry hatte einmal fallen lassen, daß er Rheinlach» mit Mayonnaise gern esse — eine Marzipantorte wurde gebacken — wie er sie liebte, und die kleine« Käsepastetchen, die er auch einmal gelobt hatte.
Schließlich kam e» ihr zum Bewußtsein, daß der Speisezettel eigentlich nur Lanzendorf» Geschmack berücksichtige und sie entschloß sich rasch, für Assunta noch Cremetörtchen zu bereite» und ihr ein halbe« Pfund Pralinee auf da» Nachttischche» zu stelle».
Für Ferry mußten natürlich feine Zigarre» bereit sein. Dabei mußte ihr Peter Lott helfe«, der würde sich ja wohl darauf verstehen. Nur die besten, mochten sie kosten, wa» sie wollten. Auch ägyptische Zigarette» — Lanzendorf rauchte solche gern und man konnte doch nicht wiffe«, worauf er gerade Lust habe.
Den Tisch deckte Frau Lore selbst. Sie fand eine Menge Dinge in ihrem Silberkasten, die in „Retiro" nicht vorhanden waren, und bei dieser Gelegenheit stillschweigend in den Besitz Assunta» übergehen sollte».
Besonder» der kostbare alte Aufsatz au» getriebenem Silber, ein Familienstück, da» nur zu festlichen Anlässe« im Hause Fabriziu» hervor- geholt wurde. Affunta würde sich freuen, ihn nun zu besitzen. Sie hatte die drei Grazien, welche eine feingeschliffene Glasschale trugen, schon al» Kind immer bewundert, und e» war auch wirklich ein Prachtstück.
(Fortsetzung folgt.)