Organ der Zentralleitung des Wohlthätigkeits- vereins für Württemberg, in dem darauf hin gewiesen wird, daß in vielen Bezirken nur eine einzige Annahmestelle für Sparkassen vorhanden sei; in 11 Bezirken nämlich in den Oberämtern Böblingen,Calw, Künzelsau, Marbach,Oehringen, Rottenburg, Rottweil, Sulz, Waiblingen, Waldsee, Weinsberg existieren zur Zeit überhaupt noch keine eigenen Oberamtssparkassen. Eine Vermehrung der Spargelegenheit sei aus volkswirtschaftlichen Gründen dringend zu wünschen, um so mehr als Württemberg in dieser Hinsicht andern Ländern nachstehe. — Des weiteren wird an die württembergische Sparkasse die Mahnung gerichtet, auf eine produktivere Anlage der Sparkasseneinlage mehr bedacht zu sein; die Anlegung der Sparkassengelder in Jnhaberpapieren solle möglichst beschränkt werden und, wie dies schon früher von den Handelsund Gewerbekammern des Landes gewünscht worden sei, das Ausleihen auf Hypothek an mittlere und kleinere Bauern u. Gewerbetreibende in höherem Maße betrieben werden.
* Stuttgart, 23. Febr. Die Papstfeier der Stuttgarter Katholiken hat für den Peterspfennig nach der vorläufigen Berechnung einen Ueberschuß von rund 1000 Mk. ergeben.
* Stuttgart, 24. Febr. Gestern abend brachten circa 160 Sänger des Liederkranzes Ihren Maj. dem König und der Königin im Weißen Saale des Residenzschlosses anläßlich des Geburtstages des Königs durch Liedervorträge eine Huldigung dar. Oberpostmeister a. D. Steidle hielt eine Ansprache. Darauf boten die Sänger das Beste aus ihrem Liederschatz. Nachher wurden sie im anstoßenden Saale bewirtet. Der König dankte in kräftiger Rede für die Huldigung und den Kunstgenuß und schloß mit den besten Wünschen für den Verein. Beide Majestäten unterhielten sich leutselig mit mehreren Sängern. Noch dem Vortrag eines Huldigungsgedtchts wurde ein Hoch auf die Majestäten ausgebracht, in welches die Sänger begeistert einstimmten.
* (Verschiedenes.) In Oberndorf stürzte sich ein etwa 16jähriges dortiges Mäd- chen in selbstmörderischer Absicht in den Kanal der Wasfensobrik. Durch hinzueilende Arbeiter konnte es noch rechtzeitig dem nassen Elemente entrissen werden. — In Binsdorf kam der ledige Steinhauer Stehle von dort, der bei Steinhauermetster M. daselbst mit Abräumen beschäftigt war, dadurch ums Leben, daß loslösende Erde und Steine über ihn her fielen und er Verletzungen am Kopfe und einen Bem- bruch davontrug, an denen er starb. — Aus Aalen wird berichtet: Das Scharlachfieber treibt immer noch sein Unwesen in unserer Gegend. Im Laus der letzten 4 Wochen starben hier in einer Arbeiterfamilie 2 ältere Kinder, am Donnerstag folgte ihnen der Vater nach und am Freitag ein drittes, ebenfalls schon größeres Kind, so daß die Mutter nun allein in der Welt steht.
* Bayreuth, 24. Febr. Im Steinbruche Boxberg wurden 5 Arbeiter verschüttet. Drei davon find tot, die andern wurden verletzt.
* In St. Ingbert (bayer. Pfalz) hat eine Dienstmagd ihr soeben geborenes Kind lebendig im Ofen verbrannt. Die Kindsmörderin hat die scheußliche Thrt eingestanden.
' Weimar. Die hiesige Bürgerschaft be- findet sich in großer Aufregung. In der Sitzung des Gemeinderates am Freitag find dem Oberhaupte der Stadt, dem Oberbürgermeister Pabst, von einem Mitglicde der Versammlung namens Grosch Ohrfeigen angeboten worden. Der Anlaß war ein ganz geringfügiger. Die Versammlung beschloß einstimmig auf Antrag des Vorsitzenden, eine Erklärung zu Protokoll zu nehmen, dahingehend, daß der Oberbürgermeister zwar ebenfalls die Grenzen der Sachlichkeit, der Herr Grosch aber die Grenzen parlamentarischen Anstandes und parlamentarischer Sitte überschritten habe. Der Oberbürgermeister hat sein Entlassungsgesuch eingereicht. Wie es heißt, besteht er darauf, auszuscheiden, wenn Grosch Mitglied des Gemeinderats bleibt. Die Stadt befindet sich dadurch in schwieriger Lage, deren Lösung möglicherweise, falls nicht Herr Grosch freiwillig sein Amt niederlegt, nur durch Auflösung des Gemetnderats bewirkt werden kann.
* Berlin, 24. Febr. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." erfährt, sandten die Erben des kürzlich verstorbenen Bankiers von Bletchröder an den Oberbürgermeister von Berlin 100 000 Mk. zur sofortigen Verteilung an die Armen.
* Berlin, 24. Febr. Der Kaiser begab sich heute vormittag halb 10 Uhr zum Reichskanzler Grafen Capcivi, um denselben zum Geburtstage zu beglückwünschen. Der Kaiser verlieh ihm bei dieser Gelegenheit einen prachtvollen Ehrensäbel.
* Berlin, 24. Febr. Rektor Ahlwardt wurde heute nachmittag aus der Haft entlassen.
* Berlin, 24. Febr. Die „Nordd. Allg. Ztg." greift sehr scharf die „Kreuzztg." an wegen der Angabe falscher Thatsachen über den Körneranbau in Deutschland, welcher nicht einschrumpfe, sondern anwachse. Von 1879 bis 1890 sei die Anbaufläche um 400 000 Hektar gewachsen.
* Berlin, 25. Febr. Die „Germaniasagt gegenüber der Behauptung, daß der Druck der Mtlttärlast ein ganz erträglicher sei; es gebe zahlreiche Kleinbauern, Handwerker und Handarbeiter, die bis zu 20 Prozent ihres Einkommens allein an indirekten Steuern zahlen.
' (Schöne Aussicht! Man schreibt der „Allg. Ztg." aus Berlin: Im Reichstage beginnt man mehr und mehr den Jesmtenantrag des Zentrums als ein politisches Moment der Situation in Rechnung zu stellen. Nachdem der freisinnige Abg. Alexander Meyer un Abgeordnetenhause erklärt hat, daß seine Partei für den Jesuitenantrag stimmen werde, ist diesem die Mehrheit gesichert, und die Zurückhaltung deS
jährige treue Dienstzeit zur Verteilung und wurden folgende Herren hiemit bedacht: Tierarzt Bühler, SchuhmachermeisterMüller, Georg Buob, Rotgerber, Louis Maier zum Schwanen und Fr. Henßler, Färber. Uebergeben wurden die Ehrenzeichen durch Hrn. Stadtschultheiß Welker und es wohnte dem feierlichen Akte die gesamte Feuerwehr an. — Die Petition an den Reichstag gegen die Zulassung der Jesuiten hat in Württemberg 146 681 Unterschriften erhalten. Im Dekanatamtsbezirk Nagold bekam die Petition 3104, Freudenstadt 3413, Calw 3345 Unterschriften.
-r. Alten steig, 26. Febr. Am gestrigen Geburtsfest Sr. Majestät wurden 4 Holzmacher, welche 50 Jahre lang mit Holzmachen in den Staatswaldungen beschäftigt waren und so bet harter Arbeit ergrauten, recht überrascht und beglückt. Die Herren Oberförster hatten höheren Orts die Weisung empfangen, den betreffenden am Geburtstag des Königs ein Dekret und je 50 Mk. zu übergeben. Zwei der also Beschenkten sind im Revier Enzklösterle einer im Revier Hofstett und einer im Revier Pfalzgrafenwetler.
* Alten steig, 26. Febr. „Nach Chigaco!" ruft's in allen Tonarten in den Blättern und Mancher denkt, nun mit so 1000 Märklein ließe sich vielleicht der Rummel dort ansehen. Diesen ein kleines Rechenexempel: Die Reise allein mit allem was drum und dran hängt, kostet 1000 bis 1200 M.! Die Zimmer in Chigaco sind auch nicht billig und kostet ein kleiner Winkel täglich mindestens 15 M.! Die Preise für Essen, Trinken, Fuhrwerke, Trinkgelder ec. rc. nehmen Tag für Tag 30—35 M. in Anspruch, so daß also die Summe von 50 M. per Tag zu rechnen ist. Diese Rechnung ist noch sehr niedrig gegriffen!
-r. Eb Hausen, 25. Febr. Unser neuer Lehrer, Steinle von Ueberberg, ist nun hier aufgezogen. Wie beliebt er auf seiner vorherigen Stelle war, davon zeugt der schöne Abschied, der ihm dort bereitet wurde und die zahlreiche Begleitung, die ihm hieher auf seine neue Stelle das Geleite gab. Aber auch Eb- hausen empfing den Lehrer und seine Familie wie selten ein Lehrer empfangen wird. Auf der Bahnstation wurde Steinle vom Hrn. Ortsgeistlichen, Hrn. Schultheißen, den Kollegien und den Schülern begrüßt. Eine Schülerin trug ein hübsches Gedicht vor. Sodann wurde der neue Lehrer mit Familie ins Waldhorn begleitet, wo ein Festessen bereitet war. Ehre solchen Gemeinden, die wie Ueberberg den Erzieher ihrer Jugend verabschieden und wie Ebhausen empfangen.
x Pfalzgrafenweiler, 25. Februar. (Eingesandt.) Gestern wurde hier ein Kalb gewogen, welches 210 Pfd. Gewicht hatte. Dasselbe ist in einem hiesigen Stall gefallen und war ca. 6 Wochen alt. Gewiß ein schöner Erfolg rationeller Rindvtehzucht!
* Stuttgart, 23. Febr. Wohl zu beachtende Ratschläge in Sachen unseres württem- bergischen Sparkassenwesens enthält das offizielle
Der- zweite Wann, ^ruck °erb°i-n.)
Erzählung von Ewald August König.
(Fortsetzung.»
Mit dankbarem Blick schaute die Witwe zu ihm auf, den Druck seiner Hand leicht erwidernd.
„Ich weiß, daß Sie meinen Eltern und auch mir stets ein treuer Freund gewesen sind", erwiderte sie; „ich danke Ihnen dafür wiederholt von ganzem Herzen und bitte Sie, mich Ihrer verehrten Frau recht warm zu empfehlen."
Der Medizinalrat hatte kaum das Zimmer verlassen, als die Portiere, die dieses Gemach mit dem anstoßenden Raume verband, zurückgezogen wurde und ein elegant gekleideter Herr eintrat, der nur um einige Jahre älter sein mochte, wie die junge Frau.
Seine äußere Erscheinung war ziemlich unbedeutend, trotz des eleganten Anzugs, trotz der schweren, goldenen Uhrkette und des Solitärs, der an seiner feinen, wohlgepflegten Hand blitzte: eine kleine, untersetzte und etwas stark beleibte Gestalt mit wulstigen Lippen und einer flachen, niedrigen Stirn, unter der die dunklen Augen in leidenschaftlichem Feuer blitzten.
„Wir haben also den Schein, Elisabeth? fragte er, indes sein lauernder Blick sich auf die Papiere heftete, die auf dem Tische lagen.
„Jawohl, Bruder," erwiderte sie und ein spöttisches Lächeln umzuckle dabei ihre Lippen, „ich sagte dir ja, daß er kein Bedenken tragen würde. Nun aber muß unverzüglich gehandelt werden, ich finde keine Ruhe mehr."
„Geduld, Geduld!" unterbrach er sie, während er das Attest des Medizinalrats prüfte und sein Portefeuille aus der Tasche holte, um das Dokument hineinzulegen. „Wir können jetzt mit voller Sicherheit auf- treteu, du darfst mir das alles ruhig überlassen.
„Und wenn die Gesellschaft sich dennoch weigert?" fragte sie in besorgtem Tone.
„Unsinn! Kann sie einen besseren Beweis als dieses Dokument fordern? Sie wird's nicht wagen, Schwierigkeiten zu machen, ist sie doch eine der jüngsten Versicherungs-Gesellschaften, die nur durch prompte und kulante Erfüllung ihrer Verpflichtungen die Konkurrenz aus dem Felde schlagen können. Ich werde den Herren Direktoren zu verstehen geben, daß ich entschloßen bin, ihre Abwickelung dieser Angelegenheit öffentlich in der Zeitung zu besprechen, und ihnen muß viel daran liegen, daß diese Besprechung eine Reklame für ihre Gesellschaft wird.
Frau Elisabeth Griesheim strich mit dem Taschentuch leicht über die Stirn, ihre dunklen Augen ruhten noch immer voll ängstlicher Erwartung auf dem Bruder, der langsam auf und nieder wanderte.
„So bist du überzeugt, daß wir das Geld erhalten werden?" fragte sie. „Wir dürfen nicht vergessen, daß es eine große Summe ist."
„Pah, welche Bedeutung haben zehntausend Thaler für eine solche Gesellschaft? Kann an dem Tode deines Mannes gezweiselt werden, wenn ich das Attest des Medizinalrats Varnay vorlege? Und wenn sie noch weitere Beweise verlangen, können nicht sämtliche Bewohner dieses Hauses bezeugen, daß die Leiche aus zwingenden Gründen vor Ablauf der gesetzlichen Frist beerdigt werden mußte? Und haben wir nicht in bezug auf die Todesursache das Zeugnis des Doktors Kleinschmidt ? Hat er sich nicht mit eigenen Augen von dem furchtbaren Blutsturz überzeugt? Das Pech, ein so hoch versichertes Mitglied schon im zweiten Jahre zu verlieren, ist allerdings unangenehm für eine junge Gesellschaft, aber hat sie das Risiko übernommen, so muß sie es auch tragen."
„Und wenn es zum Prozeß kommen sollte," erwiderte Frau Elisabeth, „dann wird der RechtsanwaltDr. Varnay seine Ansprüche energisch vertreten."